Nataly von Eschstruth
Gänseliesel
Nataly von Eschstruth

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Siebentes Kapitel.

»Die Damen bei Hofe, so sehr sie sich zier'n,
Sie gleichen doch nicht meiner Lore!«
Volkslied.        

Herzog Franz Eginhard, der regierende Fürst, stand erst im achtundzwanzigsten Lebensjahr und war bis zum heutigen Tage noch nicht vermählt, obwohl schon manch alarmirende Nachricht in den Zeitungen aufgetaucht war und von Plänen und Absichten sprach, welche sich jedoch bis jetzt noch nicht realisirt hatten.

Eine fast zweijährige Orient-Reise des jungen Fürsten war durch den plötzlichen Tod des Vaters jäh unterbrochen und führte den Prinzen unerwartet schnell zurück, um die Zügel der Regierung mit thatkräftiger Hand zu übernehmen. Die verwittwete Herzogin, seine Mutter, bewohnte nach wie vor den großen Neubau des Palais, ebenso ihre beiden jüngeren Kinder, Prinzessin Sylvie und der zur Zeit an der Universität der Residenz studirende Prinz Detlef.

161 Der etwas weiter im Park entfernt liegende Pavillon, ein kleines Schloß im Renaissancestil erbaut und eigentlich zum Wittwensitz der Herzoginnen bestimmt, war noch unverändert den beiden Geschwistern des verstorbenen Regenten, dem Prinzen Alexander und der Herzogin Marie Christiane überlassen.

Inmitten dunkler Rotbuchgruppen, Platanen und Taxusgebüsche lag der zierliche Kuppelbau, mit kleinen Minarets neugierig über die laubigen Wipfel hinausstrebend, grünlich schillernd und goldig daraus aufblitzend, wie das geheimnißvolle Dornröschen-Schloß in der Kinderfabel. Schneeweiße Säulengänge umgürteten den Innenbau, sich für das erste Stockwerk zum Balkon abdachend, über dessen Goldgitter die schlanken Ranken der Clematis und süß duftenden Glycinias herniederwehten, und über welches die schlanken Marmorstatuen träumerisch die bleichen Häupter hoben. Glatt und farblos legten sich die Jalousien vor die Fenster, selten, daß eine Spiegelscheibe im Sonnenlicht aufblitzte, und der Wind den weißen Spitzenduft der Gardinen gegen die schweren Goldquasten der seidenen Ueberhänge zurückblähte, selten, daß ein Lakai auf leisen Sohlen durch die Vorhalle huschte, selten selbst, daß eine Equipage über die tadellos gehaltenen Sandwege rollte, um mit schnaufenden Rossen vor dem Portal zu halten. Das waren höchstens die formellen Visiten, welche Prinz Alexander, oder an besonderen Festtagen der Herzogin Marie Christiane 162 galten, die ständigen und häufigen Gäste des Pavillons kamen meist zu Fuß, hohe, dunkle Frauengestalten mit dem Rosenkranz und Gebetbuch in der Hand, mit dem weißen Kopftuch der Diakonissinnen, mit Schriften über Armenpflege und Hospitäler, mit wallendem Wittwenschleier und verweinten Augen.

Herzogin Marie Christiane war die Wittwe des hochseligen Prinzen Friedrich Max, des Bruders des verstorbenen Regenten und des noch bei ihr in den Parterreräumen des Pavillons lebenden Prinzen Alexander. – Vor nahezu dreißig Jahren war sie aus ihrer süddeutschen Heimat in die Residenz des erlauchten Gemahls übergesiedelt, die einzige Katholikin am Hof, die einzig Strengdenkende inmitten eines leichtlebigen Kreises, die einzige Fremde in kleinen, engverflochtenen Verhältnissen. Anfänglich hatte man geglaubt, Zeit und Gewohnheit würden die schroffen Kanten der Verschiedenartigkeit ganz von selber abschleifen und zu jener unentbehrlichen Harmonie führen, deren Mangel leider in den ersten Jahren der Anwesenheit Marie Christianens sich schmerzlich fühlbar machte, dennoch hatte man sich verrechnet. Mit eiserner Konsequenz verfolgte die Prinzessin den einmal eingeschlagenen Weg, welcher so weit ab von den bunten Bahnen des lebenslustigen Hofes führte, unfähig, selbst ihren Widerwillen dem gleißnerischen Scepter der Etiquette zu unterjochen. – Statt sich zusammenzuziehen, senkte sich die Kluft stets schroffer und tiefer zwischen 163 der Fremden und dem Herzogshaus, anfänglich noch mühsam bemäntelt oder ignorirt, dann jedoch stets merklicher und unangenehmer markirt, bis schließlich kaum noch der Zwang ceremoniellster und frostigster Höflichkeit sie zu überbrücken vermochte. Da löste sich auch noch das letzte Band, welches bisher freundlich vermittelnd die Beziehungen zwischen Palais und Pavillon aufrecht erhalten hatte, der Gemahl der »Katholikin« Prinz Friedrich Max erlag seinem langjährigen Lungenleiden, als dringendsten und letzten Wunsch die Bitte an seine Gemahlin richtend, ihr einziges Töchterchen in seiner hiesigen Heimat erziehen zu lassen.

