Gustav Theodor Fechner
Nanna oder Über das Seelenleben der Pflanzen
Gustav Theodor Fechner

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XIII. Einheit und Zentralisation des Pflanzenorganismus.

"Jede Zelle," sagt Schleiden, "ernährt sich für sich und nach ihrer eigentümlichen Natur auf andere Weise." (Schleiden, Grundz. II. S. 464.)

"Bei der Selbständigkeit des Lebens der einzelnen Zellen können in und an bestimmten Zellen Prozesse vor sich gehen, die für das Leben der benachbarten Zellen und somit der ganzen Pflanze ohne alle Bedeutung sind," (Ebendas. II. S. 464.)

"Die Ernährung der ganzen Pflanze besteht nur in der Ernährung ihrer einzelnen Zellen." (S. 466.)

"Die Pflanze besteht als solche wesentlich nur in der morphologischen Verknüpfung ihrer physiologisch selbständigen Elementarorgane." (S. 470.)

"Die Zelle dürfen wir als einen kleinen selbständigen, für sich lebenden Organismus ansehen. Aus seiner Umgebung nimmt derselbe flüssigen Nahrungsstoff auf, aus demselben bildet er durch chemische Prozesse, die im Innern der Zelle beständig rege sind, neue Stoffe... In dem regen Spiel der Aufnahme und Ausscheidung von Stoffen, der chemischen Bildung, Umbildung und Zersetzung von Stoffen besteht das ganze Leben der Zelle und — da die Pflanze eigentlich nichts ist als die Summe vieler Zellen, die zu einer bestimmten Gestalt verbunden sind — auch das Leben der ganzen Pflanzen." (Schleiden, Die Pflanze. S. 41.)

"Jede einzelne Zelle führt gleichsam ein gesondertes Leben für sich." (Ebendas. S. 47.)

Läßt sich deutlicher sagen, als wir es hier von einem Sachverständigen hören: die Pflanze ist für sich als Ganzes nichts, die Zelle alles? Zwar heißt uns die Pflanze organisch, lebendig, und ist es auch, aber sie ist es nur als ein dem Ganzen des Naturorganismus angehöriger, in ihm aufgehender Teil. Sie ist herausgewachsen aus dem Boden, noch angewachsen am Boden wie ein Haar auf unserem Haupte; ihre Prozesse zwar regsamer als die des Haares, doch nicht anders als die einer Drüse unseres Leibes, worin allerhand Stoffe zum Zwecke des Ganzen verarbeitet werden. So werden in der Pflanze Luft, Licht, feste Stoffe der Außenwelt auf eigentümliche Weise zum Zwecke des Ganzen verarbeitet. Wer will in einem Leberdrüschen eine Seele für sich finden; ist mehr Grund da, eine solche in der Pflanze zu finden? Laß also immerhin die Pflanze organisch, lebendig heißen, laß auch eine Idee ihrer Schöpfung und Gestaltung unterliegen; aber wenn sie doch nicht ein sich für sich selbst abschließendes Organisches, ein in sich kreisendes, sich auf sich selbst zurückbeziehendes Lebendiges ist, kann auch die Idee, die ihrem Sein und Leben unterliegt, nicht in einem ihr selbst immanenten Seelenprinzip gesucht werden. Der göttliche Geist mag in der Fülle seiner Ideenwelt auch die Idee der Pflanzengestalt lebendig in sich tragen, es ist aber nur sein Leben, seine Idee, nicht selbsteignes Leben, eigne Seele, was der Pflanze gegeben ist.

Wie anders all dies bei den Tieren! Der tierische Organismus schließt sich rund in sich selbst ab, ist auf sich gestellt, kreist in sich, bezieht sich allwegs auf sich zurück. Da kann man nichts losreißen und für sich pflanzen, und wo und wie man etwas losreiße, spürt es das Ganze. Ganzes und Einzelnes bestehen nur mit und durcheinander, wie sie sind. Wie jedes auf das andere, wirkt jedes durch Vermittelung des anderen im Kreislauf auch wieder auf sich selbst zurück. Wo auch das herrschende Zentrum liege, und sei es auch, daß es an keinem einzelnen Punkte liege, aber es zeigt sich sicher eins in den Wirkungen vorhanden, was das Ganze bindet und alles zwingt, sich ihm zu fügen.

Ich habe alles zu erschöpfen gesucht, was man in diesem Sinne sagen kann; ja wüßte ich, was sich noch mehr und Schlagenderes in diesem Sinne sagen ließe, ich würde es gern gesagt haben, weil ich den Einwänden nicht ausweichen, sondern ihnen begegnen möchte. Vielleicht habe ich aber sogar schon mehr gesagt, als mancher selbst wird sagen wollen; man braucht dies dann einfach abzuziehen. Ist nicht alles triftig und klar in diesem Einwande gestellt und auseinander gehalten worden, so möchte dies nicht unsere Schuld sein; denn versucht man, ihn auf das Triftige und Klare zu reduzieren, so löst er sich von selbst auf. Warum ihn dann überhaupt stellen? Weil er überhaupt gestellt wird.

Um die eignen Worte eines Gegners mitzuteilen, führe ich folgende Argumentation von Carus (Psyche S. 112) an, welche hauptsächlich im Sinne des vorigen Einwandes gestellt, obwohl zum Teil auch in schon anderwärts Berücksichtigtes eingreift.

