Ernst Eckstein
Nero
Ernst Eckstein

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Fünftes Kapitel.

Die Ahnung des Thrasea schien sich an dem nämlichen Tage noch zu bewahrheiten. Der schmähliche Ausgang dieses unerhörten Prozesses wirkte auf die Bevölkerung wie ein Faustschlag, der jedem einzelnen breit im Gesicht brannte.

Octavia verurteilt!

Das war zu viel! Das römische Volk, das allen übrigen Ausschreitungen des Hofes stillschweigend zugeschaut, raffte sich wie in plötzlicher Verabredung auf, um seiner Entrüstung Ausdruck zu leihen über die ehrlos-feige Verunglimpfung dieser lieblichen, hochgemuteten Dulderin.

Für Augenblicke konnte man glauben, das seien die Zeitgenossen der unglücklichen Virginia, die sich jetzt allenthalben zusammenrotteten, Flüche ausstießen, Klagen und Drohungen, und schließlich mit der zermalmenden Einmütigkeit längst vorbereiteter Insurrektionen die Losung erschallen ließen: »Es lebe Octavia! Nieder mit Poppäa Sabina, der Buhlerin!«

Insbesondere war es das weibliche Rom, das für diese ungeplante stürmische Rebellion die treibende Ursache abgab.

Von den letzten Schifferhütten am Hange des Aventin bis hinaus nach den Villen des Gartenbergs und der milvischen Brücke – überall gewahrte man Frauen als Mittelpunkte bewegter Gruppen, Frauen im Gewande der Kleinbürger, leidenschaftlich und herb in ihrer wilden Beredsamkeit, aber auch vornehme Damen in schneeig flutender Palla, das grellrote Flammeum über den kunstvoll geschürzten Haaren, würdevoll, anmutig in jeder Bewegung. Die Gemahlin des jämmerlichen Senators legte Protest ein wider das lügenhafte Verdikt ihres Gatten; das Weib des verachteten Henkersklaven wider die Missethaten der Folterer. – Und so gestachelt von all den hunderttausend Stimme der Frauen, die sich im heiligsten ihrer Gefühle tödlich verwundet sahen, zogen die Kühnsten unter den Männern zuletzt in tosender Schar vor das Palatium und verlangten mit Donnerstimme die Rückberufung Octavias.

Immer neue Volksmassen drängten nach. Eine Abteilung Stadtsoldaten, die Treppe des kapitolinischen Hügels herabsteigend, warf sich den Ungestümen entgegen.

»Halt!« schrie der Befehlshaber. »Keinen Schritt weiter, oder ich lasse euch niederstoßen!«

»Schäme dich!« rief ein schlanker, dunkeläugiger Jüngling, die Faust erhebend.

Es war der Freigelassene Artemidorus.

»Schäme dich!« wiederholte er tieftönig. »Willst du die Ehrlosigkeit verteidigen wider die Tugend? Bist du ein Römer, oder ein Kuppler aus Memphis?«

»Gebt Raum!« klang es verdrießlich von den Lippen des Anführers. »Horch! Da heult's ja schon wie germanischer Kriegsgesang! Vorwärts, Leute! Ich muß meine Pflicht thun! Legt mir die Speere ein!«

»Pah!« rief einer der Stadtsoldaten. »Wahr bleibt wahr! Die Fürstin ist schuldlos, und Poppäa hat sie mit Schlamm besudelt.«

»Ich bin römischer Bürger,« sagte ein zweiter. »Ich fechte nicht für die liederliche Sabina.«

»Es lebe Octavia!« scholl es vom Mund eines dritten.

»Recht so!« jubelte Artemidorus. »Ein Hoch für die Stadtkohorte!«

»Die Stadtkohorte!« jauchzte das Volk. »Hoch die Beschirmer Octavias!«

Der Befehlshaber schaute sich ratlos um. Sämtliche hundert Mann weigerten ihm den Gehorsam. Der Lärm auf dem Forum Romanum wuchs mit jeder Sekunde.

Artemidorus faßte ihn plötzlich am Oberarm.

