Georg Ebers
Uarda
Georg Ebers

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Elftes Kapitel.

Die Sonne war untergegangen, als der König abermals bei dem hölzernen Prachtbau anlangte.

In der von tausend Lampen tageshell erleuchteten Festhalle bewegten sich jetzt die den Pharao erwartenden Gäste in buntem Gedränge.

Jeder neigte sich je nach seinem Range tief oder weniger tief, als Ramses erschien, um vor dem Beginn des Schmauses seine Getreuen an seinem Thron, auf welchem er sich alsbald, von seinen Kindern in weitem Halbrund umgeben, niederließ, vorbeiziehen zu lassen. Freundlich schenkte er den Einzelnen ein Wort oder nur einen Blick, immer ehrend, für sich gewinnend, Freude und Hoffnung erweckend.

»Das unbedingt Göttliche an meinem Königthum,« sagte er sich, »ist doch das, daß es mir so leicht ist, zu beglücken. Die giftige Uräusschlange wählten die Vorfahren zum Symbole der Fürstenwürde, weil wir so schnell wie sie den Tod zu geben vermögen, und doch ruht die Kraft zu beglücken auf unseren eigenen Lippen und in unseren eigenen Augen und eines Werkzeuges bedürfen wir, wenn wir Strafen verhängen.«

»Nehmt mir die Uräuskrone vom Scheitel,« sagte er, als er sich zum Schmause niederließ, »und setzt mir heute einen Blumenkranz auf die Stirn.«

Während der Begrüßungsfeierlichkeit entfernten sich zwei Männer aus der Halle, der Statthalter Ani und der Oberpriester Ameni.

Der Erstere gab einigen Sicherheitswächtern den Befehl, in dem am Hafen aufgeschlagenen Lager der Verwundeten den Priester Pentaur aufzusuchen, ihn geräuschlos in sein Zelt zu führen und dort bis zu seiner Rückkehr zu bewachen. Noch besaß er den Trank der alten Hekt, welcher den Schiffsführer um den Verstand bringen sollte, und es stand ihm ja frei, den Dichter als Gast und nicht als Gefangenen zu begrüßen. Pentaur konnte ihm schaden, mochte Katuti's Anschlag glücken oder mißlingen.

Ameni verließ den Prachtbau, um den alten Gagabu zu besuchen, welcher bei der Empfangsfeierlichkeit lang im Sonnenbrande gestanden und besinnungslos in das Zelt hatte getragen werden müssen, das er mit dem Oberpriester theilte, und welches in geringer Entfernung von dem des Statthalters stand.

Der Leiter des Setihauses fand den Alten neu gekräftigt wieder und schickte sich an, seinen Wagen zu besteigen und sich zu dem Festmahle zu begeben, als des Statthalters Häscher Pentaur an ihm vorüberführten.

Ameni richtete seine Aufmerksamkeit auf die stattliche Gestalt des Gefangenen.

Der Dichter erkannte ihn, rief ihn an und bald standen Beide Hand in Hand einander gegenüber.

Als die Trabanten sich beunruhigt zeigten, gab sich der Oberpriester ihnen zu erkennen.

Er freute sich aufrichtig der Erhaltung und des Wiederfindens seines Lieblingsschülers, den er seit Monden als einen Todten betrauert hatte. Mit väterlicher Zärtlichkeit betrachtete er seine männliche Gestalt und befahl den Sicherheitswächtern, welche sich vor seiner hohen Würde neigten, auf seine Verantwortung hin »seinen Freund« nicht in Ani's, sondern in sein eigenes Zelt zu führen.

Dort fand Pentaur auch den alten Gagabu, der mit vielen »Ach« und »Weh« vor Freude über seine Rettung weinte.

Alles, was ihm seine Meister vorzuwerfen hatten, schien vergessen zu sein.

Ameni ließ ihn sogleich mit einem neuen weißen Gewande bekleiden, ward nicht müde ihn anzuschauen und klopfte ihm häufig mit seinen stolzen Händen die Schulter, als wäre er sein eigener verlorener und zurückgewonnener Sohn.

Eilig mußte ihm Pentaur seine Erlebnisse mittheilen und der Dichter erzählte von seiner Gefangenschaft und Befreiung am heiligen Sinaiberge, seiner Begegnung mit Bent-Anat und daß er in der Schlacht bei Kadesch mitgekämpft habe, von einem Pfeile verwundet und von Uarda's Vater aufgefunden und gerettet worden sei. Er verschwieg nur, was er für Bent-Anat empfand, und daß er es gewesen, der den König gerettet.