"Das Pflanzenreich beruht durch und durch, wie in jeder einzelnen Pflanze, so auch in der Mannigfaltigkeit seiner Gestalten, wesentlich auf endloser Wiederholung einer Grundform, es ist durch und durch Zellenbau, sich ins Unendliche fort wiederholend, und deshalb aus jeder einzelnen Zelle immer wieder möglicherweise das Ganze hervorbringend, und eben darum auch den Begriff der Totalität nie vollkommen abschließend.Ich übersehe nicht, inwiefern jene Möglichkeit solchem Abschlusse mehr widersprechen soll, als wenn wir beim Tiere diese Möglichkeit auf gewisse Zellen des Mutterkörpers vorzugsweise verwiesen sehen, zumal da doch noch niemand die Möglichkeit, wirklich aus jeder Zelle eines Birnbaumes oder einer Nelke wieder einen Birnbaum oder eine Nelke hervorzubringen, dargetan hat. Es scheint mir, daß der Abschluß einer Zellenmehrheit zur Totalität und die Fähigkeit dieser oder jener oder jeder einzelnen Zelle, bei Absonderung vom Ganzen das Ganze zu reproduzieren, überhaupt in keinem deutlichen Bezuge zueinander stehen. Schon der Laie, ohne sich des höhern Grundes bewußt zu sein, trennt daher Teile der Pflanze ab mit anderen Vorstellungen und Gefühlen als bei einem Tiere: er wird jene gewissermaßen immer für ein Stückwerk, und dieses immer für ein Ganzes nehmen. Ein Blatt, eine Blume abzubrechen geschieht mit Lust, ein Glied eines lebenden Tieres abzulösen wird ihm jedesmal schmerzlich sein.Vergl. hierüber S. 20. 22. 68 ff. Die Pflanze hat aus jenem Grunde keine Eingeweide und keine in dem Sinne wie beim Tiere verschiedenen Organe — es kann daher auch nicht, im Gegensatze zu wesentlich heterogen werdenden Organen, ein solches Urgebilde wie das Nervensystem übrig bleiben; — kurz, sie bleibt wesentlich immer nur eine Vielheit von Einheiten, es fehlt ihr ein solches inneres Zentrum, wie es das Tier hat, und obwohl auch sie nicht ohne eine gewisse Totalität sein kann, so ist der Begriff derselben nie dergestalt abgeschlossen wie im Tierreiche, woraus denn einmal folgt, daß der Begriff höherer und niederer Organisation, welcher im Tierreiche so deutlich sich zu erkennen gibt, im Pflanzenreiche stets nur sehr unvollkommen sich ausspricht (es wird immer streitig bleiben, welche man als die höchste Pflanze betrachten soll); ein andermal folgt, daß, indem der Pflanze ein wahrhaft zentrales System und dadurch ein vollkommenes Band der Einheit und Ganzheit fehlt, von irgend einer Art des Bewußtseins hier noch keineswegs die Rede sein könne. Wenn wir sonach mit dem Namen der Seele nur diejenige Idee zu bezeichnen pflegen, in welcher irgend ein Bewußtsein wirklich sich entwickelt hat, so ergibt sich aus obigem deutlich, daß von der Pflanze noch nicht ausgesagt werden könne, es sei ihr eine Seele gegeben."

Näher besehen zeigt sich, daß man bei vorigem Einwande Dinge von der Pflanze zur Seele verlangt, die man auch bei Tieren nicht allgemein oder nur scheinbar findet, und an sich keinen Grund hat, als wesentlich zum Dasein einer Seele zu fordern, teils Dinge vermißt, die im Grunde doch ebensogut bei den Pflanzen wie bei Tieren zu finden, wenn auch in anderer Form.

Das Tier ist zuvörderst so gut wie die Pflanze ein Haufe äußerlich verknüpfter Zellen. Man weiß ja, daß sogar Nerven- und Muskelfasern aus aneinander gelagerten und teilweis verschmolzenen Zellen bestehen, und hat in dieser Beziehung nur die größte Analogie zwischen Pflanzen und Tieren finden können. Wo ist denn nun im Tiere innerhalb dieses Zellenhaufens der zentrale Punkt, den man in der Pflanze verlangt? Im Gehirn? Aber das Gehirn ist bloß ein Gewebe neben- und zwischeneinander durchlaufender Fasern, nirgends ein Punkt, in dem sie zusammenlaufen. Oder ist das ganze Gehirn selbst dieser Zentralpunkt? Gewöhnlich meint man so, obgleich es für einen Punkt etwas groß ist; was man sich aber nicht anfechten läßt. Nun aber gibt es genug Tiere, die statt eines Gehirns bloß zerstreute, wenn auch durch Nerven verknüpfte, Ganglienknoten haben, und doch in sehr ausgebildeten, zweckmäßig waltenden Instinkten das Walten einer in sich einigen Seele verraten. Den Insekten mißt man freilich ein Gehirn bei; es ist ein Nervenknoten, der im Kopfe liegt und von dem die Haupt-Sinnes-Nerven ausgehen; aber er ist oft kleiner als andere Nervenknoten desselben Insekts, und schneidet man ihn samt dem Kopf weg, so hören die Zeichen der Seelentätigkeit nicht auf.

Man höre:

"Die Gliedertiere (Insekten) machen nach Wegnahme des Kopfes Bewegungen, welche Willenstätigkeit voraussetzen. Geköpfte Fliegen und Käfer fliegen und laufen nach der Operation oft ziemlich weit und lange. Sie bewegen sich nicht nur infolge äußerer Reize, sondern wechseln ab mit Bewegung und Ruhe, und zwar zeigt sich in diesem Wechsel kein fester Typus, und die Ruhe scheint nicht bloße Folge der Ermüdung. Eine geköpfte Schmeißfliege war für Tabaksrauch empfindlich, was freilich nicht notwendig auf ein Riechvermögen zu beziehen ist. Auf den Rücken gelegt, suchte sie sich aufzurichten, und als ihr, weil dies nicht gelang, ein spitzes Hölzchen zur Unterstützung hingehalten wurde, ergriff sie dieses zuerst mit einem Fuße, worauf sie die übrigen Beine geschickt nachzog. Geköpfte Wespen stechen auf eine Weise, welche ihr Streben zu stechen kaum verkennen läßt, denn der Stachel des Tieres wird nicht etwa ganz mechanisch vorgeschoben und eingezogen, sondern das Tier bemächtigt sich mit den Fußen eines Gegenstandes, hält ihn fest und sticht hinein. Ähnliches sah Treviranus. Dergleichen Bewegungen sind nichtDas Wort nicht fehlt im Original durch Druckfehler. Reflexbewegungen, denn sie erfolgen ohne äußeren Reiz, sie haben auch wenig Ähnlichkeit mit Konvulsionen, als welche Grainger sie auffaßt. Denn einerseits fehlt ihnen das Zuckende, welches den Konvulsionen eigen ist, andrerseits scheinen sie Zwecke zu verfolgen, welche durch die Vorstellung gegeben sind." (Volkmann in Wagners Physiolog. Wört. Art. Gehirn. S. 576.)

Das Nervensystem der Asterias besteht aus einem Nervenringe, in dem 5 Nervenknoten symmetrisch verteilt sind, von denen einer so viel als der andere Wert ist; doch bewegt sich dies Tier so gut mit allen Zeichen der Seeleneinheit wie eins, das nur ein Haupt-Zentral-Organ hat. Nun sage ich: wenn die Seelen-Einheit mit einer Verteilung an 5 Nervenknoten besteht, so kann sie ebenso gut mit einer Verteilung an 100 oder 1000 Nervenknoten bestehen, und, wo Nerven überhaupt nicht nötig sind, mit einer Verteilung an Millionen Zellen bestehen; wir sehen eben, es kommt auf die verlangte Zentralisierung nicht an. Unstreitig freilich hat die Zusammenklumpung der Nerven-Masse im Gehirn beim Menschen ihre große Bedeutung, aber es wird eben eine andere sein müssen, als die Einheit der Seele zu bedingen.

