E. T. A. Hoffmann
Die Serapions-Brüder
E. T. A. Hoffmann

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Neuer Unfall, der den Signor Pasquale Capuzzi betrifft. Antonio Scacciati führt einen Anschlag im Theater des Nicolo Musso glücklich aus und flüchtet nach Florenz.

Signor Pasquale wußte zu gut, wer ihm das Unheil, das ihn und den armen Pyramiden-Doktor vor der Porta del Popolo betroffen, bereitet hatte, und man kann denken, in welchem Grimm er entbrannt war gegen Antonio und gegen Salvator Rosa, den er mit Recht für den Anstifter von allem hielt. Er mühte sich ab, die arme Marianna zu trösten, die ganz erkrankt war vor Schreck, wie sie sagte; aber eigentlich vor Betrübnis, daß der verdammte Michele mit seinen Sbirren sie ihrem Antonio entrissen hatte. Margarita brachte ihr indessen fleißig Nachricht von dem Geliebten, und auf den unternehmenden Salvator setzte sie ihre ganze Hoffnung. – Mit Ungeduld wartete sie von einem Tage zum andern auf irgendein neues Ereignis und ließ diese Ungeduld aus an dem Alten durch tausend Quälereien, die ihn in seiner wahnsinnigen Verliebtheit kirre und kleinmütig genug machten, ohne indessen etwas über den Liebesteufel zu vermögen, der in seinem Innern spukte. Hatte Marianna alle üble Laune des eigensinnigsten Mädchens im reichlichsten Maße ausgegossen, und litt sie dann nur ein einziges Mal, daß der Alte seine welken Lippen auf ihre kleine Hand drückte, so schwur er im Übermaße des Entzückens, daß er nicht ablassen wolle vom Pantoffel des Papstes mit inbrünstigen Küssen, bis er die Dispensation zur Heirat mit seiner Nichte, dem Ausbunde aller Schönheit und Liebenswürdigkeit, erhalten. Marianna hütete sich, ihn in diesem Entzücken zu stören, denn eben in diesem Hoffnungsschimmer des Alten leuchtete auch ihre Hoffnung auf, ihm desto leichter zu entfliehen, je fester er sie mit unauflöslichen Banden verstrickt glaubte.

Einige Zeit war vergangen, als eines Tages zur Mittagsstunde Michele die Treppe heraufstampfte, und dem Signor Pasquale, der ihm nach vielem Klopfen die Tür öffnete, mit vieler Weitläuftigkeit meldete, daß ein Herr unten sei, der durchaus verlange, den Signor Pasquale Capuzzi, der wie er wisse in diesem Hause wohne, zu sprechen.

»O all ihr himmlischen Heerscharen«, schrie der Alte erbost, »ob der Schlingel nicht weiß, daß ich in meiner Wohnung durchaus keinen Fremden spreche!«

Der Herr, meinte Michele, sei aber von gar feinem Ansehen, etwas ältlich, führe eine hübsche Sprache und nenne sich Nicolo Musso!

»Nicolo Musso«, sprach Capuzzi nachdenklich in sich hinein, »Nicolo Musso, der das Theater vor der Porta del Popolo hat, was mag der nur von mir wollen?« Damit verschloß und verriegelte er sorgfältig die Türe und stieg mit Michele die Treppe herab, um mit Nicolo unten vor dem Hause auf der Straße zu sprechen.

»Mein bester Signor Pasquale«, kam ihm Nicolo, sich mit freiem Anstande verneigend, entgegen, »wie hoch erfreut bin ich, daß Ihr mich Eurer Bekanntschaft würdigt! Wie vielen Dank bin ich Euch schuldig! – Seit die Römer Euch, den Mann von dem bewährtesten Geschmack, von der durchdringendsten Wissenschaft und Virtuosen in der Kunst, in meinem Theater gesehen haben, verdoppelte sich mein Ruf und meine Einnahme. Um so mehr schmerzt es mich tief, daß böse mutwillige Buben Euch und Eure Gesellschaft auf mörderische Weise angefallen haben, als Ihr aus meinem Theater nachts nach der Stadt zurückkehrtet! – Um aller Heiligen willen, Signor Pasquale, werft dieses Streichs halber, der schwer geahndet werden wird, nicht einen Groll auf mich und mein Theater! – Entzieht mir nicht Euren Besuch!«

»Bester Signor Nicolo«, erwiderte der Alte schmunzelnd, »seid versichert, daß ich noch nie mehr Vergnügen empfand, als in Eurem Theater. Euer Formica, Euer Agli, das sind Schauspieler, wie ihresgleichen nicht zu finden. Doch der Schreck, der meinem Freunde, dem Signor Splendiano Accoramboni, ja mir selbst beinahe den Tod gebracht hat, war zu groß; er hat mir nicht Euer Theater, wohl aber den Gang dahin auf immer verleidet. Schlagt Ihr Euer Theater auf dem Platze del Popolo oder in der Straße Babuina, in der Straße Ripetta auf, so fehle ich gewiß keinen Abend, aber vor das Tor del Popolo bringt mich zur Nachtzeit keine Macht der Erde.«

