Georg Ebers
Uarda
Georg Ebers

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Achtes Kapitel.

Während des nächtlichen Abenteuers unseres Freundes ging es lebendig her im Lager des Königs.

Vor dem Aufgang der Sonne sollten die Truppen in die längst vorbereitete Feldschlacht aufmarschiren.

Paaker hatte dem Pharao mit eigener Hand seinen Kundschaftsbericht übergeben, ein Kriegsrath war gehalten und jedem Truppentheile vorgeschrieben worden, wohin er sich zunächst zu wenden habe.

Von Süden her über SchabatunBei der Beschreibung der Schlacht von Kadesch haben wir uns im Allgemeinen nach dem Epos des Pentaur, dem nationalen Heldengedicht der Aegypter, gerichtet. Am Ende wird als sein Verfasser der Schreiber Pentaur genannt. Es genoß eine so hohe Werthschätzung, daß man es zu Luqsor zweimal und zu Karnak einmal in den Stein meißelte. Auf Papyrus findet es sich mehrmals; so auf dem Papyrus Sallier III. und dem leider sehr fragmentarisch erhaltenen und in der salle historique des Louvre-Museums konservirten Pap. Raifet. Die große Katastrophe (Rettung des verlassenen Königs aus der Hand der Tausende) wird mit den Worten des Epos auch im Ramesseum (Theben) und zu Abu Simbel (Nubien) wiederholt. Die beste Uebersetzung des Heldengedichts nach einer meisterhaften Herstellung des Textes danken wir dem großen, zu früh verstorbenen französischen Aegyptologen Vicomte E. de Rougé. Sie findet sich im Recueil de travaux relatifs à la philologie et à l'archéologie Égyptiennes et Assyriennes. Fascicule I. 1870. rückte das Korps, welches den Namen des Sonnengottes Ra trug, heran, um den See im Osten zu umgehen und den Feinden in die Flanke zu fallen, das aus Unterägyptern bestehende Korps des Seth war aus Arnam angelangt und sollte das Centrum bilden, der König selbst mit der Elite der Wagenkämpfer war Willens, dem Thale zu folgen, das sich, nach der Aussage des Wegeführers, breit und gut befahrbar, mit der Orontesebene vereinte. Während die anderen Truppen den Feind beschädigten, konnte er dann den Orontes durch eine Furt überschreiten und der Festung Kadesch von Nordwesten her in den Rücken fallen. Als Nachhut sollte ihm das Korps des Amon mit den äthiopischen Hülfsvölkern auf einem andern Wege, der nach der verräterischen Aussage des Mohar sich mit seiner Operationslinie verband, nachfolgen. Das Korps des Ptah hielt als Reserve beim linken Flügel.

Die Soldaten hatten sich nicht wie sonst zur Ruhe begeben.

Schwerbewaffnete Schaaren, welche in der Hand einen Schild in halber Manneshöhe, in der andern die Schlachtsichel oder ein spitzes Dolchschwert führten, bewachten das Lager,Darstellungen des Lagers des Ramses blieben erhalten auf den Pylonen des Tempels von Luqsor und des Ramesseums. in welchem zahlreiche Feuer brannten, die von rastenden Kriegern im Kreise umgeben wurden.

Hier wanderte ein Weinschlauch von einem Munde zum andern, dort briet man Fleisch an hölzernen Spießen, dort wurde um die zu erringende Beute gewürfelt und Morra gespielt. Dabei ging es lebhaft her und manches hitzige Handgemenge mußte von den Lagerwächtern auseinandergebracht werden.

In der Nähe der Hürden, welche die Rosse umgaben, waren die Schmiede thätig, denn es gab noch Hufe frisch zu beschlagen und Lanzenspitzen zu schärfen.

Die Diener der Wagenkämpfer hatten vollauf zu thun, denn viele Streitwagen waren über die Berge gekommen und hatten auseinandergenommen und den Pferden und Lasteseln auf den Rücken gelegt werden müssen.Sowohl die einzelnen Theile der Wagen als die Lastesel finden sich auf dem Bilde des Lagers Ramses II. im Ramesseum dargestellt. Jetzt setzte man die leichten Fahrzeuge wieder zusammen und schmierte die Räder.

