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Siebentes Kapitel.

Schabernacks-Scenen, ganz nach dem Geschmack unserer Zeiten zugerichtet.


Die Gesellschaft kam in des Squire Hause an, als eben das Mittagsmahl bereit war. Ueber Fanny kam es zu einem kleinen Streit; der Squire nämlich, der noch unbeweibt war, wollte sie an seine Tafel ziehen; sie aber mochte davon nichts hören, und da Herr Adams auch nicht zugab, daß man sie von Joseph trennte, so ward sie endlich nebst diesem in die Küche gewiesen, wo der Dienerschaft anbefohlen wurde, ihn betrunken zu machen; eine Gunst, die dem Pfarrer ebenfalls zugedacht war, indem der Squire hoffte, mittelst dieses Anschlags leicht zu erreichen, was er mit Fanny, sobald er sie erblickt hatte, im Sinne führte. Es dürfte, bevor wir fortfahren, nicht unschicklich sein, auf den Charakter dieses Herrn und seiner Freunde ein wenig Licht zu werfen. Er selbst also war ein Mann von bedeutendem Vermögen, unverheirathet wie schon gesagt, und ungefähr vierzig Jahr alt. Seine Erziehung (wenn dieser Ausdruck hier statthaft ist) hatte er auf dem Lande, im väterlichen Hause, unter den Augen seiner Mutter von einem Hofmeister erhalten, der angewiesen war, ihn nie zu züchtigen, und ihn nie zum Lernen mehr zu zwingen, als er Lust dazu bezeigen möge, was wenigstens nach den Kinderjahren äußerst selten der Fall war; denn vom fünfzehnten Jahre an widmete er sich gänzlich der Jagd und andern ländlichen Vergnügungen, wozu seine Mutter ihn mit Pferden, Hunden und was sonst dazu nöthig sein mochte, reichlich versah, während der Hofmeister, um sich bei seinem Zögling, von dem er dereinst sein Glück erwartete, beliebt zu machen, ihn nicht nur beim Reiten und Jagen, sondern auch bei der Flasche, woran der junge Herr schon früh Gefallen fand, Gesellschaft leistete. Als das zwanzigste Jahr auf diese Weise zurückgelegt war, mochte die Erziehung der Mutter noch nicht vollendet erscheinen; sie beschloß daher, ihren Sohn wo möglich zu Dem zu vermögen, was ihrer Ansicht nach alle Kenntnisse ersetzen könne, die auf einer öffentlichen Schule oder Universität zu erlernen seien – nämlich zu Dem, was man gewöhnlich »auf Reisen gehen« nennt, wozu er sich denn auch auf Zureden des Hofmeisters, der ihn begleiten sollte, bald willig finden ließ. In drei Jahren machte er die sogenannte große Tour durch Europa, und kehrte heim, wohl versehen mit französischen Kleidern, Phrasen und Lakeien, voll herzlicher Verachtung seines Vaterlandes, besonders alles dessen, was noch von dem schlichten Wesen und dem Biedersinn der Vorfahren sich erhalten hat. Seine Mutter fand ihn jetzt ganz nach ihrem Wunsch, und da er nun auch über sein Vermögen zu verfügen hatte, so verschaffte er sich bald einen Sitz im Parlement, und galt in den Augen der Welt für einen der feinsten Herrn seiner Zeit; was ihn aber besonders auszeichnete, war ein seltsames Wohlgefallen an Allem, was seine eigene Gattung Lächerliches, Verhaßtes oder Abgeschmacktes darbieten mag, so daß er nie sich Jemanden zum Umgang wählte, dem nicht eine oder mehrere dieser Eigenschaften anhingen, und zu seinen Lieblingen jene erkor, die durch die Natur auf die auffallendste Weise gezeichnet waren. Stieß er etwa auf einen, der diese Mängel entweder nicht hatte, oder sie zu verbergen suchte, so fand er sein höchstes Vergnügen darin, einen solchen zu Albernheiten zu verleiten, die nicht in dessen Natur lagen, oder diese andern zum Spotte ans Licht zu ziehen. Zu diesem Behuf war er immer von hierzu aufgelegten Gesellen umgeben, die wir vorhin Bullenbeißer nannten, die aber übrigens dem Hundegeschlecht nicht viel Ehre gemacht haben dürften. Ihr Geschäft bestand darin, die oben erwähnten Gebrechen, wo sie sich nur immer mehr oder weniger zeigten oder errathen ließen, auszuspüren und zur Schau zu stellen, vorzugsweise an den würdigsten und besten Menschen, wo aber ganz der Stoff ihnen fehlte, zum Zeitvertreib ihres Meisters und Brotherrn Tugend und Weisheit selbst lächerlich zu machen. Die Gesellen von Bullenbeißer-Art, die er damals im Hause und von London mitgebracht hatte, waren ein alter Officier auf halbem Gehalt, ein Schauspieler, ein verunglückter Dichter, ein Quacksalber, der sich Doktor nennen ließ, ein elender Fiedler, und ein lahmer Tanzmeister deutscher Nation.