Nicolo seufzte auf, wie von tiefem Kummer erfaßt. »Das trifft mich hart«, sprach er dann, »härter, als Ihr vielleicht glaubt, Signor Pasquale! – Ach! – auf Euch hatte ich alle meine Hoffnung gesetzt! – Um Euern Beistand wollte ich flehen!«

»Um meinen Beistand«, fragte der Alte verwundert, »um meinen Beistand, Signor Nicolo? Auf welche Weise hätte der Euch frommen können?«

»Mein bester Signor Pasquale«, erwiderte Nicolo, indem er mit dem Schnupftuch über die Augen fuhr, als trockne er hervorquellende Tränen, »mein bester vortrefflichster Signor Pasquale, Ihr werdet bemerkt haben, daß meine Schauspieler hin und wieder Arien einmischten. Das gedachte ich denn so ganz unvermerkt weiter und weiter hinaufzutreiben, ein Orchester anzuschaffen, kurz, zuletzt alle Verbote umgehend, eine Oper einzurichten. Ihr, Signor Capuzzi, seid der erste Komponist in ganz Italien, und nur der unglaubliche Leichtsinn der Römer, der hämische Neid der Maestri ist schuld daran, daß man auf den Theatern etwas anders hört als Eure Kompositionen. Signor Pasquale, um Eure unsterblichen Werke wollte ich Euch fußfällig bitten, um sie, wie es nur in meinen Kräften stand, auf mein geringes Theater zu bringen!«

»Bester Signor Nicolo«, sprach der Alte, den vollsten Sonnenschein im Antlitz, »was unterreden wir uns denn hier auf öffentlicher Straße! – Laßt es Euch gefallen, ein paar steile Treppen hinaufzusteigen! – Kommt mit mir in meine schlechte Wohnung!«

Kaum mit Nicolo im Zimmer angelangt, holte der Alte ein großes Pack bestäubter Noten hervor, schlug es auseinander, nahm die Chitarre zur Hand, und begann das entsetzliche, gellende Gekreisch, welches er Singen nannte.

Nicolo gebärdete sich wie ein Verzückter! – Er seufzte – er stöhnte – er schrie dazwischen: »Bravo! – bravissimo! – benedettissimo Capuzzi!« – bis er endlich, wie im Übermaß der seligsten Begeisterung, dem Alten zu Füßen stürzte, und seine Knie umfaßte, die er aber so heftig drückte, daß der Alte in die Höhe fuhr, vor Schmerz aufjauchzte, laut aufschrie: »Alle Heiligen! – laßt ab von mir, Signor Nicolo, Ihr bringt mich um!«

»Nein«, rief Nicolo, »nein Signor Pasquale, nicht eher stehe ich auf, bis Ihr mir die göttlichen Arien versprecht, die Ihr soeben vorgetragen, damit sie übermorgen Formica in meinem Theater singen kann!«

»Ihr seid ein Mann von Geschmack«, ächzte Pasquale, »ein Mann von tiefer Einsicht! – Wem könnte ich besser meine Kompositionen anvertrauen als Euch! – Ihr sollt alle meine Arien mit Euch nehmen – laßt mich nur los! – Aber o Gott ich werde sie nicht hören, meine göttliche Meisterwerke! – laßt mich nur los, Signor Nicolo!«

»Nein«, rief Nicolo, noch immer auf den Knien und des Alten dürre Spindelbeine fest umklammernd, »nein Signor Pasquale, ich lasse Euch nicht, bis Ihr Euer Wort gebt, übermorgen in meinem Theater zu sein! – Besorgt doch nur nicht einen neuen Anfall! Glaubt Ihr denn nicht, daß die Römer, haben sie Eure Arien gehört, Euch im Triumph mit hundert Fackeln zu Hause bringen werden? – Aber sollte das auch nicht geschehen, ich selbst und meine getreuen Kameraden, wir bewaffnen uns, und geleiten Euch bis in Euer Haus!«

»Ihr selbst«, fragte Pasquale, »wollt mich begleiten mit Euern Kameraden! – Wieviel Leute sind das wohl?«

»Acht bis zehn Personen stehen Euch zu Befehl, Signor Pasquale! Entschließt Euch, erhört mein Flehen!«

»Formica«, lispelte Pasquale, »hat eine schöne Stimme! – Wie er nur meine Arien vortragen wird!«

»Entschließt Euch«, rief Nicolo noch einmal, indem er fester des Alten Beine packte! – »Ihr steht mir«, sprach der Alte, »Ihr steht mir dafür, daß ich unangefochten mein Haus erreiche?«

»Ehre und Leben zum Pfande«, rief Nicolo, indem er den Beinen einen schärfern Druck gab!

»Topp! schrie der Alte, »ich bin übermorgen in Eurem Theater!«

Da sprang Nicolo auf und drückte den Alten an die Brust, daß er ganz außer Atem ächzte und keuchte.

