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Zwölftes Kapitel.

In welchem der wohlwollende Leser eine ihm sehr angenehme Kunde erhalten wird.


Der Hausirer hatte sich sehr neugierig gezeigt, seitdem er zuerst erfahren, das große Herrenhaus im Dorfe gehöre der Lady Borby, der Wittwe des Sir Thomas, und Letzterer sei es, der Fanny in ihrem dritten oder vierten Jahre von einem umherziehenden Frauenzimmer gekauft habe; und jetzt, da ihr einfaches aber kräftiges Mahl beendigt war, sagte er Fanny, er glaube, ihr von ihren Eltern Kunde geben zu können. Alle Anwesenden, am meisten sie selbst, wurden sehr gespannt, und der Hausirer begann, während Alle mit großer Aufmerksamkeit zuhörten, also: »Obgleich ich jetzt zufrieden bin, auf ärmliche Weise mein Brot zu verdienen, war ich doch einst etwas Besseres, denn das dünken sich Leute von meinem ehemaligen Stande. Mit einem Wort, ich war Trommelschläger in einem irländischen Infanterieregiment. In diesem ehrenvollen Beruf begleitete ich einen Offizier unseres Regiments, der nach England auf Werbung ging. Auf unserm Marsche von Bristol nach Froome (denn seit dem Verfall des Wollenhandels liefern die Tuchfabriken den größten Theil der Rekruten) holten wir unterwegs ein Frauenzimmer ein, die etwa dreißig Jahr alt sein mochte, und eben nicht sehr schön, aber immer doch gut genug für einen Soldaten war. Als wir uns ihr näherten, ging sie langsamer, und ließ sich mit unsern Weibern (denn jeder von uns, außer ich, – der Sergeant nämlich, zwei gemeine Soldaten und noch ein Trommelschläger – hatte seine Frau bei sich) in ein Gespräch ein, und schloß sich an uns an. Ich, der ich sah, sie müsse mir zu Theil werden, machte mich sogleich an sie, erklärte ihr auf Soldatenmanier mit wenig Worten meine Liebe, und erreichte bald was ich wollte. Schon in der halben Stunde war der Handel zwischen uns geschlossen, und von da an bis zu ihrem Tode lebten wir als Mann und Frau zusammen.« – »Vermutlich,« fiel hier Herr Adams ein, »wurdet Ihr vom Aufgebot dispensirt; denn ich sehe nicht ein, wie dies bei Eurem beständigen Hin- und Hermarschiren hätte abgekündigt werden sollen.« – »Nein, Sir,« sagte der Hausirer, »wir nahmen uns eine Dispensation, wenn wir sie auch nicht erhielten, ohne alles Aufgebot zusammen zu Bette zu gehen.« – »Ei ei,« sprach der Pfarrer, »ex necessitate kann eine solche Dispensation wohl ertheilt werden; aber sicherlich ist der andere Weg doch wohl vorzuziehen.« – Der Hausirer fuhr fort: »Sie kehrte mit mir zu unserm Regimente zurück, und so zogen wir von Garnison zu Garnison, bis sie endlich zu Galway an einem Fieber starb. Vor ihrem Tode rief sie mich, und sagte unter bittern Thränen, sie könne nicht aus der Welt gehen, ohne mir ein Geheimniß mitzutheilen, das die einzige Sünde sei, die ihr schwer auf dem Herzen liege. Früher sei sie nämlich mit einer Zigeunerbande umhergezogen; diese Menschen hätten mitunter Kinder gestohlen, und auch sie habe sich einmal dieses Verbrechens schuldig gemacht, was ihr mehr leid thue, als alle ihre anderen Sünden, da wahrscheinlich der Tod der Eltern des geraubten Kindes dadurch veranlaßt worden sei; »denn,« fügte sie hinzu, »es ist fast unmöglich, die Schönheit des kleinen Geschöpfs zu beschreiben, welches, als ich es mit mir nahm, etwa anderthalb Jahr alt sein mochte. Wir behielten die Kleine (denn es war ein Mädchen) über zwei Jahre bei uns, worauf ich sie für drei Guineen an Sir Thomas Borby in Sommersetshire verkaufte. – Nun müssen Sie am besten wissen,« fügte der Hausirer hinzu, »ob es mehrere des Namens in dieser Grafschaft giebt.« – »Ja,« sagte Adams, »der Borby's giebt's wohl mehrere, die auch Güter hier in der Gegend haben, aber ich glaube, daß kein Baronet dieses Namens mehr am Leben ist. Ueberdies trifft hier alles so genau in jedem Punkt zu, daß wohl kein Zweifel mehr obwalten kann; aber Sie haben vergessen, uns die Eltern des geraubten Kindes zu nennen.« – »Ihr Name,« antwortete der Hausirer, »war Andrews; sie wohnten ungefähr sieben Meilen von dem Landgut des Sir Borby; auch sagte mir meine Frau, ich könne sie leichtlich an dem Umstande ausfindig machen, daß sie noch eine andere Tochter mit einem wunderlichen Namen hätten: Pamela oder Pameela, denn Einige sprechen die mittelste Sylbe kurz, Andere dagegen lang aus.«

Fanny, die bei der ersten Erwähnung dieses Namens todtenbleich geworden war, fiel jetzt in Ohnmacht; Joseph war äußerst betroffen, und der arme kleine Dick erhob ein Zetergeschrei; der Pfarrer aber fiel auf die Kniee, und stieß ein Dankgebet nach dem andern aus, daß diese Entdeckung der fürchterlichen Sünde der Blutschande vorgebeugt habe. Der Hausirer saß vor Staunen unbeweglich, und konnte sich die Ursache dieses Wirrwars nicht deuten, bis die Tochter des Pfarrers ihm die Augen öffnete. Diese war die einzige, der es an der hierzu erforderlichen Gemüthsruhe nicht fehlte (denn die Mutter rieb Fanny's Schläfe, und war äußerst sorgsam um sie bemüht). Das arme Mädchen war das einzige Geschöpf, welches die Pfarrerstochter in deren unglücklichen Lage – worin wir sie, so viel Mitleid auch wir selbst empfinden mögen, jetzt verlassen, und der Lady Borby einen kurzen Besuch abstatten wollen – nicht bedauern konnte.


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