»Zögerst du noch?« rief er im Tone eines begeisterten Sehers. »Die ehrvergessene Schmach und die Schande müssen gezüchtigt werden, oder das Weltall geht aus den Fugen.«

Mit einem gewaltigen Griff hatte er dem jäh Ueberraschten das Breitschwert aus den Fingern gerissen.

»Auf nach der Hofburg!« schrie er, den Stahl hoch über dem Haupte schwingend. »Kommt, ihr Speerträger! Euer Erscheinen wird, so hoff' ich, den Ausschlag geben.«

»Die Stadtsoldaten erklären sich für Octavia!« ging es brausend von Mund zu Mund. »Platz da! Hier kömmt ihr Vortrab, um das Palatium zu stürmen. Cäsar, tritt vor das Ostium! Schwöre bei allen Göttern, daß du Octavia in ihr fürstliches Recht wieder einsetzen willst! Nieder mit dem verruchten Schandmensch Poppäa! Sie hat Rom in den Kot getreten!«

»Nieder mit Claudius Nero, wenn er mißhorcht!« scholl es, all den Lärm übertäubend, mit posaunenartiger Allgewalt aus dem Getümmel.

Alles wandte sich um.

Nicodemus jedoch, der rachebrütende Nazarener, der den erschütternden Drohruf ausgestoßen, hatte sich augenblicklich gedeckt. Er schien in die Erde gesunken, – spurlos, wie ein Gespenst.

Im Palatium herrschte die größte Ratlosigkeit.

Einige fünfzig Prätorianer, die Sophonins Tigellinus auf den Wunsch der Poppäa hinausgesandt hatte, um das Volk zu zerstreuen, waren nach kurzem Gemetzel von der entrüsteten Menge teils entwaffnet, teils zu Tode geprügelt worden. Jetzt, da die Stadtsoldaten ihre drohenden Lanzen erhoben, tappte man vollends im Dunkeln. Tigellinus schickte Boten auf Boten nach der großen Kaserne: noch immer kam keine Antwort. In fliegender Eile entwarf er Angriffs- und Verteidigungspläne, ohne ein Resultat zu erzielen; denn alles hing davon ab, wie bald die Truppen der Prätorianerkaserne eintreffen, ja, ob sie sich überhaupt bereit finden würden, gegen das ganze erbitterte Rom den Kampf zu versuchen.

Er äußerte seine Bedenken dem Kaiser.

Alsbald ergriff den Erregten ein Angstgefühl, das ihm die Kehle verdorrte. Nicht die zitternde Unrast der Feigheit durchwühlte ihn, sondern das böse Gewissen.

Ja, das Volk hatte recht! Es war eine Missethat, all diesen Scheinbeweisen zu glauben, so überzeugend sie auch von den pfiffigen Delatoren zusammengestellt waren.

Tigellinus hatte sich täuschen lassen: das mochte noch angehen. Poppäa hatte sich täuschen lassen: das war schon herber; denn gerade sie, von der die bemitleidenswerte Octavia so Schweres erduldet hatte, mußte bemüht sein, die Schwächen der Anklage thunlichst hervorzukehren.

Daß aber er geglaubt hatte, Octavia sei schuldig, das war ein unverzeihlicher Frevel, eine Verblendung, die er nicht sühnen konnte!

Weshalb wußte denn Rom, wie makellos die Erlauchte dastand? Er, der Cäsar, kannte seine Octavia doch besser!

O, er durchschaute nun alles! Die schurkischen Delatoren hatten gehofft, der Poppäa Sabina einen Dienst zu erweisen, den sie mit persischer Freigebigkeit lohnen würde! – Vielleicht auch hatte sie selber geäußert, daß ihr Octavia im Wege stehe.

Und um deswillen diese grausenhafte Mißhandlung, diese Entweihung der Schuldlosen . . .? War er denn blind gewesen? Oder traf ihn jetzt das entsetzliche Schicksal, das einst Agrippina ihm angekündigt: solange sie ihn beschütze, werde er mächtig sein: ohne sie jedoch müsse er früh oder spät in die Tiefe sinken . . .?