Im Osten des Lagers waren neben dem Baldachin, unter dem die Standarten aufbewahrt wurden, zahlreiche Priester thätig, die Krieger zu segnen, Opfer zu schlachten und Hymnen zu singen.

Ostmals wurden die frommen Lieder übertönt von den lauten Stimmen der Spieler und Trinker, dem Schlage der Hämmer, dem brünstigen Geschrei der Eselhengste und dem Gewieher der Pferde.

Manchmal ließ sich auch das laute Gebrüll der gezähmten SchlachtlöwenDiodor I. 47 und Darstellungen des in den Kampf stürzenden Königs. des Königs vernehmen, die ihm in den Kampf folgten und die man heute, um ihre Wuth zu steigern, ungefüttert ließ.

In der Mitte des Lagers standen die Königszelte.

Diese wurden von denen der Garden und Wagenkämpfer umgeben. Die Hülfstruppen lagerten völkerweise zusammen und zwischen ihnen je eine Legion von ägyptischen Schwerbewaffneten und Bogenschützen.

Hier sah man schwarze Aethiopier mit verfilzten Haaren, aus denen einzelne Federn hervorragten, und schön und ebenmäßig gebaute »Söhne des Sandes« aus der das Schilfmeer von Aegypten trennenden arabischen Wüste, die Hüften krampfhaft schüttelnd und Lanzen schwingend, Kriegstänze aufführen, dort rasteten weiße Sardinier mit metallenen Helmen und großen Schwertern, hier hellfarbige Libyer mit tättowirten Armen und Straußenfedern am Scheitel, da bei ihren Rossen spitzbärtige, bräunliche Araber, die zu den Sternen beteten und von denen einige mit Lanzen, andere mit Pfeil und Bogen kämpften. Verschiedenartig wie das Aussehen dieser Hülfsvölker war der Klang ihrer Sprachen, aber alle gehorchten dem Kommandoworte des Ramses.

In der Mitte des Königszeltes stand ein leicht gezimmerter Tempel mit Statuen der Götter von Theben und den Bildern der Ahnen des Königs. Weihrauchdüfte drangen jetzt aus ihm hervor, denn die Priester waren verpflichtet, vom Vorabende der Schlacht an bis zu ihrem Ende dem Könige der Götter, Amon, der Sieg verleihenden Südgöttin Necheb und dem Kriegsgotte Menth zu opfern.

Neben dem Schlafzelte des Pharao stand der Zwinger seiner Löwen. Vor dem Berathungszelte hatte man hohe Fahnen aufgerichtet. Jetzt war es still in dem weiten Raume des letzteren. Um so lebendiger ging es her in den Küchenzelten und den mit ihnen verbundenen Weinmagazinen.

Hell erleuchtet vor allen anderen war das große, einen langen, rechteckigen Raum bedeckende Zelt, in dem Ramses mit den Seinen zu speisen pflegte. Es war rings von bunten Lampen umgeben, sardinische, libysche und ägyptische Leibwächter hüteten mit gezogenen Schwertern seine Eingänge und schienen, ganz in Anspruch genommen von dem Ernst ihres Dienstes, selbst der Schüsseln und Krüge nicht zu achten, welche die Diener des Pharao, lauter Söhne der vornehmsten Häuser, vor den Zeltthoren von den Küchen- und Kellerbeamten in Empfang nahmen.