Da ketteten neue Bande die pflichtgetreue Frau an ein unverstandenes und ungeliebtes Flecklein Erde. Ihre Wittwentrauer rechtfertigte es, daß sie sich still und abgeschlossen in ihr weißes Parkschlößchen zurückzog, einzig der Erziehung ihres Kindes und zahllosen, wohlthätigen Vereinen lebend. – Das Schicksal jedoch hob abermals seine dunklen Fittiche und schwebte über den Weg der hohen Frau, unerbittlich und furchtbar, wie der Wetterstrahl aus schwarzer Wolke, die einzige Blüte an ihrem Lebensbaum herniederschlagend. Die kleine Prinzessin starb. Auf einem Gang durch das städtische Krankenhaus, wohin die Herzogin ihr Töchterchen mitgeführt hatte, um des Kindes Herz und Sinn frühzeitig den Werken der Barmherzigkeit zugänglich zu machen, hatte sich die kleine Prinzessin allem Anscheine nach an einem bräunekranken Kinde angesteckt, heftiges 164 Fieber stellte sich ein, die angstvollen Bilder all der vielen Krankenlager, welche die Kleine im Hospital erschreckt hatten, jagten in wirren Phantasien an dem Bettchen vorüber, zu dessen Häupten der marmorne Christus lächelte: »Lasset die Kindlein zu mir kommen.« . . . Da waren die goldenen Englein von dem Knauf des seidenen Betthimmels herniedergeschwebt, und hatten die Flügel um die kleine Prinzessin geschlagen, und die Thränen von der Mutter Wangen geküßt. – Da war es aus mit allen Hoffnungen und Träumen, da stand die Fremde ganz allein, ganz einsam und verlassen zwischen zwei Gräbern.

Die Karnevalsschellen im Palais aber verstummten momentan, hinter den bunten Larven hervor blitzten zornige Augen, die Residenzler steckten die Köpfe zusammen und führten anstatt Zungen giftige Pfeile im Mund, die trafen alle das Herz der »Katholikin«, der »frommen Frau« im Pavillon. Von da an baute sich eine eisige Scheidewand zwischen Palais und Parkschloß, in offenen Angriffen, in schroffstem Gegenüber teilte sich die Gesellschaft in zwei feindliche Lager. Alles, was da leben wollte und leben ließ, jubelte dem Fasching des strahlenden Fürstensaals zu und warf unbarmherzig die Steine der Verleumdung, die Pfeilspitzen grausamen Spottes gegen »das Haus auf den sieben Hügeln.«

Marie Christiane aber senkte das bleiche Angesicht, wie die Lilie, wenn ein giftiger Mehltau ihren 165 Kelch trifft. Ruhig und still lebte sie weiter, unbekümmert um alle Bosheit, welche sie mit Werken opfermutigster Liebe beantwortete, unerschrocken zwischen heimlichen und offiziellen Feinden, für deren Wohl und Heil sie rastlos bemüht war, in selbstlosem Verzicht auf Dank und Anerkennung. Enger und enger schloß sie den Kreis ihrer Freunde um sich ab. –

Durch wirbelnde Schneeflocken, über weichen, glitzernden Teppich rollte die Equipage des Ministers lautlos wie ein Schatten dem Palais entgegen. Die Bäume und Sträucher zu beiden Seiten des Parkweges tanzten wie dunkel vermummte Riesengestalten vorüber, hie und da klang ein Hufschlag auf scharfem Stein, klirrte das silberplattirte Zaumzeug leise auf, wenn die Rappen schnaufend die Mähnen zurückwarfen, und der junge Husarenoffizier dehnte sich behaglich in den weichen Atlaspolstern und neigte das Haupt spähend gegen die Fensterscheibe. Durch die kahlen Baumwipfel sah er die hellerleuchtete Front des Palais liegen, rechter Hand die Empfangssalons der Herzogin. Die hohen Spiegelscheiben waren weder durch Jalousieen noch Rouleaux geschützt, ein tiefrotes Licht strahlte daraus entgegen und warf seinen leuchtenden Reflex auf die dichtverschneiten Fichtengruppen, welche sich auf den Rasenflächen der obersten Gartenterrasse, unmittelbar neben dem Balkon des Musiksalons, erhoben.

Noch eine kurze Biegung um den weitvorspringenden Seitenflügel und die Lehrbach'sche Equipage sauste in den Schloßhof.

166 Unter dem überdachten, hellerleuchteten zweiten Portal stand bereits der reich gallonirte Huissier mit hohem Stabe, die beiden Thürflügel des inneren Korridors aufreißend und durch verbindlichstes Lächeln bekundend, wie oft und gern er diesen Gast bereits hier empfangen.

Der junge Offizier trat hastig ein und griff leicht salutirend an die Mütze, warf einem der herzugleitenden Lakaien den Paletot entgegen und sprang wie ein Altbekannter ohne jegliches Wort die weiß marmorne, mit roten Läufern belegte Treppe empor, an deren beiden Endpfosten mythologische Frauengestalten mit starren Augen auf ihn niederschauten, und auf deren Mittelabsatz zwei gewaltige Karyatiden ihre flammenden Glasleuchter emporhoben.