Ja, das war es! Sein Glanz, seine göttliche Herrschergewalt sollte in Trümmer stürzen! Die Stadtsoldaten waren schon abgefallen: die Prätorianer, die ja auch etwas wie Ehrgefühl und Empfindung hatten für die maßlose Unbill, ausgeübt an der sanften, wehrlosen Dulderin, würden sich den Rebellen anschließen . . . Schon vernahm er im Geiste den Schritt ihrer Marschkolonnen . . . Das Lavapflaster erdröhnte . . . . ›Nieder mit Claudius Nero!‹ Man stürmte das Ostium . . . Burrus und Julius Vindex drangen hier ins Gemach . . . Die Schwerter blitzten in ihren Fäusten: . . . ›Nimm dies für Agrippina!‹ . . . ›Und dies für die niedergetretene Octavia!‹

Er stieß einen gräßlichen Schrei aus, als fühle er in der zuckenden Brust schon die Racheklingen.

»Was tötet ihr mich, da ich selbst sie doch retten wollte?« ächzte er in Verfolgung seiner schauerlichen Vision.

Er sank mit dem Antlitz über den Tisch.

Da trat Poppäa herein und legte ihm ihre Hand auf die Schulter.

»Sei getrost!« sagte sie schmeichlerisch. »Endlich haben wir Nachricht aus dem Prätorium. Burrus ist plötzlich erkrankt. Aber ein zuverlässiger jüngerer Tribun kommt mit zweitausend Mann durch die Subura.«

»Schweig!« fuhr er sie drohend an. »Ruf mir den Tigellinus!«

»Was soll das?« fragte sie staunend.

»Das wirst du hören! Ruf mir den Tigellinus!«

»Schick deinen Sklaven!«

»Nein! Du gehst!« rief er aufspringend. Er packte sie bei der Kehle.

»Bist du von Sinnen?«

Sie hatte sich losgemacht und stand nun vor ihm wie eine Bellona, doppelt schön durch das flammende Rot, das ihr bebendes Angesicht heiß überströmte.

»Verzeih!« murmelte Nero . . . »Ich weiß nicht, was mir das Hirn verwirrte . . . Cassius!«

Der Sklave trat zu dem Vorhang.

»Zum Henker, ruf mir den Tigellinus!« sagte der Kaiser in einem Tone, als sei es Cassius gewesen, dem er schon zweimal fruchtlos diesen Auftrag erteilt hatte.

»Was befiehlt mein Freund und Gebieter?« fragte der Agrigentiner, über die Schwelle tretend.

»Nimm einen Herold, begib dich sofort ans Vestibulum und verkünde den Römern, daß der Senat sich geirrt hat!«

»Wie?«

»Daß der Senat aus lauter hirnverbrannten Tröpfen besteht, wenn du das lieber hörst. Octavia ist unschuldig. Claudius Nero Cäsar läßt den geliebten Römern danken, daß sie die Wahrheit erkannt haben, während die versammelten Ochsen des Kapitols ihr ›Schuldig‹ brüllten. Begreifst du noch immer nicht?«

»Ja, aber . . .«

»Hier gibt's kein Aber. Du wirst ferner die Güte haben, meiner erlauchten Gemahlin ein Dutzend prätorianischer Reiter nachzusenden, die sie mit aller gebührenden Ehrerbietung nach dem Palatium zurückführen . . .«

»Willst du im Ernste . . .?« fragte Poppäa erbleichend. »Cäsar, handle nicht unbedacht! Die hohe Körperschaft hat gesprochen. Ihr Urteil ist unanfechtbar.«

»Ich vernichte dies Urteil, kraft meiner Herrschergewalt! Der ganze Prozeß hat nicht stattgefunden. Octavia ist nach wie vor meine kaiserliche Gemahlin. Du aber . . .«

»Nun? Ich? Ich?«

»Du aber wirst, da die Billigkeit und das öffentliche Rechtsgefühl dies erheischt, das Palatium verlassen . . . Geh, Tigellinus! Dein Kopf bürgt mir dafür, daß meine Befehle augenblicklich erfüllt werden. Sage dem Volk, Poppäa Sabina stehe just im Begriff, ihre Villa am Esquilin zu beziehen! Was zögerst du noch?«

Der Agrigentiner verneigte sich.