Das schräge Dach und die Wände dieses schnell aufzubauenden und abzureißenden Prunksaales bestand aus undurchdringlich starkem purpurfarbenem Teppichzeuge, das in Memphis gewoben und von Phöniziern zu Tanis gefärbt worden war. Saitische Künstler hatten mit Silberfäden hundertmal das Bild des Siegesgeiers, einer der Erscheinungsformen der Necheb, in den köstlichen Stoff gestickt. Mit Gold beschlagen war das Cedernholz der Zeltstäbe, und die Seile, welche das leichte Bauwerk an dem Boden festhielten, bestanden aus einem Geflecht von dünnen Silberdrähten und Seide.Jedenfalls war die Seide in der Ptolemäerzeit den Aegyptern wohlbekannt. Besonders berühmt waren die für die Lagiden zu Kos gewebten durchsichtigen Bombyxstoffe. Unter den Griechen erwähnt Aristoteles zuerst die Seide, histor. anim. V. 17. Viel Lehrreiches über die Geschichte der Seide bringt Pariset in seiner Histoire de la soie 1862.

Im Innern des Zeltes saßen mehr als hundert Männer beim Nachtmahle und zwar an vier Tafeln; an dreien derselben auf leichten Taboureten die Führer des Heeres, die vornehmsten Priester und Räthe des Königs, an dem weit von den andern entfernten vierten Tische die königlichen Prinzen und an einer eigenen, von der seiner Söhne getrennten höheren Tafel auf einem Throne, dem die goldenen Figuren von gefesselten Asiaten zur Unterlage dienten, saß der Pharao selbst.

Sein Tisch und sein Thron standen auf einem mit Pantherfell bezogenen niedrigen Stufenbau, aber Ramses hätte auch ohne denselben seine Tischgenossen hoch überragt.

In tagesheller Beleuchtung strahlte der weite Raum.

Gewaltig war die Gestalt des Pharao, gebieterisch das bärtige Haupt mit der hohen Stirn, um welche sich ein Diadem schlang, aus dessen Mitte die goldenen, mit den Kronen von Ober- und Unterägypten geschmückten Kopfe zweier Uräusschlangen hervortraten. Ein breites Halsband von Edelsteinen bedeckte die Hälfte seiner Brust, die andere Hälfte war mit einem schärpenartigen Tragbande bekleidet. Die nackten Ober- und Unterarme wurden von goldenen Reifen geschmückt. Wie aus Erz gegossen waren die ebenmäßigen Formen dieses Mannes und kupferfarbig die glatte, sich über seine schwellenden Muskeln spannende Haut.

Jetzt saß er unter den Seinen und schaute mit gerechtem, väterlichem Stolze auf seine blühenden Söhne.

Der Löwe rastete, aber auch so war er ein Löwe und Ungeheures war zu erwarten, wenn er aufstehen und die Riesenhand, die jetzt das Brod zertheilte, sich zur Faust ballen würde.

Nichts Kleines war an diesem Mann, und doch nichts Erschreckendes, denn wenn sein Auge auch gebieterisch glänzte, so war doch seines Mundes Ausdruck von besonderer Milde und der aus seiner breiten Brust dringenden tiefen Stimme, die den Lärm der Schlacht übertönte, standen weiche und herzgewinnende Klänge zu Gebot.

Dank seiner Erziehung war er bei dem vollen Bewußtsein seiner Macht und Größe ein echter Mensch geblieben, dem keine Regung des menschlichen Herzens fremd war.

Hinter dem Pharao stand ein jüngerer Mann und reichte ihm den Becher, den er kostend an seine Lippen führte. Dieß war Mena, der Rosselenker und Liebling des Königs.

Schlank und doch kräftig, biegsam und doch haltungsvoll war die Gestalt dieses Edlen, und auf seinem schön geschnittenen Antlitz mit den freimüthig blickenden Augen paarten sich Selbstbewußtsein und Gutherzigkeit. Dieser Mann mochte wenig taugen im bedächtigen Rath, desto mehr aber als liebenswerther, kühner und treuer Genoß.