Graf Lehrbach trat durch eine türkische Teppichportière und das Antichambre der Herzogin-Mutter in die Galerie. Feuchtwarme Luft wogte ihm entgegen, durchduftet von demselben Parfum, welches, nur weniger intensiv als hier, die sämmtlichen Räume des Schlosses gleich einer hocharistokratischen Seele durchzog, schlanke Palmwedel nickten zu beiden Seiten des schmalen Ganges, überragt noch von blühenden Oleanderbäumen und breitblättrigen exotischen Gewächsen, deren grüne Pflanzenkübel von einem köstlich duftenden Pyramidenbau maskirt wurden, aus welchem Maiglöckchen, Hyacinten, Fliedertrauben, Azaleen und farbenprächtige Kamelien die zarten Köpfchen hoben.

Graf Lehrbach schritt achtlos über den 167 purpurnen Teppich an der inmitten der Blumen plätschernden Fontäne, welche ein Triton keck aus vergoldetem Becken emporblies, vorüber in den angrenzenden Salon. Altertümliche, damastrauschende Pracht leuchtete ihm entgegen, von der gepreßten Sammettapete, welche den überlebensgroßen Gemälden fürstlicher Anverwandten Relief gab, von den Wandpolstern, Causeusen, Sesseln, Draperien bis zu dem schwellenden Teppich herab in verschiedenen geschmackvoll abgetönten Nüancen des Vieil or spielend.

Unter den leicht schaukelnden Broncegehängen des Kronleuchters, hell beschienen von den verschiedenen Lichtern und Flammen, stand eine kleine Gruppe konversirender Herren und Damen. Die Herren in der Uniform der dienstthuenden Kammerherren, die beiden Hofdamen in hellfarbiger Seidenrobe, welche den à coeur entblößten Hals mit Spitzen und einzelnen Blüten umrahmte.

Die kleinere der beiden Plaudernden hatte Lehrbach den Rücken gekehrt; ein dunkles Lockenköpfchen wiegte sich graziös auf schlankem Halse, ruhelos wie ein perpetuum mobile die eifrigen, etwas allzu geschmeidigen Bewegungen seiner Besitzerin begleitend, deren Gestalt sich in dem schillernden, eng anliegenden Seidenstoff, wie eine kleine, goldgekrönte Schlange vom dunkeln Teppich emporringelte.

Das war Comtesse Susanne Aosta, die Südländerin mit den sprühenden Schwarzaugen, welche sich entschlossen hatte, die gerade vakante Stelle 168 einer Hofdame einzunehmen, als ihr Vater, der italienische Gesandte, vom Schlage getroffen, seiner glänzenden Stellung entrissen wurde.

Ihr gegenüber, wenig ladylike mit übergeschlagenen Füßen auf der Lehne eines Sessels thronend, hatte Fräulein Ilse von Dienheim, die Gesellschaftsdame der Prinzeß Sylvie, die Hände um das Knie gefaltet und starrte gähnend zu der Sprecherin auf. Das Licht brach sich in dem Glanz ihres aschblonden Haares, daß es fast schien, als kräusele sich dasselbe tief ergraut um das blasse, großgeschnittene Gesicht, aus welchem sich zwei dunkelblaue, unendlich kalt und stolz blickende Augen unter festverwachsenen Brauen abhoben. Der Mund war flach und oft zu kleinen Grimassen verzogen, die Figur groß und knochig, derb in jeder Bewegung und in eine Façon gedrillt, welche der ureigenen Natur absolut entgegen und unkleidsam war. Alles in Allem aber war Fräulein von Dienheim sowohl an Aeußerem wie an Manieren der getreue Abklatsch der Prinzessin.

Lautlos war Lehrbach auf dem weichen Teppich nähergetreten. »Und coûte que coûte, ich ruhe nicht eher, als bis ich's den Herrschaften gesteckt habe – beiße mir lieber einen Finger ab, als daß ich diese Neuigkeit verschweige!« hörte er gerade die Comtesse Susanna mit viel Schärfe in der Stimme sagen; dann schrak eines der glattgescheitelten Kammerherrnhäupter aus seiner eifrig horchenden Stellung empor und lachte dem Kommenden leise entgegen. »Ah, 169 voilà, unser Unentbehrlicher! Touchez-là, mon ami! ich freue mich unendlich!« und er reichte ihm die tadellos behandschuhte Rechte zum Gruß. A tempo fuhren die Köpfe herum. »Mein Gott, wie erschrecken Sie mich!« glühten die italienischen Augen voll reizenden Vorwurfs zu ihm auf, und Lehrbach klappte, mit einer kurzen Verbeugung ringsum, die Sporen zusammen, faßte lachend das dargereichte Händchen der Aosta und blickte amüsirt darauf nieder.

»Wissen Sie auch, Comtesse, daß von dieser Miniaturausgabe wenig übrig bleiben würde, wenn Sie sich noch einen der Lilliputsfinger abbeißen wollten?« sagte er galant. »Das wäre ja ein schwerer Diebstahl an dem Glücke jenes Beneidenswerten, welchem dieses Händchen zum Inbegriff des Lebens werden wird!«

»Au, mir wird schwach!« dehnte sich Fräulein Ilse mit einer Grimasse, welche jegliche Eitelkeit ausschloß. Gräfin Susanna aber zeigte in hellem Aufkichern die weißen Zähnchen und balancirte graziös auf dem spitzen Stiefelhacken.