»Vor einer Stunde etwa,« schloß er, »saß ich allein in meinem Zelt und sah zu den Lichtern in dem Palast hinüber, als mir die Sicherheitswächter, welche draußen warten, den Befehl des Statthalters überbrachten, ihnen in Ani's Zelt zu folgen. Was mag er von mir wollen; ich meine doch, daß er mir übel gesinnt war?«

Gagabu und Ameni wechselten einen Blick des Einverständnisses und der Letztere verabschiedete sich schnell, denn schon zu lange war er von dem Feste fern geblieben.

Ehe er seinen Wagen bestieg, gebot er den Sicherheitswächtern, ihre Posten wiederum zu beziehen, und nahm es auf sich, dem Statthalter mitzuteilen, daß sein Gast bis zum Ende des Festes in seinem Zelte verweilen werde.

Sorglos folgten ihm die Soldaten.

Ameni gelangte vor ihnen zu dem Palast und betrat den Festsaal, als der Statthalter schon seinen Gästen ihre Plätze angewiesen hatte.

Der Oberpriester ging geraden Wegs auf Ani zu, verneigte sich vor ihm und sagte: »Verzeih' mein langes Ausbleiben; aber eine seltene Ueberraschung hielt mich zurück. Der Dichter Pentaur lebt, wie Du weißt, und bis zu Deiner Heimkehr lud ich ihn als Gast in mein Zelt, um den Propheten Gagabu zu pflegen.«

Der Statthalter erblaßte und lächelte Ameni sprachlos und gläsern an. Aber bald fand er seine Fassung wieder und sagte: »Du siehst, mit wie unwürdigem Verdacht ihr mich gekränkt habt. Ich wollte euch morgen selbst euren Liebling zuführen.«

»Verzeih' dann, daß wir Dir zuvorgekommen sind,« sagte Ameni und nahm seinen Platz in der Nähe des Pharao ein.

Hunderte von Sklaven eilten mit köstlichem Geschirre beladen in die Halle. Mischkrüge von Gold und Silber in zierlicher getriebener Arbeit wurden auf Rädern in den Saal gefahren und auf die Schenktische gestellt; in den von der Decke herniederhängenden Muscheln und Lotosblumen von schön bemaltem Holze lagen Kinder und warfen über den die Säulen verbindenden, durchsichtigen Tüchern, wie auf Wolken schwebend, Rosen und Veilchen auf die Tischgenossen hernieder. Harfenspiel und Gesang erscholl aus verborgenen Räumen, und von einem sechs Ellen hohen goldenen Altar in der Mitte des Saales stieg berauschender Wohlgeruch in die Höhe.

Der König, den sie in seinen Titeln »den Sohn der Sonne« nannten, strahlte wie der Sonnengott selbst. Seine Kinder umgaben ihn wieder, Mena kredenzte ihm heute wie in früheren Zeiten den Becher, und Alles, was groß war in seinem Lande, war um ihn geschaart und freute sich mit ihm seiner Siege und seiner Heimkehr.

Ihm gegenüber saßen die Frauen, und gerade vor ihm, seine Augen erfreuend, Bent-Anat und Nefert.

Der Mena ertheilte Rath, den Becher fest zu halten, erschien kaum überflüssig, denn nur zu oft wandte er seinen Blick von dem Pokale des Königs auf sein liebliches Weib, aus deren Mund er noch kein Wort des Willkomms vernommen, deren Hand er noch nicht wieder berührt hatte.

Festlich bewegt war jeder der Gäste.

Ramses erzählte von der Schlacht bei Kadesch und der Oberpriester von Heliopolis sagte. »In später Zeit noch werden die Sänger Deine Thaten preisen.«

»Nicht das, was ich verrichtet habe,« unterbrach ihn der König, »soll ihr Lied feiern, sondern die Huld des Gottes, der euren Herrscher wunderbar rettete und den ägyptischen Waffen den Sieg verlieh über zahllose Feinde.«

»Sahst Du den Gott mit eigenen Augen und in welcher Gestalt trat er zu Dir?« fragte Bent-Anat.

