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[Neuntes Kapitel.]

Enthält so staunenswürdige und blutige Abenteuer, als man nur in dieser oder irgend einer andern authentischen Geschichte finden dürfte.


Es tagte fast schon, als Joseph Andrews, dessen Augen der Gedanke an seine theure Fanny geöffnet hatte, aus seinen zärtlichen Schwärmereien über diesen geliebten Gegenstand durch ein heftiges Klopfen an der Hausthür, über welcher er schlief, aufgestört wurde. Er sprang sogleich aus dem Bett, und als er das Fenster geöffnet hatte, wurde er gefragt, ob keine Reisenden im Hause seien. Eine andere Stimme ließ sich gleich darauf vernehmen, ob nicht zwei Männer und ein junges Mädchen hier ihr Nachtlager genommen hätten? – Obgleich er die Stimmen nicht kannte, so begann er doch die Wahrheit zu argwöhnen; denn er hatte von einem der Bedienten im Hause des Squire etwas von dessen Absichten gehört; er antwortete daher verneinend. Einer der Fragenden, der mit dem Wirth gut bekannt war, rief diesen bei seinem Namen, als derselbe eben ein anderes Fenster geöffnet hatte, und stellte die nämlichen Fragen an ihn, worauf diesmal eine bejahende Antwort erfolgte. »Oho,« rief eine dritte Stimme, »haben wir Euch endlich gefunden?« – und hieß den Wirth herabkommen, und die Thüre öffnen. Fanny, die eben so wach war, als Joseph, vernahm kaum dies alles, als sie aus dem Bette sprang, ihre Röcke überwarf, und so schnell sie konnte nach Josephs Zimmer lief, der gleichfalls beinahe schon angezogen war. Er ließ sie sogleich ein, umarmte sie mit der feurigsten Zärtlichkeit, und bat sie, unbesorgt zu sein, da er an ihre Vertheidigung sein Leben setzen wolle. – »Und deßhalb sollte ich ohne Furcht sein,« rief sie, »da ich Den verlieren könnte, der mir lieber ist als die ganze Welt?« – Joseph sagte, indem er ihr die Hand küßte: er könne sich fast über die Veranlassung freuen, die ihr ein wärmeres Geständniß abgelockt habe, als er je zuvor von ihr erhalten. Nun lief er, Herrn Adams zu wecken, der noch im tiefem Schlaf lag, aber nicht sobald von der ihnen drohenden Gefahr Kunde erhielt, als er einen Satz aus dem Bette that, ohne auf Fanny's Gegenwart zu achten. Diese wendete schnell ihr Gesicht von ihm ab, und die Dunkelheit gewährte ihr einen doppelten Vortheil, denn so wie dieselbe eine weniger reine Unschuld oder weniger zarte Sittlichkeit vor der Verletzung der [Schamhaftigkeit] beschützt haben würde, so verbarg sie auch noch ihr Erröthen. Adams hatte bald alle seine Kleider am Leibe, bis auf die Hosen, die er in der Eile vergaß, aber im Grunde auch bei der Länge seines Ueberrocks so ziemlich entbehren konnte; und jetzt, da die Hausthür geöffnet war, traten herein der Kapitän, der Dichter, der Schauspieler und drei Bediente. Der Kapitän sagte dem Wirth, die beiden Männer, die im Hause übernachteten, hätten ein junges Mädchen entführt, und er verlange zu wissen, in welchem Zimmer Letzteres sich befinde. Der Wirth, der die ganze Geschichte gleich glaubte, wies ihnen den Weg, und sogleich eilten der Kapitän und der Dichter um die Wette die Treppe hinauf. Der Dichter, der am flinkesten war, drang zuerst in die Stube, durchsuchte das Bett und spähte in allen Winkeln umher, aber vergebens; das Vögelein war bereits ausgeflogen, wie der ungeduldige Leser, der sonst leicht für Fanny zu besorgt hätte werden können, schon davon unterrichtet wurde. Hierauf fragten sie, wo die beiden Männer lägen, und schon näherten sie sich ihrer Schlafkammer, als Joseph ihnen mit lauter Stimme von innen entgegenrief, den Ersten, der sich an der Thüre vergreife, würde er erschießen. Der Kapitän wollte wissen, was für Feuergewehr sie hätten, worauf der Wirth erwiederte, er glaube, ja er sei fest überzeugt, sie hätten ganz und gar keins, denn er habe am Abend Einen den Andern fragen hören, was sie hätten thun sollen, wenn sie eingeholt worden wären, indem sie ohne Waffen seien, worauf der Andere geantwortet habe, sie