Georg Ebers
Uarda
Georg Ebers

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwölftes Kapitel.

Bevor die Sonne des folgenden Tages aufgegangen war, ließ sich Nemu mit dem kleinen weißen Esel, den ihm des Rosselenkers Mena verstorbener Vater vor vielen Jahren geschenkt hatte, über den Nil setzen. Er benutzte die kühle Stunde, welche dem Erscheinen des Tagesgestirns vorausgeht, zu seinem Ritte durch die Nekropole.

Wohl vertraut mit Weg und Steg, vermied er die zu dem Ziele seiner Wanderung führende Straße und trabte dem Berge zu, welcher das Thal der Königsgrüfte von der Nilebene trennt.

Vor ihm öffnete sich ein herrliches Halbrund von himmelhohen Kalkfelsen, der Hintergrund des stattlichen Terrassentempels, welchen die stolze Vormünderin zweier Könige des gestürzten Pharaonenhauses, die große Hatasu, ihrem eigenen Angedenken und der Göttin Hathor errichtet hatte.

Nemu ließ das Heiligthum zu seiner Linken liegen und ritt den steilen Bergpfad, den nächsten aus der Ebene in das Thal der Königsgräber führenden Weg, hinan.

Unter ihm lag, in all' seinen Theilen zu überschauen, der Terrassenbau Hatasu's und vor ihm die still in der kühlen Dämmerung schlummernde Nekropole mit ihren Häusern und Tempeln und Kolossen, der breite glänzende, von weißen Segeln und Morgennebeln überwehte Nil und im fernen, von der aufgehenden Sonne gerötheten Osten die Wohnstadt Theben mit ihren Riesentempeln.

Aber der Zwerg sah nichts von dem herrlichen Bilde zu seinen Füßen. In Gedanken versunken, ließ er, weit vorgebeugt über den Hals seines Esels, das keuchende Thierchen nach seinem Gefallen bald klimmen, bald ruhen.

Als er die halbe Höhe des Berges erreicht hatte, vernahm er das Geräusch der Schritte eines sich ihm mehr und mehr nähernden Wanderers.

Der rüstige Schreiter hatte ihn bald eingeholt und entbot ihm den Morgengruß, welchen er freundlich erwiederte.

Der Bergpfad war schmal, und als Nemu bemerkt hatte, daß der ihm folgende Mann ein Priester war, hielt er an einer ebenen Stelle des Weges sein Eselein an und sagte ehrerbietig. »Wandre vorüber, heiliger Vater, denn Deine beiden Füße schreiten schneller als meine vier Hufe.«

»Eine Leidende bedarf meiner Hülfe,« erwiederte der Arzt Nebsecht, Pentaur's Freund, den wir im Setihause und am Krankenlager des Paraschitenmädchens kennen gelernt haben, und schickte sich an, dem langsamen Reiter den Vortritt abzugewinnen.

Da erhob sich über den purpurnen Horizont des Ostens die glühende Sonnenscheibe und aus dem Heiligthum zu Füßen der Wanderer klang ein frommer, vielstimmiger Männergesang zu ihnen empor.

Nemu glitt von seinem Esel und nahm die Stellung eines Betenden ein. Der Priester folgte seinem Beispiele, aber während der Zwerg seine Augen der Wiedergeburt des Sonnengottes am Berge des Ostens andächtig zukehrte, weilten die seinen am Boden und eine seiner hoch erhobenen Hände senkte sich und griff nach einer seltenen am Wege liegenden versteinerten Muschel.

Nach einigen Minuten erhob sich Nebsecht und Nemu folgte ihm nach.

»Ein schöner Morgen,« sagte der Zwerg; »die heiligen Väter da unten sind heute früher auf wie gewöhnlich.«

Der Arzt lächelte zustimmend und fragte: »Gehörst Du in die Nekropole? Wer hält sich hier Zwerge?«

»Niemand,« antwortete der Kleine, »aber ich gebe Dir Deine Frage zurück. Wer von Denen, die hier hinter den Bergen wohnen, ist so vornehm, daß ein Arzt aus dem Setihause seine Nachtruhe für ihn opfert?«

»Die ich besuche, ist gering, aber ihr Leiden ist groß,« sagte Nebsecht.