Als das Essen aufgetragen war, zog der Kapitän, während Herr Adams den Segen sprach, ihm von hinten den Stuhl fort, so daß er zu Boden fiel, als er sich wieder setzen wollte, und so ward zur größten Unterhaltung der Gesellschaft der erste Spaß vollbracht. Den zweiten gab der Dichter, der auf der andern Seite neben dem Pfarrer saß, zum Besten, indem er diesem, der eben ehrerbietig auf des Hausherrn Gesundheit trank, einen Teller mit heißer Suppe in die Beinkleider goß, was denn nebst den vielen Entschuldigungen, die er vorbrachte, und des Pfarrers höflichen Antworten, zu nicht geringem Ergötzen gereichte. Der dritte Spaß wurde von einem der Bedienten aufgetischt, welcher Befehl erhalten hatte, Herrn Adams eine Portion Kümmelschnapps ins Bier zu gießen, das letzterer nun unter wiederholten Betheuerungen zu sich nahm, es sei ein vortreffliches Getränk, aber wohl etwas zu sehr gemalzt, was denn wieder allgemeines Gelächter zur Folge hatte. Der Pfarrer, aus dessen eigenem Munde wir den größten Theil dieses Berichts vernahmen, konnte sich nicht mehr aller losen Streiche entsinnen, die man ihm gespielt, und die seine eigene Harm- und Arglosigkeit nicht immer gleich entdeckte; ohne die Nachträge eines Lakeien aus jenem Hause würde daher dieser Theil unserer Geschichte, den wir für keinen der uninteressantesten halten, zum Bejammern unvollständig geblieben sein, obgleich wir es für wahrscheinlich erachten, daß noch einige andere Schwänke während des Essens (um nach dem Kunstausdruck zu reden) los gelassen wurden, doch es war uns nicht möglich, Kunde davon zu erlangen, trotz aller Nachforschungen, die wir deshalb anstellten. Nach dem Essen trug der Dichter einige Verse vor, die er, wie er sagte, aus dem Stegreif gemacht habe. Sie lauteten wie folgt, wobei wir noch bemerken, daß es uns nicht wenig Mühe machte, eine Abschrift davon zu erhalten:

 

Knittelverse auf den Pfarrer Adams.

Hat man solch' einen Pfarrer je geseh'n?
Neu ist der Hut nicht, das muß man gesteh'n,
Alt ist der Rock, drum konnten auch die Hunde
Sich leichtlich täuschen hier in ihrem Funde;
Geruch von faulem Speck Alle Hunde, die Füchse oder anderes Raubwild jagen, verfolgen die Spur eines auf der Erde geschleiften Stückes gerösteten oder faulen Speck. hat sie verführt,
Zu glauben, daß ein Fuchs sei aufgespürt;
Doch muß es Menschen nicht in Staunen setzen
Wenn sie 'nen Pfarrer wie 'nen Hasen hetzen?
Zwar wußt' er seine Rolle so zu halten,
Daß Phöbus selbst ihn fast dafür gehalten,
Und da wir wissen, wie scharf Phöbus sieht,
Ist's ein Beweis, wie gut sie ihm gerieth;
Ja, wahrlich, zum Akteur ist er geboren,
Bei Phöbus und Apollo sei's geschworen.