Unter den Prinzen saß dem König am nächsten Chamus,Auf den Denkmälern Cha-em-Us, d. i. Glanz in Theben, genannt. Er war »Sam« oder Oberpriester von Memphis. Seine Mumie ist bei den Apisgräbern zu Saqqarah von Mariette bei seiner Ausgrabung des Serapeums von Memphis wiedergefunden worden. der älteste von allen, welcher jüngst mit der Würde des Oberpriesters von Memphis bekleidet worden war. Der Krauskopf Rameri, der durch Lösung aus der Gefangenschaft, in welche er auf seinem Wege gerathen, befreit worden war, hatte, als einer der jüngsten Prinzen, neben seinem Bruder Mernephtah am untersten Ende der Tafel Platz gefunden.

»Wie bedrohlich das Alles klingt!« sagte der König. »Jeder von euch Anklägern spricht die Wahrheit, aber eure Liebe zu mir trübt eure Augen. Was Rameri mir erzählt, was Bent-Anat mir schreibt, was Mena's Gestütsverwalter von Ani berichtet und was man mir sonst aus Aegypten hinterbringt, enthält nichts, was mich beunruhigen könnte. Ich kenne euren Oheim und weiß, daß er sich auf dem geborgten Throne so breit machen wird, als es irgend geht, aber kehren wir heim, so findet er sich auch auf dem engeren Sessel zurecht. Große Entwürfe und kühne Thaten sind nicht seine Sache; aber zur Ausführung von fertigen Bestimmungen taugt er, und darum wählte ich ihn zu meinem Vertreter.«

»Doch Ameni,« sagte Chamus, sich ehrerbietig vor seinem Vater verneigend, »scheint seinen Ehrgeiz angestachelt zu haben und ihn mit Rath zu unterstützen. Der Leiter des Setihauses ist kühn und weise und die Hälfte der Priesterschaft steht hinter ihm.«

»Ich weiß es,« entgegnete der König, »die Herren sind mir gram, weil ich ihre Hörigen, die ihnen die Aecker bestellen, unter die Waffen rief. Schönes Volk haben sie mir geschickt! Mit dem ersten Pfeil fliegt ihr Muth davon! Sie sollen morgen das Lager bewachen. Dazu werden sie taugen, wenn man ihnen klar macht, daß, wenn sie sich die Zelte nehmen lassen, auch das Brod und das Fleisch und die Weinschläuche in die Hände der Feinde fallen. Wird Kadesch erstürmt, so sollen die Tempel am Nil den besten Theil von der Beute haben, und Du selbst, mein junger Oberpriester von Memphis, sollst Deinen Genossen zeigen, daß Ramses, was er den Dienern der Gottheit mit Metzen nimmt, mit Scheffeln zu ersetzen gewillt ist.«

»Ameni's Unzufriedenheit,« erwiederte Chamus, »hat tiefere Gründe; Dein großer Geist sucht und findet seine eigenen Wege . . .«

»Die Herren aber,« unterbrach ihn Ramses, »sind gewöhnt, auch den König zu leiten, und ich, ich weise sie nicht zurück. Ich herrsche an Stelle des höchsten Gottes, aber ich bin kein Gott, wenn sie mir auch die Ehren eines solchen erweisen, und demüthigen Herzens übertrage ich ihnen gern meinen und meines Volkes Verkehr mit den Himmlischen; die menschlichen Angelegenheiten lenk' ich freilich nach meinem Ermessen. – Und nun nichts weiter von dem! Widerlich scheint es mir, an Freunden zu zweifeln, und das Vertrauen ist mir so nothwendig und theuer, daß ich mir's gefallen lasse, wenn ich dafür auch einmal eine Täuschung hinnehmen muß!«

Der König winkte und leerte den goldenen Becher, den Mena ihm reichte.

Einen Augenblick schaute er auf das glänzende Geschirr, dann erhob er die Augen, aus denen jetzt strenger Ernst leuchtete, und sagte: »Und wenn sie mich betrügen und zehn Ameni und Ani locken mein Land in die Schlinge, – ich kehre heim und meine Sohle tritt das Gewürm in den Sand!«

Seine tiefe Stimme hatte, während er diese letzten Worte aussprach, geklungen wie die eines Herolds, der eine vollendete That verkündet.

