Georg Ebers
Uarda
Georg Ebers

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Siebenzehntes Kapitel.

Der König hatte das Lager aufgebrochen und war mit dem größten Theil seines Heeres nach dem benachbarten Tanis, der Ramsesstadt, welche die zahlreichen in der Provinz Gosen lebenden Semiten Zoan nannten, übergesiedelt.

Die hebräischen Ansiedler, welche der Statthalter Ani durch Erleichterung der ihnen auferlegten Frohndienste für sich zu gewinnen versucht hatte, wurden jetzt mit Strenge zu den Arbeiten an den von Ramses begonnenen Palast- und Festungsbauten herangezogen.

Zu Tanis ward auch der Friedensvertrag unterzeichnet, welchen der Botschafter des Königs der Cheta, Tarthisebu, im Namen seines Herrn dem Pharao auf einer silbernen Tafel überreichte.Dieses höchst merkwürdige Dokument blieb erhalten, und zwar auf einem großen, im Süden des Tempels von Karnak gelegenen Wandfragment. Die silberne Tafel, in die es gegraben war, und die der Botschafter Tarthisebu dem Ramses zu überreichen hatte, wird Zeile 4 des Vertrages erwähnt und abgebildet. Sie war rechteckig und hatte oben eine Oese, an der sie aufgehängt werden sollte. Der hieroglyphische Text ward publizirt von Burton, Lepsius und Brugsch. Die beste Uebersetzung danken wir F. Chabas, Voyage d'un Égyptien, p. 332 ff. Eine andere Uebertragung unseres Vertrages findet sich in Egger's Études sur les traités publics, p. 243; doch steht diese hinter der späteren Chabas'schen zurück.

Pentaur folgte dem Könige, nachdem er seiner Mutter die Augen zugedrückt und ihre Leiche, um sie daselbst balsamiren zu lassen, nach Heliopolis begleitet hatte. Von dort aus sollte ihre Mumie nach Theben gesandt und später feierlich in dem Erbbegräbnisse ihrer Familie beigesetzt werden. Die Kindespflicht gegen die Mutter und die Sorge für die Todten war den Aegyptern so heilig, daß weder Pentaur noch Bent-Anat vor ihrer Erfüllung an ihre Vereinigung denken mochten.

Am 21. Tybi des 21. Jahres der Regierung des Ramses,Nach der Datirung des oben erwähnten Friedensvertrages. Der 21. Tybi ist unser 29. Januar. dem Tage der Unterzeichnung des Friedensvertrages, kam der Dichter nach Tanis zurück, betrübten Herzens, denn auch der Gärtner, der Paaker das Leben gegeben, und den Pentaur als Vater geliebt hatte, war vor seiner Heimkehr gestorben. Der brave Mann überlebte die falsche Kunde von dem Tode des Dichters, den er liebte und ehrte und für ein höheres, ihm durch die besondere Gnade der Götter anvertrautes Wesen hielt, nicht lange.

Sieben Monate nach dem Brande in Pelusium feierte Pentaur im Pharaonenpalaste zu Theben seine Hochzeit mit Bent-Anat, die der Kummer des Geliebten nur noch fester mit ihm vereinigt hatte. Sie fühlte sich jetzt ihm, dem Starken, gegenüber als die Helfende und Gebende und freudig empfand sie, daß wie das Licht, welches die sich beim Sonnenuntergang schließenden Glocken mancher Blumen öffnet, ihre Nähe die gedrückte Seele ihres Freundes zu neuer Erhebung einlud.

Unter Kampf und Schmerz hatten sie einander verloren gegeben und zurückgewonnen. Jeder von ihnen wußte, was der Andere ihm werth sei.

Einander zu gefallen und Liebe zu erweisen, war das Ziel ihres Lebens, und weil er von ihr und sie von ihm überzeugt war, daß ihm nichts höher gelte als das Rechte und Edle, so wurde ihr Bund zu einer echten, ihre Seele beglückenden und läuternden Ehe. An seinen tiefsten Gedanken und schwierigsten Unternehmungen ließ er sie Theil haben, und als ihr Haus sich mit Kindern füllte, wußte sie ihm dankbar die kleinen Freuden des Lebens, welche zugleich die größten sind, zu vermitteln.

