Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.

Ein Dialog zwischen Herrn Abraham Adams und der Lady Borby.


Herr Adams war nicht weit, denn eben saß er unten im Hause, und trank in gutem Doppelbier Ihrer Gnaden Gesundheit. Sobald er vor ihr erschien, begann sie, wie folgt: »Nach den vielen und großen Verbindlichkeiten, welche Sie unserer Familie schuldig sind, und nach den Wohlthaten, die Ihnen hier im Hause erzeigt wurden (worin diese bestanden, davon ist der Leser im Lauf dieser Geschichte bereits ausführlich unterrichtet worden) muß ich mich wundern, daß Sie so undankbar sind, einem Burschen, den ich wegen seiner schlechten Aufführung fortgejagt habe, noch mit einiger Achtung zu behandeln. Auf keine Weise, das kann ich Ihnen sagen, ziemt sich's, überdies für einen Mann Ihres Standes, mit einem solchen Menschen und einem jungen Mädchen in Lande umherzuziehen. Was die letztere betrifft, so kann ich ihr zwar nichts Böses nachsagen; ich höre von der Slipslop, daß sie früher hier im Hause gedient und bis zu der Zeit, da sie dem Menschen nachlief, und er sie wahrscheinlich zum Bösen verleitet hat, sich ganz gut aufführte, ja vielleicht kann sie noch gerettet werden, wenn sie den Umgang mit ihm aufgiebt. Sie lassen sich daher in eine sehr schlimme Sache ein, wenn Sie diese jungen Leute zusammenbringen helfen, was nur zu deren beiderseitigen Verderben ausschlagen kann.« – »Mit Euer Gnaden Erlaubniß,« sprach Adams, »ich habe Herrn Joseph Andrews nie etwas Schlechtes nachsagen hören, sonst hätte ich ihn zur Rede gestellt, denn ich lasse keinem aus meiner Gemeinde seine Fehler ungerügt hingehen. Was das junge Mädchen betrifft, so versichere ich Euer Gnaden, daß ich eine eben so gute Meinung von ihr habe, als Sie selbst oder irgend jemand haben kann. Es ist das sanfteste, unschuldigste, reinste Wesen; ihrer Schönheit wegen will ich sie weiter nicht preisen, obschon unter den Männern nur eine Stimme darüber ist, daß unter Vornehmen oder unter Geringen sich unser Kirchspiel noch keiner ähnlichen Schönheit hat rühmen können.« – »Ich finde es sehr impertinent von Ihnen,« sagte die Lady, »mich mit so albernem Zeuge zu behelligen. Das schickt sich auch wohl für einen Geistlichen, sich um die Schönheiten in seinem Kirchspiel zu bekümmern; und der Ausspruch eines solchen Kenners ist wohl sehr entscheidend! Ein Mann, der sein ganzes Leben in einem Kirchspiel, wie dieses hier, zugebracht hat, will über Schönheit aburtheilen! Hat man je etwas Lächerlicheres gehört? Eine Bauerndirne eine Schönheit! Es wird mir schlimm werden, so oft ich wieder von Schönheit sprechen höre. Ihre Meinung ist also wohl, die Dirne soll uns Schönheiten ins Dorf setzen; aber nein, Sir, wir haben hier schon Armuth genug, und ich werde nicht zugeben, daß sich noch mehr Landstreicher hier ansiedeln.« – »Euer Gnaden sind zornig auf mich;« versetzte Adams, »ich weiß aber wahrhaftig nicht weßhalb. Die jungen Leute wollten schon längst getraut sein, aber ich redete ihnen davon ab; ja ich kann wohl sagen, ich war die einzige Ursache, daß sie die Ausführung ihrer Absicht bis jetzt hinausgeschoben haben.« – »Ei,« sprach sie, »das war sehr brav und gescheit von Ihnen, ob das Mädchen gleich die erste Schönheit im Dorfe sein mag.« – »Gegenwärtig aber, gnädige Frau,« fuhr er fort, »thue ich nur meine Pflicht gegen Herrn Joseph.« – »O nennen Sie mir doch den Menschen nicht, Herr,« rief die Dame. – »Er hat,« sagte der Pfarrer, »mit Einwilligung Fanny's um das Aufgebot angehalten.