Nemu schaute ihn verwundert an und murmelte:

»Das ist edel, das ist . . .« aber er sprach diesen Satz nicht aus, sondern schlug sich vor die Stirn und rief: »Du gehst im Auftrage der Prinzessin Bent-Anat zu dem überfahrenen Paraschitenkinde. Ich wußt' es ja, einen vornehmen Beigeschmack muß die Speise haben, für welche die Herren so früh aufstehen. Wie geht es dem armen Kinde?«

In den letzten Worten lag so viel warme Theilnahme, daß der Arzt, welcher den Vorwurf des Zwerges nicht unberechtigt fand, freundlich antwortete:

»Nicht schlecht; sie wird erhalten werden können.«

»Den Göttern sei Dank,« rief Nemu, während der Andere an ihm vorüberging.

Mit verdoppelter Eile stieg Nebsecht den Berg hinauf und hinunter und hatte längst an dem Lager der verwundeten Uarda in der Paraschitenhütte Platz genommen, als Nemu sich der Wohnung seiner Mutter Hekt, der Zauberin, von welcher Paaker den Liebestrank empfangen, näherte.

Die Alte saß vor der Thür ihrer Höhle.

Neben ihr lag ein Brett mit Querhölzern versehen, zwischen denen ein kleiner Knabe also ausgestreckt war, daß sie seinen Kopf und seine Sohlen berührten.

Hekt verstand die Kunst, Zwerge zu machen; das Spielzeug in Menschengestalt wurde gut bezahlt und das Kind auf der Marterbank mit seinem hübschen Gesichtchen versprach zu einer werthvollen Waare zu werden.

Sobald die Zauberin den Nahenden bemerkte, beugte sie sich über den Knaben, nahm ihn mit sammt dem Brett in die Arme, trug ihn in ihre Höhle und sagte streng:

»Wenn Du Dich rührst, Junge, so gibt es Schläge. Jetzt laß Dich binden.«

»Nicht binden!« bat der Knabe. »Ich will still sein und ruhig liegen.«

»Streck' Dich!« befahl die Alte und schnürte das weinende Kind mit einem Seile an das Brett. »Wenn Du still bist, so geb' ich Dir später einen Honigkuchen und Du darfst mit den jungen Hühnern spielen.«

Das Kind beruhigte sich und ein warmes Lächeln der Freude und Hoffnung glänzte aus seinen lieben Augen. Seine Händchen faßten das Kleid der Alten und mit dem süßesten Schmeicheltone, den Gott in die holde Stimme der Kinder legt, sagte der Knabe:

»Ich will still sein wie ein Mäuschen und Niemand soll wissen, daß ich da bin, aber wenn Du mir den Honigkuchen gibst, so laß mich etwas los und zu Uarda hinüber.«

»Sie ist krank, was willst Du da drüben?« fragte die Alte.

»Ich möcht' ihr den Kuchen bringen,« sagte der Knabe leise und seine Augen glänzten in Thränen.

Die Alte tippte dem Kinde mit dem Finger auf das Kinn und eine geheimnißvolle Macht zog sie zu ihm hernieder, um es zu küssen. Aber ehe ihre Lippen sein Antlitz fanden, wandte sie sich von ihm ab und sagte streng:

»Bleib' ruhig. Nachher wollen wir sehen!« Dabei bückte sie sich und warf einen braunen Sack über den Knaben. Dann trat sie wiederum in's Freie, begrüßte Nemu, bewirthete ihn mit Milch, Brod und Honig, gab ihm Auskunft auf seine Erkundigung nach dem überfahrenen Mädchen, dessen Mißgeschick ihm zu Herzen zu gehen schien, und fragte endlich:

»Was führt Dich hieher? Der Nil war noch klein, als Du das letzte Mal Deinen Weg zu mir fandest, und jetzt hat er längst zu fallen begonnen.Wir sind in den ersten Novembertagen. Anfangs Juni fängt der Nil langsam zu steigen an, zwischen dem 15. und 20. Juli beginnt er plötzlich hoch anzuschwellen und in der ersten Hälfte des Oktobers, nicht, wie man früher glaubte, am Ende des Septembers, erreicht die Ueberschwemmung ihren höchsten Stand. Heinrich Barth hat diesen Thatbestand sicher festgestellt. Nachdem das Wasser im September begonnen hat zurückzutreten, sucht es seine Kulmination im Oktober noch einmal zu erreichen und zu überbieten. Bald darauf nimmt es erst langsam, dann schneller und schneller ab. Schickt Dich Deine Herrin, oder begehrst Du selbst meine Hülfe? All' das Gesindel bleibt sich gleich! Niemand geht zu einem Andern, wenn er ihn nicht benutzen will. Was soll ich Dir geben?«

»Ich brauche nichts,« erwiederte der Zwerg, »aber . . .«

»Aber Du kommst im Auftrage eines Dritten,« lachte die Hexe. »Ist Alles ein und dasselbe! Wer etwas für Andere verlangt, denkt doch nur an sich selbst.«

»Mag sein,« gab der Kleine zurück. »Jedenfalls beweisen Deine Worte, daß Du nicht unweiser geworden, seitdem ich Dich zum letzten Mal gesehen, und das freut mich, denn ich brauche Deinen Rath.«

»Der ist billig. Was gibt es da drüben?«

Nemu erzählte seiner Mutter kurz, klar und ohne Rückhalt, was man im Hause seiner Herrin vorbereitete, und von der schrecklichen Schande, mit welcher sie durch ihren Sohn bedroht ward.

Die Alte schüttelte vielmals bedenklich ihren grauen Kopf; aber sie ließ den Kleinen, ohne ihn zu unterbrechen, zu Ende reden. Dann fragte sie und ihre Augen blitzt dabei leuchtend auf:

»Und ihr glaubt wirklich, daß es euch gelingen werde, einen Sperling an des Adlers Stelle, einen Ani auf den Thron eines Ramses zu setzen?«

»Die in Aethiopien kämpfenden Truppen sind für uns,« rief Nemu, »die Priester erklären sich gegen den König und erkennen in Ani das echte Blut des Ra.«

»Das ist viel,« sagte die Alte.

»Und viele Hunde sind der Gazelle Tod,« lachte Nemu.

»Doch Ramses ist kein fliehendes Wild, sondern ein Löwe,« sagte die Alte ernst. »Ihr spielt ein hohes Spiel.«

»Das wissen wir,« entgegnete Nemu, »aber es gibt dabei Großes zu gewinnen.«

»Und Alles zu verlieren,« murmelte die Alte, indem sie mit den Fingern über ihren sehnigen Hals fuhr. »Thut, was ihr wollt, mir kann's gleich sein, wer die Jungen in den Tod schickt und den Alten das Vieh von den Feldern treibt. Was wollt ihr von mir?«

»Mich sendet Niemand,« entgegnete der Zwerg. »Ich komme aus freiem Antriebe, um Dich zu fragen, was Katuti thun soll, um ihren Sohn und ihr Haus vor der Ehrlosigkeit zu retten?«

»Hm,« brummte die Hexe und schaute Nemu, indem sie sich an ihrem Stocke hoch aufrichtete, mit beiden Augen fragend an. »Was geht denn mit Dir vor, daß Du Dir das Schicksal dieser Großen zu Herzen nimmst, als wär' es Dein eigenes?«

Der Zwerg erröthete und antwortete zögernd:

»Katuti ist eine gütige Herrin und wenn es ihr wohl ergeht, so wird dabei auch für Dich und mich so Manches abfallen.«

Hekt schüttelte ungläubig den Kopf und lachte:

»Vielleicht für Dich ein Brod und für mich eine Krume! Du hast auch noch Anderes im Sinne und ich sehe in Deine Brust, als wärest Du dieser aufgeschnittene Rabe. Du gehörst zu Denen, die ihre Finger nicht still halten können und an jedem Teige kneten, überall schieben, treiben, etwas bewerkstelligen müssen. Jeder Rock ist Dir zu eng. Wärest Du drei Köpfe größer und eines Priesters Kind, vielleicht hättest Du's weit gebracht. Hoch willst Du hinaus und hoch wirst Du enden; als Freund eines Königs oder am Galgen!«

Die Alte lachte; Nemu biß sich dabei auf die Lippen und sagte:

»Hättest Du mich nur in die Schule geschickt und wär' ich keiner Hexe Sohn und kein Zwerg, so spielte ich mit den Menschen, wie sie mit mir gespielt haben, denn ich bin klüger als sie Alle und keine ihrer Regungen bleibt mir verborgen. Hundert Wege liegen vor mir offen, wenn sie nicht wissen, wo aus noch ein, und wo sie sorglos vorwärts rasen, da seh' ich den Abgrund, dem sie entgegenrennen.«

»Und dennoch kommst Du zu mir,« sagte die Alte spöttisch.

»Ich will Deinen Rath,« erwiederte Nemu ernst, »weil vier Augen mehr sehen als zwei, weil der unbetheiligte Zuschauer klarer sieht als der Spieler und weil Du verpflichtet bist, mir zu helfen.«

Die Hexe lachte verwundert auf und fragte; »Ich? Verpflichtet? Und zu was denn?«

»Mir zu helfen,« wiederholte der Zwerg halb bittend, halb vorwurfsvoll. »Du hast mir das Wachsthum geraubt und mich zum Krüppel gemacht.«

»Weil Niemand es besser hat, als ihr Zwerge,« unterbrach ihn die Alte.

Nemu schüttelte den Kopf und erwiederte traurig:

»Das hast Du mir oft gesagt und für manchen Andern, der wie ich im Elend geboren ward, magst Du Recht haben; mir aber hast Du das Leben verdorben, hast Du nicht nur den Leib, sondern auch die Seele verkrüppelt und zu Leiden hast Du mich verdammt, die namenlos sind und unaussprechlich.«

Des Zwerges großer Kopf sank auf seine Brust herab und mit seiner Linken preßte er die Stelle seines Herzens.

Die Alte näherte sich ihm freundlicher und fragte:

»Was ist Dir? Ich dächte, es ginge Dir gut in Mena's Hause.«

»Das denkst Du,« rief der Kleine, »Du, die mir eben im Spiegelbilde zeigte, wie ich bin und wie mich geheimnißvolle Kräfte drängen und treiben? Du machtest mich künstlich zu dem, was ich bin, Du verkauftest mich an den Schatzmeister des Ramses und dieser schenkte mich dem Vater des Mena, seinem Schwager. Fünfzehn Jahre ist's her! Ich war damals ein junger Mann, ein Jüngling wie andere auch, nur lebhafteren Geistes, unruhiger und feuriger als sie. Man gab mich dem kleinen Mena zum Spielzeug und der spannte mich vor sein Wägelchen und putzte mich mit Bändern und Federn aus und peitschte mich, wenn ich ihn nicht schnell genug fortzog. Wie hat das Mädchen, für das ich mein Leben hingegeben hätte, des Pförtners Tochter, gelacht, wenn ich in dem bunten Mummenschanz keuchend vor dem Wägelein daher hüpfte und mir die Geißelschnüre des jungen Herrleins um die Ohren sausten, der Schweiß von der Stirn und das Blut aus dem wunden Herzen troff! Dann starb Mena's Vater und der Bube kam in das Setihaus und nun diente ich der Frau seines Haushofmeisters, den Katuti auf das Erbgut in Hermonthis verbannte. Das waren Jahre! Die Töchterchen des Hauses spielten PuppePuppen aus der Pharaonenzeit werden in den Museen konservirt; z. B. Gliedermänner in Leyden. mit mir, legten mich in die Wiege und zwangen mich die Augen zu schließen und mich schlafend zu stellen, während Liebe und Haß und große Entwürfe in mir mächtig waren. Wenn ich mich aufzulehnen versuchte, so schlugen sie mich mit Ruthen, und als ich mich einst im Zorne vergessen und die kleine Mertitefs wund geschlagen hatte, hängte mich Mena, der dazu kam, mit dem Gürtel an einem Nagel im Speicher auf und ließ mich dort schweben; er sagte, er habe mich abzunehmen vergessen. Die Ratten überfielen mich! Da sind noch die Narben, die kleinen weißen Punkte hier! Sieh' nur! Vielleicht werden sie einst ganz verschwinden, aber die Wunden, die mein Herz in jenen Stunden davon trug, die hören nicht auf zu bluten! Dann nahm Mena Nefert zum Weibe und mit ihr kam seine Schwiegermutter Katuti in's Haus. Sie nahm mich dem Haushofmeister fort, ich ward ihr unentbehrlich, sie behandelt mich wie einen Mann, sie schätzt meinen Geist und hört meinen Rath; darum will ich sie groß machen und mit ihr und durch sie mächtig werden. Wenn Ani den Thron besteigt, so werden wir ihn lenken, Du und ich und sie! Ramses muß fallen und mit ihm Mena, der Bube, der mir den Leib geschändet und die Seele vergiftet hat.«