»Sie sind ein abscheulicher Mensch, Graf Lehrbach!« kokettirte sie, beide Hände auf den Rücken ziehend, »und wenn ich nicht gar so eingebildet auf meine Handschuhnummer wäre, würde ich Sie momentan sogar für moquant halten!«

»Um mir entsetzlich Unrecht zu thun!« Ilse räusperte sich heftig und klappte mit dem Fächer gegen die Stuhllehne. »O, Sie Schandmaul!« nickte sie ihm ohne jede Prüderie zu, und der 170 Kammerherr an ihrer Seite lachte so herzlich, wie es ihm bei der engen Kravatte möglich war.

Lehrbach zwirbelte mit einem Kompliment gegen Fräulein von Dienheim den Schnurrbart. »Vor allen Dingen, meine Gnädigste, lassen Sie mich erst ein Examen für diesen neuen Titel bestehen,« lachte er, »und schlagen Sie mir in der Chronique scandaleuse das Kapitel auf, welches Comtesse Susanne so sehr gegen ihren kleinen Finger erzürnte, ich verspreche Ihnen im Voraus, daß ich nach Kräften mit raisonniren werde!«

»Hoho! Nicht durchgehen, monsieur Günther le plus beau!« brachte sich Gräfin Aosta mit einem Fächerklapps gegen den Arm des jungen Offiziers in Erinnerung; die beiden Kammerherren hüstelten unschlüssig und wechselten einen schnellen Blick. Ilse aber machte eine gymnastische Uebung mit den Armen und sagte trocken: »Man muß nur da raisonniren, wo man Kapital daraus schlägt, also warten Sie, bis Ohren in Ihrer Nähe sind, welche gleichzeitig aus Ihrem Zorn den schmeichelhaften Eifer eines Tiefentrüsteten hören!«

»Superbe!« applaudirte einer der Herren mit beiden Daumen, Ilse aber fuhr gleichgültig fort: »Die alte Giftspinne, die Frau Landstallmeisterin hat mal wieder ihrer Bosheit Luft gemacht, und Prinzeß Sylvie und mich mit ihrem Interesse beehrt; – bah, was ich mir dafür kaufe! meinetwegen kann sie schimpfen bis sie schwarz wird!«

171 »Ueber Prinzeß Sylvie?« Lehrbach trat näher und grub die Zähne in die Unterlippe.

»Ja denken Sie doch Graf, welch' eine unglaubliche Impertinenz!« fuhr Susanna mit schneidender Stimme dazwischen, »erdreistet sich diese unverschämte Person in offiziellem Damen-Kaffee, – natürlich zumeist Kreaturen aus dem Pavillon! – von Prinzeß Sylvie und Ilse, als von ›der tollen Prinzeß mit ihrem Küchendragoner‹ zu reden!« Mir liegt daran, daß solch eine Frechheit höchsten Orts bekannt wird, damit die Herrschaften doch wissen, an was für liebe Freunde sie ihre Güte und Huld verschwenden!«

»Und vor allen Dingen was für Dank sie an dieser ›Fremden‹ ernten!« warf der eine der Kammerherrn giftig ein, »das hat aber Serenissimus davon, daß er absolut seinen Marstall nach ›auswärtigem‹ Muster einrichten wollte, und diesen arroganten Herrn ›Ausländer‹ hierher beruft, der sich als kaiserlicher Unterthan berechtigt glaubt, auf uns Kleinstaatler mit gerümpfter Nase herab zu blicken! Wir brauchen und wollen keine fremden Elemente hier, wir genügen uns völlig entre nous

»Das will ich meinen!« sekundirte die Aosta mit leise zitternden Nasenflügeln, »ich fürchte, das Kuckucksei wird Seiner Königlichen Hoheit noch manch liebes Mal recht unbequem im Neste werden, so unbequem vielleicht, daß er bittere Sehnsucht nach verschmähten Landeskindern bekommt!«

»Auf alle Fälle würde ihm das erspart geblieben 172 sein, hätte er damals, nach unser Aller aufrichtigen Wunsch Ihren Herrn Schwager zum Landstallmeister befördert, Comtesse!« schaltete der Kammerherr ein, und es zuckte dabei ein gewisses Etwas um die farblosen Lippen, welches auf Fräulein Ilses Antlitz einen leicht moquanten Reflex fand; Günther aber warf mit etwas rauhem Auflachen den Kopf in den Nacken und sagte leichthin: »Ich glaube die Herrschaften legen diesem Altweiberklatsch viel zu viel Gewicht bei! Mon Dieu, ich bin selbst in der Wahl von Menschen, über welche ich mich ärgere, sehr exclusiv, und werde namentlich einer Frau von Norbach niemals die Ehre angedeihen lassen, irgend welche ihrer Aeußerungen oder Kritiken für competent zu halten!« –

»Das haben Sie allerdings durch Ihr letztes Bonmot bewiesen, Graf!« lachte Susanna hell auf.