In dem Augenblick trat Marianna herein. Signor Pasquale wollte sie zwar mit einem grimmigen Blick, den er ihr zuwarf, zurückscheuchen; sie kehrte sich aber gar nicht daran, sondern ging geradezu auf den Musso los, und sprach wie im Zorn: »Vergebens, Signor Nicolo, versucht Ihr, meinen lieben Oheim in Euer Theater zu locken! – Ihr vergeßt, daß der abscheuliche Streich, den ruchlose Verführer, die mir nachstellen, neulich uns spielten, meinem herzgeliebten Oheim, seinem würdigen Freunde Splendiano, ja mir selbst beinahe das Leben kostete! Nimmermehr werde ich zugeben, daß mein Oheim sich aufs neue solcher Gefahr aussetze! Steht nur ab von Euern Bitten Nicolo! – Nicht wahr mein geliebtester Oheim, Ihr bleibt fein im Hause, und wagt Euch nicht mehr vor die Porta del Popolo in der verräterischen Nacht, die niemands Freund ist?«

Signor Pasquale war wie vom Donner gerührt. Er starrte seine Nichte mit weit aufgerissenen Augen an. Darauf gab er ihr die süßesten Worte, und setzte weitläuftig auseinander, wie Signor Nicolo sich dazu verpflichtet, solche Maßregeln zu treffen, die jeder Gefahr beim Rückwege vorbeugen sollten.

»Und doch«, sprach Marianna, »bleibe ich bei meinem Wort, indem ich Euch, geliebtester Oheim auf das flehentlichste bitte, nicht in das Theater vor der Porta del Popolo zu gehen. – Verzeiht, Signor Nicolo, daß ich in Eurer Gegenwart geradezu heraussage, welche schwarze Ahnung in meiner Seele ist! – Ihr seid, ich weiß es, mit Salvator Rosa, und auch wohl mit dem Antonio Scacciati bekannt. – Wie, wenn Ihr mit unsern Feinden unter einer Decke stecktet, wie, wenn Ihr meinen Oheim, der, ich weiß es, ohne mich Euer Theater nicht besuchen wird, nur auf hämische Weise verlocken wolltet, damit desto sicherer ein neuer verruchter Anschlag ausgeführt werde?«

»Welcher Verdacht«, rief Nicolo ganz erschrocken, »welcher entsetzliche Verdacht Signora? – Kennt Ihr mich denn von solch einer schlimmen Seite? Hab ich solch einen bösen Ruf, daß Ihr mir den abscheulichsten Verrat zutraut? – Aber denkt Ihr einmal so schlecht von mir, setzt Ihr Mißtrauen in den Beistand, den ich Euch zugesagt, nun gut, so laßt Euch von Michele, der, wie ich weiß, Euch aus den Händen der Räuber gerettet hat, begleiten, und Michele soll eine gute Anzahl Sbirren mitnehmen, die Euch ja vor dem Theater erwarten können, da Ihr doch nicht verlangen werdet, daß ich meine Plätze mit Sbirren füllen soll.«

Marianna sah dem Nicolo starr in die Augen, dann sprach sie ernst und feierlich: »Was sagt Ihr? – Michele und Sbirren sollen uns begleiten? – Nun sehe ich wohl, Signor Nicolo, daß Ihr es ehrlich meint, daß mein schlimmer Verdacht ungerecht ist! – Verzeiht mir nur meine unbesonnenen Reden! – Und doch kann ich die Angst, die Besorgnis für meinen geliebten Oheim nicht überwinden, und doch bitte ich ihn den bedrohlichen Gang nicht zu wagen!«

Signor Pasquale hatte das ganze Gespräch mit seltsamen Blicken, die deutlich von dem Kampf in seinem Innern zeugten, angehört. Jetzt konnte er sich nicht länger halten, er stürzte vor der schönen Nichte auf die Kniee, ergriff ihre Hände, küßte sie, benetzte sie mit Tränen, die ihm aus den Augen quollen, rief wie außer sich: »Himmlische angebetete Marianna, lichterloh schlagen die Flammen hervor, die in meinem Herzen brennen! – Ach diese- Angst, diese Besorgnis, das ist ja das süßeste Geständnis, daß du mich liebst!« – Und nun flehte er sie an, doch nur keiner Furcht Raum zu geben und von dem Theater herab die schönste der Arien zu hören, die jemals der göttlichste Komponist erfunden.

Auch Nicolo ließ nicht nach mit den wehmütigsten Bitten, bis Marianna sich für überwunden erklärte und versprach, alle Furcht beiseite gesetzt, dem zärtlichen Oheim in das Theater vor der Porta del Popolo zu folgen. – Signor Pasquale war verzückt in den höchsten Himmel der Wonne. Er hatte die Überzeugung von Mariannas Liebe, die Hoffnung im Theater seine Musik zu hören und Lorbeern zu erhaschen, nach denen er so lange vergebens getrachtet; er stand daran, seine süßesten Träume erfüllt zu sehen! – Nun wollte er auch sein Licht recht hell leuchten lassen vor den treu verbundenen Freunden, er dachte daher gar nicht anders, als daß Signor Splendiano und der kleine Pitichinaccio ebenso mit ihm gehen sollten, wie das erstemal.

Außer den Gespenstern, die ihn entführten, waren dem Signor Splendiano in der Nacht, als er neben der Pyramide des Cestius in seiner Perücke schlief, allerlei böse Erscheinungen gekommen. Der ganze Totenacker war lebendig worden und hundert Leichen hatten die Knochenarme nach ihm ausgestreckt, laut jammernd über seine Essenzen und Latwergen, deren Qual sie noch im Grabe nicht verwinden konnten. Daher kam es, daß der Pyramiden-Doktor, konnte er gleich dem Signor Pasquale nicht ableugnen wie nur der ausgelassenste Mutwille verruchter Buben ihm den Streich spielte, doch trübsinnig blieb, und, sonst eben nicht zum abergläubischen Wesen geneigt, jetzt überall Gespenster sah und von Ahnungen und bösen Träumen hart geplagt wurde.