Keine Lippe, keine Hand regte sich in dem weiten Raum, als er schwieg.

Da erhob er den Becher und rief laut und freudig: »Vor der Schlacht ziemt es sich, das Herz zu erheben. Rühmlich ist, was wir vollendet; ferne Völker haben unsere Hand gefühlt, an ihren Flüssen stellten wir unsere Siegessäulen auf und in ihre Felsen gruben wir den Ruhm unserer Thaten.Herodot II. 102–106 erzählt von den Bildern, welche Ramses II. zum Gedächtniß seiner Thaten in die Felsen der von ihm unterworfenen Gebiete meißeln ließ. Zwei derselben sah er selbst. Eins ist heute noch erhalten, und zwar auf einem Felsen bei Beyrut. Abbildung in den Annales de corresp. archéol. Rome 1834 und in Lepsius' Denkmälern aus Aegypten u. Aethiopien. Größer als alle Könige ist euer Herrscher, durch die Götter ist er's und durch euch, seine tapferen Gefährten. Möge die morgende Schlacht uns neuen Ruhm verleihen und die Himmlischen bald diesen Krieg beenden! Leert mit mir die Becher auf den Sieg und die frohe, ruhmreiche Heimkehr.«

»Sieg! Sieg! Leben blühe dem Pharao, Kraft und Heil!« riefen jubelnd die Genossen des Ramses, welcher, indem er die Stufen seines Thrones hinabstieg, den Zechern zurief: »Nun rastet, bis der Isisstern untergeht. Dann folgt mir zum Gebet bei dem Altar des Amon und dann in die Schlacht!«

Von Neuem erhoben sich Jubelrufe, während Ramses jedem seiner Söhne mit einem ermunternden Worte die Hand reichte.

Den beiden jüngsten, Mernephtah und Rameri, gebot er, ihm zu folgen, verließ dann mit ihnen und Mena die Speisehalle und begab sich unter dem Vortritt von Garden und Hofbeamten, welche Stäbe mit goldenen Lilien und Straußenfedern vor ihm her trugen, in sein Schlafzelt, welches von einem Elitekorps, das einer seiner Söhne anführte, bewacht ward.

Ehe er das Zelt betrat, ließ er sich einige Fleischstücke reichen und gab sie mit eigener Hand seinen Löwen zu fressen, die sich wie zahme Katzen von ihm streicheln ließen. Dann warf er einen Blick in den Marstall, klopfte seinen Lieblingsrossen die edlen Hälse und glänzenden Schenkel und bestimmte, daß »Nura« und »Sieg in Theben«So hießen tatsächlich die Rosse, welche Ramses in die Schlacht von Kadesch führten. ihn morgen in die Schlacht führen sollten.

In dem Schlafzelt angelangt, befahl er den Höflingen, ihn zu verlassen. Dann winkte er Mena, ließ sich von ihm seines Schmuckes und seiner Waffen entkleiden und rief seine jüngsten Söhne, welche ehrerbietig und mit Besorgniß an der Zeltthüre harrten, zu sich heran.

»Warum ließ ich euch mir nachfolgen?« fragte er ernst.

Beide schwiegen; er aber wiederholte seine Frage.

»Weil Du bemerkt hast,« antwortete nun Rameri, »daß zwischen uns Beiden nicht Alles ist, wie es sein sollte.«

»Und weil ich wünsche,« fiel ihm der König in's Wort, »daß Einigkeit unter meinen Kindern herrsche. Feinde findet ihr morgen genug zu bekämpfen, aber Freunde gewinnt man selten und verliert man nur zu oft in der Feldschlacht. Wer von uns fällt, soll dem Andern nicht grollen, sondern ihn liebevoll im Jenseits erwarten. Sprich, Rameri, was hat euch entzweit?«