Da es mit dem Gehirn nicht wohl zutreffen will, so geht man weiter, und sucht (wie Carus) den Ausdruck der verknüpfenden, zentralisierenden Einheit im ganzen Nervensystem. Aber es leuchtet doch ein, daß, wenn man den Pflanzen eine solche Einheit abspricht, weil sie ein bloßes Agglomerat von Zellen sind, man den Ausdruck einer solchen Einheit nicht in einem System finden kann, was ebenso ein bloßes Agglomerat von Fasern ist. Nur sofern das Nervensystem selbst einen zentralen Punkt darböte, hätte das Tier in ihm ein Zentralisierendes voraus; aber das ist nicht der Fall. Übrigens kann man, wenn es nur um den Gegensatz eines mehr innerlich gestellten Systems zu mehr äußerlich gestellten Systemen in der Organisation zu tun ist, auch in den Spiralfasern der Pflanzen etwas finden, was eine zentrale Stellung gegen die anderen Formteile der Pflanzen hat, und wenn man bei den einfachsten Pflanzen bisher noch keine Spiralfasern gefunden, entspricht das nur dem, daß man auch bei den einfachsten Tieren noch keine Nerven gefunden. Schon früher haben wir aufmerksam gemacht, wie viel Analogie überhaupt die Spiralfasern mit Nervenfasern haben, sind aber auch hier nicht geneigt, mehr Gewicht auf diese Analogie zu legen, als dort geschehen; weil wir die ganze Forderung eines Zentralsystems oder Zentralorgans zum Beseeltsein für eine unberechtigte halten.

Das schlagendste Beispiel vielleicht, daß kein Zentralorgan, daß auch kein in sich selbst zurückkehrender Kreislauf von Säften als Träger, Ausdruck oder Bedingung der Einheit, der Herrschaft, des Abschlusses der Seele in sich wesentlich sei, kann uns wieder der Polyp gewähren. Erinnern wir uns an schon früher angeführte Tatsachen. Hat ein Armpolyp sich ganz ausgedehnt und seine Fangarme alle ausgebreitet, und man berührt ihn mit einer Nadel, oder erschüttert das Wasser, so zieht er sich auf einmal allen seinen Teilen nach in ein kleines Klümpchen zusammen. Das nimmt sich doch ganz so aus, wie die Wirkung einer den ganzen Leib des Polypen beherrschenden, alle Teile desselben in einem Wirkungszusammenhang verknüpfenden Seele, womit man noch die andern, oben angeführten Zeichen eigentümlicher, unter sich zweckmäßig zusammenhängender Seelentätigkeiten des Polypen in Verbindung setzen mag. Nun behaupte ich durchaus nicht, daß die Polypen Philosophen sind; aber ich behaupte, daß der selbst ein schlechter Philosoph ist, der nach solchen Zeichen dem Polypen entschiedene, selbständige, zur Einheit verknüpfte Empfindungen und Triebe verschiedener Art absprechen will. Was aber ist der Polyp seiner Organisation nach? Eine einfache Röhre, worin man bis jetzt weder Gefäße noch Nerven irgend sicher hat entdecken können, am einen Ende mit hohlen Fangarmen versehen. Mag man immerhin vielleicht noch Nerven entdecken, oder das, was man in manchen Arten Polypen dafür gehalten, diesen Namen wirklich verdienen, aber ein Zentralorgan und einen Kreislauf wird man gewiß nicht entdecken. Kann aber soviel selbständige und in sich zusammenhängende Empfindung und Willkür ohne Zentralorgan und Kreislauf bestehen, so kann auch noch mehr ohne das bestehen, weil sie dann überhaupt nicht daran gebunden sein kann.

Ist es nicht sonderbar, daß, da man die Seele doch gewöhnlich selbst als das die ganze Mannigfaltigkeit des Leiblichen verknüpfende Prinzip betrachtet, man andererseits so geneigt ist, noch das sichtliche Hervortreten eines ausgezeichneten Punktes oder Organs in dieser Mannigfaltigkeit als besonderen Ausdruck ihrer einigenden Gewalt zu verlangen? Betrachten wir die Figur in einem Kaleidoskop, jeder Strahl des bunten Sterns bedeutet darin soviel wie der andere; auch im Akanthusblatt des korinthischen Kapitäls bedeutet jedes Seitenblättchen soviel wie das andere; es ist kein Teil da, welcher die einigende Idee, die nach dem harmonischen Eindruck des Ganzen doch vorhanden sein muß, besonders repräsentierte, sie liegt in der das Ganze bindenden Symmetrie begründet. Ebensowenig aber als hier von der Idee eines Objektes wird man von der Seele eines Subjektes einen handgreiflichen Nachweis ihrer einigenden Kraft in einem besonders ausgezeichneten Teile verlangen können. Freilich kann man in dem bunten Stern des Kaleidoskops auf den Mittelpunkt, in dem Akanthusblatt auf die Achse des Blattes als das Einigende verweisen; aber an solchem ideellen Zentrum fehlt es auch der Pflanze nicht, sei es, daß man auf den Knotenpunkt, von dem aus die Wurzel abwärts, der Stengel aufwärts steigt, sei es, daß man auf die Achse der ganzen Pflanze verweisen will, von deren normierender Bedeutung ja ohnehin in der Botanik so viel Wesens gemacht wird.

