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Drittes Kapitel.

Was zwischen der Lady Borby und dem Advokaten Scout vorfiel.


Nach dem Mittagessen ließ die Lady Herrn Scout rufen, und machte ihm die heftigsten Vorwürfe, daß er sich unterstehe, sich in die Angelegenheiten ihres Gesindes zu mischen; dies leugnete er und zwar mit voller Wahrheit, denn er hatte nur zufällig und mit Grund vielleicht gesagt, ein Jahr Herrendienst verleihe das Insassenrecht. Das gestand er nun ein, früher dem Pfarrer mitgetheilt zu haben, denn so laute, wie er anders nicht wisse, das Gesetz. – »Ich bin nun aber einmal entschlossen,« sagte die Lady, »keinen von meinen verabschiedeten Dienstboten sich hier ansiedeln zu lassen; ist also Ihr Gesetz, wie Sie sagen, so werde ich nach einem andern Advokaten schicken.« Scout erwiederte, und wenn Sie deren hundert kommen ließe, so könne nun einmal keiner von ihnen das Gesetz ändern; Alles, was ein Advokat vermöge, sei die Entkräftung des Gesetzes, oder die Vereitelung der Wirksamkeit desselben, und dazu sei er hoffentlich eben so gut zu gebrauchen wie ein anderer. »Ueberdem glaube ich,« fuhr er fort, »daß Euer Gnaden, da Sie in diesen Dingen nicht bewandert sind, einen juristischen Unterschied übersehen haben; denn ich behauptete nur, ein Mensch, der ein Jahr in Diensten gestanden, habe das Insassenrecht; nun ist aber ein wesentlicher Unterschied zwischen diesem Recht und der Erlangung desselben; und da ich mich nur im Allgemeinen aussprach, so ist meine Aeußerung nur juristisch und nicht faktisch zu nehmen. Gesetzt aber auch, gnädige Frau, das Recht sei juristisch vorhanden, was kann das der Gegen-Partei weiter nutzen? Was hat das mit dem Faktischen zu thun? Er ist faktisch kein Insasse, folglich kein Einwohner, gehört daher nicht in dies Kirchspiel, und darf in Folge dessen auch hier nicht aufgeboten werden, da nach dem, was ich von Herrn Adams vernommen habe, die von Euer Gnaden dagegen vorgebrachte Einwendung eine der trifftigsten ist. Jawohl brauchen wir hier nicht noch mehr arme Leute; wir haben deren leider schon zu viel, und es könnte nicht schaden, wenn wir ein Gesetz hätten, wonach die Hälfte von ihnen an den Galgen oder über's Meer müßte. Können wir nun beweisen, daß der Bursche faktisch hier nicht ansässig ist, so ändert das die ganze Lage der Dinge. Was ich damals Herrn Adams sagte, setzte die faktische Ansässigkeit voraus; wäre es damit richtig, dann wüßte ich freilich kaum zu helfen.« – »Nichts von Ihrem Faktischen und Juristischen,« rief die Lady, »von Ihrem Kauderwelsch verstehe ich nichts; nur so viel weiß ich, daß Sie sich zu viel anmaßen und die Unverschämtheit zu weit treiben, wenn Sie in diesem Kirchspiel Alles nach Ihrem Sinn leiten wollen; das soll Ihnen nicht gelingen, darauf verlassen Sie sich. Und was die Dirne betrifft, so soll sie auf keinen Fall hier ansässig werden; Schönheiten wie die sollen uns keine Kinder hersetzen, die wir hernach ernähren müssen.« – »Schönheiten! nun wahrhaftig, Euer Gnaden belieben zu scherzen,« sagte Scout. – »Herr Adams wußte ihre Schönheit sehr zu rühmen«, erwiederte die Dame; »was für eine Art Geschöpf ist sie denn, Herr Scout?« – »Nun, das häßlichste Thier, das ich fast je gesehen habe; eine armselige, schmutzige Kreatur; Euer Gnaden können sich keinen Begriff davon machen.« – »Nun gut, bester Herr Scout, möge sie so häßlich sein, wie sie wolle; Kinder wird sie deßhalb, das wissen Sie ja wohl, weder mehr noch weniger bekommen; die Heirath muß also hintertrieben werden.