 

Bei welchen Worten der Barde dem Komödianten die Perrücke abriß – und obwohl allem Anscheine nach mehr für die Gewandtheit der Hand als für die des Kopfs – von der ganzen Gesellschaft beklatscht wurde. Der Schauspieler, statt dem Dichter mit Gleichem zu vergelten, wendete sein Talent vielmehr demselben Gegenstand zu, und deklamirte eine Menge einzelner Stellen aus Theaterstücken, die auf Verhöhnung des geistlichen Standes im allgemeinen abgesehen waren, und ebenfalls vielen Beifall fanden. Jetzt kam die Reihe, seine Talente darzulegen, an den Tanzmeister, der denn im gebrochenen Englisch zu Adams sagte, dieser sei zum Tanzen wie geschaffen, und schon aus seinem Sange lasse sich schließen, daß er bei einem großen Meister müsse gelernt haben. Diese Fertigkeit, fuhr er fort, sei an einem Geistlichen so selten als lobenswerth, und zum Schluß forderte er ihn auf, eine Menuet mit ihm zu tanzen, mit der Bemerkung, da sein Priestergewand die Stelle des Unterrocks vertreten könne, so möge Herr Adams die Dame, er selbst aber wolle den Herrn vorstellen. Mit diesen Worten zog er, ohne eine Antwort zu erwarten, seine Handschuhe aus der Tasche, und der Geiger stimmte seine Fiedel. Die sämmtliche Gesellschaft bot dem Tanzmeister eine Wette an, der Pfarrer werde ihn im Tanzen übertreffen, jener aber schlug es aus, indem er betheuerte, er glaube es selbst, denn er habe in seinem Leben keinen so viel versprechenden Anstand bemerkt, als an dem Herrn da. Nun ging er auf Adams zu, um ihn an der Hand zu fassen, welche dieser jedoch schnell zurückzog, und zugleich sie zur Faust ballend ihm rieth, den Spaß nicht zu weit zu treiben, denn er wolle sich nicht länger zum Narren halten lassen. Der Tanzmeister erblickte kaum die gewaltige Faust, als er weißlich deren Bereich auswich, und sich begnügte, aus einiger Entfernung die Geberden und Bewegungen des Pfarrers nachzuahmen, während dieser kein Auge von ihm wendete, da er nicht wußte was jener beabsichtigte, und sich vor einer nochmaligen persönlichen Annäherung schützen wollte. Unterdessen ersah der Kapitän seine Gelegenheit, befestigte ein Knallkügelchen an des Herrn Adams Priesterrock, und zündete es an dem für die Tabackraucher bereitstehenden Wachsstock an. Adams, dem dieser Spaß fremd war, und der sich im vollen Ernst in die Luft gesprengt glaubte, fuhr vom Stuhl auf, und hüpfte zur unsäglichen Freude der Zuschauer, die ihn für den besten Tänzer in der Welt erklärten, im Zimmer umher. Als er diesem Drangsal entkommen war und sich etwas von seiner Verwirrung erholt hatte, trat er vor die Tafel in der Stellung wie jemand, der eine Rede zu halten begehrt. Alle riefen nun einstimmig: »Hört ihn! Hört ihn!« und so sprach er denn wie folgt: »Sir, es thut mir leid, einen Mann, dem die Vorsehung vor andern so viel Gunst erwiesen, sich dafür so undankbar und gefühllos bezeigen zu sehen, denn ob Sie zwar nicht in eigner Person mich beleidigt haben, so liegt es doch klar am Tage, daß Sie an Denen, die es sich herausnahmen, Gefallen fanden, und den vielen Ungezogenheiten, die man sich gegen mich erlaubte, nicht ein einziges Mal Einhalt thaten, Ungezogenheiten, welche, wenn Sie dieselben richtig auslegten, Sie eben so gut treffen würden, als mich, denn ich bin Ihr Gast und nach den Gesetzen der Gastfreiheit zu Ihrem Schutze berechtigt. Der eine dieser Herren hat für gut gefunden, einige Reime auf mich zu machen, von denen ich nur sagen will, daß ich lieber der Gegenstand als der Verfertiger derselben sein möchte. Es hat ihm beliebt, mich von Seiten meiner geistlichen Stellung lächerlich zu machen. Mein Amt ist in meinen Augen kein Ziel des Spottes, und ich selbst kann es eben so wenig werden, ich müßte denn jenes beschimpfen, was aber hoffentlich durch meine Armuth allein nicht geschehen kann. Ein anderer Herr hat einige Stellen deklamirt, worin meines Standes mit Verachtung erwähnt wird. Er sagt, sie seien alle aus Schauspielen entnommen; ich aber behaupte, derartige Schauspiele sind eine Schande für