Georg Ebers
Uarda
Georg Ebers

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierzehntes Kapitel.

Während die Freundinnen Uarda in's Leben zurückriefen und liebreich pflegten, ging Frau Katuti unruhig in ihrem Zelt auf und nieder.

Bald, nachdem sie sich fortgeschlichen, um den Brand zu legen, hatte des kleinen Scherau Geschrei ihre Tochter erweckt und sie fand ihr Lager verlassen, als sie mit bebenden Gliedern und geschwärzten Händen von ihrem verbrecherischen Werke heimkehrte.

Nun wartete sie vergeblich auf Nemu und Paaker.

Ihr Haushofmeister, den sie zu wiederholten Malen aussandte, um zu fragen, ob der Statthalter zurückgekehrt sei, brachte stets verneinende Antwort, und dazu die Kunde, daß er die Leiche der alten Hekt mitten im Wege gefunden habe.

Das Herz der Wittwe zog sich schaudernd zusammen. Finstere Ahnungen beschlichen sie, während sie auf das Geschrei der Löschenden, das Trommelgewirbel und die Trompetensignale der dem Könige zu Hülfe eilenden Soldaten lauschte.

Jetzt schlug auch der dumpfe Schall von zusammenstürzenden Balken und Wänden an ihr Ohr.

Da umspielte ein Lächeln ihre schmalen Lippen und sie dachte: »Das traf vielleicht den König und meinen lieben Schwiegersohn, dessen Verdienst es nicht ist, wenn wir nicht in Schande umgekommen sind, und der sich nach dem, was vor Kadesch geschehen, an seinen geduldigen Herrn hängen wird wie ein Kalb an die weidende Kuh.«

Neuer Muth erfüllte sie und sie hörte vor ihrem innern Ohr die Stimmen der den Statthalter zum König ausrufenden äthiopischen Truppen. Sie sah Ani geschmückt mit der Krone von Ober- und Unterägypten auf dem Throne des Ramses und sich selbst in einfacher, aber ausgesucht kostbarer Kleidung neben ihm. In Mena's durch ihn vergrößertem und von Schulden befreitem Erbe sah sie sich mit ihrem Sohn und ihrer Tochter walten und ein neuer glänzender Plan erfüllte sie mit berauschender Hoffnung. Vielleicht war Nefert schon in dieser Stunde eine Wittwe und warum sollte es ihr nicht glücken, Ani zu bestimmen, ihr Kind, das schönste Weib in Aegypten, zu seiner Gemahlin zu erwählen? Dann war sie die Königinmutter und unantastbar und allmächtig. Den Wegeführer Paaker hatte sie sich längst als ein beiseite geworfenes und bald ganz zu vernichtendes Werkzeug anzusehen gewöhnt. Seine Güter konnten vielleicht dereinst auf ihren Sohn übertragen werden, der sich vor Kadesch ausgezeichnet hatte, und den Ani bald zu seinem Rosselenker oder zum Führer der Wagenkämpfer erheben mußte.

Von solchen Gedanken umschmeichelt, vergaß sie, schneller und schneller auf und nieder wandelnd, jede Besorgniß.

Da stürzte der Haushofmeister, welchen sie dießmal zu der Brandstätte geschickt hatte, in ihr Zelt und brachte mit allen Zeichen des Entsetzens die Kunde, der König und sein Wagenkämpfer schwebten mitten in den Flammen auf einer schmalen Brüstung, und wären, wenn kein Wunder geschähe, verloren.

Mordbrenner, so hieß es, hätten das Feuer angelegt, und er, der Haushofmeister, sei fortgeeilt, um ihr Bericht zu erstatten, als man die zerschmetterte, durch den Siegelring an seinem Finger wiedererkannte Leiche des Wegeführers Paaker und des armen, von einem Pfeil durchbohrten Nemu an ihm vorübergetragen habe.

Katuti schwieg und tief aufathmend fragte sie: »Und die Söhne des Ramses?«

»Den Göttern sei Dank,« antwortete der Haushofmeister. »Es gelang ihnen, sich an zusammengeknüpften Gewändern zur Erde hernieder zu lassen, und einige waren gerettet, als ich das Feuer verließ.«

Katuti's Züge verfinsterten sich und von Neuem schickte sie ihren Boten aus.

Die Minuten seiner Abwesenheit wurden ihr zu Tagen. Bald hob und senkte sich ihre Brust in stürmischer Bewegung, bald hemmte sie den Athem und schloß die Augen, als ob die Angst ihre Lebenskraft auslösche.