»Durch welches?« – Ilse schaute interessirter denn gewöhnlich drein, und ließ den Fächer, welchen sie gerade vor den weit geöffneten Mund gehalten hatte, sinken. – Auch Günther blickte momentan fragend auf die Gräfin nieder.

»Nun, die Sache mit dem Heringssalat!«

»Kenne ich nicht! bitte, schießen Sie los, Graf!« – und Fräulein von Dienheim sprang von der Sessellehne mit beiden Füßen zugleich auf das Parquet hernieder, und stellte sich erwartungsvoll vor Lehrbach hin, – wie die Schatten glitten auch die beiden Herren näher.«

»Ach machen Sie doch keine Schnacken!« wollte 173 der junge Offizier abwehren, aber Gräfin Aosta ergriff bereits mit vieler Lebhaftigkeit das Wort.

»Denkt Euch doch nur, welch' süperber Witz! Als es neulich bei einem der fürchterlichen Norbach'schen ›Thees mit Musik‹ wieder den unvermeidlichen Heringssalat gab, flüsterte mir der abscheuliche Mensch da in's Ohr: ›Sagen Sie mal, Gräfin, hier wird wohl der Heringssalat im Vorrat für die ganze Saison in der Badewanne angerührt?‹«

Schallendes Gelächter, so laut, wie es dieser Salon, außer aus Prinzeß Sylvies Mund, wohl kaum gehört hatte, unterbrach die Sprecherin, dann wandten sich Aller Köpfe erschrocken nach der seitlichen Flügelthür zurück, welche leise geöffnet wurde. Der Ordonnanzoffizier des Prinzen Alexander glitt auf unhörbaren Sohlen in den Salon, mit schnellem, ruhelos flackerndem Blick die Gruppe der Plaudernden, sowie den ganzen Raum bis zum fernsten Winkelchen überfliegend, dann mit seinem stereotypen Lächeln unter etlichen Verneigungen schnell herzutretend.

»Herrschaften werden im Augenblick eintreten!« flüsterte er mit gedämpfter Stimme und sehr wichtigem Gesicht.

Günther maß die schmächtige Gestalt des Ankömmlings, sein bartlos kränkliches Gesicht, auf dessen Stirne rötlichblonde Engländerscheitel gekämmt waren, mit einem Blick, wie andere Leute vielleicht einen nickenden Porzellanchinesen auf dem Kamin ansehen und ihm wieder nicken.

174 »So?« fragte er in einem Ton, welcher jovial hätte sein können, wenn ihn nicht ein allzu spöttisches Lachen durchklungen hätte. »Haben Sie auch Ihrem Herrn und Gebieter hübsch die Gummischuhe angezogen? Es hat geschneit draußen!«

Ein Zucken lief über Aller Gesichter und die lauernden Augen des Angeredeten bohrten sich momentan scharf wie die Dolchspitzen in Lehrbachs übermütiges Antlitz, dann schien es, als würden die Züge wieder mit Gewalt in die verbindlich lächelnden Falten und Fältchen gelegt, und Herr von Reuenstein drohte scherzend mit dem Finger. »Aus Ihnen spricht der gelbe Neid, Graf, Sie gönnen mir meine neue Würde nicht!« lachte er etwas gezwungen auf.

»Da sei ja Gott vor!« moquirte sich der Husar, unter der Devise größter und heiterster Liebenswürdigkeit, »im Gegentheil, Verehrtester, ich gerade habe mich am meisten über Ihre Ernennung gefreut, denn ich wußte am besten, wie sauer Sie es sich haben werden lassen, all jene kleinen Absonderlichkeiten Seiner Hoheit zu studiren, und bin überzeugt, daß kein Anderer diese schwierige Stellung mit mehr Eifer und Aufopferung erfüllen kann, als gerade Sie!«

»Ganz recht, Graf Lehrbach, und ich hoffe, auch meinen lieben Freunden beweisen zu können, wie ich dieser gewichtigen Stellung vollkommen gewachsen bin!« entgegnete Reuenstein, und ein Ausdruck namenlosesten Hohnes schürzte die Lippe über die 175 Oberzähne; dann wandte er sich schnell zur Seite, nach der Mittelthür des Salons Front machend und sein penibel frisirtes Haupt bis fast zum Parquet hinab vor den Herrschaften neigend, welche soeben, gefolgt von der verwittweten Hofmarschallin, eintraten.

Herzogin-Mutter trug eine bordeauxrote Robe aus stumpfem Atlas, mit einer Coiffüre von Crèmespitzen und breiten spangenartigen Rubinnadeln; ihr naturkrauses, noch wenig ergrautes Haar umrahmte die Stirn, wurde von dem Spitzenbandeau schlicht zurückgenommen und fiel kurzgeschnitten, und von einem Invisible zusammengehalten, bis auf Schulter und Nacken hernieder. Ihre Figur war groß, schlank und stattlich; ihre Haltung stolz und sehr gemessen, voll viel natürlicher Hoheit. Die scharf geschnittenen Züge des noch sehr frischen Gesichtes veränderten sich wenig, obwohl Ihre Königliche Hoheit viel und sehr animirt sprach; nur in den großen, sonst so kühl und oft erbarmungslos ernst und klug blickenden Augen blitzte und flammte dann das Leben auf, voll magnetischer Gewalt auf den Zuschauer wirkend, anregend und begeisternd in dem einen Augenblick, um in dem anderen Herz und Seele in eisiger Befangenheit erstarren zu lassen.