»Meinetwegen!« sagte er zu sich selbst. »Eine plötzliche Laune – oder die Angst vor den Schreiern da draußen! Wie lange wird's währen? Und schließlich, wenn selbst Octavia sich dauernd behaupten sollte – ich sitze zu fest im Sattel, als daß ich sie fürchten müßte!«

Poppäa Sabina war außer sich. So schien denn alles, was sie seit Jahren mit so fiebernder Sehnsucht erstrebt hatte, durch einen einzigen schwachen Moment des Kaisers zu Grunde gerichtet! Ihre Barke schlug um, da sie eben schon landen wollte! Weshalb auch mußte der Agrigentiner mit so ausgesuchter Brutalität vorgehen? Weniger hätte hier mehr geleistet.

»Nero,« schrie sie, dem Kaiser zu Füßen stürzend, »ich lasse dich nicht! Ich sterbe lieber, eh' ich wie eine Verstoßene von dannen ziehe. Hast du vergessen, du Undankbarer, was mir bevorsteht? Ist nicht Poppäa die Mutter des Kindes, das du so oft schon im Geiste geschaut hast, wie es dein Knie umschmeichelte, wie es mit lallender Lippe dich Vater nannte?«

Sie zerraufte ihr Haar und schlug die Stirne wider den Fußboden.

»Halt ein!« wehrte der Imperator.

Hingerissen vom Anblick ihrer wilden Erregtheit, hob er sie auf.

»Klage nicht so,« fuhr er fort, »und bringe mein zwiespältiges Herz nicht ganz und gar zur Verzweiflung! Nein, Poppäa, ich habe dich nicht vergessen. Ich gedenke noch unserer Träume . . . Ich liebe nur dich, Poppäa, deinen himmlischen Leib, deine glühenden Küsse . . .«

Er zog sie tröstend zu sich heran. Sie umklammerte seinen Hals und preßte ihr heißes Antlitz wider das seine.

Draußen ertönte das laute Trompetensignal des Herolds. Der entsetzliche Lärm, der das Forum Romanum bis hinab zu den Hängen des Cälius wild überbraust hatte, wich einer bänglichen Schweigsamkeit. Man hörte die schallende Stimme des Agrigentiners, der in knappen, abgerissenen Sätzen zum Volke sprach. Die Worte waren hier im Gemache des Imperators nicht zu verstehen: aber die Wirkung der kurzen Rede ließ die Hofburg beinahe in ihren Grundfesten beben. Das Jubelgeschrei des Volkes übertraf an stürmischer Allgewalt die kaum verklungenen Zornesrufe ums Hundertfache. Immer und immer wieder klang es durch die erregten Scharen: »Es lebe Octavia! Es lebe der Kaiser!« Einige riefen sogar: »Es lebe der Agrigentiner!«

Inzwischen preßte Poppäa ihre zuckenden Lippen auf Neros Mund und bebte vor Wut und Erbitterung am ganzen Leibe. Sie küßte ihn liebevoller und süßer als je, denn sie hatte nun wahrgenommen, daß sie noch immer die alte Gewalt über ihn hatte.

»Leb wohl!« schluchzte sie herzzerreißend. »Ich hätte gedacht, mein Name sei tiefer in deine Brust gegraben. Ich gehe, Cäsar! sei glücklich mit deiner Octavia!«

Er umfing sie mit beiden Armen.

»Wir sehen uns wieder,« sagte er, ganz verzaubert von ihrer Weise. »Sei verständig, Poppäa! Hörst du nicht, wie sie jubeln und jauchzen? Wenn das Volk es verlangt . . .! Sprich, Poppäa: was ist der Kaiser ohne das Volk?«

»Das Volk!« wiederholte Poppäa verächtlich. »Nicht vom Volke hast du die Herrschergewalt, sondern vom Schicksal, – und die Wälle, die den Anprall des Pöbels zu nichte machen, sind die Soldaten. Hörst du die langgezogenen Klänge der Tuben? Das sind die Leute des Burrus, die uns zu Hilfe kommen. Jetzt freilich, nachdem der Agrigentiner bekannt gegeben, was du beschlossen, ist es zu spät. O, ich durchschaue dich. Deine Gerechtigkeitsliebe ist nur die Maske der Uebersättigung. Auch Octavia ist schön, und den lebensdurstigen Imperator gelüstet's nach Abwechslung.«

