Nataly von Eschstruth
Gänseliesel
Nataly von Eschstruth

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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Es war noch früh am Tage.

In dem Groß-Stauffener Garten blühte und duftete es im hellen Sonnenschein.

Die türkischen Bohnen an der Kürbislaube hatten ihr farbiges Prachtkleid angelegt und glühten wie rote und blaue Flämmchen zwischen dem dunkeln Geisblattlaub, welches schattend bis über das Laubendach hinauswucherte.

Goldlack und Tulpen, Lavendel und Herzblumen lachten auf den nachbarlichen Rabatten unter Johannis- und Himbeersträuchern hervor, Salatköpfe und Levkojen, Petersilie und schlanke Schwertlilien standen in bester Eintracht nebeneinander, und über den warm glitzernden Kiesweg krochen die Schnecken, rannten schmucke Goldkäfer, tanzten tausend zarte Flüglein wie Goldstaub durcheinander.

Gräfin Ange saß in der Laube und schnitt Bohnen. Sie hatte eine große blaue Küchenschürze über das rosa Kattunkleid geschlagen und die Aermel zur Hälfte an den weißen Armen emporgestreift. 283 Wie ein letzter Ueberrest städtischer Eleganz blitzte der schmale Goldreif ihres Porte-bonheur über dem feinen Handgelenk.

Ange war ganz allein und hörte den Vöglein zu, welche so wunderholde Lieder aus den Wipfeln zu ihr niederklingen ließen.

Von lauter heller, holdseliger Sommerzeit sangen sie, von der Welt, die so schön, von den Menschen, die so glücklich sind!

Zwischendurch schallte das lustige Lachen der Mägde, welche Heu auf der Wiese wendeten, in vollen Wogen trug ein Luftzug hie und da den süßen Duft herzu.

Welch ein Morgen war das!

Ange ließ momentan die fleißige Hand ruhen und träumte mit offenen Augen.

Wie schön mag es erst sein, wenn man in solch einem blühenden Garten sitzt und sieht fernhin die weißen Meereswogen rollen. Reimar erzählte ihr so viel von seinem Strandschloß. Einsam mußte es dort sein, aber nur für Einen, der ganz allein ist, zu Zweien wär's ein Paradies!

»Ich wollt, ich wäre ein Vögelein, dann flög' ich wohl über das Meer . . . . . .!«

Ange lächelte. Ja, ihr glücklichen kleinen Sänger, die ihr schnelle Schwingen tragt, noch beneide ich euch nicht darum, noch ist's gar herrlich, hier zu sein!

»Guten Morgen, liebe Ange!« klang es plötzlich neben ihr.

284 Sie war nicht erschrocken, sie blickte auf und reichte Hattenheim die Hand, als hätte sie ihn längst erwartet.

Er trug Jagdcivil und hatte bestäubte Stiefeln, der grüne Waidmannshut kleidete ihn vortrefflich, wie eine Reckengestalt aus der Zeit, da noch der Falke auf der Hand sein Recht behauptete, stand er vor ihr.

»Bist Du zu Fuß gekommen?« fragte die Komtesse.

Er setzte sich neben sie. »Ich wollte eigentlich in den Wald, um für den alten Herrn ein Stück Wild zu holen, hatte aber kein Glück heute Morgen; eh' ich's mir versah, kam ich von dem rechten Wege ab und war in Groß-Stauffen. Ich dachte mir, daß Du hier in der Laube seist!«

»Das nenne ich eine Felddienstübung! . . schnell, laß mich heraus, daß ich Dir Frühstück besorge!«

Er streckte den Arm als Barrikade vor.

»Bleib da!« bat er mit weicher Stimme, »ich möchte mich erst eine Weile hier ausruhen!«

Ange setzte sich wieder nieder, es wurde ihr so beklommen um das Herz.

Momentan herrschte Schweigen.

»Ich habe Dir etwas mitgebracht!« sagte Reimar, öffnete die Jagdtasche und reichte ihr einen Strauß von Waldglöckchen und Erdbeeren.

»Wie gut von Dir, lieber Reimar, daß Du an mich gedacht hast!« entgegnete sie, ohne seinem Blick zu begegnen, nahm die Blüten und steckte sie an die Brust.