die Regierung, die sie gestattet, und Fluch wird das Volk treffen, unter welchem sie mit Beifall aufgenommen werden. Wie mich die Andern behandelt haben, darf ich nicht erst erörtern; sie selbst müssen bei einigem Nachdenken einsehen, daß ihr Benehmen so wenig meinen Jahren als meinem Gewand angemessen ist. Sie fanden mich, Sir, auf der Reise mit zweien meiner Beichtkinder (von dem Angriff Ihrer Hunde will ich weiter nichts sagen, denn ich habe Ihnen gänzlich verziehen, es mag nun die Leichtfertigkeit oder die Nachlässigkeit des Jägerburschen Schuld daran gewesen sein) und meinem Aeußern nach mochten Sie freilich glauben, durch Ihre Einladung ein Werk der Barmherzigkeit zu üben; im Grunde aber sind wir wohl versorgt; ja, Sir, und hätten wir noch einen Weg von zwanzig Meilen vor uns, wir würden unsere Ausgaben ohne Knickerei bestreiten können (bei welchen Worten er die in dem Speisekorb gefundene halbe Guinee vorbrachte). Ich zeige Ihnen dies nicht aus Prahlerei mit unsern Reichthümern, sondern nur, um Ihnen zu beweisen, daß ich die Wahrheit rede. Wenn Sie mir einen Platz an Ihrer Tafel gönnten, so war dies eine Ehre, nach der ich mich nicht hinzudrängte; da ich aber einmal hier war, bemühte ich mich, Ihnen mit aller Achtung zu begegnen; sollte ich in irgend etwas gefehlt haben, so geschah es nicht mit Absicht, auch konnte ich gewiß nicht in dem Grade strafbar sein, daß ich die Beschimpfungen, die ich erdulden mußte, verdient hätte. War es also damit nur auf meinen Stand oder auch nur auf meine Armuth abgesehen (so gar arm bin ich denn aber doch nicht, wie ich eben bewiesen habe), so haftet die Schmach nicht an mir, und möge – das wünsche ich von Herzen – die Sünde nicht an Ihnen haften.« – Als er diese Rede beendigt hatte, klatschte ihm die ganze Gesellschaft Beifall zu; der Hausherr aber sagte, was vorgefallen, thue ihm sehr leid, sein Gast könne ihn jedoch nicht beschuldigen, daß er selbst Theil daran genommen; die Verse seien, wie der Herr Pfarrer richtig bemerke, so schlecht, daß sie keine Antwort verdienten, das Knallbläschen betreffend, so sei das ohne Zweifel eine Ungezogenheit, die sich der Tanzmeister gegen ihn erlaubt habe, und wolle er diesen dafür züchtigen, wie er es verdiene, so würde ihm das ein sehr angenehmes Schauspiel sein (worin er wahrscheinlich die Wahrheit sagte). Adams erwiederte, wer dies auch immer gethan haben möge, so zieme es seiner Stellung nicht, ihn dafür durch eine Züchtigung büßen zu lassen, »und was den deshalb angeklagten Mann betrifft,« fuhr er fort, »so kann ich selbst als Zeuge seiner Unschuld ihn von der Schuld freisprechen, denn ich wendete die ganze Zeit über kein Auge von ihm. Wer es auch gewesen sei, Gott vergebe es ihm, und verleihe ihm etwas mehr gesunde Vernunft und Humanität.« Der Kapitän antwortete mit trotzigem Blick und Ton: er hoffe, daß er damit nicht gemeint sei; »zum Henker,« sagte er, »ich habe wohl eben so viel Animosität, als ein anderer, und wer's Gegentheil behauptet, dem will ich zum Beweise den Hals abschneiden.« – Adams sagte lächelnd, er glaube, der Herr habe durch Zufall richtig gesprochen; worauf der Kapitän erwiederte: »Was meinen Sie mit dem richtig sprechen? Wären Sie nicht ein Geistlicher, so ließe ich mir solche Redensarten nicht gefallen; aber Ihr Rock schützt Sie. Hätte sich Einer, der einen Degen trägt, so was unterfangen, ich hätt' ihn auf der Stelle bei der Nase gezupft.« – Adams versetzte: wer sich an seiner Person zu vergreifen erkühne, auf dessen Rock würde er seinerseits keine Rücksicht nehmen; dabei ballte er die Faust und versicherte, er habe schon manchen kräftigern Burschen zur Ruhe gebracht. Der Hausherr that, was er nur vermochte, um diese Kriegslust in dem Pfarrer anzufachen, damit es wo möglich zu einem Kampf komme, aber seine Hoffnung schlug fehl, indem der Kapitän nichts erwiederte als: »Ihr Glück, daß Sie ein Geistlicher sind,« – und den Streit damit beendigte, daß er einen tüchtigen Humpen zu Ehren der »alten Mutter Kirche« austrank.

