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Elftes Kapitel.

In welchem die Geschichte fortgesetzt wird.


Joseph Andrews hatte mit dem größten innern Groll das unverschämte Benehmen des Stutzers Didepper gegen Fanny beobachtet, indem derselbe sich sehr leichtfertige Reden gegen sie erlaubte, und ihr entehrende Anträge machte; doch die Achtung vor der Gesellschaft hatte ihn noch zurückgehalten, so lange der Laffe sich nur auf den Gebrauch seiner Zunge beschränkte; als aber derselbe die Gelegenheit ersah, da die Augen der Damen anders wohin gerichtet waren, und auch seine Hände an dem Spiel Theil nehmen zu lassen sich erkühnte, versetzte ihm Joseph, sobald er es bemerkte, eine so derbe Ohrfeige, daß der unglückliche Galan mehrere Schritte von der Schönen zurücktaumelte. Die Damen sprangen kreischend von ihren Stühlen auf; der Stutzer aber zog, sobald er wieder zur Besinnung gekommen war, seinen Hirschfänger, was Adams kaum wahrnahm, als er mit der Linken den Deckel eines großen Kochtopfes ergriff und ihn, wie ein Schild vor sich haltend, ohne alle Angriffswaffe in der andern Hand, vor Joseph trat; auf diese Weise sich dem tobenden Stutzer aussetzend, der mit Tod und Verderben drohte, so daß die sämmtlich in eine Ecke sich zusammendrängenden Frauen vor Furcht und Schrecken ganz außer sich waren. Joseph, der die Sache anders nahm, bat den Pfarrer, dem Herrchen da nicht den Weg zu vertreten, denn er habe einen guten Knittel, und fürchte Jenen sammt seinem Hirschfänger nicht im mindesten. Fanny sank jetzt ohnmächtig in der Mistreß Adams Arme, und Alles gerieth in die äußerste Verwirrung, bis Herr Borby vor dem hinter dem Topfdeckel lauernden Pfarrer vorbei auf Didepper zuging, um mit dem Versprechen ihm Genugthuung zu verschaffen – wozu sich Joseph gleich bereit zeigte, mit welchen Waffen es auch sein möge – ihn aufforderte, den Hirschfänger wieder einzustecken. Der Stutzer that es, und zog dann einen Taschenspiegel hervor, vor dem er sich unter fortwährendem Fluchen und Drohen das Haar wieder in Ordnung brachte; der Pfarrer aber legte sein Schild ab, und Joseph eilte zu seiner Fanny, die er bald ins Leben zurückrief. Lady Borby machte Letzterem wegen der an Didepper verübten Mißhandlung Vorwürfe, worauf er antwortete: »Er würde in demselben Fall ein ganzes Heer angegriffen haben.« – »In welchem Fall?« fragte sie verwundert. – »Gnädige Frau,« versetzte er, »der Herr erkühnte sich unanständige Freiheiten gegen das junge Mädchen.« – »Ei,« rief Lady Borby, »er hat das Mädchen vielleicht küssen wollen, und darf man einen Mann von Stande deßhalb gleich so hart anfallen? Ich muß Ihnen sagen, Joseph, Sie nehmen sich zu viel heraus.« – »Liebe Tante,« fiel Herr Borby ein, »ich war von der ganzen Sache Zeuge, und muß ebenfalls meinen Schwager tadeln, denn ich sehe nicht ein, weßhalb er sich zum Retter dieses Frauenzimmers aufwirft.« – »So will denn ich ihn rechtfertigen,« sprach Adams, »er ist ein braver Junge, und jedem Manne gebührt es, überall die Unschuld zu vertheidigen, und als ihr Ritter aufzutreten; wer aber vollends unanständiges Benehmen gegen ein Mädchen nicht ahnden wollte, mit der er im Begriff ist, das Band der Ehe zu schließen, der müßte fürwahr der elendeste Feigling auf Gottes Erdboden sein.« – »Sir,« sagte Herr Borby, »mein Schwager kann ein Mädchen wie dieses nicht heirathen.« – »Das meine ich auch,« rief Lady Borby, »und es paßt sich auch gar nicht für Ihren Stand, Herr Adams, zu solchen Dingen behülflich zu sein. Es muß mich sehr befremden, Sie von dieser Seite kennen zu lernen. Ich dächte, Sie sollten lieber für Ihre Frau und Kinder sorgen.« – »Nun wahrhaftig,« fiel hier Mistreß Adams ein, »da haben Euer Gnaden vollkommen Recht. Er schwatzt immer eine Menge Zeugs daher, als wären alle Leute im Kirchspiel seine Kinder. Was er damit meint, verstehe ich nicht; eine andere Frau könnte dabei auf wunderliche Gedanken gerathen, doch ich will ihm so was nicht zur Last legen. Uebrigens kann ich die Schrift so gut lesen wie er, und da steht nirgend, daß ein Pfarrer für anderer Leute Kinder zu sorgen hat; noch dazu hat mein Mann kaum für mich und die Kinder das liebe Brot, wie Euer Gnaden sehr gut bekannt ist.« – »Ich muß Ihnen ganz Recht geben, Mistreß Adams,« sagte Lady Borby, die vorher jene kaum eines Wortes gewürdigt hatte; »Sie scheinen eine vernünftige Frau zu sein, und ich versichere Sie, Ihr Mann handelt thöricht und gegen seinen eigenen Vortheil, denn er kann ja wohl einsehen, daß mein Neffe gegen diese Heirath sehr eingenommen ist, was ich denn auch keineswegs tadeln kann, da das Mädchen durchaus nicht für unsere Familie paßt.« – In diesem Ton fuhr Lady Borby fort, während Didepper sowohl in Folge seiner Schmerzen, als aus Zorn den Kopf schüttelnd, auf- und abhüpfte; und Pamela der armen Fanny Vorwürfe machte, daß sie zu einer Verbindung mit ihrem Bruder die Augen zu erheben wage. Diese antwortete nur durch ihre Thränen, von denen ihr Tuch schon lange feucht war; aber Joseph nahm kaum die Ausbrüche ihres Schmerzes wahr, als er sie beim Arm nahm, und mit einer lauten Betheuerung, wie er keine Verwandtschaft möge, die sein Theuerstes auf Erden anfeinde, sie davonführte. Da er zugleich in der Rechten einen derben Knittel schwang, so erachteten es weder Herr Borby noch Didepper für rathsam, ihn aufzuhalten. Lady Borby und ihre Gesellschaft hielten sich im Pfarrhause, da sie sich zum Mittagsessen noch umkleiden mußten, nur noch kurze Zeit auf.