285 »Ich denke so viel, fast immer an Dich, Ange!« sagte er ganz leise.

Wie die Blumen zu ihr empordufteten!

Mit bebenden Händen schnitt Ange ihre Bohnen. Reimar neigte sein Haupt näher und sah ihr zu.

»Früher habe ich immer geglaubt, ich müsse mich gewaltig in Acht nehmen, wenn ich Dir die Hand gab, um nicht einen von diesen kleinen, zarten Fingern zu zerbrechen, da hätte ich niemals gedacht, daß die so viel zuwege bringen könnten, und schämte mich, wenn ich meine große, ungefüge Faust daneben sah; jetzt aber ist's mir zu Sinne, als ob auf der ganzen Welt nicht zwei Hände besser zusammenpaßten denn unsere hier!«

Ganz verwirrt blickte das junge Mädchen empor, dunkle Glut färbte Beider Angesicht.

»Was Du für wunderliche Ideen hast!« stotterte sie.

»Gefallen sie Dir nicht?« Reimars Stimme bebte zwischen Furcht und Hoffnung, ach, daß er doch den Mut hätte, nur ein einzig Mal aus freien Stücken diese kleine Hand zu fassen!

»Liebe, liebe Ange!« O weh, da glitt das Messer in der zitternden Hand von der Bohne ab und traf den Finger; ein roter kleiner Blutstreifen zog sich über die zarte Haut! Mit hastigem Griff bemächtigte sich Reimar des Patienten, alle Scheu war plötzlich vergessen, er drückte seine Lippen darauf nieder und küßte den Finger gesund.

»Reimar!« bebte es von ihren Lippen.

286 Da kam ihm erst das Bewußtsein dieser Kühnheit! Aus lauter Verlegenheit hielt er auch ihre andere Hand fest und küßte sie ebenfalls.

»Ei du heiliges Linksschwenkt!« erscholl es plötzlich neben ihnen, ein Schatten fiel in die Laube und mit leisem Aufschrei schrak die Komtesse zurück und rang ihre Hände frei.

Da stand Onkel Bernd mit der qualmenden Pfeife, stemmte beide Hände in die Seiten und schmunzelte wie Einer, der's recht pfiffig gemacht hat.

»Also bereits eine zweite Auflage von Brautleuten, Kinder? Na, in Gottes Namen, immer schlank weg! Haben's ja längst schon kommen sehen und gewußt, daß der liebe Herrgott euch Beide für einander bestimmt hat! Hattenheim, liebe, treue Seele! in meine Arme, und Sie auch, Komteßchen, will der Erste sein, der euch Beide den Fahneneid auf die Flagge der Liebe schwören läßt!« und Onkel Bernd umarmte mit überströmendem Herzen und vereinigte die beiden, vor Schreck fast betäubten jungen Leute an seiner Brust. »Der liebe Gott segne Euch, Kinder! Kommt schnell zu Renate, die wird eine Freude haben! Heiliges Kanonenfutter noch eins, und ich hab's zuerst rausgekriegt!«

Dabei klopfte er noch einmal zärtlichst Reimars Rücken und stolperte, so schnell ihn seine Füße trugen, nach dem Schloß zurück. Sprachlos stand Ange und schlug die Hände vor ihr glühendes Angesicht, Reimar aber blickte mit strahlendem Antlitz 287 zu ihr nieder, schlang kühn den Arm um ihre schlanke Gestalt und zog sie an seine Brust.

»Ange!« sagte er mit der ganzen Innigkeit seiner sonoren Stimme, »bist Du dem braven Onkel Bernd böse, daß er unsere Herzen besser durchschaut hat, als wir selber?«

Da hob sie das Köpfchen mit thränenlächelndem Blick, schlang die Arme um seinen Nacken und flüsterte: »Wie habe ich Dich so lieb!«

Als nach kurzer Zeit die Beiden Arm in Arm durch die blühenden Beete nach dem Schloß zurückwandelten, da hing Reimars Waldblumenstrauß geknickt und zerdrückt an der Brust der Komtesse; dennoch hat sie ihn sorglich in ihren kleinen Raritätenkasten eingeschlossen und für ewige Zeiten zum süßen Angedenken aufbewahrt. Ob die duftigen Blüten wirklich so viel erzählen konnten?