hätten sich so lange wie möglich mit ihren Stöcken wehren müssen, und Gott sei ja jeder Zeit der gerechten Sache gnädig. Dies beruhigte den Kapitän, aber nicht den Dichter, der sich kläglich die Treppe hinab zurückzog, indem er sagte, es sei sein Beruf, große Thaten zu besingen, nicht aber sie auszuführen. Der Kapitän war kaum sicher, daß kein Feuergewehr vorhanden sei, als er, laut allem Pulver Trotz bietend, indem er schwor, er habe dessen genug gerochen und es sei ihm ein sehr angenehmer Geruch, die Bedienten aufforderte, ihm zu folgen, und kühn vor ihnen herstürmend, sofort die Thüre zu sprengen suchte, was ihm mit Hülfe der Bedienten bald gelang. Jetzt bot sich ihnen der Feind, drei Mann hoch aufgestellt, dar; Adams im ersten Glied und Fanny im letzten. Der Kapitän sagte zu Adams, wenn sie sämmtlich mit ihm zurückkehren wollten, so werde man sie höflich behandeln, weigerten sie sich aber, so habe er Befehl, das junge Mädchen, welches sie, wie aus mehreren Gründen sich schließen lasse, ihren Eltern entführt hätten, mit sich zu nehmen; denn trotz der Verkleidung der Dame verrathe ihr Anstand, den sie nicht werde bergen können, offenbar ein besseres Herkommen als das ihrer Begleiter. Fanny brach in Thränen aus, und betheuerte feierlich, hierin täusche er sich; denn sie sei ein armes hülfloses Findelkind, und hätte, so viel sie wisse, auf der weiten Welt keine Verwandten; ja sie warf sich auf die Kniee, und flehte, man möchte sie doch nicht von ihren Freunden zu entfernen suchen, welche, sie wisse es zuverlässig, lieber das Leben, als sie aufgeben würden. – was denn Adams in Ausdrücken bekräftigte, die ziemlich nahe an einen Schwur grenzten. Der Kapitän betheuerte dagegen, er habe keine Zeit zu eitlem Geschwätz, und fügte hinzu, sie möchten sich selbst zuschreiben, was jetzt geschehen werde. Hierauf befehligte er die Bedienten zum Angriff, und versuchte zugleich, neben dem Pfarrer vorbeizuschlüpfen, um sich Fanny's zu bemächtigen. Als dieser ihn daran verhindern wollte, erhielt er einen Schlag von einem der Bedienten, den er, ohne zu berücksichtigen, woher er kam, dem Kapitän zurückgab und zwar in einem so geschickten Fauststoß in jene Gegend der Brust, die man gewöhnlich die Herzgrube nennt, daß Jener mehrere Schritte zurücktaumelte, und, an diese Art von Spiel nicht gewöhnt, zugleich klüglich besorgt vor den Folgen eines andern ähnlichen Puffs, deren zwei er von gleicher Wirkung erachtete, wie einen Stich durch den ganzen Leib, zog er seinen Hirschfänger, als Adams sich ihm näherte, und holte zu einem Hiebe gegen dessen Kopf aus, der wahrscheinlich den Prediger für immer zum Stillschweigen gebracht haben würde, hätte nicht Joseph in diesem Augenblick einen gewissen massiven steinernen Topf mit einem Henkel, den aber sechs Stutzer mit beiden Händen schwerlich hätten heben können, emporgehoben und ihn mit seinem ganzen Inhalt dem Kapitän gerade ins Gesicht geschleudert. Der hoch empor geschwungene Hirschfänger entfiel seiner Hand, er stürzte mit dumpfem Geräusch auf den Boden und seine Kupfermünze rasselte in seiner Tasche; die rothe Feuchtigkeit, die in seinen Adern, die weißlichte Feuchtigkeit, die im Topfe gewesen war, rannen in einem Strom sein Antlitz und seine Kleider hinab. Auch Adams war nicht ganz verschont geblieben, indem ein Seitenquell ihm das Haupt besalbt hatte, und nun in den Runzeln, oder Furchen vielmehr seiner Wangen hinabzurieseln begann, wozu noch kam, daß einer der Bedienten aus einem Eimer mit Wasser, das bereits zum Scheuern der Stube benutzt worden war, den Waschlappen ihm ins Gesicht schleuderte: doch rührte das Herrn Adams wenig, vielmehr entriß er mit einer Hand dem Burschen den Lappen, den dieser an dem Ende noch fest gehalten hatte, und streckte ihn mit der andern zu Boden, indem er ihm einen Hieb über jenen Theil des Gesichts versetzte, wo bei verschiedenen Lebemännern die künstliche Nase sich an die natürliche anschließt.