»Seltsam ist das,« antwortete Ramses ernst: »aber er glich dem verstorbenen Vater des Verräthers Paaker. Hoch war mein Retter von Wuchs und schön von Antlitz. Tief und zu Herzen gehend war seine Stimme und wie ein Spielzeug schwang er die Streitaxt.«

Ameni hatte den Worten des Königs aufmerksam gelauscht; jetzt neigte er sich tief und sagte bescheiden: »Wär' ich jünger, so versucht' ich wohl selbst, wie das Sitte war bei den Vätern, diese herrliche That eines Gottes und seines erhabenen Sohnes beim Festmahl im Liede zu feiern; aber mit den Jahren geht der Schmelz unserer Stimme dahin und nach dem jüngern Sänger sucht das Ohr des Hörers. Nichts fehlt bei Deinem Feste, freigebiger Ani, als der Dichter, der in begeisterter Rede zum Saitenspiele die Großthat unseres Gebieters feiert, und doch weilt in unserer Nähe der gottbegnadigte Pentaur, der edelste Zögling des Setihauses.«

Bent-Anat erblaßte und die anwesenden Priester, welche den in ganz Aegypten hochgeschätzten jungen Dichter betrauert hatten, gaben ihrer Freude und ihrem Erstaunen Ausdruck.

Der König hatte durch seine Söhne und namentlich durch Rameri Pentaur rühmen hören und gab gern seine Zustimmung, als Ameni ihn fragte, ob er den Dichter, der bei Kadesch mitgekämpft habe, rufen und zu einem Festgesang auffordern dürfe.

Der Statthalter schaute bleich und beunruhigt in seinen Becher, der Oberpriester aber stand auf, um Pentaur in eigener Person aufzusuchen und vor den König zu führen.

Neue Gerichte wurden in Ameni's Abwesenheit aufgetragen. Hinter jedem Gaste stand ein silbernes Becken mit Rosenwasser, in das er von Zeit zu Zeit die Finger tauchte, um sie vom Fette zu säubern. Die dienenden Sklaven waren stets mit reich gestickten Tüchern zum Abtrocknen der Hände zur Hand,In mehreren griechischen Papyrus des Louvre werden Servietten (εκμαγει̃α) erwähnt; auch auf Bildern von Gastmählern aus alter Zeit tragen Diener solche am Arme. während andere von dem Haupt und Hals der Zecher die welkenden Kränze nahmen und durch frische ersetzten.

»Du bist bleich, mein Kind,« sagte Ramses, sich an Bent-Anat wendend. »Wenn Du Dich müde fühlst, so wird Dir Dein Oheim gestatten, das Fest zu verlassen; doch solltest Du, dächt' ich, verweilen, bis der vielgepriesene Dichter sein Lied gesungen. Wer so gelobt wird wie er, hat es schwer, die Hörer zu befriedigen. Aber, wahrlich, Du beunruhigst mich, meine Tochter; willst Du gehen?«

Der Statthalter war aufgestanden und sagte dringend: »Deine Gegenwart hat mein Fest geehrt; doch da es Dich ermüdet, so bitt' ich Dich, mir zu gestatten, Dich mit den Frauen in die Dir bestimmten Gemächer zu führen.«

»Ich bleibe,« erwiederte Bent-Anat leise, aber entschieden und schaute mit hochklopfendem Herzen zu Boden, denn das beifällige Gemurmel der Gäste belehrte sie, daß Pentaur den Saal betreten habe.

Bescheiden und verwirrt von dem ungewohnten Glanze, welcher ihn hier umgab, trat der Dichter, von Ameni geführt, vor den König.

Er trug das lange weiße Gewand der Priester des Setihauses, und die Straußenfeder, welche die Eingeweihten auszeichnete, an der Stirn.

Erst als er dicht vor dem Könige stand, erhob er die Augen, warf sich vor ihm nieder und wartete auf den Wink des Pharao, sich wieder zu erheben.

Aber Ramses zauderte lange, denn tief bewegte ihn der Anblick der zu ihm aufschauenden Jünglingsgestalt.

War dieß der vermeinte Gott, war dieß sein Retter? Täuschte ihn wiederum eine Aehnlichkeit oder umfing ihn ein Traum?

Schweigend schauten die Festgenossen auf den regungslos dasitzenden Pharao und den Dichter.