»Ich grolle ihm nicht mehr,« antwortete der Gefragte. »Du hast mir neulich das Schwert geschenkt, welches dort im Gürtel Mernephtah's steckt, weil ich bei dem letzten Ausfall der Cheta meine Schuldigkeit that. Du weißt, wir schlafen Beide in einem Zelt und als ich gestern mein Schwert aus der Scheide ziehe, um mich an der schönen Arbeit der Klinge zu erfreuen, find' ich, daß eine fremde, weniger scharfe darin steckt.«

»Ich hatte meine Waffe im Scherze mit der seinen vertauscht,« unterbrach ihn Mernephtah. »Er aber verstand keinen Spaß und sagte, ich möge mich nur immerhin mit der unverdienten Ehrengabe schmücken; er werde versuchen, sich eine neue zu erkämpfen und dann . . .«

»Ich weiß genug; ihr habt Beide unrecht gehandelt,« sagte der König. »Auch im Scherze, Mernephtah, soll man nicht trügen. Ich hab' es nur einmal gethan, und wie das ablief, will ich euch zur Warnung erzählen.

»Meine edle selige Mutter Tuaa bat mich, als ich zum ersten Mal in die FenchulandeFenchu werden die Phönizier schon auf den Denkmälern der 18. Dynastie genannt. zog, ihr einen Stein von der Küste bei Byblos, an der des Osiris Leiche an's Land gespült worden war,Anmerkung 62. mitzubringen. Ich vergaß es leider. Als wir in Theben einzogen, fiel mir der Mutter Bitte wieder ein. Jung und unbedacht, wie ich war, nahm ich einen Kiesel vom Wege auf, steckte ihn zu mir, und als sie mich nach dem Andenken von Byblos fragte, reichte ich ihr schweigend den Stein aus Theben. Sie freute sich seiner und zeigte ihn den Geschwistern und legte ihn zu den Ahnenbildern; mich aber marterte die Scham und Reue und endlich nahm ich heimlich den Stein wieder fort und warf ihn in's Wasser. Nun wurden die Diener zusammengerufen und streng nach dem Räuber des Kiesels geforscht. Da hielt ich's länger nicht aus und bekannte Alles. Es hat mich Niemand gestraft und doch ward ich niemals schwerer gezüchtigt. Seit jener Zeit wich ich selbst im Scherze nicht von der lautern Wahrheit. – Nimm Dir die Lehre zu Herzen, Mernephtah, die Dein Vater erhielt; Du aber, Rameri, laß Dir das Schwert zurückgeben und glaube mir, das Leben bringt so viel Großes, das Groll erregt, daß man frühzeitig lernen muß, freundlich über das Kleine hinwegzusehen, wenn man nicht ein mürrischer Gesell werden will, wie der Wegeführer Paaker; und dazu scheinst Du wagehalsiger Wildfang am wenigsten gemacht zu sein. Nun reicht euch die Hände!«

Die Prinzen näherten sich einander; Rameri aber fiel seinem Bruder um den Hals und küßte ihn.

Der König streichelte Beiden das Haar und sagte: »Nun geht zur Ruhe und morgen soll sich jeder von euch eine neue Ehrengabe erkämpfen!«

Als seine Söhne das Zelt verlassen hatten, wandte sich Ramses seinem Rosselenker zu und sagte. »Auch mit Dir hab' ich vor dem Kampfe zu reden. Ich sehe Dir durch die Augen in die Seele hinein und glaube, daß es darin nicht aussieht, wie es sein sollte, seitdem der Vorsteher Deiner Gestüte hierher kam. Was ist in Theben geschehen?«

Mena schaute den König offen, aber traurig an und sagte: »Meine Schwiegermutter Katuti waltet übel in meinem Erbe, verpfändet die Aecker und verkauft das Vieh.«

»Das läßt sich ersetzen,« sagte Ramses gütig. »Du weißt, daß ich Dir die Erfüllung eines Wunsches schulde, wenn Nefert Dir so sicher vertraut, wie Du meinst. Es scheint mir aber, als stünde gerade mit ihr nicht Alles, wie es sein sollte, denn um Geld und Gut sah ich Dich noch niemals besorgt. – Sprich nur, Du weißt, ich bin Dir ein Vater und frei und unverschleiert müssen das Herz und die Augen des Mannes sein, der in der Schlacht meine Rosse lenkt.«