Ich denke, es ist mit dem Leibe wie mit der Welt. Gott herrscht als Allgegenwärtiger in der ganzen Welt, bindet, verknüpft alles, ohne daß er dazu einer in der Mitte erscheinenden Zentralsonne bedarf; nur an einen ideellen Kraftmittelpunkt (Schwerpunkt) des Ganzen läßt sich denken, der aber ebensogut zwischen die Sonnen ins Leere als in eine derselben fallen könnte, und ebensogut gefunden werden würde, möchten alle Sonnen auch ganz gleich sein. Nur sofern sie wirklich nicht ganz gleich sind, bedeutet die größere und gewichtigere Sonne freilich auch mehr und Wichtigeres als die kleinere und leichtere. So ist es auch in unserem kleineren Leibe kein einzelnes Organ, an dessen Dasein sich die Herrschaft und einigende Kraft der Seele bindet; sie herrscht ebenso allgegenwärtig im Leibe als Gott in der Welt. Und wenn in einem Leibe einzelne Teile mehr Bedeutung als andere, eine Oberherrlichkeit gegen die andere gewinnen, so kann dies auch nur eine höhere Entwickelung der Seele gegen den Zustand, wo alles gleich ist, bedeuten, aber nicht erst das Dasein der Seele bedeuten; und auch in der Pflanze fehlt es nicht an solchen Teilen, sei es, daß wir auf die Spiralgefäße innerlich, oder auf die Blüte äußerlich reflektieren wollen, die, wenn sie auch nicht von Anfange an da, doch von Anfange an im Werden ist, und in diesem Werden schon den ganzen Lebensprozeß der Pflanze seine Richtung gibt. Ja diese Richtung, welche alle Teile und Seiten des Lebensprozesses der Pflanze von Anfang an auf die Erzeugung der Blüte nehmen, beweist von vornherein am besten die Untriftigkeit aller jener Behauptungen, daß die Pflanze nichts als ein Haufen aufeinander bezugsloser Zellen sei. Es wäre ebenso, als ob eine schöne Kuppel aus einem Sand- und Steinhaufen von selber erblühen könnte.

Nur zu gewöhnlich freilich ist es, sich die Seele selbst bloß wie ein kleines leibliches Wesen im größeren leiblichen Bau vorzustellen, wo sie dann freilich auch ein besonderes kleines Stühlchen zu ihrem Sitze bedürfen wird, um von da aus das Ganze des Leibes zu beherrschen und sich das Erforderliche dahin zutragen zu lassen. Man denkt sich die Seele etwa wie den Weisel eines Bienenstocks, der in einer besonders ausgezeichneten Stelle dieses Stockes sitzt, und um den sich der ganze Haushalt des Stockes dreht. Aber halten wir das Bild fest, so liegt die Seele des Bienenstockes doch eigentlich nicht bloß im Weisel, was wäre ein Bienenstock, in dem es nichts als einen Weisel gäbe; er ist bloß eine Hauptsache darin. In jeder Zelle, wo eine Biene sitzt, sitzt vielmehr auch etwas von der Seele des Bienenstockes. Und wenn im Bienenstocke allerdings die Königin sich vor anderen Bienen auszeichnet, wie unser Gehirn oder ein Teil desselben vor andern Organen, ist dies nicht mehr der Fall im Ameisenhaufen, wo es doch ebenso einig und geordnet hergeht wie im Bienenstocke. Wohlan, sage ich, wenn die Tiere monarchische Bienenstöcke sind, sind die Pflanzen republikanische Ameisenhaufen. Eine Republik hat aber so gut ihre Einheit wie eine Monarchie.

Zwar scheint uns in einer Monarchie das einigende Prinzip doch mehr gesichert und strenger repräsentiert als in einer Republik. Aber woran hängt das? Gewiß nur daran, daß jeder Mensch schon für sich ein monarchisches System mit dem Gehirn an der Spitze bildet; demgemäß ist nun auch eine menschliche Gesellschaft mehr darauf eingerichtet, sich in einer Monarchie, als Republik zur völligen Einheit abzuschließen. Aber die Ameisen beweisen, daß dies gar nicht mit der Natur der Republik zusammenhängt. Und man sieht nicht ein, warum es der Natur schwerer fallen sollte, in einen Haufen verwachsener Zellen als in einen Haufen auseinanderlaufender Ameisen eine ideelle Einheit zu verlegen.

Nach allem hat man bei der Frage nach dem äußeren Ausdruck oder den leiblichen Bedingungen für die Seeleneinheit in der Pflanze gar keine Rücksicht darauf zu nehmen, ob sich in der Pflanze etwas ähnlich zusammenklumpt wie das Gehirn im Tiere, oder eine ähnliche, zentrale Stellung gegen den übrigen Leib annimmt wie deren Nervensystem; denn jener Klumpen und dieses System sind näher betrachtet doch so gut noch ein höchst Zusammengesetztes wie der Zellenbau der Pflanze, und wie wir gesehen, klumpt sich nicht einmal in jedem Tier etwas so zusammen, und ist der Knoten der ideellen Verknüpfung überhaupt in keinem massiven Knoten oder zentralen Strang zu finden. Ein Netz mit vielen Knoten kann so gut Träger der psychischen Einheit sein wie eine Geißel mit einem einzigen Knoten, in dem viele Fäden zusammenlaufen.

Dagegen wird man allerdings eine durchgreifende Wechselbeziehung aller Teile und Tätigkeiten des Leiblichen und Zusammenstimmung derselben zu zweckmäßigen Leistungen für das Individuum als Ausdruck der verknüpfenden und sich auf sich selbst zurückbeziehenden Seelenherrschaft zu fordern haben. Denn solche nehmen wir auch am Menschen und Tiere als Ausdruck der einigenden Seelenherrschaft wahr. Sehen wir nun zu, ob es daran in den Pflanzen fehlt. Was zwar die Seite der Zweckmäßigkeit anlangt, so ist hierüber schon im Frühern genug gehandelt. Aber das Vorhandensein eines durchgreifenden Wechselbezugs erfordert noch seinen Nachweis gegen die obigen Behauptungen.

Man irrt zuvörderst sehr, wenn man meint, die äußere Form der Pflanze, welche den ganzen Zellenbau nach einem einheitlichen Plan umschließt, sei eben bloß ein Äußerliches daran, was nicht in Anschlag komme, wenn es sich um die Frage handelt, ob ein innerer lebendiger Wechselbezug zwischen den Kräften und Tätigkeiten aller einzelnen Zellen besteht, da diese äußere Form selbst nur der äußerlich zutage liegende Effekt des innerlich zusammenhängenden Wirkens der Gesamtheit aller Zellen ist, und ohnedem gar nicht so hatte entstehen können, wie sie eben entstanden ist. Wenn doch eine Tulpenzwiebel unter der Erde noch nie etwas anderes als eine Tulpe über der Erde getragen hat, wer mag leugnen, daß die Kräfte, welche an der Pflanze unter der Erde bilden, in genauestem Zusammenhange mit denen wirken, welche an ihr über der Erde bilden; die Zellen der Zwiebel und der Tulpe in ihrer Anordnung und Funktion abhängig voneinander sind?