Die Alte stand dem Zwerge während dieser Worte schweigend gegenüber. Nun setzte sie sich auf ihren rohen Holzsessel und sagte, indem sie einen Wiedehopf zu rupfen begann.

»Jetzt versteh' ich Dich, Du wünschest Dich zu rächen, Du hoffst hoch zu steigen und ich soll Dein Messer wetzen und Dir die Leiter halten. Armer Kleiner! Da, setze Dich –, trinke zur Beruhigung noch einen Schluck Milch und höre meinen Rath. Katuti braucht viel Geld, um der Ehrlosigkeit zu entgehen. Sie soll es nur aufnehmen, denn es liegt vor ihrer Thür.«

Der Zwerg schaute die Hexe verwundert an.

»Der Mohar Paaker ist ihrer Schwester Setchem Sohn. Nicht wahr?«

»Du sagst es.«

»Katuti's Tochter Nefert ist Deines Herrn Mena Gattin und ein Anderer möchte das verlassene Hühnchen in seinen Hof locken.«

»Du meinst Paaker, der mit Nefert versprochen war, ehe sie dem Mena folgte.«

»Paaker war vorgestern bei mir.«

»Bei Dir?«

»Ja bei mir, der alten Hekt, um einen Liebestrank zu kaufen. Ich gab ihm so etwas und weil ich wißbegierig bin, so ging ich ihm nach, sah, wie er dem Weibchen das Wasser reichte, und erkundigte mich nach ihrem Namen.«

»Und Nefert trank den Zauber?« fragte der Zwerg entsetzt.

»Essig und Rübensaft,« lachte die Alte. »Ein Großer, der zu mir kommt, um ein Weib zu gewinnen, der ist reif für Alles. Laßt Nefert Paaker um das Geld bitten und des jungen Leichtfußes Schulden sind bezahlt.«

»Katuti ist stolz und hat mich streng zurückgewiesen, als ich dieß vorschlug.«

»So muß ihr Paaker das Geld selbst anbieten. Geh' hin zu ihm, mach' ihm Hoffnung auf Nefert's Neigung, erzähl' ihm, was die Frauen ängstigt, und laß ihn, wenn er sich weigert, aber nur dann, merken, daß Du etwas von dem Tränkchen weißt.«

Der Zwerg blickte nachdenklich zu Boden und sagte dann, bewunderungsvoll zu der Alten aufschauend: »Das ist das Rechte.«

»Das Falsche findet ihr auch ohne mich,« brummte die Hexe. »Eure Sache ist vielleicht doch nicht so schlecht, als es mir auf den ersten Blick scheinen wollte. Katuti hat dem Taugenichts zu danken, der seines Vaters Leichnam verspielte. Du verstehst mich nicht? Nun, wenn Du wirklich der Klügste bist da drüben, wie müssen die Anderen sein?!«

»Du meinst, daß man meine Herrin rühmen wird,« sagte der Zwerg, »weil sie eine so große Summe opfert, um den Namen . . .«