Mena küßte das Gewand des Königs und sagte: »Nefert hat Katuti's Haus verlassen und ist, wie Du weißt, Deiner Tochter Bent-Anat zum heiligen Sinaiberg und nach Megiddo gefolgt.«

»Ich dächte,« erwiederte Ramses, »der Tausch wäre gut. Ich lasse Bent-Anat Bent-Anat behüten, denn sie braucht keinen andern Wächter und Dein Weib bedarf keines besseren Hüters, als Bent-Anat.«

»Gewiß nicht!« rief Mena mit aufrichtigem Eifer. »Aber ehe sie aufbrach, hat sich Widriges ereignet. Du weißt, sie war, bevor Du für mich um sie freitest, ihrem Vetter, dem Wegeführer Paaker, bestimmt, und der ist bei seinem Aufenthalt in Theben in meinem Haus aus- und eingegangen, hat Katuti mit einer ungeheuren Summe geholfen, die Schulden meines leichtfertigen Schwagers zu zahlen, und, das sah der Gestütsverwalter mit eigenen Augen, Nefert mit Blumen beschenkt.«

Der König lächelte, legte seine Hand auf die Schulter des Wagenkämpfers und sagte, indem er ihn voll anschaute: »Deine Gattin soll Dir vertrauen, obgleich Du ein fremdes Weib in Dein Zelt nahmst, und Du gibst dem Verdacht Raum, weil ihr ihr Vetter Blumen schenkte! Ist das klug und gerecht? Ich glaube, Du bist eifersüchtig auf den breitschulterigen Unhold, den ein tückischer Kobold in das Nest des edlen verstorbenen Mohar legte.«

»Das bin ich nicht,« entgegnete Mena, »und kein Zweifel an Nefert trübt meine Seele, aber es quält, es peinigt, es verunglimpft mich, nur zu denken, daß gerade Paaker, der mir widerwärtig ist wie eine giftige Spinne, sie beschenkt und anblickt, und dieß in meinem eigenen Hause!«

»Wer Vertrauen verlangt, soll Vertrauen schenken!« sagte der König. »Und muß ich es nicht auch hinnehmen, wenn elende Wichte mich und die Meinen mit Lobliedern preisen? Schnell, glätte wieder die Stirn und denke an den nahen Sieg, die Heimkehr und daß Du Paaker weniger zu vergeben hast, als er Dir. Geh' nun zu den Rossen und stelle Dich morgen mit frohem Muthe, so wie ich Dich liebe, auf meinen Wagen!«

Mena verließ das Zelt und begab sich in den Marstall.

Dort traf er Rameri, der ihn erwartete.

Der lebhafte Jüngling bekannte dem Rosselenker, daß er ihn als leuchtendes Vorbild liebe und ehre und daß er doch irre an seiner Tugend werde, denn er habe erfahren, daß er ein fremdes Weib in sein Zelt genommen, und er sei doch vermählt mit der schönsten und liebenswerthesten Frau in Theben. »Ich habe,« so schloß er, »mit ihr verkehrt wie ein Bruder und weiß, daß sie sterben würde, wenn sie hörte, daß Du sie beschimpftest; ja beschimpftest, denn so frei zur Schau getragener Treubruch verunehrt die Gattin eines Aegypters! Verzeih' meine offene Rede, aber wer weiß, was der morgende Tag bringt, und ich möchte nicht, Schlechtes von Dir denkend, in die Schlacht ziehen!«