Indem man die Pflanze wesentlich bloß "für eine morphologische Verknüpfung ihrer physiologisch selbständigen Elementorgane" erklärt, tut man in der Tat nichts anderes als einen Widerspruch in adjecto begehen. Und wer wird wirklich glauben, was man hiernach glauben müßte, daß eine Zelle, die im Zusammenhange der ganzen Pflanze z. B. Stärkemehl, Zucker bereitet, sich auf ihre besondere Art vermehrt, dasselbe ebenso außer dieses Zusammenhanges vermöchte? Gibt es Pflanzen, die nur aus einer Zelle bestehen (Protococcus) und noch vegetieren, worauf man Gewicht zu legen scheint, so wäre doch weder logisch noch empirisch daraus, daß eine Pflanzenzelle für sich selbständig existieren kann, weil sie gerade in einem besonderen Falle darauf eingerichtet ist es zu können, der Schluß zu ziehen, daß die Pflanzenzellen, auch wo sie nicht mehr für sich sind, noch für sich selbständig existieren und existieren können, während die direkte Erfahrung vielmehr zeigt, daß sie es nicht können.

Wäre es freilich richtig, daß man Teile einer Pflanze losreißen kann, ohne daß sich in der übrigen Pflanze etwas dadurch änderte, so möchte darin ein direkter Beweis gegen die Abhängigkeit der verschiedenen Pflanzenteile und deren Funktionen voneinander liegen; aber sieht man näher zu, so lehren die Erfahrungen gerade das Gegenteil. Wer kennt nicht den Weinschnitt, den Baumschnitt? Schneide ich hier einen Zweig ab, treibt dafür ein neuer aus einer Knospe, die sonst keinen getrieben hätte. Nehme ich einem Baume alle Blätter, können unter Umständen selbst Stamm und Wurzeln eingehen; schneide ich die Wurzeln ab, gehen Stamm, Zweige und Blätter ein, manchmal auch nicht; es treiben neue Wurzeln, die sonst nicht getrieben hätten; es ist wie bei der Eidechse, der man ein Bein abschneidet, hat sie eins, so treibt sie keins, hat sie keins, so treibt sie eins. Daß man freilich den Einfluß kleiner Verletzungen an der Pflanze nicht bemerkt, ist natürlich; aber deshalb fehlt er nicht. Denn so gewiß es ein Baum in einer beträchtlichen Veränderung spürt, wenn man ihm alle Blätter nimmt, so gewiß wird er es in einer nur nach Verhältnis kleineren Veränderung spüren müssen, wenn man ihm eins nimmt.

Hier folgt eine Reihe Tatsachen, welche den durchgreifenden Wechselbezug, der durch die Teile der Pflanze von unten nach oben, wie von oben nach unten, wie von der Achse nach den Seitenteilen und umgekehrt herrscht, unter verschiedener Form zu erläutern dient.

Schleiden sagt (Grundz. I. S. 218.): "Wir bemerken leicht, daß in den einzelnen Zellen der Chara die schiefe Richtung der grünen Kügelchen sich durch die folgenden Zellen hindurch zu einer vollkommenen Spirale ergänzt; ebenso findet häufig ein eigentümlicher Zusammenhang zwischen den spiraligen Ablagerungen zweier benachbarten Zellen statt, so daß dem nicht sehr aufmerksamen Beobachter sich die Spirale ununterbrochen fortzusetzen scheint." Diese Tatsache möchte sich doch nicht ganz mit den obigen Äußerungen Schleidens vertragen.

Linné beobachtete, daß ein Baum, in einem weiteren Gefäße überflüssig genährt, mehrere Jahre hintereinander Zweige aus Zweigen hervorbringe, da derselbe, in ein engeres Gefäß eingeschlossen, schnell Blüten und Früchte trage. — Hier erkennt man den Einfluß, den die Art der Bewurzelung auf die Krone des Baumes hat.

Knight hat beobachtet, daß alle Birn- und Apfelbäume, die man von den äußeren Teilen ihrer Rinde befreit hatte, in zwei Jahren mehr Holz ansetzten, als sie in den zwanzig vorhergehenden Jahren angesetzt hatten (Decand. II. S. 812). — Hier gibt sich der Einfluß einer Veränderung der äußeren Teile auf die inneren zu erkennen.

Löst man von dem Umfange eines Astes oder Baumes einen ringförmigen Rindenstreifen ab (sog. Zauberring), So trägt er oberhalb reichlicher Blüten und Früchte, reift letztere schneller, wirft früher seine Blätter ab und verdickt sich stärker im Holze als unterhalb jenes Schnittes (Schleiden, Grundz. II. S. 503). — Hier zeigt sich der Einfluß einer nur an einer kleinen Stelle hervorgebrachten Veränderung auf die ganze Vegetation des Baumes.

Wenn ein Pfropfreis, z. B. von Aprikosen, auf einen Pflaumenstamm gesetzt wird, bekleidet sich der Pflaumenstamm nach und nach mit Jahrringen von Aprikosenholz (ebendas. S. 803). Hier sieht man deutlich, wie nicht bloß unten angebrachte Veränderungen nach oben, sondern auch oben angebrachte Veränderungen nach unten wirken.

"Nimmt man im Winter einen Baum, der mit seinen Wurzeln in der Erde oder auch in einem Gefäß steht, das Wasser enthält, welches nur ein paar Grade über dem Gefrierpunkte steht, und bringt einen seiner Zweige (ohne ihn vom in der Kälte stehenden Stamm zu trennen) in ein Treibhaus, das bis auf 12° oder 15° (C.?) erwärmt ist, so entwickelt dieser seine Blätter und Blumen, während der übrige in der Kälte stehende Baum noch vollkommen erstarrt erscheint. (Decand., Phys. I. S. 76.) Hier sieht man, daß, die vermehrte Tätigkeit, welche durch die Wärme in den Zweigen veranlaßt worden ist, rückwärts die einsaugende Tätigkeit der Wurzeln angeregt hat, den Saft zu dem Treiben des Zweiges zu liefern: "denn," sagt Decandolle, "das Wasser, welches diese Knospen entwickelt, kommt nicht aus dem Treibhause, in welchem sie leben, sondern aus der Erde oder Wasser, welches die Wurzeln umgibt; ich habe mich selbst davon überzeugt, daß das Wasser in den Gefäßen, in welche die Wurzeln getaucht sind, abnimmt. Knight gelangte durch die Bemerkung, daß der Stamm unter den beschriebenen Umständen leichter erfriert als gewöhnlich, zum gleichen Resultate. Das leichtere Erfrieren beweist nämlich, daß in dem Baumstamm unterhalb des in das Treibhaus gebrachten Teiles mehr Wasser enthalten ist als sonst."