Pitichinaccio war nun durchaus nicht zu überzeugen, daß das nicht wirkliche Teufel aus der flammenden Hölle gewesen sein sollten, die über den Signor Pasquale und über ihn herfielen, und schrie laut auf, wenn man nur an jene verhängnisvolle Nacht dachte. Alle Beteurungen des Signor Pasquale, daß niemand anders, als Antonio Scacciati und Salvator Rosa hinter den Teufelsmasken gesteckt, schlugen nicht an, denn Pitichinaccio schwur unter vielen Tränen, daß seiner Angst, seines Entsetzens unerachtet, er an der Stimme und an dem ganzen Wesen den Teufel Fanfarell sehr gut erkannt habe, der ihm den Bauch braun und blau gezwickt.

Man kann denken, wie Signor Pasquale sich abmühen mußte, beide, den Pyramiden-Doktor und den Pitichinaccio zu überreden, noch einmal mit ihm zu wandern. Splendiano entschloß sich erst dazu, als es ihm gelungen, von einem Bernardiner-Mönch ein geweihtes Bisamsäckchen zu erhalten, dessen Geruch weder Tote noch Teufel ertragen können, und mit dem er sich wappnen wollte gegen alle Anfechtungen; Pitichinaccio vermochte dem Versprechen einer Büchse mit in Zucker eingemachten Trauben nicht zu widerstehen, außerdem mußte aber Signor Pasquale ausdrücklich nachgeben, daß er statt der Weiberkleider, die ihm wie er sagte den Teufel recht auf den Hals gelockt hätten, seine neue Abbatenkleidung anlegen dürfte.

Was Salvator gefürchtet, schien also wirklich eintreffen zu wollen, und doch hing, wie er versicherte, sein ganzer Plan davon ab, daß Signor Pasquale mit Marianna allein, ohne die getreuen Kumpane, im Theater des Nicolo sein müsse.

Beide, Antonio und Salvator, zerbrachen sich weidlich den Kopf, wie sie den Splendiano und den Pitichinaccio von dem Signor Pasquale abwendig machen sollten. Zur Ausführung jedes Streichs, der dies hätte bewirken können, reichte aber die Zeit nicht hin, da schon am Abende des folgenden Tages der Anschlag im Theater des Nicolo ausgeführt werden mußte. Der Himmel, der sich oft der sonderbarsten Werkzeuge bedient um die Narren zu züchtigen, schlug sich aber zugunsten des bedrängten Liebespaars ins Mittel und regierte den Michele, daß er seiner Tölpelei Raum gab und dadurch bewirkte, was Salvators und Antonios Kunst nicht zu erringen vermochte.

In selbiger Nacht entstand in der Straße Ripetta vor dem Hause des Signor Pasquale auf einmal ein solch entsetzliches Jammergeschrei, ein solch fürchterliches Fluchen, Toben und Schimpfen, daß alle Nachbaren auffuhren aus dem Schlafe, und die Sbirren, die eben einen Mörder verfolgt hatten, der sich nach dem spanischen Platz gerettet, neue Mordtat vermutend, schnell mit ihren Fackeln herbeieilten. Als diese nun, und mit ihnen eine Menge anderer Leute, die der Lärm herbeigelockt, ankamen auf den vermeinten Mordplatz, lag der arme kleine Pitichinaccio wie entseelt auf dem Boden, Michele aber schlug mit einem furchtbaren Knittel auf den Pyramiden-Doktor los, der in demselben Augenblick niederstürzte, als Signor Pasquale sich mühsam aufrappelte, den Stoßdegen zog, und wütend auf Michele eindrang. Rund umher lagen Stücke zersplitterter Chitarren. Mehrere Leute fielen dem Alten in den Arm, sonst hätte er den Michele unfehlbar durch und durch gerannt. Michele, der nun erst bei dem Schein der Fackeln gewahrte, wen er vor sich hatte, stand da zur Bildsäule erstarrt mit herausglotzenden Augen, ein gemalter Wütrich, parteilos zwischen Kraft und Willen, wie es irgendwo heißt. Dann stieß er ein entsetzliches Geheul aus, zerraufte sich die Haare, flehte um Gnade und Barmherzigkeit. – Keiner von beiden, weder der Pyramiden-Doktor noch der Kleine waren bedeutend beschädigt, aber so zerbleut, daß sie sich nicht recken noch regen konnten und nach Hause getragen werden mußten.

Signor Pasquale hatte sich das Unglück selbst auf den Hals geladen.