Endlich, lange nach Sonnenaufgang, erschien der Haushofmeister wieder.

Bleich, bebend, kaum mächtig seiner Stimme, warf er sich vor der Wittwe nieder und rief klagend: »O, diese Nacht! Fasse Dich, Herrin! Möge Isis, die auch ihren lieben Sohn wund zusammenbrechen sah im Kampfe für seinen Vater und König, Dich trösten, und Amon, der große Gott von Theben, Dir Kraft verleihen! Unser Stolz, unsere Hoffnung, Dein Sohn ward von stürzenden Balken erschlagen.«

Starr und todtenbleich, aber thränenlos vernahm Katuti diese Worte.

Minutenlang schwieg sie, dann fragte sie dumpf: »Und Ramses?«

»Die Götter wollen wir loben!« entgegnete der Haushofmeister: »er ist gerettet, gerettet durch Deinen Schwiegersohn Mena!«

»Und Ani?«

»Verbrannt! Bis zur Unkenntlichkeit entstellt fanden sie seine Leiche. Sie erkannten ihn nur an dem Diadem, das er beim Feste getragen.«

Katuti starrte in's Leere und entsetzt wich der Haushofmeister wie vor einer Wahnsinnigen vor ihr zurück, als sie, statt zu weinen, ihre kleinen mit Ringen bedeckten Hände zu Fäusten ballte, sie hoch erhob und in ein lautes höhnisches Gelächter ausbrach. Aber erschreckt von dem Ton ihrer eigenen Stimme legte sie sich plötzlich Stillschweigen auf und heftete ihren Blick starr zu Boden.

Sie hörte nicht und sah nicht, daß durch das Thor ihres Zeltes der Oberste der Sicherheitswächter, den sie »die Augen und Ohren des Königs« nannten, von mehreren Offizieren und einem Schreiber begleitet, ihr entgegentrat und sie bei Namen rief. Erst als der Haushofmeister sie ängstlich anrührte, fand sie sich wie eine aus tiefem Schlaf Erwachende wieder.

»Was willst Du in meinem Zelte?« fragte sie, sich stolz aufrichtend, den Beamten.

»Im Namen des Oberrichters von Theben,« sagte der Befehlshaber der Sicherheitswächter feierlich, »verhafte ich Dich und lade Dich vor Gericht, um Dich gegen die schwere und peinliche Anklage auf Hochverrath, versuchten Königsmord und Brandstiftung vor dem höchsten Gerichtshofe zu rechtfertigen.«

»Ich bin bereit,« erwiederte die Wittwe und ein höhnisches Lächeln umspielte ihre Lippen.

Dann wies sie mit der ihr eigenen Würde auf einen Stuhl und sagte: »Nimm Platz, damit ich mich kleide!«

Der Beamte verneigte sich, blieb aber an der Zeltthüre stehen, während sie ihr schwarzes Haar zusammenfaßte, ihr Diadem auf die Stirn drückte, ihren Salbenkasten öffnete und demselben rasch ein Fläschchen mit dem schnell wirkenden Strychnosgift,S. Bd. I. S. 42. das sie sich schon vor Monaten durch Nemu von der alten Hekt verschafft hatte, entnahm.

»Meinen Spiegel!« rief sie ihrer in einer Ecke des Zeltes kauernden Dienerin zu.

Dann hielt sie die metallene Scheibe vor ihr Antlitz, so daß es der Beamte nicht zu sehen vermochte, legte das Fläschchen an ihre Lippen und leerte es auf einen Zug. Der Spiegel entfiel ihrer Hand, sie taumelte, ein tödtlicher Krampf beugte ihren Nacken, der Beamte eilte auf sie zu, und indem sie ihn sterbend ansah, sagte sie deutlich: »Mein Spiel ging verloren, aber auch Ameni, auch Ameni, sage ihm das, wird nichts gewinnen!« Sie sank zusammen, murmelte Nefert's Namen, kreischte markerschütternd auf und war eine Leiche.

Wenn der Trank des Glückes für einzelne Menschen sich zur hellsten krystallenen Reinheit abklärt, so unterläßt es selten das Schicksal, einen trübenden Tropfen hineinzugießen. Aber sie sollen ihm darum nicht zürnen, denn gerade dieser Tropfen ist es, der sie mahnt, die Gaben des Lebens maßvoll und dankbar zu genießen.