Wenn man im Mai oder Juni einem Baumstamm seine Blätter nimmt, entwickeln sich alle in deren Achseln liegende Knospen auf der Stelle, wie man bei den für die Seidenwürmer abgelaubten Maulbeerbäumen bemerken kann, sowie auch, wenn nach einem Hagel, der in den Obstgärten alle Blätter herunterschlug, heißes und feuchtes Wetter eintritt. (Decand. II. S. 482.) Wenn zu viele Zweige nebeneinander stehen, so werden die schwächsten von den stärksten ausgehungert; wenn zu viele Früchte dicht nebeneinander entspringen, so gedeihen nur diejenigen, deren Wachstum am kräftigsten ist, und gehen die übrigen zugrunde (ebendas. S. 484.) — Während der Entwicklung neuer Blätter werden die Bewegungen des Pflanzenschlafs bei den nächst beistehenden Blättern sehr ungeregelt und langsam, was auch bei einigen Pflanzen (z. B. Lupinus) zur Zeit der Entwickelung der Blumen und Früchte der Fall ist. (Dassen in Wiegm. Arch. 1838. I. S. 216.) In diesen Fällen findet man eine Beziehung zwischen nachbarlichen Seitenteilen derselben Pflanze.

Eine Bemerkung, die schon oft gemacht ist, wird in den Compt. rend. 1835. II. 360 Von Jaubert wiederholt, daß nämlich an der Seite, wo die Äste der Bäume am stärksten sind, auch sich starke Wurzeln finden. Er sagt, daß er dieses gar oft in der Sologne beim Ausroden von Bäumen gefunden habe. — Hier findet sich eine Spezialbeziehung zwischen gewissen Teilen des Baumes und gewissen andern Teilen desselben Baumes, wie auch in Tieren dergleichen Spezialbeziehungen vielfach vorkommen.

Mustel versichert aus eigner Erfahrung, daß alle übrigen Blumenteile absterben, sobald man die Blumenblätter abschneidet, wenn eine Blume anfängt sich zu entfalten; nimmt man dieselben hingegen später weg, so scheint der Embryo nur um so mehr zu gewinnen. — Da hat man Sympathie und Antagonismus in demselben Beispiele (Mustel, Traité de la végét. I. 178.).

Nach Gärtner (Vers. und Beobacht. über die Befruchtungsorgane der vollk. Gewächse. 1844.), wenn die Befruchtung des Ovariums nicht angeschlagen ist, schwindet der Kelch und nimmt ein krankhaftes Ansehen an, hat aber die Befruchtung des Ovariums stattgefunden, so erhält er sich mehrere Tage, je nach Art der Pflanze. — Hier zeigt sich eine ähnliche Sympathie in umgekehrter Richtung.

Man hat ausnahmslos beobachtet, daß Weinstöcke mit blauen Trauben im Herbste purpurrote Blätter bekommen, solche mit weißen oder gelben Trauben aber gelbe. (Decand. II. S. 707.) — Hier sieht man, wie die Färbung der Pflanzenteile nach einem durch das Ganze reichenden zusammenhängenden Plane erfolgt.

Unstreitig wird man nach solchen Tatsachen nicht leugnen können, daß die Pflanze ein durch Wechselbezug aller Teile fest in sich gebundenes Individuum ist, so gut als das Tier.

Wenn wir von einer durchgreifenden Wechselbeziehung aller Teile der Pflanze sprechen, haben wir dies freilich nicht so zu verstehen, als ob nun die Zellen an der Wurzelspitze eine direkte Wirkung in Distanz auf die Zellen der Blüte zu äußern vermöchten. Nein, eben nur mit Hilfe der anderen Zellen der Pflanze findet ihre Beziehung statt; wie dies derselbe Fall bei Mensch und Tier ist. Die Teile meines Fußes und meines Kopfes wirken auch nur durch Vermittelung der anderen Teile aufeinander; und hierbei gibt es nähere und fernere Beziehungen. Wir kennen die Kräfte, welche diese Beziehungen vermitteln, so wenig im Tier wie in der Pflanze vollständig; aber ihr wirkliches Vorhandensein ist jedenfalls ebenso deutlich in der Pflanze wie im Tiere.

Einige Vermittlungsglieder liegen indes unserer Kenntnis wirklich vor; nur muß man nicht das Ganze darin sehen wollen, sondern nur Momente des Ganzen. Ich erinnere an folgendes: Nach Maßgabe wie durch Ausdünstung der Pflanze oben Feuchtigkeit verloren geht, wird sie von unten nachdringen müssen, wie das Öl von unten in den Docht nachsteigt, nach Maßgabe wie es oben verzehrt wird. Schwillt irgendwo eine Zelle oder Faser an, wird sie durch Druck auf das ganze übrige System wirken müssen; wird irgendwo ein Weg gesperrt, wird der Saft sich durch das übrige System Bahn zu machen suchen; wird ein Teil losgerissen, wird der Saft in größerer Menge den übrigen Teilen zugute kommen. Die Gesetze der Exosmose und Endosmose mögen hierbei noch weiter greifen, als wir wissen. — Man kann fragen, was können solche hydrostatisch-hydrodynamische Vorgänge überhaupt für Bedeutung für das Psychische haben. Wenn wir aber sehen, daß nach Maßgabe wie das Blut rascher oder langsamer oder anders in unserem Kopf und Körper läuft, sei’s selbst nur vermöge ganz mechanischer Störungen im Gefäßsystem, auch Gedankenlauf und Stimmungen den wichtigsten Einfluß erfahren können, und wenn sein Lauf stockt, stillstehen; so werden wir auch selbst den mechanischen Momenten des Saftlaufs in den Pflanzen eine Bedeutung für das Psychische sehr wohl zuschreiben können; wobei es immer frei steht, die Unfreiheit des Mechanischen mit der unfreien Seite der Seele in Beziehung zu setzen; da in der Tat das, was im Denken und Empfinden von der mechanischen Seite des Blutlaufs in uns abhängt, etwas ganz Unfreies in uns ist.

Das Vorige hindert nicht, daß doch auch jede Zelle der Pflanze in gewisser Weise ihr individuelles Leben führe. Es ist nur eben ein einer höheren Individualität untergeordnetes Leben. Goethe drückt sich hierüber in seiner Metamorphose der Pflanzen treffend genug aus: "Jedes Lebendige ist kein Einzelnes, sondern eine Mehrheit; selbst insofern es uns als Individuum erscheint, bleibt es doch eine Versammlung von lebendigen selbständigen Wesen, die der Idee, der Anlage nach, gleich sind, in der Erscheinung aber gleich oder ähnlich, ungleich oder unähnlich werden können." Man muß nur auf die Erscheinungen des individuellen Zellenlebens nicht einseitig sein Augenmerk richten, als würde ein durchgreifender allgemeiner Bezug ihrer Tätigkeiten dadurch irgendwie ausgeschlossen.