Adams schien jetzt sehr niedergeschlagen, und als seine Frau es bemerkte, begann sie ihm ein wenig ehelichen Balsam zuzuträufeln. Sie sagte ihm, er habe allerdings Ursache genug, sich Sorge zu machen, da er allem Anschein nach durch seine albernen Streiche das Unglück der Seinigen herbeiführen werde; »doch vielleicht,« fügte sie hinzu, »trauerst Du auch nur über die Entfernung Deiner beiden Kinder, Joseph und Fanny.« Seine älteste Tochter ließ sich jetzt also vernehmen: »Ja, Vater, es ist hart, fremde Leute ins Haus zu bringen, die Deinen Kindern das Brot vom Munde wegnehmen. Da liegen sie uns nun schon seit der ganzen Zeit, daß sie hier sind, auf dem Halse, und es scheint mir, als würden wir sie wohl die nächsten vier Wochen noch nicht loswerden. Weßhalb müssen wir das Mädchen füttern, und wenn sie auch noch so schön wäre? Ich wüßte aber nicht, daß sie so viel schöner ist als andere Leute. Wenn man sich deßhalb ihrer anzunehmen hätte, so würde sie es schwerlich besser haben als andere, glaub ich. Gegen den Herrn Joseph habe ich weiter nichts einzuwenden; das ist ein rechtschaffener junger Mann, der über kurz oder lang Alles bezahlen wird, was er von uns gehabt hat, aber das Mädchen – warum geht sie nicht wieder in den Dienst, aus dem sie entlaufen ist? Nein, einer solchen Landstreicherin würde ich keinen Penny geben, und wenn ich auch eine Million im Vermögen hätte; ja könnte ich sie damit selbst vom Verhungern retten.« – »Aber ich thäte es doch,« rief der kleine Dick, »sieh; Vater, ehe ich die arme Fanny hungern ließe, wollte ich alles Brot und allen Käse hergeben,« wobei er das hinhielt, was er in der Hand hatte. – Adams lächelte dem Knaben freundlich zu, und sagte, er freue sich, daß er so christliche Gesinnungen zeige, und wenn er nur einen Penny in der Tasche hätte, so sollte der gute Junge ihn haben, auch möge er sich's immer merken, daß es seine Pflicht sei, jeden Nebenmenschen wie Bruder und Schwester anzusehen und zu lieben. – »Ja, Papa,« sagte der Kleine, »Fanny ist mir lieber wie meine Schwestern; sie ist aber auch viel schöner.« – »Meinst Du, naseweiser Junge?« rief die Schwester, und gab ihm eine Ohrfeige, die ihr der Vater wahrscheinlich mit Zinsen zurückerstattet hätte, wären nicht in diesem Augenblick Joseph, Fanny und der Hausirer eingetreten. Adams sagte seiner Frau, sie möge etwas zum Mittagessen bereiten, worauf sie erwiederte: »Es sei ihr unmöglich, sie habe etwas anderes zu thun.« Adams machte ihr Vorwürfe wegen ihrer Widerspenstigkeit, und führte mehrere Stellen aus der Schrift an, zum Beweise, daß der Mann des Weibes Haupt sei, und Gehorsam verlangen könne. Jene antwortete: »Es sei Gotteslästerung, außerhalb der Kirche sich auf die heilige Schrift zu berufen; solche Dinge gehörten auf die Kanzel, und würden entweiht, wenn man sie in das gewöhnliche Gespräch ziehe.« Joseph sagte dem Pfarrer, er komme nicht in der Absicht, ihm oder Mistreß Adams im mindesten Umstände zu machen; sondern um sie alle in den George (ein Wirthshaus im Dorfe) einzuladen, wo er ein Gericht Speck und Kohl bestellt habe. Mistreß Adams, die sonst eine ganz gute Frau, nur etwas zu sparsam war, ging mit Vergnügen auf den Vorschlag ein, und da auch der Pfarrer sich nicht lange nöthigen ließ, so machten sie sich alle zusammen auf den Weg, und vergaßen selbst den kleinen Dick nicht, welchem Joseph zur Belohnung für seine gegen Fanny geäußerten Gesinnungen einen Schilling schenkte.


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