« – »Allerdings,« versetzte Scout, »denn wäre die Heirath einmal gesetzlich vollzogen, so hätten wir wieder ein Faktum. Ist ein Mensch einmal getraut, so gilt er für faktisch ansässig, und dann kann man ihn nicht wieder aus dem Kirchspiel los werden. Ich will zu Herrn Adams gehen, denn ich zweifle nicht, ihm die Sache einleuchtend zu machen. Sein einziger Einwurf ist wahrscheinlich nur der Verlust seiner Gebühren; und verständigen wir uns erst hierin mit ihm, was wohl nicht schwer sein dürfte, so wird er gewiß nichts weiter gegen uns vorbringen. Nein, nein, es ist unmöglich; aber daß er auf seine Gebühren nicht Verzicht leisten will, können ihm die gnädige Frau nicht verdenken. Jeder sollte auf seine Gebühren den gehörigen Werth legen. – Was übrigens die streitige Sache betrifft, so getraue ich mir, wenn Sie die Gnade haben, Sich meiner Hülfe zu bedienen, Ihnen erwünschten Erfolg zu versprechen. Die Gesetze unseres Landes unterstützen keineswegs den Pöbel so sehr, daß sie einem gemeinen Menschen erlaubten, sich mit einer Person von Euer Gnaden Vermögen in einen Prozeß einzulassen. Wir haben überdem sicheres Spiel, sobald wir die Sache bei dem Friedensrichter Frolick anhängig machen; hört er Euer Gnaden Namen, so läßt er den Anklagebefehl sogleich ausfertigen, ohne erst lange zu fragen. Was aber die garstige Dirne betrifft, so werden wir weiter nichts mit ihr zu thun haben, denn sind wir den Burschen erst los, so wird sie schon von selbst –« »Nehmen Sie alle Maßregeln, die Sie für nöthig halten, lieber Herr Scout,« antwortete die Lady; »aber ich wünschte, Sie könnten Beide aus dem Kirchspiel entfernen, denn die Slipslop erzählt mir von dem Geschöpf Dinge, die mir Schauder erregen, und obgleich Sie sagen, daß es ein häßliches Thier ist, so wissen Sie wohl, bester Herr Scout, solche unzüchtige Dirnen, die den Mannspersonen nachlaufen, finden immer doch welche, die es mit ihnen halten; fort also damit, sonst kommen uns noch mehr Bettler über den Hals.« – »Euer Gnaden haben sehr recht,« erwiederte Scout, »ich fürchte aber, das Gesetz kommt uns hier, wenn wir solche [Vorbeugungsmittel] brauchen wollen, nicht so ganz hinlänglich zu Hülfe; doch Richter Frolick wird es schon Euer Gnaden zu Liebe, so viel er vermag, zu wenden und zu drehen wissen. Aufrichtig gesagt, es ist ein großes Glück für unsere Gegend, daß dieser Herr jetzt das Amt bekleidet, denn er hat uns schon manchen Armen abgenommen, den wir durch Hülfe des Gesetzes allein wahrhaftig nie losgeworden wären. Ich kenne Friedensrichter, die so viel Umstände machen, ehe sie einen Menschen nach Bridewell schicken, als der Lord Oberrichter, wenn er einen zum Galgen verdammt; dagegen thut's einem nun ordentlich wohl, unsern Herrn Frolick Jemanden nach Bridewell senden zu sehen, so viel Spaß macht's ihm, und wen wir einmal da haben, von dem hören wir selten wieder etwas. Nicht vier Wochen, so ist er gewöhnlich entweder verhungert oder vom Ungeziefer verzehrt.« – Hier machte der Eintritt eines Besuchs dem Gespräch ein Ende, und nachdem Herr Scout die Sache übernommen, und nochmals erwünschten Erfolg hatte hoffen lassen, empfahl er sich.

Dieser Scout war einer jener Menschen, die ohne Kenntniß der Gesetze und ohne studirt zu haben, einer es untersagenden Parlamentsakte zum Trotze auf dem Lande den Advokaten spielen, und auch mit diesem Titel beehrt werden. Sie sind die Pest der Gesellschaft und eine Schande des Berufs, dem sie freilich nicht gesetzlich angehören, der aber grade durch diese Klasse von Schuften den Haß von Personen, denen es an Einsicht mangelt, auf sich zieht. Mit diesem Elenden, den Lady Borby noch kurz vorher keines Worts gewürdigt haben würde, bewog sie jetzt ihre Leidenschaft zu Joseph und Eifersucht und tiefer Groll gegen die arme unschuldige Fanny, sich in das eben berichtete vertrauliche Gespräch einzulassen, in welchem sie, ohne es zu wissen, viele Winke, die er bereits von der Slipslop, deren Galan er war, erhalten hatte, bestätigte, wonach er denn Gelegenheit nahm, jener falsche Nachrichten über Fanny vorzubringen, die dem Leser vielleicht aufgefallen sein würden, wenn wir nicht für nöthig gehalten hätten, ihn in dieser Beziehung von der Lage der Dinge zu unterrichten.


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