Der regierende Herzog hatte diese Augen geerbt, ebenso den scharf geschnittenen Mund der Mutter, dessen geneigte Winkel dem ganzen Antlitz leicht einen zu herben und unerbittlichen Ausdruck gaben. 176 Er schritt an ihrer Seite; die Hand der Herzogin ruhte fest auf seinem Arm.

»Ah, voilà, unser guter Lehrbach!« nickte sie im Eintreten dem jungen Offizier voll schmeichelhaftester Freundlichkeit zu. »Wieder zurück von Treibjagd und Turf? Recht so, mon ami, wir können uns die liebe Residenz hier gar nicht ohne ›Sonnenschein‹ vorstellen!« Und sie reichte ihm die Hand entgegen, welche Graf Günther mehr chevaleresk als devot an die Lippen zog.

Auch der Herzog begrüßte ihn in fast familiärer Weise, und Prinzeß Sylvie wandte den hochfrisirten Kopf nach Fräulein von Dienheim zurück, welche sofort nach ihrem Eintreten hinter sie geschlüpft war und eifrig zu tuscheln hatte, und sagte in nicht allzu leisem Flüsterton mit einem Blick auf Lehrbach: »'s ist wirklich zu toll, der Kerl wird alle Tage hübscher!«

In dem kleinen »Richtersalon«, welcher seinen Namen den vielen köstlichen Gemälden dieses Meisters verdankte, welche, an den Wänden oder auf Staffeleien aufgestellt, sämmtlich in diesem Zimmer vereinigt waren, beleuchtete eine Lampe mit drei Glocken die beiden reich servirten Theetische. Schleier von rotem Seidenpapier dämpften auch hier das Licht, wie in allen Räumen der Herzogin-Mutter, und warfen einen magischen und sehr vorteilhaften Widerschein auf die Gesichter der Anwesenden.

Vor dem Sopha, dessen gerade Lehne sich wie ein hochgeschnitzter Kirchenstuhl erhob, stand der 177 kleinere, nur mit sechs Gedecken belegte Tisch, an welchem die Herrschaften Platz nahmen; etwas zur Seite, inmitten des Salons, befand sich die Marschallstafel für die Kammerherren und Hofdamen, heute allerdings nur als Ausnahme durch den beschränkten Raum bedingt, da an sonstigen Tagen, wenn der Thee nicht bei der Herzogin, sondern in den officiellen Salons eingenommen wurde, die nächste Umgebung der Herrschaften an einer Tafel mit denselben speiste.

Graf Lehrbach war zu Fräulein von Dienheim an den zweiten Tisch zurückgetreten, Herzogin-Mutter aber wandte den Kopf und rief: »Ich wünsche das interessante Portefeuille nebst allen neuen Skizzen und dem Verfasser derselben in meiner Nähe zu haben!« Und mit huldvollstem Lächeln neigte sie den Fächer gegen den Sessel zu ihrer Seite, welchen Lehrbach mit lächelnder Verneigung und einem: »Königliche Hoheit machen meine bescheidenen Striche zu meinem beneidenswertesten Reichtum!« einnahm. Zur anderen Seite der hohen Frau saß der Herzog, neben ihm die verwitwete Hofmarschallin, und vis-à-vis Prinzeß Sylvie und Prinz Detlef, ein hochaufgeschossener junger Mann, mit ziemlich unbedeutendem, etwas arrogantem Gesicht, um welches der erste Flaum eines Backenbartes sproßte. Sein Anzug war von markirt englischem Schnitt, seine Bewegungen erinnerten an die nonchalante Art seiner Schwester, nur etwas blasirter, und einzelne kleine 178 Angewohnheiten, zum Beispiel, das silberne Armband mit der gigantischen Georgsmünze zu tragen, die Art und Weise des Trinkens und Rauchens kennzeichneten ihn als Saxo-Borussen, wie er auch die Farben dieser Verbindung stets mit berechtigtem Stolz und ziemlich ostensibel zur Schau trug.

Die Lakaien beschrieben ihre lautlosen Cirkel um die Tafel, präsentirten auf silbernen Platten und füllten die mit zarten Arabesken geschliffenen Gläser, die Unterhaltung war allgemein und animirt. Nur Herzogin-Mutter war schweigsamer als sonst und starrte nachdenklich auf die kleinen Silberamouretten, welche am Fuß einer Fruchtschaale lagerten.

Prinzeß Sylvie aß hastig und warf nur hie und da eine ihrer drastischen Bemerkungen zwischen das Gespräch, zeitweise sich nach Fräulein von Dienheim, welche schräg hinter ihr am Nebentisch saß, umwendend, um mit ihr in unverständlichen Gesten und Stichworten zu verkehren.

Die Herzogin erhob sich heute noch früher denn sonst, legte die Hand auf den Arm ihres Sohnes und ließ sich in den Musiksalon zu einem bequemen Sessel führen, um auch hier Graf Lehrbach mit ein paar schmeichelhaften Worten an ihre Seite zu rufen.