»Weib, du rasest.«

»Ja, ich rase. Hör nicht darauf! Mir schwindelt. Feuerbrände lodern mir im Gehirn. Ich möchte dich gleich mit diesen Händen erdrosseln, so maßlos bin ich für dich entflammt, so wenig gönn' ich dich einer andern –, selbst nicht der reinen, unbefleckten Octavia!«

Die Komödie dieser Verliebtheit war mustergültig gespielt. Sie faßte den Cäsar bei den Schultern und blickte mit aller Kunst der Koketterie zu ihm auf, so berückend, so verführerisch, daß er vollends erlag. Er meinte, wie Alexandros in der berühmten Stelle der Ilias, so begehrenswert sei ihm Helena, die kühn geraubte Gattin des elenden Menelaos, niemals erschienen – und wie Alexandros, der Hochbeglückte, umfing er sie . . .

Anderthalb Stunden später rollte der Wagen, der die verurteilte Fürstin nach ihrem Landhause hatte bringen sollen, wiederum über das Pflaster der Via Sacra.

Endlose Jubelrufe umringten ihn.

»Es lebe Octavia!« schrie und jauchzte das ganze lebendige Rom, und wie ein unheilverkündendes Echo klang es dazwischen: »Nieder mit Poppäa, der Buhlerin!«

Unsichtbare Hände bekränzten Octavias Standbilder, die noch zu Zeiten der Kaiserin-Mutter am Argiletum, vor dem Saturnustempel, auf der Höhe des Kapitols und an mehreren Punkten des Marsfeldes aufgestellt worden waren. Die Bildsäulen der Poppäa Sabina dagegen, die Nero errichtet hatte, wurden vom Sockel gestoßen, zerbrochen, verstümmelt, mit Staub und Schmutz besudelt, oder, wie die Leichname der Verbrecher, nach den gemonischen Stufen geschleift.

Von Claudius Nero bewillkommt, schritt die marmorbleiche Octavia durch die Vorhalle des Palatiums.

»Heil dem Kaiser! Heil der Kaiserin!« lärmte das Volk bei dieser Begrüßung, die doch so seltsam war, so bang und so wortlos.

Die Menge strömte in ungezählten Scharen nach den öffentlichen Altären, um den Göttern zu danken, daß die Mißhelligkeiten im Herrscherhause nun endlich beseitigt, daß Octavia voll und ganz in ihr unveräußerliches Recht wieder eingesetzt worden sei.

Fast in dem gleichen Augenblick, als Octavia die Hofburg betrat, schlich Poppäa Sabina tief verschleiert durch die palatinischen Gärten nach dem Ausgang, der zum Circus Maximus führte. Hier stand ihre Sänfte. Einen letzten zornigen Blick warf sie auf die prunkende Hofburg, wo sie bis dahin als souveräne Fürstin geschaltet hatte. Dann schloß sie fest und energisch die Lippen, drückte die Hand aufs Herz und stieg in ihre Lectica.

Eine sofort vom Kaiser berufene Senatsversammlung erklärte die Scheidung, die erst kaum von der nämlichen Körperschaft mit überwältigender Mehrheit verfügt worden war, auf Grund eines angeblich untergelaufenen Formfehlers für null und nichtig.

Thrasea Pätus und Barea Soranus sprachen den versammelten Vätern in höhnischer Weise ihre Erkenntlichkeit aus und schlossen jeder in seiner Weise mit der Bemerkung, daß sie fürderhin auf die Ehre verzichten müßten, einer Körperschaft anzugehören, die in so wichtigen Dingen Formfehler zu begehen wage. Jedermann fühlte den blutigen Hohn und die wilde Verachtung, die sich hier ins Gewand einer beißenden Ironie kleidete. Cossuthianus, der alte Gegner des Thrasea, schäumte vor Wut, denn ihm besonders war von dem tapfern Stoiker ein vernichtender Hieb erteilt worden. Dennoch wagte keiner ein Wort der Erwiderung. Die Scham, die ja zuweilen auch in der käuflichsten Straßendirne erwacht, lähmte ihnen die heuchlerisch-verlogenen Zungen.


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