Endlich winkte Ramses, Pentaur erhob sich und tiefe Röthe färbte sein Antlitz, als er Bent-Anat in seiner Nähe erblickte.

»Du kämpftest vor Kadesch?« fragte Ramses mit erregter Stimme.

»Du sagst es,« antwortete Pentaur.

»Man rühmt Dich als Dichter,« fuhr der König fort, »und uns verlangt, meine wunderbare Rettung im Liede feiern zu hören. Willst Du es wagen, so laß Dir ein Saitenspiel bringen und singe.«

Der Dichter verneigte sich und sagte: »Bescheiden sind meine Gaben, aber ich will es versuchen, die schönste That vor dem Helden selbst, der sie mit dem Beistand der Götter verrichtet, zu preisen.«

Ramses winkte und Ameni ließ seinem Schüler eine große goldene Harfe bringen.

Pentaur berührte die Saiten leicht mit den Fingern, lehnte sein Haupt an die Spitze des hohen Bügels der Harfe, schaute lange Zeit in's Weite, richtete sich dann männlich auf, griff kräftig in die Saiten und entlockte ihnen in kühnen Rhythmen weithin schallende, kriegerisch kräftige Töne.

Dann begann er in erzählendem Tone zu berichten, wie Ramses vor Kadesch sein Lager aufgeschlagen, wie er seine Truppen geordnet und gegen die mit den Cheta verbündeten Asiaten in's Feld geführt habe.

Gewaltiger und immer gewaltiger klang seine Stimme, als er den Wendepunkt des Kampfes, die Rettung des von Feinden umzingelten Königs zu feiern begann. Hoch aufgerichtet lauschte der Pharao, als Pentaur sang:Wörtliche Uebersetzung aus dem »das Epos des Pentaur« genannten altägyptischen Heldengedicht. S. Anmerkung 252.

        »Da erhob sich der König, mit freudigem Muthe
Die Waffen ergreifend und panzerumgürtet,
Vergleichbar dem Baal in der Stunde des Kampfs.
Die erhabenen Rosse, welche ihn trugen,
»Für Theben der Sieg« ward das eine genannt,
Das andere aber »befriedigte Nura«,
Sie traten hervor aus den Ställen der Sonne,
Des Lieblings des Amon, des Herren der Wahrheit,
Den sich Gott Ra zum Vertreter erkoren.
Auf schwang sich der König und drang in die Mitte
Der wogenden Reihen der elenden Cheta.
Er befand sich allein und kein Anderer war bei ihm!
Und als er hervortrat, von Allen gesehen,
Die hinter ihm waren, da ward er umzingelt
Von feindlichen Wagen zweitausend fünfhundert.
Versperrt war der Rückzug durch zahllose Massen
Der elenden Cheta und alle der Völker,
Die mit ihm verbündet; die Krieger von Arad,
Das mysische Heer, die pisidischen Streiter.
Drei Krieger von ihnen trug jeglicher Wagen
Und brüderlich waren sie Alle vereint.