»Nun kommt das Dessert, lieber Graf, für welches uns Ihr Fleiß hoffentlich Sorge getragen hat!« lächelte sie, einen großen Federfächer vor der Brust entfaltend. »Ich habe bereits Wunderdinge von Ihrer Robinsonade auf Lehrbach gehört und freue mich sehr auf Ihre ›illustrirte‹ Erzählung.«

179 Prinzeß Sylvie zog sich geräuschvoll ein Tabouret an Lehrbachs Seite, zog Ilse mit kräftiger Hand neben sich nieder und neigte sich dann neugierig über das Portefeuille, welches Günther mit einigen galanten Redensarten seiner Brusttasche entnahm.

»Eben ist Onkel Alexander gekommen!« sagte sie mit einer Handbewegung nach dem Nebenboudoir, »und hat sich bereits den Spieltisch vor's Sopha gezogen; wir wollen schnell anfangen, in Ihren Souvenirs zu stöbern, sonst holt man Sie am Ende noch weg, Graf!« Ihr Blick traf schnell das Auge Günthers und richtete sich dann schmollend gegen die Thür, durch welche die etwas gebeugte Gestalt des alten fürstlichen Herrn eintrat.

Kurze, etwas gelangweilte Begrüßung; dann rief Herzog Franz Eginhard mit heiterem Lachen:

»Na, komm nur, Onkel, und nimm es noch ein Stündchen mit mir als Gegner auf! Ich sehe schon, der Graf ist mal wieder unentbehrlich und würde auch allzusehr unter einer Veränderung leiden; Glück am Spieltisch hat er nicht, am Theetisch aber desto mehr, alors laissez le courir!«

Prinzeß Sylvie stieß Ilse an, und Beide kicherten hinter den Fächern, Günther aber verneigte sich, zuckte lachend die Achseln und sagte mit der schalkhaften Miene gekränkter Unschuld: »Der Rest ist Schweigen, Königliche Hoheit!«

Herzogin-Mutter nickte huldvoll und wandte sich, nachdem die Herren in das Boudoir zurückgetreten 180 waren, zu ihrer Hofdame: »Liebe Aosta, ich habe rechtes Verlangen nach Ihrem charmanten Wagnerpotpourri. Sie sind wohl so liebenswürdig, uns damit zu erfreuen?« Die Comtesse verneigte sich schweigend, biß die Zähne zusammen und schritt zu dem Flügel, um mit mißmutigstem Gesicht das Instrument zu öffnen. In demselben Augenblick trat Prinz Detlef hinzu und nahm voll liebenswürdigen Eifers die Noten zur Hand. »Spielen Sie für Ihren entzücktesten Zuhörer, Gräfin!« flüsterte er, sich dicht zu dem Lockenköpfchen niederbeugend, und wie mit Zauberschlag lag strahlender Sonnenschein auf den beweglichen Zügen der Südländerin, und ihr dunkler Blick flammte als stumme Antwort zu ihm auf.

Leise schlug sie die weichen Accorde an, der junge Fürst lehnte vor ihr an dem Instrument und verwandte keinen Blick von dem rosig überhauchten Gesichtchen, welches sich, seiner pikanten Schönheit wohl bewußt, recht vorteilhaft im Profil präsentirte, und hie und da mit zauberisch blitzenden Augen zu dem »entzücktesten Zuhörer« aufschaute.

Da langweilten sie sich alle Beide nicht. Von dem Nebentisch schmetterten mitten in die süßen Klänge des Liebesliedes aus der Walküre die unmelodischen Lachsalven Sylviens und Ilsens, welche immer näher zu dem köstlich interessanten Skizzenbuch rückend die Köpfe jubelnd zusammensteckten.

Herzogin-Mutter wehte mit dem Spitzentuch über das echauffirte Gesicht und winkte dem jungen 181 Grafen ein atemloses: »Hören Sie auf, Sie moquanter Mensch, sonst hat mich Groß-Stauffen auf dem Gewissen!« Und dabei hielt sie die Skizze mit »Pastors auf dem Gartenhaus« in der Hand und lachte Thränen.

»Das Gänseliesel muß ich sehen, und wenn ich zu Fuße nach Groß-Stauffen traben müßte!« rief Sylvie mit einem bekräftigenden Fächerschlag auf die Tischplatte, »das ist ja zum Schreien komisch. Und wenn ich mir die Tanzstunde vorstelle, Sie als maître Rocco und den braven Hattenheim als Executeur eines graziösen ›Balancez‹, hahaha! . . . . Da ist er ja! Bravo! . . . . Brillant, oh, und diese dicke Maschine ist wohl Tante Renate! . . . . Unglaublich, Graf, Sie sind ein wandelndes Fegefeuer! . . Aber vorzüglich, man sieht die Leute vor sich, und hier, Gott erbarme sich! Mama sieh Dir hier mal die alten Pastorschen an!« Und Sylvie schob das Blatt über den Tisch, warf sich in den Sessel zurück und gab ihrem Amusemeut so herzhaften Ausdruck, daß Comtesse Susanna ihr Spiel mit einem grellen Accord abbrach, und ebenso wie Prinz Detlef, mit wenig Schritten an den Tisch chassirte.