Mena's und Nefert's selige Lust war zwar durch Katuti's gewaltsamen Tod getrübt worden, aber Beide fühlten nun erst recht den Ernst ihrer Liebe.

Mena hatte seiner Gattin die Mutter und den Bruder zu ersetzen und Nefert Vieles gut zu machen, was die Verstorbene an ihrem Gatten verschuldet.

Sie empfanden nun, daß sie einander nicht nur zur Lust, sondern um sich gegenseitig zu stützen und zu tragen wiedergefunden hätten.

Voll Dank gegen die Himmlischen, die ihn und die Seinen gnädig erhalten, verließ Ramses die rauchende Brandstätte.

Er befahl zahllose Stiere zu schlachten und Freudenfeste im ganzen Lande zu feiern; aber ernste Trauer erfüllte sein Herz über die Täuschung, der er zum Opfer gefallen. Er sehnte sich, wie immer, wenn er fühlte, daß das Gleichgewicht seiner Seele gestört sei, nach einer einsamen Stunde und ließ sich in sein schnell für ihn errichtetes Lagerzelt führen.

Ani's prächtige Behausung zu betreten hatte er sich geweigert, denn es war ihm, als sei sie wie eines Aussätzigen Wohnung durch Verrath und Lüge verpestet.

Eine Stunde lang blieb er allein und maß das Schlimme, das ihm von Seiten der Menschen widerfahren, mit dem Erfreulichen und Guten, und er fand, daß das Letztere das Erstere weit überwiege. Wie groß die Erkenntlichkeit sei, welche er nicht nur seinen himmlischen, sondern auch seinen irdischen Freunden schulde, trat ihm voll in's Bewußtsein, als er sich Minute für Minute die Ereignisse dieses Morgens in das Gedächtniß zurückrief. Dankbar zu sein, sagte er sich, lehrte dich deine Mutter, lehrtest du selbst deine Kinder. Fromm ist, wer sich dankbar erweist gegen die Götter, und gut, wer den Dank nicht vergißt, den er den Menschen schuldet.

Alle Bitterkeit war von ihm gewichen, als er Bent-Anat und Pentaur in sein Zelt berief. Er ließ sich von seiner Tochter erzählen, wie sich ihr Herz dem Dichter zugewandt habe, unterbrach sie dabei nicht selten mit Lob und mit Tadel, und väterliche Freude erfüllte sein Herz, als er die Hände seines Lieblingskindes in die des Dichters legte.

Bent-Anat lehnte ihr Haupt glückselig an die Brust des Enkels des Assa, aber sie würde sich nicht weniger freudig an Pentaur, den Sohn des Gärtners, geschmiegt haben.

»Du bist jetzt einer der Unseren,« sagte Ramses und gebot dem Dichter, bei ihm zu bleiben, als er den Herolden, Botschaftern und Dolmetschern befahl, die asiatischen Fürsten, welche am jenseitigen Nilufer in ihren Zelten harrten, zu ihm zu berufen, um mit ihnen auf lange Zeit gültige Verträge abzuschließen.

Ehe sie erschienen, traten die Söhne des Pharao in das Zelt ihres Vaters und erfuhren hier von dem Könige selbst, welchem Hause Pentaur angehöre und daß sie es ihrer Schwester zu danken hätten, wenn sie in ihm einen neuen Bruder gewännen.

Mit aufrichtiger Freude beglückwünschten die Prinzen das schöne und edle Paar, mit besonderer Wärme aber der junge Rameri.

Diesen Letztern ließ der König aus der Reihe seiner Brüder hervortreten und dankte ihm für seine kühne, rettende That an diesem Morgen.

Schon vor Kadesch hatte er ihn mit dem Gewande der MännerDer Schiffsoberst Ahmes erzählt in seiner biographisch gehalteten Grabschrift in seiner Gruft zu el Kab (Zeile 6), er sei mit dem »Gewande der jungen Männer« bekleidet worden und habe dann »ein Haus genommen«, d. h. einen Hausstand begründet, oder mit anderen Worten: sich verheirathet. bekleidet. Jetzt ernannte er ihn zum Befehlshaber einer Wagenkämpferlegion und beschenkte ihn mit dem am Halse zu tragenden Löwenschmuck für Tapferkeit.Diese Auszeichnung, die geradezu »der Löwenorden« genannt wird, erhielt z. B. der Feldhauptmann Amen em Heb, der unter Thutmes III. lebte. Seine von uns entdeckte, sehr interessante Grabschrift haben wir übersetzt und eingehend behandelt in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, 1876 u. 77.