Zu dem durchgreifenden lebendigen Wechselbezuge aller Teile der Pflanze werden wir noch einen kontinuierlichen Fortbezug der sukzessiven Lebens-Erscheinungen der Pflanze auf einander als Ausdruck einer zum Räumlichen auch ihr Zeitliches beherrschenden und verknüpfenden Seelen-Einheit zu fordern haben. Auch dieser fehlt nicht. In der Tat ebenso gut, als die Blüte jeder Pflanze mit ihrer Wurzel in wechselbedingenden Beziehungen der Gestalt und Funktion steht, wirkt jeder frühere Entwicklungszustand der Pflanze bedingend für jeden spätern. Der jetzige Zustand der Pflanze wird, um mich eines beliebten Wortes zu bedienen, sozusagen immer in dem folgenden aufgehoben; d. h. der jetzige bleibt nicht, aber erhält sich durch seine Wirkungen im folgenden fort. Es ist ebenso, wie unsere jetzigen Seelentätigkeiten sich in Wirkungen durch die folgenden forterhalten, selbst wo sie nicht wieder in bewußten Erinnerungen auftauchen. Und sofern die Seelentätigkeiten von leiblichen Tätigkeiten getragen werden, hängt eben eins am anderen.

Beispiele dieser Folgebeziehung der früheren zu den späteren Vorgängen in der Pflanze liegen zum Teil schon im obigen, da die Wechselbeziehungen und Folgebeziehungen im Organismus eigentlich nur mit- und durcheinander bestehen. Ich füge nur noch einiges hinzu, wo die letzte Seite der Beziehungen augenfälliger in Betracht kommt.

Es gehören hierher namentlich die periodischen Erscheinungen des Pflanzenlebens, insoweit sie unabhängig von der Periodizität äußerer Einflüsse sind; indem ein früher dagewesener Zustand hierbei als Grund seines spätem Widerauftretens erscheint.

"Nirgends," sagt Decandolle (II. S. l8), "spricht sich diese Folge der Periodizität oder der Gewohnheit entschiedener aus, als wenn man Pflanzen einer Halbkugel in der entgegengesetzten einbürgert. Versetzt man unsere Obstbäume in die gemäßigten Gegenden der südlichen Halbkugel, so fahren sie noch einige Jahre hindurch fort, um die Zeit zu blühen, welche unserem Frühlinge entspricht; das Umgekehrte findet statt, wenn man gewisse Bäume der südlichen Halbkugel nach Europa bringt." "Häufig ist es der Fall, daß ein Baum, der in einem Jahre sehr viele Früchte trug, oder an dem die Früchte sehr lange sitzen blieben, das Jahr darauf wenig oder nicht blüht. Im südlichen Europa hat man beobachtet, daß die Ölernte fehlschlägt, wenn man die Oliven (Olea Europaea) zu spät an den Bäumen sitzen läßt; letzterer Umstand ist daran schuld, daß der Ölbaum nur ein Jahr ums andere Frucht trägt. Pflückt man hingegen die Oliven frühzeitig ab, so kann man jährlich ernten."

Auch die Erscheinungen der Gewöhnung sind hierher zu ziehen, welche man bei der Sinnpflanze und anderen Pflanzen beobachtet hat (vergl. S. 181). Eine Folge dieser Gewöhnung ist, daß die Sinnpflanze, obwohl sie, in Zimmern gehalten, bei jeder Erschütterung die Blätter zusammenlegt, dies doch im natürlichen Zustande im Freien nicht ebenso tut. Link sagt in dieser Beziehung: "Im Winde fallen die Blätter dieser Pflanze zusammen, aber richten sich ungeachtet des Windes wieder auf, und gewöhnen sich endlich so daran, daß dieser nicht mehr auf sie wirkt."

Vermißt man in den Pflanzen einen Kreislauf der Säfte, so haben solchen, wie schon bemerkt, Polypen und andere Tiere ebensowenig, und unstreitig gilt davon dasselbe wie von dem Vorwalten eines Zentralorgans; er bedeutet nur eine besondere Art, wie das Ganze zur Einheit gebunden werden kann, ohne die einzige Art zu bedeuten. Das Wesentliche wird immer statt eines Herumlaufens der Säfte im Kreise ein solcher Kreis der Beziehungen sein, daß, wie die Erscheinungen in der Wurzel Einfluß auf die in Blatt und Blüte gewinnen, auch hinwiederum rückwärts dies der Fall ist. Daß es aber so sei, lehren die oben angeführten Beispiele zur Genüge.

Aber wie, sagt man, läßt sich nicht die Pflanze in hundert Stücke schneiden, und jedes dieser Stücke, zum Steckling gemacht, wächst fort? Kann man etwa die Seele auch in hundert Stücke spalten? Wie sollte man sich das denken?

Es ist wahr, da ist es viel leichter, sich zu denken, die Pflanze hat keine Seele; so vermeidet man die Schwierigkeit zu denken, wie sie sich dann bei der Spaltung benimmt. Ich meine aber, die Natur kümmert sich um unsere Leichtigkeit oder Schwierigkeit, dergleichen zu denken, nicht.

Kann man nicht auch den Polypen in hundert Stücke schneiden, und jedes Stück gibt einen neuen Polypen? Man wird wieder sagen: was beweisest du mit dem Polypen, dem wir selbst kaum eine Seele zugestehen? Und ich werde wieder an sein Zusammenziehen bei Berührung mit der Nadelspitze, seine Freßgier, seinen Zank um die Beute, seine Auswahl zwischen den Nahrungsmitteln, seine Empfindlichkeit gegen das Licht erinnern. Aber natürlich, es ist uns eben auch unbequem, den Polypen beseelt zu denken; also übersehen wir dergleichen am liebsten. Doch wir sind glücklicherweise nicht auf den Polypen allein verwiesen. Auch einen Regenwurm kann man in zwei Stücke schneiden; jedes gibt einen neuen Regenwurm. Wie soll man es sich hier denken? Der Regenwurm ist ein Tier, das schon Gefäß- und Nervensystem, ausgebildete Verdauungswerkzeuge und Muskeln hat. Es gibt noch hundert und tausend andere Tiere, bei denen man dasselbe findet.