Gleicherzeit erschien der Herzog in der Thür, hinter ihm, voll stierer Neugierde die Gesichter der Kammerherren.

»Bitte, dearest love – sieh Dir diese Dinger hier an!« – rief Sylvie dem Bruder mit hochrotem Kopf entgegen, und Alles drängte näher, schaute, lachte und lauschte mit köstlichem Behagen den 182 Erzählungen Lehrbachs, welcher Groß-Stauffen und seine Bewohner in erbarmungsloser, aber höchst amüsanter Weise mit Wort und Stift – – – massacrirte.

»Groß-Stauffen? . . . . Freiherr von Wetter?« – der Herzog blickte plötzlich nachdenklich auf.

»Ich habe diesen Namen ganz kürzlich erst dieser Tage nennen hören, aber in welchem Zusammenhange doch? . . . . Wetter . . . . Wetter von Stauffenberg . . . . alter Landadel . . . . ich dächte, der Hofmarschall hätte irgend eine Meldung gemacht.«

»I wo! – Du wirst bereits von den Aventüren dieses Pfadfinders hier gehört haben, welche die ganze Stadt mehr alarmiren als das neueste Werk von Wilhelm Busch!« – lachte Sylvie dazwischen. Franz Eginhard schüttelte noch immer nachdenkend den Kopf, Herr von Reuenstein aber schlängelte sich geschickt näher, verneigte sich mehrere Male und senkte sehr devot das rotblonde Haupt. »Königliche Hoheit gestatten, mit meinen bescheidenen Kenntnissen zu Hilfe zu kommen«, flüsterte er. »Durch Zufall erfuhr ich von Excellenz dem Oberhofmarschall, daß sich eine Familie Wetter von Stauffenberg aus Groß-Stauffen zur Teilnahme an den Hoffesten der kommenden Saison angemeldet habe, und zwar – wie der sehr originelle Brief bemerkt – auf freundliche Einladung des Grafen Lehrbach hin!« – Ein fast boshafter Zug schlich sich bei diesen letzten Worten um die schmalen Lippen des Sprechers, mit gewisser Spannung beobachtete er die Wirkung seiner 183 Malice und prallte ganz überrascht zurück, als sich ein schallendes, jubelndes Gelächter erhob, in welches Günther am herzhaftesten einstimmte.

»Das haben Sie ja vortrefflich gemacht, Graf!« rief Prinzeß Sylvie entzückt. »Dafür sollen Sie mich bei der ersten Schlittenpartie – en dépit de tout le monde! – als ›jüngster Lieutenant‹ fahren, und selbst wenn Sie umkippen, soll das keinen Einfluß auf meine gute Meinung über Sie haben!«

Günther kreuzte die Arme über der Brust. »Das Gänseliesel wird zum glücklichen Stern meines Lebens, Hoheit, und zahlt mir auf all' meine Stacheln mit lauter Rosen zurück.«

Der Herzog aber rief heiter: »Ganz recht so! Das war der Anlaß, daß man mir den Namen nannte, finde es unrecht, daß sich eine der ältesten, angesessenen Familien des Landes so lange zurückgezogen hat, um in so trauriger Weise zwischen Stall und Pferdekoppel zu versauern, da können Sie, als wandelnde Chronika, mir wohl auch sagen, bester Reuenstein, wann wir die Herrschaften zuerst hier begrüßen werden?«

Prinzeß Sylvie ließ den Fächer fallen, der Ordonnanzoffizier schoß dienstbeflissen hinzu, hob ihn auf und überreichte ihn mit krummem Rücken, dann wandte er sich wieder zu dem Herzog:

»Ich bin in der glücklichen Lage, auch hierüber Auskunft geben zu können, Königliche Hoheit, Baron von Wetter wünschte Mitte nächsten Monats, anläßlich der allerhöchsten Geburtstagsfeier, mit 184 Gemahlin und Fräulein Nichte hierselbst präsentirt zu werden!«

»Nächsten Monat schon!« jubelte es im Kreise. Comtesse Susanne deutete auf die sehr karikirte Zeichnung der »Tante Renate en revers de médaille«, preßte aufprustend das Spitzentuch gegen die Lippen und rief: »Aber doch hoffentlich nicht in dem Costüm?« und Ilse fügte trocken hinzu: »Da sei Gott für, die macht ja sonst die Lakaien scheu!«

»Ich stehe für nichts ein!« verwahrte sich Günther übermütig, »höchstens für allgemeine Heiterkeit und einen sehr originellen Karneval mit Costümen aus der guten alten Zeit!«

Da rief Prinz Alexander ungeduldig zu dem unterbrochenen Spiel zurück, Reuenstein stürzte diensteifrig näher und glättete eine umgeschlagene Teppichecke vor den Füßen des Herzogs, und Prinz Detlefs Augen persuadirten Gräfin Susanna zum Schluß des »Liebesduetts« an den Flügel.

Günther aber saß behaglich zwischen Herzogin-Mutter und Prinzeß Sylvie und kannte Niemanden auf Gottes weiter Welt, der glücklicher und zufriedener mit sich gewesen wäre, denn er. 185


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