Mena ließ Rameri ohne Unterbrechung zu Ende reden und antwortete dann. »Du bist offen wie Dein Vater und hast wohl auch von ihm gelernt, den Angeklagten zu hören, ehe Du ihn verurteilst. Ein fremdes Weib, die Tochter des Königs der DanaerName der Griechen in der Zeit des trojanischen Kriegs. Sie werden schon auf einer Siegesstele Thutmes III. (18. Dyn.) genannt und dann als gegen Aegypten mit Inselvölkern des Mittelmeers verbündet aus Inschriften Ramses III. E. de Rougé hat zuerst die im Epos des Pentaur vorkommenden Dardani für Dardaner (Bewohner der troischen Landschaft Dardania), die Pidasa für Pisidier, die Masa für Mysier, die Iliuna für Ilionbewohner erklärt; in jüngster Zeit versucht es Brugsch, welcher in den mit den Libyern gegen Ramses III. verbündeten Völkern kaukasisch-kolchische Söldner sieht, die Dardani nach Kurdistan zu verlegen., schläft auf meinem Lager, ich aber ruhe seit Monden an der Thür des Zeltes Deines Vaters und habe mein eigenes, seitdem das Mädchen darin weilt, nicht betreten. Nun setze Dich zu mir und laß Dir erzählen, wie das gekommen ist! Wir hatten das Lager vor Kadesch aufschlagen und es gab wenig für mich zu thun, denn Ramses lag noch an seiner Wunde darnieder. Oft vertrieb ich mir die Zeit mit der Jagd an den Ufern des Sees. Einmal ging ich, wie gewöhnlich nur mit Pfeil und Bogen bewehrt und von meinen Windhunden begleitetZur Hasenjagd dressirte Windhunde wurden in den allerältesten Grüften, z. B. in den der Zeit des Snefru angehörenden Mastaba zu Meydum (4. Jahrtausend v. Chr.) abgebildet. Ueber die Hunde, deren sich die Aegypter bedienten, handelt S. Birch in den Transactions of the society of biblical Archaeology 1875, S. 172–195., in's Freie und folgte unbesorgt einem Hasen. Da überfiel mich eine Schaar von Danaern, band mich mit Stricken und führte mich in ihr Lager. Dort ward ich als Kundschafter vor die Richter geführt, und schon war mir das Urtheil gesprochen und ein Seil um meinen Hals gelegt, als ihr König daherkam, mich sah und nochmals einem Verhör unterwarf. Ich erzählte ihm der Wahrheit gemäß, daß ich beim Jagen auf Thiere und nicht als sein Feind in die Hände der Seinen gefallen wäre, und er schenkte mir Glauben und nicht nur das Leben, sondern auch die Freiheit. Als einen Edlen hatte er mich erkannt, hielt mich als solchen und ließ mich an seinem eigenen Tische speisen. In meinem Herzen schwor ich mir zu, als er mich entließ, ihm diese großmüthige That zu danken.

»Einen Monat später gelang es uns, das Lager der Hülfsvölker der Cheta zu überrumpeln, und libysche Soldaten raubten aus dem Zelte des Königs der Danaer mit anderen Schätzen seine eigene Tochter. Ich hatte mich wacker gehalten, und als es zur Vertheilung der Beute kam, gestattete mir der König zuerst zu wählen. Da legte ich die Hand auf die Tochter meines Retters und Gastfreundes und führte sie in mein Zelt, und lasse sie dort ungekränkt mit ihren Dienerinnen leben, um sie beim Friedensschluß ihrem Vater zurückzuführen.«

»Verzeihe mir!« rief Rameri und reichte dem Rosselenker die Hand. »Nun versteh' ich erst, warum mich der König so eifrig fragte, ob Nefert an Deine Treue glaubt!«

»Und was gabst Du ihm zur Antwort?« fragte Mena.

»Daß sie Tag und Nacht an Dich denkt und nicht an Dir zweifelt. Das schien auch den Vater sehr zu freuen und er sagte zu Chamus: ›Dann hat er gewonnen!‹

»Er will mir eine große Gnade erweisen,« sagte Mena erklärend, »wenn sie, nachdem sie erfahren, daß ich ein fremdes Weib in mein Zelt genommen, mir dennoch vertraut. Ramses hält das schier für unmöglich, ich aber weiß, daß ich gewinne; sie muß an mich glauben!«


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