Wir wissen, daß Salvator und Antonio der Marianna die schönste Nachtmusik brachten, die man nur hören konnte; ich habe aber vergessen zu sagen, daß sie dies zum entsetzlichsten Ingrimm des Alten in jeder der folgenden Nächte wiederholten. Signor Pasquale, dessen Wut die Nachbarn in Schranken hielten, war toll genug sich an die Obrigkeit zu wenden, die den beiden Malern das Singen in der Straße Ripetta verbieten sollte. Die Obrigkeit meinte aber, unerhört sei es in Rom, daß irgend jemanden verwehrt sein solle, zu singen, und Chitarre zu spielen wo es ihm beliebe, und es sei unsinnig, so etwas zu verlangen. Da beschloß Signor Pasquale selbst dem Dinge ein Ende zu machen, und versprach dem Michele ein gut Stück Geld, wenn er bei der ersten Gelegenheit über die Sänger herfallen und sie tüchtig abprügeln werde. Michele schaffte sich auch sofort einen tüchtigen Knittel an, und lauerte jede Nacht hinter der Türe. Nun begab es sich aber, daß Salvator und Antonio es für ratsam hielten, die Nächte vor der Ausführung ihres Anschlages selbst die Nachtmusiken in der Straße Ripetta einzustellen, damit dem Alten auch kein Gedanke an seine Widersacher einkomme. Marianna äußerte ganz unschuldig, sosehr sie den Antonio, den Salvator hasse, so habe sie doch ihren Gesang gar gern gehört, da ihr Musik, die so zur Nachtzeit in den Lüften hinaufschwebe, über alles gehe.

Signor Pasquale schrieb sich das hinter die Ohren, und wollte als ein Ausbund von Galanterie sein Liebchen mit einer Serenata überraschen, die er selbst komponiert und mit seinen Getreuen sorglich eingeübt hatte. Gerade in der Nacht vor dem Tage, an dem er im Theater des Nicolo Musso seinen höchsten Triumph zu feiern gedachte, schlich er sich heimlich fort und holte seine Getreuen herbei, die schon darauf vorbereitet waren. Kaum schlugen sie aber die ersten Töne auf den Chitarren an, als Michele, dem Signor Pasquale unbedachtsamerweise nichts von seinem Vorhaben gesagt, in voller Freude, endlich das ihm versprochne Stück Geld verdienen zu können, aus der Haustür herausstürzte, auf die Musiker unbarmherzig losprügelte, und sich folglich das begab, was wir wissen. Daß nun weder Signor Splendiano, noch Pitichinaccio, die über und über bepflastert in den Betten lagen, den Signor Pasquale in Nicolos Theater begleiten konnten, war keine Frage. Doch vermochte Signor Pasquale nicht davonzubleiben, ohnerachtet ihm Schultern und Rücken von den erhaltenen Prügeln nicht wenig schmerzten; jeder Ton seiner Arie war ein Band, das ihn unwiderstehlich hinzog.

»Nun das Hindernis«, sprach Salvator zu Antonio, »das wir für unübersteiglich hielten, sich von selbst aus dem Wege geräumt hat, kommt es nur auf Eure Geschicklichkeit an, daß Ihr nicht den günstigen Moment versäumt, Eure Marianna aus dem Theater des Nicolo zu entführen. – Doch Ihr werdet nicht fehlen, und ich begrüße Euch schon als Bräutigam der holden Nichte Capuzzis, die in wenigen Tagen Eure Gattin sein wird. Ich wünsche Euch Glück, Antonio, wiewohl es mir durch Mark und Bein fröstelt, wenn ich an Eure Heirat denke!«

»Wie meint Ihr das, Salvator?« fragte Antonio voll Erstaunen.

»Nennt es Grille«, erwiderte Salvator, »nennt es törichte Einbildung, oder wie Ihr sonst wollt, Antonio, genug ich liebe die Weiber; aber jede, selbst die, in die ich bis zum Wahnsinn vernarrt bin, für die ich sterben möchte, macht in meinem innersten einen Argwohn rege, der mich in den unheimlichsten Schauern erbeben läßt, sobald ich an eine Verbindung mit ihr denke, wie sie die Ehe herbeiführt. Das Unerforschliche in der Natur der Weiber spottet jeder Waffe des Mannes. Die, von der wir glauben, daß sie sich uns mit ihrem ganzen Wesen hingab, daß ihr Inneres sich uns erschlossen, betrügt uns am ersten, und mit dem süßesten Kuß saugen wir das verderblichste Gift ein.«

»Und meine Marianna?« rief Antonio bestürzt.

»Verzeiht Antonio«, fuhr Salvator fort, »eben Eure Marianna, die die Holdseligkeit und Anmut selbst ist, hat mir aufs neue bewiesen, wie bedrohlich uns die geheimnisvolle Natur des Weibes ist! – Bedenkt, wie das unschuldige, unerfahrne Kind sich benahm, als wir den Oheim ihr ins Haus trugen, wie sie auf einen Blick von mir, alles – alles erriet, und ihre Rolle, wie Ihr mir selbst sagtet, mit der größten Klugheit fortspielte. Doch nicht mag dies in Anschlag kommen gegen das, was sich bei Mussos Besuch bei dem Alten begab! – Die geübteste Gewandtheit, die undurchdringlichste Schlauheit, kurz alle ersinnliche Kunst des welterfahrensten Weibes vermag nicht mehr, als was die kleine Marianna tat, um den Alten mit voller Sicherheit hinters Licht zu führen. – Sie konnte gar nicht klüger handeln, um uns den Weg zu Unternehmungen jeder Art zu bahnen. Die Fehde gegen den alten wahnsinnigen Toren – jede List erscheint gerechtfertigt, aber – doch! – geliebter Antonio! – Laßt Euch durch meine träumerischen Grillen nicht irren, sondern seid glücklich mit Eurer Marianna, wie Ihr's nur zu sein vermöget!«