* * *

Als der Herbstwind bereits über die Stoppeln wehte und das fallende Laub zusammenwirbelte, als die Schwalben den grauen Schloßturm von Stauffen umkreisten, und ihm das ewig neue Liedlein vom Scheiden und Wiedersehen sangen, da tönten eines Tages die Glocken von der Dorfkirche in gar wundersamem Klang, so voll und gewaltig, so voll Jubel und Wehmut zugleich, als wolle auch ihre eherne Zunge ein Lied zum Himmel singen von Finden und Trennen.

Die Blüten waren verweht, reife Früchte hingen im Gezweig.

288 Die Göttin Liebe war über die Fluren von Lehrbach und Groß-Stauffen gewandelt, hatte die Rosen gebrochen und sie auf den Pfad eines überglücklichen Paares gestreut, leise und unbewußt löste sie den bunten Kranz aus dem Goldhaar Josephinens, um ein Kränzlein von Myrte darauf zu drücken.

In festlichem Schmuck prangte die Kirche; stille, heitere Sonntagsruhe atmete die sonnige Welt. Die lieblichste der Bräute lächelte am Arm des schlanken, dunkellockigen Offiziers, welcher als wilder Knab' die kleine Haiderose gebrochen hatte, um sie nun, nach Kampf und Sturm, als ernster und erprobter Mann für ewig an seinem Herzen zu tragen.

Leise rauschte der weiße Atlas über die Schloßtreppe hernieder, der kleine aber sehr distinguirte Kreis der geladenen Gäste hatte sich im Freien vor dem Hause versammelt, um sich zu Fuß nach der nah gelegenen Kirche zu begeben.

Seine Excellenz der Minister erwartete das Brautpaar bereits zur Seite des Altars in derselben.

Als der Zug sich ordnete, donnerte es plötzlich mit rasendem Hufschlag auf der Chaussee heran, zwei Equipagen sausten in den Schloßhof und parirten vor der Freitreppe. Ein Jäger mit wehendem Busch und den herzoglichen Tressen sprang von dem Kutschersitz und riß den Schlag auf.

Franz Eginhard und Marie Christiane 289 entstiegen dem ersten Wagen, Prinz Detlef, Fräulein von Sacken und Herr von Reuenstein folgten in dem zweiten.

Die Glocken sangen und klangen von dem Turm. Geführt von Herzog Franz Eginhard und Prinz Detlef schritt Josephine über die Schwelle der Kirche, Günther folgte an der Hand Marie Christianens und der Freifrau Wetter von Stauffenberg.

Bleich, regungslos wie ein Marmorbild starrte der Minister dem Zug entgegen, dann ging plötzlich ein Beben und Wanken durch seine Glieder, er hob die Hand seinem Fürsten entgegen und versuchte, zitternd vor Erregung, sich aus dem Rollstuhl zu erheben.

»Mein gnädigster Herr!« klang es wie Schluchzen von seinen Lippen.

Die Orgelklänge schwollen an, und brausten in gewaltigem Jubel: »Lobe den Herrn, meine Seele!« Franz Eginhard legte die Hand Josephinens in die des jungen Grafen, trat alsdann mit schnellem Schritt neben den Krankenwagen und schlang den Arm um die Schultern des Ministers.

»Lobe den Herrn, meine Seele!« flüsterte er ihm tief ergriffen zu, neigte sich und küßte die Stirn unter den silbernen Locken. – – – – –

Graf Günther kehrte mit seiner jungen Gemahlin nach München zurück, woselbst er seine Studien vollendete.

290 Er arbeitete mit rastlosem Fleiß, und gönnte sich nur einmal einen kurzen Urlaub, um mit Josephinen der Vermählungsfeier Anges und Hattenheims beizuwohnen. Dieselbe fand zum heimlichen Kummer des jungen Paares in der Residenz statt, da der Hofmarschall auf den Wunsch der Brautleute, in aller Stille auf Reimars Gut getraut zu werden, durchaus nicht einging. Es schien ihm so wie so schon unbegreiflich, daß sein verwöhntes, zartes Töchterchen Wohlgefallen an dem Landleben finden könne!

