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Habent Sua Fata Libelli –
manchmal schon, wie dies hier, ehe sie noch gedruckt sind. Das Manuskript ward beendet Dezember 1916 in Sevilla; H.H.E. sandte es von dort mit einem norwegischen Schiff nach Deutschland. Der Kapitän, in Brest von den Franzosen angehalten, vernichtete das Manuskript. Eine Kopie, stark durchgearbeitet, sandte H.H.E. dann im Frühjahr 1917 von Neuyork; ein Herr R. aus Wien, der durch Jahre die Geheimpost nach Deutschland besorgte, übernahm es. Sein Agent fuhr als Steward auf einem schwedischen Dampfer; er wurde, schon lange im Verdacht, Geheimpost herüberzuschaffen, von den Engländern in Kirkwall festgenommen. Aber seine Post fand man nicht; die hatte er wohl versteckt. Nach fünf Monaten fruchtloser Untersuchung ließen die britischen Behörden den gefährlichen Menschen los, brachten ihn auf dasselbe Schiff zurück, das wieder auf einer Fahrt nach Amerika war. Wohlbehalten fand er alle seine Sachen in dem alten Versteck und lieferte sie, da an weitere Versuche für ihn nicht mehr zu denken war, getreulich seinem Auftraggeber wieder ab. Kurz darauf wurde dieser, Herr R., von den amerikanischen Behörden in Haft genommen und alle seine Sachen beschlagnahmt – darunter auch dies Manuskript. Er wurde zwar wieder freigelassen, die Untersuchung ging aber bis spät in den Sommer 1918 weiter. Als er sich endlich glücklich herausgelogen hatte, gelang es ihm durch einen günstigen Zufall, einige seiner Sachen zurückzuerlangen – auch das Romanpaket kam wieder in seinen Besitz. Er vergrub es mit anderen Dokumenten in einer Kassette in seinem Garten im Bronx.

Eine letzte Abschrift hatte H.H.E., nachdem er sie bei einem halben Dutzend Haussuchungen glücklich gerettet hatte, seiner amerikanischen Sekretärin, Frl. J.I., zur Aufbewahrung übergeben. Als die Behörden auch in ihrer Wohnung wiederholt haussuchten, übergab sie die Abschrift einer befreundeten irischen Dame – die nun ebenfalls mit dem Besuche der Geheimagenten beglückt, das Manuskript noch rechtzeitig in den hinteren Räumen verbrennen konnte, während vorne die Spürhunde des Justizministeriums darnach suchten.

Inzwischen war H.H.E. in Haft genommen worden. Bei allen seinen Verhören war immer einer der Hauptpunkte die Frage nach dem Manuskript »Vampir«. Ein paar Kapitel waren in spanischen Blättern veröffentlicht worden; der ausgezeichnete englische Geheimdienst, der H.H.E. seit 1914 schon auf das gründlichste beobachten ließ und jede [dritte!] seiner Bewegungen kannte, wußte natürlich davon und hatte längst die amerikanischen Behörden verständigt. Während er oft stundenlang über das Manuskript, unter dem sich die amerikanischen Vaterlandsretter gottweißwas Gefährliches vorstellten, inquiriert wurde, lag dies ganz gemütlich im selben Büro, hübsch in braunes Packpapier gewickelt, bei den Akten »R.«! H.H.E. glaubte das Manuskript übrigens längst in Deutschland und konnte den Herren Inquisitoren nur immer versichern, daß es nicht in seinem Besitze sei. So grundverderblich jedoch erschien es den Behörden, daß sie es als erstes Buch auf den damals für die Ver. Staaten angelegten » Index« setzten, der sofort in allen Blättern veröffentlicht wurde; man muß gestehen, es dürfte schwer gewesen sein, gegen dies Verbot zu verstoßen!

Wieder ein Jahr später, im Sommer 1919, als H.H.E. nach höchst unsympathischen Aufenthalten in Gefängnissen, Zuchthäusern und Gefangenenlagern sich in Neuyork wieder einer etwas beschränkten Freiheit erfreute, tauchte plötzlich Herr R. bei ihm auf. Er hatte mittlerweile seinen Schatz ausgegraben und brachte das Manuskript zurück. Doch auch jetzt war das Manuskript nur ebenso »beschränkt frei« wie er selbst. »Paroliert« war er nur unter der Bedingung, nichts zu veröffentlichen, »weder in den Ver. Staaten noch in irgendeinem anderen Lande, weder in englischer noch in irgendeiner anderen Sprache, weder privat noch öffentlich, weder direkt noch indirekt« usw. usw. – Man sieht: die amerikanischen Behörden sind tüchtig, wenn es sich um Unterdrückung von irgend etwas Geistigen handelt! H. H. E. ist in Berlin und Wien, in St. Petersburg, Rom und Paris »zensuriert« worden, aber nie so fabelhaft gründlich wie in den Staaten. Dazu bekam er, selbstverständlich, auch keine »Erlaubnis zur Abreise«, wurde vielmehr, nach wie vor, gründlich überwacht.

Nun ist er endlich doch wieder in Europa, darf sich einer gewissen persönlichen Freiheit erfreuen – wenigstens soweit davon in modern regierten Ländern die Rede sein kann. Franzosen, Engländer, Amerikaner haben ihr Bestes getan, dies Buch zu vernichten – und den, der es schrieb. Daß es doch nicht gelang, war – Schicksal Und vielleicht half dazu ein Karneol, in den ein Skorpion eingeschnitten war. Wie ein Beryll ihm half durch manche Fährnisse in diesen Jahren, ihm gute Kraft gab und noch geben mag.

Beide gab ihm eine schöne Frau –

Neapel, 7. Juli 1920

»My muse by no means deals in fiction,
she gathers a repertory of facts.
And that's one cause, she meets with
contradiction, for too much truth, at
first sight, never attracts.«

Byron

 


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