»Was Namen, was rühmen!« rief die Alte ungeduldig. »Hier handelt sich's um andere, um wirkliche Dinge! Da steht Paaker, – da die Gattin des Mena. Wenn der Mohar für die junge Frau ein Vermögen hingibt, so will er sie besitzen und Katuti wird ihm nicht im Wege stehen; sie weiß ja, wofür ihr Neffe sie bezahlt. Aber ein Anderer versperrt ihm den Weg, und das ist Mena. Den gilt's zu beseitigen! Der Rosselenker steht dicht bei dem Pharao, und die Schlinge, die man nach dem Einen wirft, kann sich leicht mit um den Hals des Andern legen. Macht den Mohar zu eurem Bundesgenossen, benutzt ihn klug und es kann wohl geschehen, daß Deine Rattenbisse mit Todeswunden vergolten werden und Ramses, der euch, wenn ihr ihm offen entgegentretet, zu Boden bläst, von einer aus dem Hinterhalt geschleuderten Lanze getroffen wird. Ist der Thron frei, dann mag es den schwachen Beinen des Statthalters gelingen, hinaufzuklettern, wenn die Priester ihm helfen. Da sitzest Du mit offenem Munde und ich habe Dir doch nichts gerathen, was Du nicht selbst hättest ersinnen können.«

»Du bist ein Gefäß aller Weisheit!« rief der Zwerg.

»Und nun wirst Du hingehen,« sagte Hekt, »und Deiner Herrin und dem Statthalter Deine Gedanken enthüllen und Deine Klugheit bewundern lassen. Heute weißt Du noch, daß ich Dir zeigte, was ihr zu thun habt, morgen wirst Du das vergessen haben und übermorgen denkst Du, daß der Geist der neun großen Götter Dich beseele. Ich kenne das; aber ich kann nichts umsonst geben. Du lebst von Deiner Kleinheit, ein Anderer nährt sich durch seine starken Hände, ich gewinne durch die Gedanken hier drinnen mein karges Brod. Höre. Wenn ihr Paaker halb gewonnen habt und Ani sich geneigt zeigt, sich seiner zu bedienen, so sagst Du ihm, ich wisse ein Geheimnis, – und ich weiß eins, ich allein, – das den Mohar zum Spielball seiner Wünsche mache, und sei geneigt, es mir abkaufen zu lassen.«

»Das soll geschehen! Gewiß, meine Mutter,« rief der Zwerg. »Was verlangst Du?«

»Wenig,« sagte die Alte. »Nur einen Freibrief, der mir gewährleistet, unbehelligt auch von den Priestern thun und treiben zu können, was mir ansteht, und ein ehrliches Begräbniß nach meinem Tode.«

»Dazu wird der Statthalter sich schwer bequemen, denn er muß Alles vermeiden, was die Diener der Gottheit verletzt.«

»Und Alles thun,« unterbrach ihn die Alte, »was Ramses in ihren Augen herabsetzt. Ani, hörst Du, soll mir keinen neuen Freibrief schreiben, sondern nur den alten erneuern, den Ramses mir verlieh, als ich sein erkranktes Lieblingspferd heilte. Sie verbrannten ihn mit meiner übrigen Habe, als sie meine Hütte ausplünderten und mich für eine Zauberin und mein Geräth für typhonisch erklärten. Mit dem Begräbnisse hat es für's Erste noch Zeit. Den Freibrief des Ramses will ich, nichts weiter.«

»Du sollst ihn haben,« sagte der Zwerg. »Lebe wohl! Ich habe den Auftrag, in der Gruft unseres Hauses nachzusehen, ob man die Todtenopfer ordnungsmäßig aufgestellt hat, neue Essenzen aufzugießen und Mancherlei erneuern zu lassen. Wenn Sechet nicht mehr wüthetS. Anmerkung 44. und es kühler wird, so komm' ich nochmals hier vorbei, denn ich möchte bei dem Paraschiten Pinem vorsprechen und sehen, wie es der armen Uarda geht.«


 << zurück weiter >>