Gesellte sich nur noch irgendein Mönch zum Signor Pasquale, als er mit seiner Nichte Marianna herauszog nach dem Theater des Nicolo Musso, alle Welt hätte glauben müssen, das seltsame Paar würde zum Richtplatz geführt. Denn vorauf ging der tapfere Michele barschen Ansehens, bis an die Zähne bewaffnet, und ihm folgten, den Signor Pasquale und Marianna einschließend, wohl an zwanzig Sbirren.

Nicolo empfing den Alten mit seiner Dame sehr feierlich an dem Eingange des Theaters, und führte sie auf die dicht vor der Bühne befindlichen Sitze, die für sie aufbewahrt waren. Signor Pasquale fühlte sich durch diese Ehrenbezeugung sehr geschmeichelt, er blickte mit stolzen leuchtenden Blicken umher, und sein Vergnügen, seine Lust stieg um vieles höher, als er gewahrte, daß neben und hinter Marianna durchaus nur Frauen Platz genommen hatten. – Hinter den Tapeten der Bühne wurden ein paar Geigen und ein Baß eingestimmt; das Herz schlug dem Alten vor Erwartung, und wie ein elektrischer Schlag durchfuhr es ihm Mark und Bein, als urplötzlich das Ritornell seiner Arie begann.

Formica trat heraus als Pasquarello und sang – sang mit der Stimme, mit dem eigentümlichsten Gebärdenspiel Capuzzis die heilloseste aller Arien! – Das Theater dröhnte von dem schallenden, schmetternden Gelächter der Zuschauer. Man schrie, man raste: »Ah Pasquale Capuzzi! – compositore, virtuoso celeberrimo bravo! – bravissimo!« – Der Alte, das verfängliche Lachen nicht beachtend, war ganz Wonne und Entzücken. Die Arie war beendigt, man rief zur Ruhe; denn Doktor Graziano, diesmal von Nicolo Musso selbst dargestellt, trat auf, sich die Ohren zuhaltend, schreiend, daß Pasquarello endlich einhalten sollte mit seinem tollen Gekrächze.

Der Doktor fragte nun den Pasquarello, seit wann er sich das verfluchte Singen angewöhnt, und wo er die abscheuliche Arie her habe?

Darauf Pasquarello: Er wisse nicht, was der Doktor wolle, es ginge ihm, so wie den Römern, die keinen Geschmack für wahrhafte Musik hätten und die größten Talente unbeachtet ließen. Die Arie sei von dem größten jetzt lebenden Komponisten und Virtuosen gesetzt, bei dem er das Glück habe, in Diensten zu stehen, und der ihn selbst in der Musik, im Gesang unterrichte!

Nun riet Graziano hin und her, nannte eine Menge bekannter Komponisten und Virtuosen; aber bei jedem berühmten Namen schüttelte Pasquarello verächtlich den Kopf.

Endlich Pasquarello: der Doktor zeige seine grobe Unwissenheit, da er nicht einmal den größten Komponisten der Zeit kenne. Das sei kein andrer als der Signor Pasquale Capuzzi, der ihm die Ehre erwiesen, ihn in seine Dienste zu nehmen. Ob er es nicht einsehe, daß Pasquarello Freund und Diener des Signor Pasquale sein müsse?

Da brach der Doktor Graziano in ein ungemessenes Gelächter aus und rief: Was? nachdem Pasquarello ihm, dem Doktor, aus dem Dienste gelaufen, wo ihm außer Lohn und Nahrung doch noch mancher Quattrino ins Maul geflogen, sei er hingegangen zu dem allergrößten, ausgemachtesten alten Gecken, der jemals sich mit Makkaroni gestopft, zu dem buntscheckigen Fastnachtsnarren, der einherstolziere wie ein satter Haushahn nach dem Regenwetter, zu dem knurrigen Geizhals, zu dem alten verliebten Hasenfuß, der mit dem widerlichen Bocksgeschrei, das er Singen nenne, die Luft in der Straße Ripetta verpeste u. s. w.

Darauf Pasquarello ganz erzürnt: Nur der Neid spreche aus dem Doktor, er rede mit dem Herzen in der Hand (parla col cuore in mano) der Doktor sei gar nicht der Mann, der den Signor Pasquale Capuzzi di Senigaglia zu beurteilen imstande sei – er rede mit dem Herzen in der Hand – der Doktor selbst habe einen starken Beischmack von dem allem, was er an dem vortrefflichen Signor Pasquale tadle – er rede mit dem Herzen in der Hand – er habe es selbst oft genug erfahren, daß über den Herrn Doktor Graziano an sechshundert Personen auf einmal aus voller Kehle gelacht u. s. w. Nun hielt Pasquarello eine lange Lobrede auf seinen neuen Herrn, den Signor Pasquale, in der er ihm alle nur mögliche Tugenden beilegte und mit der Beschreibung seiner Person schloß, die er als die Liebenswürdigkeit und Anmut selbst herausstrich.