Jetzt erhob sich der Doktor, der bisher geschwiegen hatte, aber unter feierlichem Ernst mehr Tücke verbarg als die andern alle, um in einer pompösen Rede Dem, was Adams gesagt hatte, seinen Beifall zu geben, und eben so stark das Benehmen, das man sich gegen diesen erlaubt, zu tadeln. Dann ging er zu Lobpreisungen der Kirche und der Armuth über, und empfahl dem Pfarrer zum Schlusse Vergebung des Geschehenen. Dieser antwortete sogleich, er habe schon alles verziehen, und in der Wärme seines guten Herzens füllte er einen großen Becher mit Doppelbier (einem Getränk, das er dem Wein vorzog), um auf der ganzen Gesellschaft Wohlergehen zu trinken. Dann schüttelte er dem Kapitän und dem Dichter auf's herzlichste die Hände, und wandte sich mit großer Achtung an den Doktor, der in der That äußerlich über nichts von dem Vorgefallenen gelacht hatte, weil er seine Muskeln nach Willkür regieren, und, ohne sich im geringsten zu verrathen, innerlich lachen konnte. Der Doktor begann nun eine zweite pathetische Rede, worin er gegen alle leichtfertigen oder auch nur muntern Gespräche sich erklärte. Er sagte, es gebe Unterhaltungen für Personen jedes Alters und Standes, von der Kinderklapper an bis zur Untersuchung einer philosophischen Frage, und ein Mensch verrathe seinen Charakter in nichts mehr, als in der Wahl dieser Unterhaltungen, »denn,« sagte er, »wie unsere Erwartungen von dem zukünftigen Betragen eines Knaben sehr gespannt werden müssen, wenn wir ihn in seiner Kindheit statt mit dem Kräusel, dem Ball, oder anderm Spielzeug in seinen Freistunden mit geistigen Arbeiten sich beschäftigen sehen, so müssen wir andererseits einen Erwachsenen verachten, dem wir mit Schnippkügelchen oder auf andere kindische Weise sich belustigen sehen.« – Adams pries höchlich des Doktors Meinung hierüber, und sagte, er habe sich oft über manche Stellen in alten Autoren gewundert, wo von Scipio, Laelius und andern großen Männern berichtet werde, sie hätten ihre Mußestunden mit derartigen kindischen Zeitverkürzungen zugebracht. Der Doktor erwiederte: er habe ein altes griechisches Manuscript zu Hause, worin einer Lieblingsbeschäftigung des Sokrates Erwähnung geschehe. – »Ei,« rief Adams begierig, »ich würde Ihnen für die Erlaubniß, es durchzulesen, unendlich verpflichtet sein.« – Jener versprach, es ihm zu überschicken, fügte aber hinzu, er glaube den Inhalt mittheilen zu können. »Es verhält sich damit,« sagte er, »so viel ich mich dessen noch entsinne, ungefähr so: Es wurde ein Thron errichtet, auf dessen einer Seite ein König, auf der andern eine Königin saßen, zu beiden Seiten von Wache und Gefolge umgeben; diesen ward ein Gesandter vorgestellt, welche Rolle immer Sokrates zu übernehmen pflegte, und nachdem er zu den Stufen des Throns geführt worden, hielt er an das königliche Paar irgend eine feierliche Rede über Tugend, Menschenliebe, Moral und dergleichen. Darauf mußte er zwischen dem König und der Königin sich niederlassen, und wurde fürstlich bewirthet. Dies war, denke ich, der Hauptinhalt; vielleicht sind mir noch einige Nebenumstände entfallen, denn es ist lange her, daß ich's gelesen habe.