»Na Kinder, wenn ihr es in eurem schwarzweißen Sibirien gar nicht mehr aushalten könnt, dann kommt den Winter über nach Villa Carolina zurück, für Amüsement wird die Residenz schon sorgen!« sagte er sich selbst zum Trost und fügte lachend hinzu: »Aber nicht als verbauerte Krautjunker dürft ihr mir hier einrücken, hörst Du, Ange? Nicht wie Gänseliesel mit einem Kamelienkranz auf den Hofball gehen! Sonst verleugne ich euch!«

Ange hatte nur zärtlich die Hand ihres Verlobten gedrückt, und Reimars strahlendes Gesicht sah gerade so aus, als wolle er sagen:

»Wenn wir nur erst glücklich hier heraus wären, mit dem Wiederkommen hat es keine Gefahr!«

Und so war es auch. Das Strandschloß der Hattenheims hat niemals wieder auf lange Zeit leer gestanden; seitdem der große, blonde Gutsherr sein schlankes, junges Weib buchstäblich auf Händen 291 über die Schwelle getragen hat, da zog ein Frühling in die grauen Mauern ein, welcher aller Ecken und Enden seine Purpurrosen der Glückseligkeit sprossen ließ und ein Banner auf die Zinnen pflanzte, welches leuchtend hell wie das Lächeln wonnigsten Friedens seine Grüße über die rollenden Meereswogen wehte.

Durch die fleißigen Briefe und die späteren Besuche der jungen Lehrbachs blieben sie trotz ihrer Einsamkeit von Allem, was draußen in der Welt vorging, aufs beste unterrichtet. Denn Graf Günther, dessen Name bereits ein Stern unter den hervorragenden Malern der Jetztzeit geworden, lebt in der Metropole des deutschen Reiches in den glücklichsten Verhältnissen, Fürstengunst und außerordentliche Erfolge flechten ihm einen Lorbeer um die Stirn, welcher ihn merkwürdiger Weise nicht eitel macht. So voll und früchteschwer dieser Kranz auch sein mag, die roten Rosen der Liebe überwuchern ihn im Herzen des Künstlers, denn Graf Lehrbach liebt sein reizendes Weib abgöttisch.

In der heimatlichen Residenz hat sich auch Manches verändert.

Seitdem die Ehre des Ministers Grafen Lehrbach in den Augen der Welt so glänzend rehabilitirt war, bildete sich ein inniges Freundschaftsverhältniß zwischen Franz Eginhard und Marie Christiane, welches die Stellung der vereinsamten Frau in günstigster Weise änderte, obwohl Prinzessin Sylvie es nicht an Intriguen und öffentlichen 292 Demonstrationen fehlen ließ, um die »Katholikin« wegzubeißen. Man wußte sich diesen unversöhnlichen Haß nicht zu deuten.

Die Prinzessin war verbittert, launischer und excentrischer wie je, bis sie sich plötzlich an einen verwittweten Großherzog vermählte und der Residenz höchst ungnädig den Rücken wandte.

Man war sehr gespannt, wie diese Ehe ausfallen würde, und ungemein überrascht, als Gerüchte auftauchten, die »Widerspänstige habe ihren Petruchio gefunden, welcher sie zähme.«

Man hatte dem älteren Mann eine solche Energie gar nicht zugetraut.

Es sollte anfänglich heftige Scenen gegeben haben. Nach der Geburt einer kleinen Prinzessin jedoch war der Trotz gebrochen, und das Wunder vollbracht, daß die hohe Frau mehr bei der Wiege als im Sattel saß. Nach und nach entwickelte sie sehr viel Anlage zum Starkwerden, und es war wohl schließlich eine Folge ihrer körperlichen Schwerfälligkeit, daß man die Großherzogin Sylvie eine phlegmatische Frau nannte.

Fräulein Ilse von Dienheim folgte ihr zu allgemeinem Erstaunen nicht als Hofdame in die neue Residenz, sondern vergähnte noch etliche Winter lang ein zweckloses Dasein in der Heimat, bis sie eines schönen Tages bei einem Sturz vom Pferd die Hüfte brach, und lange Zeit in einer Klinik liegen mußte.

Als sie endlich gesundete, überraschte sie die Welt durch ihre Verlobung mit dem Arzt, welcher 293 sie kurirt hatte, und da derselbe weder Titel noch Mittel besaß, verschwand sie spurlos von der Schaubühne der großen Welt.