« – »O das Geschöpf mag dreist genug sein,« schrie die Dame; »die Slipslop sagt mir, daß die Dirne ganz toll auf Mannspersonen ist; vermuthlich ist das auch eine von ihren Schönheiten. Wenn übrigens um das Aufgebot angehalten worden ist, so verlange ich hiermit, daß Sie es bis auf meine weitere Verfügung einstellen.« – »Gnädige Frau,« rief Adams, »wenn Jemand eine trifftige Ursache dagegen vorbringt, und sich für deren Wahrheit mit einer hinlänglichen Summe verbürgt, so muß ich freilich das Aufgebot einstellen.« – »Die Ursache,« antwortete sie, »ist leicht gefunden; der Bursch ist ein Landstreicher und soll sich hier nicht niederlassen, um uns ein Nest voll Bettler ins Dorf zu setzen, und wären's auch lauter Schönheiten.« – »Erlauben Sie gnädigst,« erwiederte Adams, »Advokat Scout hat mir gesagt, wer ein Jahr lang an einem Orte diene, erhalte dadurch das Insassenrecht.« – »Advokat Scout,« schrie die Lady, »ist ein unverschämter Narr, der sich in die Sache nicht zu mischen hat. Ich sage es noch einmal, ich will der Gemeinde hier keine neuen Lasten aufbürden lassen, und begehre daher, daß Sie das Aufgebot einstellen.« – »Ich bin bereit,« versetzte Adams, »in Allem, was billig und gesetzlich ist, Euer Gnaden Willen zu thun; die Armuth der jungen Leute ist aber keine zulässige Einwendung gegen deren eheliche Verbindung. Gott behüte uns vor einem solchen Gesetz! Die Armen haben so schon wenig Theil an den Freuden dieser Welt, und es wäre in der That grausam, ihnen auch noch die allgemeinen Rechte, die unschuldigen Genüsse zu verweigern, die die Natur selbst der thierischen Schöpfung gewährt.« – »Da Sie denn sich selbst,« rief die Lady, »und die Achtung, die eine Person wie Sie einer Frau von meinem Range schuldig ist, dergestalt vergessen, daß Sie nicht Anstand nehmen, durch so leichtfertige Reden mein Ohr zu beleidigen, so sage ich nur ein Wort noch, und befehle Ihnen kurz und gut, das Aufgebot ferner nicht abzukündigen; unterstehen Sie sich's aber dennoch, so will ich's bei Ihrem Vorgesetzten schon dahin bringen, daß er Sie vom Dienste entfernt. Ja, Sir, das will ich, trotz der Armuth Ihrer Familie, und dann mögen Sie und die größte Schönheit im Kirchspiel zusammen betteln gehen.« – »Ich verstehe nicht,« antwortete Adams, »was Euer Gnaden mit den Ausdrücken ›Vorgesetzter‹ und ›Dienst‹ sagen wollen. Ich stehe im Dienst eines Vorgesetzten und Herrn, der mich nie deßhalb verstoßen wird, weil ich meine Pflicht thue; und wenn mein irdischer Vorgesetzter es für gut findet, mir meine Stelle zu nehmen (was er allerdings kann), so wird mich Gott, hoffe ich, durch eine andere versorgen. Auf alle Fälle haben wir Hände, ich und die Meinigen, und unsere Bemühungen, ehrlich unser Brot damit zu verdienen, werden gewißlich nicht ohne Segen bleiben. So lange mein Gewissen rein ist, werde ich mich vor nichts fürchten, was Menschen über mich verhängen mögen.« – »Ich muß mir selber Vorwürfe machen,« sagte die Lady, »daß ich mich herabgelassen habe, Sie über diesen Gegenstand so lange anzuhören. Ich muß andere Maßregeln ergreifen, denn ich sehe, Sie sind mit jenem Gesindel einverstanden. Jetzt verlassen Sie mich sofort, Sir; ich werde Befehl ertheilen, daß mein Haus Ihnen nicht länger geöffnet ist. Ich will keine Pfarrer hier dulden, die mit Schönheiten im Lande umherziehen.« – »Gnädige Frau,« sprach Adams, »ich werde keines Menschen Haus gegen dessen Willen betreten; aber ich weiß gewiß, wenn Sie die Sache reiflicher erwogen und untersucht haben, werden Sie mein Benehmen darin nicht tadeln, sondern loben, und so empfehle ich mich ergebenst;« – was er denn unter vielen Verbeugungen, oder wenigstens unter vielen Versuchen, sich zu verbeugen, auch ins Werk setzte.


 << zurück weiter >>