»Kein Fürst blieb bei mir, kein Führer der Truppen,
Kein Lenker der Schützen, kein Leiter der Wagen!
Verlassen hat mich das entmuthigte Fußvolk,
Es flohen die Reiter und Keiner hielt Stand,
Um mit mir Seit' an Seite zu kämpfen.«
So sprach der Erhabene und rief im Gebete:
»Gott Amon, mein Vater, ich weiß wie Du bist!
Vergäße der Vater wohl je seines Sohnes?
Vergaß ich Dich jemals bei dem was ich that?
Bin ich nicht gewandelt und stand ich nicht stille
Nach Deinem Geheiß, den Geboten gehorsam?
Wohl ist sehr erhaben der Herr von Aegypten,
Doch ist er vor Deiner allmächtigen Größe
So klein wie ein wandernder Stamm in der Wüste.
Vor Dir, was sind denn diese Semiten?
Den Unfrommen, Himmlischer, lähmst Du die Kräfte.
Doch ich? Gab ich Dir nicht zahllose Opfer?
Mit Gefangenen füllt' ich Dein heiliges Wohnhaus,
Errichten ließ ich für Dich einen Tempel
Im festesten Bau für Millionen von Jahren.
Deine Speicher erfüllt' ich mit Allem was mein ist.
Ich bot Dir die Welt, um Dein Reich zu vergrößern,
Und dreißigmal tausend von kräftigen Stieren
Ließ ich für Dich schlachten aus duftigen Hölzern.
Ich ließ Dir vollenden hochragende Thore
Und pflanzte davor die bewimpelten Maste.
Obelisken ließ ich aus Abu Dir kommen
Und ewige Steine Dir zubereiten.
Für Dich durchfahren das Meer meine Schiffe,
Damit sie Dir bringen den Zoll der Nationen.
So that ich, denn elend fürwahr ist das Schicksal
Des Mannes, der dem widerstrebt, was Du vorschreibst.
Und dennoch regierst Du mit liebreichem Herzen.
Wie der Sohn seinen Vater, so ruf' ich Dich, Amon!
Schau nieder auf mich, den die zahllosen Massen
Der Völker, die fremd Deinem Herzen, umgeben.
Gegen mich verbündet sind alle Nationen,
Ich stehe allein und kein Anderer ist bei mir!
Verlassen bin ich von all' meinem Fußvolk,
Es sucht mich kein Reiter mit sorgendem Blick,
Ich rief sie, und Niemand vernahm meine Stimme,
Doch denk' ich: der schützende Wille des Amon
Hat größere Kraft als Millionen Soldaten,
Als hundert Tausendschaften von Reitern
Und zehnmal tausend der leiblichen Brüder
Und blühenden Söhne im festesten Bund.
Das Werk der Menschen, wie groß ihre Zahl sei,
Wird nichtiger Schatten vor Deinem Thun.
Deines Mundes Rathschluß lenkte mein Handeln,
Und Gehorsam erwies ich, wenn Amon gebot.
So ruf' ich Dich an, und es halle mein Rühmen
Bis hin zu den äußersten Grenzen der Welt.«

Ja! bis nach Hermonthis drang hin seineDer ägyptische Text behält die erste Person bei. Stimme
Und erschienen ist Amon auf seinen Ruf.
Er reichte die Hand ihm. Auf schrie er vor Freude
Und hinter ihm sprach er: »Ich komm' Dir zu Hülfe,
Ramses, und werde zur Seite Dir stehn!
Ich bin es, Dein Vater, und trag' Dich auf Händen,
Und hülfreicher bin ich als hundertmal Tausend.
Die Tapferkeit lieb' ich als Stärkster der Starken;
Ein Heldenherz fand ich; ich sinne ihm Segen,
Und das, was ich plane, erfüllt sich gewiß.«

Da warf er, vergleichbar dem Menth, mit der Rechten
Den befiederten Pfeil und erhob mit der Linken
Seine wuchtige Streitaxt und fällte die Feinde:
Er schlug sie wie Baal in der Stunde der Schlacht.
In Stücke zerfallen die feindlichen Wagen,
Zweitausend fünfhundert. Die Lenker verzagen:
Es findet nicht einer die Hand, um zu kämpfen,
Und lähmend ergreift ihre Glieder die Furcht.
Sie wissen nicht mehr ihre Pfeile zu schleudern,
Zum Schwunge der Lanzen versagen die Kräfte,
Nun drängt er die Schaaren, sie stürzen in's Wasser . . .«

Grabesstille herrschte in dem weiten Festsaale.

Ramses hatte den Dichter angeschaut, als wollte er sein Bild in seine Seele ziehen, um es dort mit einem andern seit dem Tage von Kadesch unvergessenen zusammenzuführen und zu vergleichen.

Kein Zweifel, sein Retter stand vor ihm!

Einem plötzlichen Antriebe folgend, unterbrach er den Dichter mitten in seinem ihn tief erregenden Sang und rief seinen Tischgenossen zu: »Ehret Diesen, denn seine Gestalt wählte die Gottheit, um euren König zu retten, als er allein war und die Tausende ihn umringten!«

»Heil Pentaur!« brauste es durch den weiten Saal.

Da erhob sich Nefert und überreichte erröthend dem Dichter den Blumenstrauß, den sie an ihrer Brust getragen.

Beifällig nickte Ramses ihr zu und sah fragend auf seine Tochter.

Bent-Anat erwiederte seinen Blick verständnisvoll und mit der dringenden Innigkeit der kindlichen Bitte, nahm den Kranz, der ihr volles Haar geschmückt hatte, vom Scheitel, trat mit demselben auf Pentaur zu und legte ihn, wie die Bräute vor der Stunde der Hochzeit ihren Verlobten, ihm auf sein Haupt.