Gräfin Aosta kokettirte noch eine Zeit lang erfolglos mit Prinz Detlef, bis sie sich entschloß, einem alten Botschafter und berüchtigten Lebemann die kleine Hand zu reichen, deren Besitz derselbe nicht völlig zu schätzen weiß, wie böse Zungen behaupten; sie lebt zur Zeit im Ausland.

Am besten ist es Baron Reuenstein, dem ehemaligen Ordonnanzoffizier geglückt.

Seine Brust ist reich dekorirt, sein Rücken noch immer elastisch krumm, die Mittel sind noch immer durch den Zweck geheiligt. Er hofft es sogar bis zum Erzieher der zwei Söhne Franz Eginhards, welcher sich ziemlich überraschend vermählte, zu bringen. Man sieht in ihm das Ideal eines Höflings. Viele behaupten, er sei falsch, und sie trauen ihm nicht weiter, als sie ihn sehen – je nun, die Leute täuschen sich manchmal.

Die Pastor'schen Flachsköpfe wachsen unaufhaltsam heran und sind der ganze Trost von Tante Renate und Onkel Bernd, welche sich unendlich einsam und verlassen in Groß-Stauffen vorkommen. Um so mehr, als Seine Excellenz zu dem jungen Paar übergesiedelt ist, woselbst zwei berühmt schöne, in jeder Weise verzogene und verhätschelte Enkelchen wie Sonnenschein in den Herbst seines Lebens strahlen.

Tante Renate wird auf ihre alten Tage noch 294 ungeduldig und kann es kaum erwarten, bis die Mailüfte wehn und das erste Hoffnungsgrün aus dem Erdboden keimt, dann trägt sie die gelbe Chaise jeden Tag nach Lehrbach hinüber, wo sie nach Herzenslust waschen und fegen und ausklopfen läßt. Denn wenn erst die Sonne in die geöffneten Fenster lacht, kommen auch bald die Wandervögel herzu geflattert, und die liebsten von Allen sind ihr doch diejenigen, welche ihr traulich Nestlein in Lehrbach aufschlagen.

»Immer schlank weg!« nickt Onkel Bernd und reibt sich vergnügt die Hände, »mach's ihnen nur recht behaglich, Mutterchen, damit wir die Phine eine Zeit lang hier behalten; werden mir immer viel zu schnell fahnenflüchtig! . . . . kaum ein paar Monate zur Ruhe gekommen, läßt der Günther schon wieder zum Satteln blasen!«

Und der Freiherr blies ein paar dicke Dampfwolken, und lief schon vier Wochen vorher jeden Tag in den Wald, um einen »Empfangsbraten« zu schießen.


Vor etlichen Jahren ging ich in der Metropole durch die reichen Ausstellungssäle der Königlichen Akademie der Künste. Unter den vielen Perlen hoher Meisterschaft fesselte mich ein Gemälde besonders, vor welchem dicht gedrängt eine Schaar von Bewunderern stand.

Es war ein ziemlich großes Bild, dessen Sujet eben so eigenartig war wie die Ausführung. Auf einem Heuhaufen an dem Chausseerain liegt eine Mädchengestalt und hütet die Gänse, welche sie in 295 humoristischen Posen umgeben; ein grauer Regensack umhüllt ihre Gestalt, goldenes Sonnenlicht flutet über das blonde Köpfchen mit dem süßen, liebreizenden Antlitz.

»Aha! vom Grafen Lehrbach!« klang hinter mir eine sonore Herrenstimme: »Süperbe, ganz meisterlich! . . . . Und welch sprechende Aehnlichkeit! Die blonde Schönheit ist nämlich seine Frau, welcher man ja auf seinen meisten Bildern begegnet, ideales Gesicht! . . . . Bei Gott, der Mann hat ganz recht, daß er sich nicht scheut, seinen vollen hocharistokratischen Namen unter seine Werke zu schreiben, er ist ein Künstler von Gottes Gnaden! Wie heißt das Bild? Welche Nummer trägt es? . . . . Ich will im Verzeichniß nachschlagen!« . . . .

Ein paar Blätter wurden flüchtig raschelnd umgewendet.

»Voilà! . . . . Nr. 599. Graf Lehrbach, ›Gänseliesel‹!«

 

 


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