Noch in diesen Tagen las ich in Frorieps und Schleidens Notizen folgende neuere Versuche, mit der Nais serpentina angestellt.

Schnetzler zerschnitt mehrmals einzelne Tiere dieser Art in drei oder vier ungleiche Stücke und erhielt aus diesen fast immer eine gleiche Anzahl lebendiger Individuen. An einem aus der Mitte genommenen, aus drei Ringen bestehenden Stücke nahm er mehrere Tage hindurch alle Lebenszeichen wahr; die Blutzirkulation dauerte fort und mit ihr Respiration, "Gefühl", Bewegung usw. Im Augenblicke des Durchschneidens verschlossen die Muskeln sowohl den Darmkanal als den großen Gefäßstamm, und verhinderten so das Austreten des Nahrungssaftes; allmählich stellten sich die Verbindungen zwischen dem Rückengefäße und der Bauchvene wieder her, und so ward nach und nach das abgeschnittene Stück zum neuen Individuum. (Frorieps und Schleidens Not. 1848. Jan. S. 35.) "Danach," sagt Schnetzler, "scheinen die chemischen und physikalischen Kräfte, welche die sichtbaren Lebenserscheinungen des Einzelwesens bedingen, in allen Ringen einer Naide gleiche Energie zu besitzen, wie sich überhaupt die ganze Familie durch den Mangel der Örtlichkeit für die tierischen Funktionen auszeichnet, so daß ein ganzes Tier gewissermaßen einen Haufen von Individuen in latentem Zustande vorstellt."

Also ein Naturforscher zieht aus jenen Versuchen den Schluß: "daß ein ganzes Tier gewissermaßen einen Haufen von Individuen in latentem Zustande vorstellt," d. h. mit anderen Worten, daß es in dieser Beziehung den Pflanzen ganz ähnlich ist. Und doch bewegt sich, frißt, lebt die Naide überhaupt mit so deutlichen Zeichen selbständiger Empfindung wie ein Insekt oder Blutegel.

Selbst bis zu den Insekten herauf kann man dergleichen verfolgen; obwohl undeutlicher.

Eine Wespe, zwischen Brust und Unterleib durchschnitten und dadurch in zwei Hälften geteilt, geht noch mit dem vorderen Teile, beißt und äußert alle Handlungen, aus denen man auf Willkür schließen kann; aber auch der abgeschnittene Unterleib krümmt sich noch mannigfaltig und sucht, wenn man ihn berührt, mit abwechselnd nach allen Richtungen hin bewegtem Stachel zu verletzen; auch können beide Hälften noch tagelang fortleben. (Autenrieth, Ansichten. S. 435.)

Nun ist es wahr, ein Tier aus höheren Klassen kann man nicht mehr beliebig in zwei oder mehrere Stücke schneiden, so daß es fortlebt; doch ist die Geburt ein Beweis, daß es sich von selbst in mehrere dergleichen Stücke teilen kann.

Unter den niederen Tieren aber gibt es manche, die während sie noch auf der ersten Stufe der Entwickelung stehen, sich sogar von selbst so spalten, daß sie ganz verschwinden, indem sie in mehrere neue fortlebende Individuen von einer anderen Entwicklungsstufe zerfallen, welche entweder zusammen gruppiert bleiben, und so alsbald eine Kolonie bilden (aggregierte Aszidien), oder sich ganz voneinander trennen, um isoliert fortzuleben (Kampanularien, Medusen usw.).

Man mag all dies so schwer erklärlich finden, als man will; aber kann man deshalb sagen, der Polyp, Regenwurm, die Naide, das Insekt, die Frau, die ein Kind gebiert usw., seien keine Wesen mit einer einigen Seele? Ich behaupte, daß uns diese Schwierigkeit hier überhaupt gar nicht kümmern kann. Wir fragen bloß: kann man den Pflanzen soviel Einheit der Seele zuschreiben wie Tieren, bei denen man sie nie bezweifelt hat?

Wie es mit den Trennungsphänomenen ist, so ist es mit den Verwachsungsphänomenen, die man in ähnlichem Sinne gegen die Seele der Pflanzen geltend machen könnte. Man hat niedere Tiere halb durchschnitten und die Hälften von verschiedenen Individuen zusammengenäht, und unter geeigneten Umständen sie verwachsen und sich wie ein Individuum benehmen sehen. Es möchte für jetzt unmöglich sein, anzugeben, wie sich die Seele hierbei verhält. Aber da wir bei Tieren nichts durch solche Phänomene gegen die Seele bewiesen halten, wie sollen wir es bei Pflanzen?

Es ist wahr, dergleichen findet sich im Pflanzenreiche in größerer Ausdehnung vor als im Tierreiche; aber das kann nur beweisen, daß die Natur die Verhältnisse, um die es sich hierbei handelt, eben in der Einrichtung der Pflanzen zur vorzugsweisen Ausbildung hat bringen wollen, während die Einrichtungen des Tierreichs weniger und nur nach Maßgabe dafür geeignet sind, wie sie auch im übrigen sich denen des Pflanzenreichs mehr nähern. Jedenfalls muß das, was wir bei Tieren davon finden, hinreichen, uns vor dem voreiligen Schlusse zu sichern, als vertrage sich dergleichen nicht mit Beseelung. Man möchte sagen, die Natur habe die pflanzenähnlichen Tiere eben als Fingerzeige in dieser Hinsicht hingestellt.

Sagt man, der Pflanzen-Organismus sei nur als ein im ganzen aufgehendes Glied des Gesamtorganismus zu betrachten, vergleichbar einer Drüse, welche die Stoffe des größern Organismus, in den sie eintritt, in sich verarbeitet und wiedergibt, so sieht man nicht ab, was in dieser Hinsicht von der Pflanze ausgesagt werden könnte, das nicht dem Tiere ebenso zukäme. Freilich ist es nicht in der Erde festgewachsen, aber es wurzelt gerade so notwendig in der irdischen Außenwelt wie die Pflanze; denn hebe es in den leeren Raum über die Erde und den Luftkreis, und es stirbt noch eher als eine Pflanze, die du mit der Wurzel ausgerissen; auch ist es so gut in einem beständigen Wechselverkehr von Stoffen und Tätigkeiten mit der Außenwelt begriffen wie die Pflanze. Überhaupt aber widerspricht es nicht der Individualität eines Wesens, zugleich als Glied einer allgemeineren Ordnung der Dinge zu erscheinen.


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