Knieend dankte der Prinz seinem Vater. Dieser nahm den Krauskopf in seine Hände und sagte: »Durch schöne Thaten hast Du Dir Lob und Lohn erworben von Deinem mit solchem Sohne zufriedenen, geretteten Vater; aber der König, der über die Gesetze wacht, und dieses Landes Geschicke leitet, sollte Dir zürnen, vielleicht Dich bestrafen! Dem Zwange der Schule, in der wir den Gehorsam lernen, um später die Kunst des Befehlens mit Billigkeit üben zu können, ward es Dir schwer Dich zu fügen, und bevor wir Dich riefen, verließest Du Aegypten und kamst zum Heere. Als ein Mann erwiesest Du Dich an Muth und Kraft; als ein unbesonnener Knabe, was die kluge Vorsicht betrifft, die der Sohn eines Heldenstammes schwerer erlernt, als das schneidige Dreinhauen. Ohne Lehre stelltest Du Dich zu den Meistern des Krieges, und was war die Folge? Zweimal geriethest Du in die Gefangenschaft des Feindes und zweimal mußt' ich Dich lösen.

»Der Danaerkönig gab Dich heraus gegen seine Tochter, die Mena in seinem Zelte bewahrte. Er freut sich schon lange des zurückgewonnenen Kindes, wir aber gaben mit ihr das wirksamste Mittel aus der Hand, dem Gebieter über die immer mächtiger werdenden starken und stolzen seefahrenden Männer auf den Inseln und an den nördlichen Küsten des großen Meeres ein festes und dauerndes Friedensgelöbniß abzugewinnen.

»So seh' ich durch eines Knaben unvorsichtige Willkür das schöne Werk gefährdet, welches nun zum Abschluß gebracht werben soll. Es thut mir heute besonders weh, Deine Seele, die ich durch Lob aufrichtete, durch Tadel niederzudrücken. Ich will auch nicht strafen, sondern nur lehren und warnen. Das Getriebe des Staates gleicht den ineinandergreifenden Rädern, die ein Schöpfwerk im Nil treiben. Wenn Eines versagt, so kommt das Ganze zum Stillstand, so kräftig die Stiere auch sind, die den Balken drehen. Ein Jeder von euch, das behaltet im Sinn, ist ein Hauptrad im Kunstgetriebe des Staates und kann nur nützen, wenn er den leitenden Mächten sich widerstandslos fügt. Erhebe Dich nun! Vielleicht wird es gelingen, dem Danaerkönige auch ohne Geiseln gute Bürgschaften abzugewinnen.«

Herolde traten in das Zelt und verkündeten, daß der Vertreter des Chetakönigs und die mit dem letzteren verbündeten Fürsten in dem Berathungssaale des Pharao harrten. Ramses ließ sich mit der Krone von Ober- und Unterägypten und seinem vollen Ornate schmücken. Seine Ceremonienmeister, die Träger der Insignien seiner Macht, und die mit Federn geschmückten Obersten seiner Schreiber schritten ihm voraus, während seine Söhne, die Oberbefehlshaber seines Heeres und die Dolmetscher ihm folgten.

Würdevoll ließ sich Ramses auf seinem Throne nieder und strenger Ernst strahlte aus seinen Augen, während er die Huldigung der von ihm besiegten Verbündeten in Empfang nahm.

Alle Asiaten küßten den Boden vor seinen Füßen; nur der Danaerkönig begnügte sich mit einer Verbeugung.

Ramses schaute ihn unwillig an und ließ ihn durch die Dolmetscher fragen, ob er sich für geschlagen halte oder nicht? und Jener ertheilte die Antwort, er sei nicht als Gefangener vor dem Pharao erschienen und was Ramses von ihm verlange, entehre nach der Sitte seiner Heimat freigeborene Männer, die sich nur vor den Göttern zu Boden würfen. Er hoffe ein Bundesgenosse des Herrschers von Aegypten zu werden und er frage ihn, ob er einen Entehrten zum Freunde begehre?