»Gesegneter Formica«, lispelte Signor Capuzzi vor sich hin, »gesegneter Formica, ich merke, du hast es darauf abgesehen, meinen Triumph vollständig zu machen, da du den Römern allen Neid und Undank, mit dem sie mich verfolgen, gehörig in die Nase reibst, und ihnen sagst, wer ich bin!«

»Da kommt mein Herr selbst«, rief in dem Augenblick Pasquarello, und es trat herein – Signor Pasquale Capuzzi, wie er leibte und lebte, in Kleidung, Gesicht, Gebärde, Gang, Stellung, dem Signor Capuzzi unten so völlig gleich, daß dieser, ganz erschrocken, Marianna, die er so lange mit der einen Hand festgehalten, losließ, und sich selbst Nase und Perücke betastete, um zu erspüren, ob er nicht im Traum liege und sich doppelt sehe, ob er wirklich im Theater des Nicolo Musso sitze, und dem Wunder trauen dürfe.

Capuzzi auf dem Theater umarmte den Doktor Graziano mit vieler Freundlichkeit und fragte, wie es ihm ginge. Der Doktor erwiderte, sein Appetit sei gut, sein Schlaf ruhig, ihm zu dienen (per servirlo), was aber seinen Beutel betreffe, der leide an einer gänzlichen Auszehrung. Gestern hab er, seiner Liebe zu Ehren, den letzten Dukaten für ein paar rosmarinfarbne Strümpfe ausgegeben, und eben wolle er zu dem und dem Bankier wandern, um zu sehen, ob er dreißig Dukaten geborgt erhalten könne!

»Wie könnt Ihr«, sprach nun Capuzzi, »bei Eurem besten Freunde vorbeigehen! – Hier, mein bester Signor, sind funfzig Dukaten, nehmt sie hin!«

»Pasquale, was tust du! »rief der Capuzzi unten halblaut!

Der Doktor Graziano sprach nun von Schuldschein, von Zinsen; Signor Capuzzi erklärte aber, daß er beides nicht verlange von einem Freunde, wie der Doktor sei.

»Pasquale bist du von Sinnen«, rief der Capuzzi unten noch lauter.

Doktor Graziano schied nach vielen dankbaren Umarmungen. Nun nahte sich Pasquarello, machte viele Bücklinge, erhob den Signor Capuzzi bis in den Himmel, meinte, daß sein Beutel an eben derselben Krankheit leide, wie der Beutel Grazianos, bat auch, ihm doch mit der vortrefflichen Arznei aufzuhelfen! – Capuzzi auf dem Theater lachte, freute sich, daß Pasquarello seine gute Laune zu nutzen verstehe, und warf ihm einige blanke Dukaten hin!

»Pasquale, du bist rasend – vom Teufel besessen«, rief der Capuzzi unten überlaut. Man gebot ihm Stillschweigen.

Pasquarello stieg noch höher in Capuzzis Lob, und kam zuletzt auf die Arie, die er, Capuzzi komponiert habe, und womit er, Pasquarello, alle Welt zu bezaubern hoffe. Capuzzi auf dem Theater klopfte dem Pasquarello treuherzig auf die Schulter, und sprach: ihm, als seinem treuen Diener, könne er es wohl vertrauen, daß er von der Kunst der Musik eigentlich gar nichts verstehe und die Arie, von der er spreche, so wie alle Arien, die er jemals komponiert, aus Frescobaldis Kanzonen und Carissimis Motetten gestohlen habe.

»Das lügst du in deinen eignen Hals hinein, du Halunke!« schrie der Capuzzi unten, indem er sich von seinem Sitze erhob. Man gebot ihm aufs neue Stillschweigen, und die Frau, welche neben ihm saß, zog ihn auf die Bank nieder.

Es sei nun Zeit, fuhr der Capuzzi auf dem Theater fort, an andere wichtigere Dinge zu denken. Er wolle morgen einen großen Schmaus geben und Pasquarello müsse sich frisch daranhalten, alles Nötige herbeizuschaffen. Nun holte er ein Verzeichnis der köstlichsten, teuersten Speisen hervor, welches er ablas; bei jeder Speise mußte Pasquarello anmerken, wieviel sie kosten würde, und erhielt auf der Stelle das Geld.

»Pasquale! – Unsinniger! – Rasender! – Taugenichts! – Verschwender!« – so rief der Capuzzi unten dazwischen und wurde immer zorniger und zorniger, je höher die Summe der Kosten stieg für das unsinnigste aller Mittagsmahle.

Pasquarello fragte, als endlich das Verzeichnis geschlossen, wodurch denn Signor Pasquale bewogen würde, solch ein glänzendes Fest zu geben?