Bisher schien Fortuna sich auf der Reisenden Seite zu neigen, als sie abermals ihre gewohnte Unbeständigkeit zu zeigen begann; denn jetzt betrat der Wirth das Schlachtfeld oder vielmehr Schlachtzimmer, stürzte auf Joseph zu, und rannte (denn er war ein kräftiger Mann und ein erfahrener Boxer) diesen dergestalt mit dem Kopf gegen den Magen, daß der Angegriffene zurücktaumelte, aber er faßte sich schnell, und schlug, indem er einen Fuß zurücksetzte, den Wirth mit solcher Kraft unter das Kinn, daß dieser schon schwankte; eben aber, da Joseph den Hieb mit der rechten Hand wiederholen wollte, traf ihn einer der Bedienten mit einem Prügel so mächtig an die Schläfe, daß er ohne Bewußtsein darniedersank und mit seiner Körperlänge den Boden maß.

Fanny erfüllte die Luft mit ihrem Jammer-Geschrei, und Adams stand im Begriff, Joseph zu Hülfe zu eilen, aber die beiden andern Bedienten und der Wirth fielen jetzt über den Pfarrer her, den sie bald zu Boden schlugen, obgleich er wie ein Rasender sich vertheidigte, und von den Eindrücken des Waschlappens so schwarz aussah, daß Don Quixote ihn gewiß für einen verzauberten Mohren gehalten haben würde. Doch nun kommt erst die eigentliche Katastrophe des Trauerspiels; denn als der Kapitän, der sich wieder aufgerafft hatte, Joseph dahingestreckt und Adams überwältigt sah, legte er sogleich gewaltsame Hand an Fanny, und schleppte sie mit Hülfe des Dichters und des Schauspielers – (welche, sobald sie von der Entscheidung der Schlacht Kunde erhalten, sich wieder hinauf begeben hatten) – unter Wehklagen und Schreien und Zornrausrufen von ihrem Joseph hinweg, und ohne alles ihres Bittens und Flehens im mindesten zu achten, trugen und zerrten sie das arme Mädchen die Treppe hinab, und banden sie auf des Schauspielers Pferd fest. Der Kapitän bestieg das seinige, und indem er den Zügel des andern, auf welchem die Unglückliche saß, ergriff, ritt er mit ihr davon, ohne ihr Geschrei mehr zu beachten, als ein Fleischer das eines Lammes, zumal da seine Gedanken auf nichts als die hohe Gunst gerichtet waren, die er sich von dem Squire in Folge des Ausgangs dieses Abenteuers versprach.

Die Bedienten, welche Befehl hatten, Adams und Joseph in möglichst guter Verwahrung zu halten, damit der Squire seine Anschläge auf die arme Fanny ungestört verfolgen könne, banden sofort des Dichters Rath gemäß Adams an den einen Bettpfosten, und Joseph, sobald sie ihn wieder zur Besinnung bringen konnten, an den andern. Hierauf verließen sie die Beiden, die sich den Rücken zukehrten, und schärften dem Wirth ein, bis auf weitern Befehl sie nicht frei zu lassen, noch sich ihnen zu nähern. Jetzt machten sie sich auf dem Heimweg; der Zufall wollte aber, daß sie eine andere Straße einschlugen, als jene, die der Kapitän gewählt hatte.


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