Ramses maß die stolze, edel gebaute Gestalt des also redenden Fürsten mit den Augen und sagte streng: »Nur mit solchen Gegnern bin ich Frieden zu machen geneigt, die sich willig vor der Doppelkrone auf meinem Haupte neigen. Bestehst Du auf Deiner Weigerung, so wirst Du und die Deinen nicht Theil haben an den milden Verträgen die ich mit diesen Deinen Verbündeten zu schließen gedenke.«

Der Danaer bewahrte seine selbstbewußte und doch von Ueberhebung freie Haltung, als ihm diese Worte des Königs verdolmetscht wurden, und gab ihm zurück, daß er in der Absicht, auch um hohen Preis Frieden zu schließen, gekommen sei, sich aber weder vor einer Krone noch vor einem Menschen in den Staub werfen wolle und könne. Am folgenden Tage werde er abziehen; bitte aber in seinem und seiner Tochter Namen – und er habe gehört, daß die Aegypter die Frauen ehrten – um eine Gunst. Der König wisse, daß sein Rosselenker seine Tochter nicht wie eine Gefangene, sondern wie eine Schwester gehalten habe, und Praxilla hege nun den von ihm getheilten Wunsch, dem edlen Mena Lebewohl zu sagen und ihm und seiner Gemahlin für so großen Edelmuth zu danken. Ramses möge ihm gestatten, vor seiner Abfahrt noch einmal den Strom zu überschreiten und mit seiner Tochter ihren Wohlthäter in seinem Zelte aufzusuchen.

Der Pharao gewährte diese Bitte, der Danaer verließ das Zelt und die Verhandlungen begannen.

In wenigen Stunden waren diese zu Ende geführt, denn den zu unterzeichnenden Vertrag hatten die ägyptischen und asiatischen Schreiber schon während des langen Marsches vereinbart. In der Ramsesstadt Tanis, welche die zahlreichen dort ansässigen Semiten Zoan nannten, sollte das Friedensinstrument in sorgsam zu erwägenden Sätzen niedergeschrieben und unterzeichnet werden.

Die asiatischen Fürsten durften als Gäste an der Mahlzeit des Königs teilnehmen. Sie saßen an einem besondern Tische, denn es würde die Aegypter verunreinigt haben, an der gleichen Tafel mit den Fremden zu speisen.

Ramses war nicht vollkommen zufrieden.

Wenn der Danaer, ohne sich mit ihm geeinigt zu haben, abzog, so war zu erwarten, daß der Frieden, den er ernstlich ersehnte, wiederum nur von kurzer Dauer sein würde, und dennoch fühlte er, daß er schon aus Rücksicht gegen die anderen Besiegten dem Danaerfürsten, so sehr ihm dessen männliche Persönlichkeit auch zusagen und so achtunggebietend ihm die Kraft der von ihm in den Kampf geführten Völker auch erscheinen mochte, keine Demüthigung schenken dürfte, die er ihnen aufzuerlegen gezwungen und, wie er glaubte, berechtigt war.

Schon ging die Sonne zur Rüste, als Mena, dem der König Urlaub ertheilt hatte, glühend vor Erregung zu den an der Tafel versammelten Fürsten trat und dem Könige die Bitte, ihm etwas Wichtiges mittheilen zu dürfen, vortragen ließ.

Ramses winkte ihm, der Rosselenker trat in seine Nähe und Beide führten miteinander ein leises, aber lebhaftes Gespräch.

Endlich erhob sich der Pharao von seinem Thron und rief Bent-Anat zu: »Dieser Tag, der schrecklich begonnen, will freundlich enden. Das liebliche Kind, das Dich heute gerettet und das fast eine Beute der Flammen geworden wäre, ist von hoher Abkunft.«

»Einem fürstlichen Hause entstammt sie,« rief Rameri, den Vater unehrerbietig unterbrechend.

Ramses blickte ihn tadelnd an und sagte: »Meine Söhne schweigen, bis ich sie frage.«

Der Prinz schaute erröthend zu Boden, der König stand auf, winkte Bent-Anat und Pentaur, ersuchte seine Gäste, ihn auf kurze Zeit zu entschuldigen, und schickte sich an, das Zelt zu verlassen. Da nahte sich ihm Bent-Anat, schaute ihn bittend an und flüsterte ihm einige auf ihren Bruder bezügliche Worte zu; und nicht vergebens, denn Ramses hemmte den Fuß, schaute einige Augenblicke sinnend zu Boden und wandte dann seinen Blick auf den Krauskopf, den er beschämt und wie angewurzelt auf seinem Platze stehen sah. Da rief er seinen Namen und winkte ihm, daß er ihm folge.


 << zurück weiter >>