»Es ist«, sprach der Capuzzi auf dem Theater, »morgen der glücklichste, freudenvollste Tag meines Lebens. Wisse, mein guter Pasquarello, daß ich morgen den segensreichen Hochzeitstag meiner lieben Nichte Marianna feiere. Ich gebe ihre Hand dem braven jungen Menschen, dem vortrefflichsten aller Künstler, dem Antonio Scacciati!«

Kaum hatte der Capuzzi oben das Wort ausgesprochen, als der Capuzzi unten ganz außer sich, ganz von Sinnen, alle Wut der Hölle im feuerroten Antlitz, aufsprang, beide Fäuste gegen sein Ebenbild ballte, und mit gellender Stimme aufkreischte: »Das tust du nicht, das tust du nicht, du schurkischer halunkischer Pasquale! – Willst du dich um deine Marianna betrügen, du Hund? – willst du sie dem verdammten Schuft an den Hals werfen – die süße Marianna, dein Leben – dein Hoffen – dein alles? – Ha sieh zu – sieh zu – betörter Narr! sieh zu, wie du bei dir ankommst! – Deine Fäuste sollen dich zerbleuen, daß du schon Mittagsmahl und Hochzeit vergessen wirst!«

Aber Capuzzi oben ballte ebenso wie der Capuzzi unten die Fäuste, und schrie ebenso in voller Wut, mit derselben gellenden Stimme: »Alle Teufel dir in den Leib, du verfluchter, unsinniger Pasquale, du verruchter Geizhals – alter verliebter Geck – bunt geputzter Esel mit der Schellenkappe um die Ohren – sieh dich vor, daß ich dir nicht das Lebenslicht ausblase, damit deine niederträchtigen Streiche, die du dem ehrlichen, guten, frommen Pasquale Capuzzi auf den Hals schieben willst, endlich einmal aufhören.«

Unter den gräßlichsten Flüchen und Verwünschungen des Capuzzi unten, erzählte nun der Capuzzi oben ein sauberes Stückchen von ihm nach dem andern.

»Versuche es einmal«, schrie endlich der Capuzzi oben, »versuche es einmal, Pasquale, du alter verliebter Affe, das Glück dieser beiden Leute, die der Himmel selbst füreinander bestimmt, zu stören!«

In dem Augenblicke erschienen im Hintergrunde des Theaters Antonio Scacciati und Marianna, sich mit den Armen umschlingend. So schwächlich der Alte sonst auf den Beinen war, die Wut gab ihm Behendigkeit und Kraft. Mit einem Satze war er auf der Bühne, riß den Stoßdegen aus der Scheide, und rannte auf den vermeintlichen Antonio los. Er fühlte sich indessen von hinten festgehalten. Ein Offizier von der päpstlichen Garde hatte ihn erfaßt, und sprach mit ernstem Ton: »Besinnt Euch, Signor Pasquale, Ihr seid auf dem Theater des Nicolo Musso! – Ohne es zu wollen, habt Ihr heute eine gar ergötzliche Rolle gespielt! Weder Antonio noch Marianna werdet Ihr hier finden.« Die beiden Personen, die Capuzzi dafür gehalten, waren mit den übrigen Schauspielern näher getreten. Capuzzi schaute in lauter unbekannte Gesichter! – Der Degen fiel ihm aus der zitternden Hand, er holte tief Atem, wie aus einem schweren Traum erwachend, er faßte sich an die Stirne – riß die Augen weit auf. Die Ahnung dessen, was geschehen, ergriff ihn: er schrie mit fürchterlicher Stimme, daß die Wände dröhnten: »Marianna!«

Bis zu ihr konnte aber sein Ruf nicht mehr dringen. Antonio hatte nämlich den Zeitpunkt, als Pasquale alles um sich her, sich selbst vergessend, mit seinem Doppelgänger zankte, sehr gut wahrgenommen, sich an Marianna hinan, durch die Zuschauer fort, und zu einer Seitentüre hinauszuschleichen, wo der Vetturino mit dem Wagen bereit stand. Fort ging es im schnellsten Lauf, fort nach Florenz.

»Marianna«, schrie der Alte nochmals, »Marianna! – Sie ist fort – sie ist entflohen – der Spitzbube Antonio hat sie mir gestohlen! – Auf – ihr nach! – Habt die Barmherzigkeit – Leute, nehmt Fackeln, sucht mir mein Täubchen – ha die Schlange!«

Damit wollte der Alte fort. Der Offizier hielt ihn aber fest, indem er sprach: »Meint Ihr das junge, holde Mädchen, das neben Euch saß, so ist es mir, als hätte ich sie längst, und zwar als Ihr den unnützen Zank mit dem Schauspieler, der eine Euch ähnliche Maske trug, anfinget, mit einem jungen Menschen, mich dünkt es war Antonio Scacciati, herausschlüpfen gesehen. Sorgt nicht dafür; es sollen sogleich alle nur mögliche Nachforschungen angestellt und Marianna soll Euch zurückgeliefert werden, sowie man sie findet. Was aber jetzt Euch selbst betrifft, Signor Pasquale, so muß ich Euch, Eures Betragens, Eures mordgierigen Anschlags auf das Leben jenes Schauspielers halber verhaften!«

Signor Pasquale, den bleichen Tod im Antlitz, keines Wortes, keines Lautes mächtig, wurde von denselben Sbirren abgeführt, die ihn schützen sollten wider verkappte Teufel und Gespenster, und so kam in derselben Nacht, in der er seinen Triumph zu feiern hoffte, tiefe Betrübnis über ihn, und alle wahnsinnige Verzweiflung alter, verliebter, betrogner Toren.


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