Von dem Pharao mit überreichem Besitz ausgestattet, überließ er seinem Bruder Horus, den Ramses für sein Eingreifen in der Schlacht bei Kadesch zum ersten Mohar ernannt und königlich belohnt hatte, das Erbgut seiner Familie. Die umgesägten Cedernstämme an dem hohen Thore seines Hauses ließ Horus durch bescheidene Maste ersetzen.

Den unglücklichen Huni, unter dessen Namen Pentaur in den Bergwerken der Sinaihalbinsel gearbeitet hatte, erlöste er aus den Steinbrüchen von Chennu und gab ihn reich beschenkt seinen Kindern zurück.

Der Pharao erkannte schnell die hohen Gaben des Gatten Bent-Anat's, welche bis an sein spätes Alter seine Lieblingstochter blieb; auch nachdem er sich, um den Frieden zu befestigen, mit der Tochter des Chetakönigs vermählt hatte.

Ramses zog Pentaur in seinen Rath und betraute ihn mit den wichtigsten Geschäften.

Aus den Papieren, die man in Ani's Zelt gefunden hatte, und anderen ihm nur zu reichlich zuströmenden Nachrichten ersah der König, daß der Leiter des Setihauses und mit ihm ein großer Theil der Priesterschaft eine Zeitlang mit dem ungetreuen Statthalter gemeinsame Sache gemacht hatte.

Anfänglich gewillt, strenge, ja blutige Strafen zu verhängen, ließ er sich durch Pentaur und seinen Sohn Chamus, den Oberpriester von Memphis, bestimmen, seinen Grundsätzen durch mildere und zugleich durchgreifendere Mittel Geltung zu verschaffen.

Ramses wollte der Religion ein Hüter sein, der Religion, welche auch des Niedern und Beladenen Dasein mit Trost zu erfüllen und seinem Leben einen geistigen Inhalt zu geben vermag, der Religion, welche ihm, dem König, unentbehrlich erschien als Mittel, um sich die hohe Bedeutung des Lebens gegenwärtig zu erhalten, heilig als Erbtheil seiner Väter und nützlich als Schule des Gehorsams für das der Leitung bedürftige Volk.

Aber dem Gesetze, dessen Hüter er sich nannte, dem er sich selbst unterwarf und welches Gehorsam gegen seinen Willen vorschrieb, sollte Jedermann in Aegypten sich fügen, sollte auch die die Seelen leitende Priesterschaft seines Landes nicht widerstreben dürfen.

Schon in Tanis ließ er Ameni und seinen Anhang fühlen, daß er allein in Aegypten gebiete.

Der Gott Seth, den die Semiten seit den Hyksos vor allen anderen Göttern verehrten, unter dessen Namen sie ihren Baal anriefen,S. Anmerkung 134 und dem man in älterer Zeit, als dem Gotte des Auslandes, am Nil keine Tempel erbaut hatte, errichtete er, trotz des kühnen Widerspruchs der Partei der Priester, welche sich die »echten Gläubigen« nannten, ein herrliches Heiligthum in der Ramsesstadt Tanis, um auch dem religiösen Bedürfnisse der Eingewanderten gerecht zu werden.

Die Stätten der Verehrung der fremden Götter ließ er in demselben Sinne der Duldsamkeit nicht antasten; doch war er andererseits eifrig bestrebt, die ägyptischen Götter durch unerhörte Freigebigkeit zu ehren.

In den meisten größeren Städten des Reiches ließ er Tempel errichten, den Ptahtempel von Memphis vergrößerte er und stellte zum Andenken an seine Rettung aus der Feuersgefahr mächtige Kolosse vor seinen Pylonen auf.Einer derselben blieb erhalten. Er liegt auf der Trümmerstätte des alten Memphis am Boden.