« – Adams bemerkte, dieser Zeitvertreib sei in der That eines so großen Mannes vollkommen würdig gewesen. »Ich glaube,« fügte er hinzu, »es könnte nicht schaden, wenn unter unsern großen Männern statt der Karten und anderer nichtiger Zerstreuungen, womit sie, wie man mir gesagt hat, einen nur zu großen Theil ihres Lebens vergeuden, auch so etwas eingeführt würde. Er sagte noch schließlich: die christliche Religion sei für solche Reden ein edlerer Stoff, als irgend einer, den Sokrates hätte wählen können. – Der Hausherr billigte des Pfarrers Urtheil und erklärte, wie er entschlossen sei, ein Schauspiel dieser Art noch denselben Abend zu veranstalten. – Der Doktor machte den Einwurf, es werde Keiner eine Rede in Bereitschaft haben; »Sie müßten denn etwa,« fügte er hinzu (indem er sich mit einem Ernste, der einen Schlaueren hätte täuschen können, an Adams wandte) »eine Predigt bei sich führen, Sir.« – »Ich reise nie ohne eine,« erwiederte Adams, »man weiß ja nicht, was sich zutragen kann.« – Er wurde leicht durch seinen würdigen Freund, wie er jetzt den Doktor nannte, vermocht, die Rolle des Gesandten zu übernehmen, und der Hausherr ertheilte sogleich Befehl, den Thron zu errichten, was auch geschehen war, bevor sie noch zwei Flaschen geleert hatten, und der Leser wird hiernach vielleicht die Geschwindigkeit der Bedienten zu bewundern geneigt sein. Doch die Wahrheit zu gestehen, der Thron kostete weiter keine Mühe, als daß eine große Wasserwanne herbeigeschafft wurde, an deren beiden Seiten man zwei Stühle höher als der Rand der Wanne stellte, und über das Ganze breitete man ein Betttuch. Auf die Stühle nun setzten sich der König und die Königin, der Hausherr nämlich und der Kapitän. Hierauf ward der Gesandte von dem Dichter und dem Doktor eingeführt, und nachdem er seine Predigt abgelesen, wurde er zum großen Jubel aller Anwesenden nach seinem Platz geführt und zwischen ihre Majestäten gesetzt. Diese erhoben sich plötzlich und gleichzeitig; das Tuch, dessen Zipfel zu beiden Seiten nicht mehr gehalten wurde, gab nach, und Adams plumpte bis über die Ohren ins Wasser. Der Kapitän entsprang glücklich; der Hausherr aber war nicht so flink, als er zu dieser Rolle hätte sein sollen, und wurde, bevor er vom Thron steigen konnte, zur vollkommenen innern Zufriedenheit der Gesellschaft von Adams erfaßt und zu sich hinabgezogen. Nachdem dieser den Squire zwei- bis dreimal tüchtig untergetaucht hatte, sprang er aus der Wanne, und warf spähende Blicke nach dem Doktor, den er unstreitig zu derselben Ehrenstelle befördert haben würde; doch dieser hatte sich bereits klüglich entfernt, und nachdem der Pfarrer seinen Knittel gesucht, und diesen so wie seine Reisegefährten gefunden, erklärte er, er wolle nicht einen Augenblick länger in einem solchen Hause verweilen. So ging er denn, ohne von seinem Wirthe Abschied zu nehmen, und ohne zu ahnen, wie hart er diesen gezüchtigt hatte, denn da er nicht schnell genug sich umzukleiden bedacht gewesen war, so erkältete er sich dergestalt, daß er in ein Fieber fiel, welches sein Leben länger Zeit bedrohte.


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