Betroffen folgte Ramses diesem Thun seines Kindes, dem die versammelten Gäste mit lautem Zuruf antworteten.

Ernst war der Blick, mit dem er Bent-Anat und den Jüngling maß.

Voller Spannung waren die Augen der Tischgenossen auf ihn und den Dichter gerichtet, und es schien, als habe Ramses ihre Gegenwart vergessen, als befände er sich allein mit seinen Gedanken.

Nach und nach ging eine Wandlung vor in seinen Zügen. Sie klärten sich auf wie eine von Nebel umhüllte Landschaft, wenn die Frühlingssonne hervorbricht.

Als er seinen Blick wieder erhob, war er klar und freudig und Bent-Anat wußte, was er ihr bedeute, als er erst auf ihr, dann auf ihrem Freunde, dessen Haupt noch immer ihr Blumenkranz zierte, mit Wohlgefallen verweilte.

Endlich wandte sich Ramses von den Liebenden ab und rief seinen Zechgenossen zu: »Die Mitte der Nacht ist vorüber und ich verlasse euch jetzt. Zum morgenden Abend lade ich euch Alle, und Dich besonders, Pentaur, als meine Gäste in diesen Festsaal. Füllet noch einmal die Becher und laßt sie uns leeren auf die lange Friedenszeit, welche unseren Siegen folgen soll, die wir mit Hülfe der Götter erstritten haben. Danken wir auch mit diesem Trunke meinem Freunde Ani, der uns hier so köstlich bewirthet, und der das Reich, während wir in der Ferne weilten, treu und sorgfältig verwaltet hat!«

Die Gäste thaten dem Könige Bescheid, welcher dem Statthalter treuherzig die Hand schüttelte und dann, von ihm, seinen Stabträgern und Kammerherren geleitet, die Halle verließ, nachdem er Ameni, Mena und den Frauen durch einen Wink ihm zu folgen befohlen hatte.

Nefert begrüßte Mena, um sich alsbald wieder von ihm zu trennen, denn sie hatte der dringenden Bitte ihrer Mutter nachgegeben, diese Nacht nicht bei Bent-Anat, sondern bei ihr, die ihr so Vieles zu vertrauen habe, zuzubringen. Katuti's Wagen brachte sie schnell in ihr Zelt.

In dem zu seinen Gemächern führenden Vorsaal verabschiedete sich Ramses von den Seinen.

Nachdem seine anderen Begleiter zurückgetreten waren, winkte er Bent-Anat und fragte gütig: »Was dachtest Du Dir, als Du dem Dichter Deinen Kranz auf die Stirn drücktest?«

»Was jedes andere Mädchen in Aegypten denkt, die das Gleiche thut,« antwortete Bent-Anat mit vertrauensvoller Offenheit.

»Und Dein Vater?« fragte Ramses.

»Mein Vater weiß, daß ich ihm gehorsam sein würde, auch wenn er das Schwerste, auch wenn er das Opfer meines Glücks von mir verlangte; aber ich glaube, daß er, daß Du mich herzlich liebst, und ich vergaß nicht der Stunde, in der Du mir sagtest, nun die Mutter gestorben, wolltest Du mir Vater und Mutter zugleich sein und mich zu verstehen suchen, wie sie mich gewißlich verstanden hätte. Doch was bedarf es zwischen uns so vieler Worte. Ich liebe Pentaur nicht erst seit heute mit meines Herzens erster Liebe, der höchsten Ehren erwies er sich würdig; aber wär' er auch noch so gering, der Hand Deiner Tochter würde doch die Macht gegeben sein, ihn über alle Fürsten dieses Landes zu erheben.«

»Sie hat diese Macht und Du sollst sie gebrauchen!« rief der König. »Dir selbst getreu und wahrhaftig bist Du geblieben, während Dein Vater und Hüter Dich Dir selbst überließ. In Dir lieb' ich Deiner Mutter Abbild und von ihr hab' ich gelernt, daß ein redliches Frauenherz besser als Männerweisheit den guten Weg zu finden weiß. Geh' nun zur Ruhe und bestelle auf morgen einen neuen Kranz, denn Du wirst ihn brauchen, mein braves Mädchen!«


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