In der Nekropolis von Theben ließ er zur Erinnerung an die Stunde, in welcher er vor Kadesch durch ein Wunder dem Tod entrann, das edle Bauwerk errichten, welches heute noch durch die Harmonie seiner Anlage die Beschauer entzückt.Das sogenannte Ramesseum. An seinen Pylonen wurde die Schlacht von Kadesch in schönen Reliefbildern dargestellt und hier, sowie an dem Architrav der großen Festhalle erinnern Inschriften an die Gefahr, der er entronnen, als er » allein war unter den Tausenden«.

Das Lied, welches Pentaur zu Pelusium gesungen, wurde von Bent-Anat's Gatten auf Befehl des Ramses niedergeschrieben. An drei Tempeln und auf mehreren einander ergänzenden PapyrusrollenS. Anmerkung 252. hat es sich bruchstückweise erhalten. Es war ihm bestimmt, zum Nationalepos, zur Ilias der Aegypter zu werden.

Pentaur fiel die Aufgabe zu, die hohe Schule des Setihauses nach dem neuen Votivtempel, welcher den Namen des »Ramseshauses« empfing, überzuführen und neu zu ordnen, denn der Pharao fühlte, daß es geboten sei, ein neues Priestergeschlecht heranzuziehen und die Diener der Gottheit zu gewöhnen, die eigenen Wünsche den Gesetzen des Landes und den Anordnungen ihres Hüters und Ausführers, des Königs, unterzuordnen.

Pentaur wurde an die Spitze der neuen Schule gestellt, deren Bibliothek, die den Namen »Heilanstalt der Seele«Diodor I. 49. ψυχη̃ς ιατρει̃ον. empfing, nicht ihresgleichen hatte. In dieser Akademie, die dem späteren Museum von Alexandria zum Vorbilde diente, wuchsen Gelehrte und Dichter heran, deren Werke die Jahrtausende überdauerten und zum Theil bis auf uns gekommen sind. Die berühmtesten darunter sind die Hymnen des Lieblingsschülers unseres Pentaur, Anana, und das Märchen von den beiden Brüdern, welches der gleichnamige Enkel des alten Gagabu verfaßte.

Ameni verblieb nicht in Theben. Ramses, dem man hinterbracht hatte, welchen Gebrauch der Oberpriester von dem Tode des von ihm selbst dem Amon geschenkten Widders und von dem Herzen des heiligen Thieres gemacht habe, versetzte ihn, indem er ihm alle seine Würden und Einkünfte beließ, nach Mendes, der Stadt der heiligen Widder im Delta, da er ja, wie er nicht ohne Bitterkeit bemerkte, mit diesen göttlichen Thieren besonders vertraut sei. Auch in Mendes wußte Ameni großen Einfluß zu gewinnen und blieb, trotz mancher Meinungsverschiedenheit, die sie einander zu entfremden drohte, bis an sein Ende mit Pentaur als Freund verbunden.

Im ersten Hofe des Ramseshauses erregt heute noch der in der Mitte zerbrochene größte Koloß in Aegypten, der aus hartem Granit besteht und selbst die bekannte Memnonssäule an Umfang übertrifft, das Erstaunen der Reisenden. Er stellt Ramses den Großen dar.

Der kleine Scherau, welchen Pentaur zum Bildhauer ausbilden ließ, hat ihn und viele andere Statuen des größten Herrschers über Aegypten vollendet.

Ein Jahr nach dem Brande von Pelusium fuhr Rameri in das Danaerland, feierte seine Hochzeit mit Uarda und blieb dann in der Heimat seiner Gattin, wo er nach dem Tod ihres Großvaters als König über viele Inseln des Mittelmeeres gebot und zum Stammvater eines großen und ruhmreichen Geschlechts wurde. Uarda's Name blieb lange bei ihren Unterthanen in gesegneter Erinnerung, denn im Elend erwachsen, verstand sie die Kunst, Noth zu lindern, und ohne zu demüthigen, wohl zu thun und zu beglücken.

 
Ende des dritten Bandes.


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