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Der Friede zu Aachen.

Bei allem Ruhm der französischen Waffen fühlte jedoch Frankreich die Unmöglichkeit: den Krieg fortzusetzen. Es war erschöpft, denn nicht bloß mußte es seine Gelder verschwenden, um Verbündete zu erhalten, sondern auch, um jene prunkhaften Reisen des Königs mit seiner Maitreffe und einem zahllosen Schwarm kostspieliger höfischer Müßiggänger zu bezahlen, Reisen, welche nachgerade der königlichen Favorite, der Frau von Pompadour mißliebig wurden, weil sie am Ende durch irgend eine Intrigue oder ein Ungefähr ihren Einfluß, ihre Stellung einzubüßen fürchtete. Dabei verlor nun Frankreich auch zur See, in Folge seines Bündnisses mit Spanien, durch glückliche Expeditionen der Engländer Schiffe, Schätze und Menschen, und daheim stieg die Noth des eigentlichen Kerns der Nation, der erwerbenden Klasse, unter dem Druck einer gewissenlosen Regierung und nichtswürdigen Verwaltung. So war es denn also für Frankreich gebieterische Nothwendigkeit, Frieden zu schließen, und zwar so bald als möglich; schon nach der Schlacht bei Laffeldt machte der Marschall von Sachsen dem gefangenen englischen General Ligonier mit aller Offenheit Anträge, welche denn auch berathen, aber damals noch verworfen wurden. Aber auch Holland hatte allen Grund, dies zu wünschen. Und so wurde denn im Oktober 1747 wenigstens die Verabredung getroffen, daß man in Aachen über einen Frieden unterhandeln wolle. Zu den Konferenzen schickte Maria Theresia den Grafen Wenzel Anton von Kaunitz-Rittberg, einen Staatsmann von ausgezeichneter Begabung, welchen sie bereits bei mehreren diplomatischen Sendungen gebraucht hatte. Von Seiten Frankreichs wurde der Graf Saint-Severin dazu beordert, dem die Pompadour die Instruktion mitgab: »Machen Sie's, so gut Sie können, mein Herr, aber kommen Sie uns ja nicht anders zurück, als mit dem Frieden in der Tasche; es ist mir vergönnt, Ihnen zu bestimmt zu sagen, daß dieses der einzige und letzte Wille des Königs sei.« England sandte den Grafen Sandwich; die Republik Holland fünf Unterhändler mit dem Grafen Bentink an der Spitze; Spanien Masones de Lina, Sardinien den Grafen Chabans; auch Bevollmächtigte der Republik Genua und des Herzogs von Modena erschienen bei den Conferenzen.

Während nun die Unterhandlungen über den Abschluß eines Friedens betrieben wurden, dauerte der Krieg in den Niederlanden fort, und der Marschall von Sachsen unternahm im April 1748 einen Marsch zur Belagerung Maastricht's, welchem in der Geschichte seiner kriegerischen Unternehmungen eine besonders ehrenvolle Stelle angewiesen wird. Am 13. April schloß er Maastricht ein und begann die Belagerung. Anderseits erwartete eine bei Maaseyk und Ruremonde stehende österreichisch-holländisch-englische Armee ein russisches Hülfsheer von 37,000 Mann, welches in Folge des Traktats vom Juni und November 1747 in den Niederlanden dienen sollte und sich bereits in Marsch gesetzt hatte.

Alle diese Kriegsbewegungen trugen nun eben wieder bei, den Abschluß des Friedens zu beschleunigen, welcher durch Holland ebensowohl als durch Oesterreich verzögert wurde.

Holland konnte dem Falle Maastrichts nicht gleichgültig zusehen und mußte deßhalb seine anderen Bedenklichkeiten bei Seite stellen, was England ganz wohl einsah. Was Marien Theresien betrifft, so wollte sie nichts aufgeben, und dennoch beruhten die Prinzipien der Friedensbedingungen auf wechselseitiger Rückgabe der Eroberungen. Als Robinson noch im April 1748 Marien Theresien Vorschläge in Bezug auf neue Abtretungen machte, erwiederte sie, Englands Politik ganz richtig durchschauend, welche darin bestand, eine Macht durch die andere zu beschränken, folgende Worte, welche wir dem Gesandtschaftsbericht entnehmen: »Ihr, die ihr soviel beitrugt zum Verluste Schlesiens, die ihr mehr als irgend Jemand Theil hattet, die Abtretungen an den König von Sardinien durchzusetzen, glaubt ihr mich nochmals zu überzeugen? Nein! Ich bin weder ein Kind, noch eine Närrin. Eure Berichte über die Holländer sind übertrieben. Noch kann man Muth zeigen und noch ist Macht vorhanden, den Muth zu unterstützen. Wollt ihr einen augenblicklichen Frieden, nun, so schließt ihn. Ich kann beitreten, ich kann für mich selbst unterhandeln. Warum werde ich überall ausgeschlossen, in meinen eigenen Angelegenheiten zu unterhandeln? Meine Feinde werden mir bessere Bedingungen einräumen, denn meine Freunde. Wenigstens werden sie den Frieden, (dessen sie so sehr bedürfen als ich), nicht zurückweisen, wegen eines Streites, der zwischen uns und dem König von Sardinien bleibt, über ein Stückchen Land mehr oder weniger, oder über die Auslegung eines Vertrages. Wer sagt euch, daß Spanien so sehr nach Parma und Piacenza trachtet? Es würde lieber Savoyen nehmen. Stellt mich in Italien, wie ich vor dem Kriege stand, und ich will den Infanten versorgen; aber euer König von Sardinien muß alles erhalten, ohne an mich zu denken und für mich zu sorgen. Der Vertrag zu Worms ward nicht für mich, sondern bloß für ihn geschlossen. Guter Gott, wie bin ich an eurem Hofe behandelt worden! Da ist außerdem euer König von Preußen. Wahrlich: alle diese Umstände zusammen reißen zu viele alte Wunden auf und veranlassen neue Wunden.« Um die Leidenschaftlichkeit dieser Worte zu begreifen, muß man wissen, daß zwischen dem österreichischen und dem englischen Hofe Mißhelligkeiten der peinlichsten Art über die Hülfstruppen und – die Berechnung dafür, über Kontrole und Abzüge eingetreten waren, und muß man ferner bedenken, daß in dem Friedensproject für Don Philipp Parma und Piacenza in Aussicht genommen waren, welche Maria Theresia demnach verlieren sollte, wogegen nun Kaunitz auf die unbedingte Vollstreckung des Wormser Bündnisses drang und für den Fall, daß Don Philipp eine Souverainetät in Italien erhielte, mit einem Widerruf der Abtretungen drohte, die seine Fürstin an Sardinien gemacht. Der sardinische Gesandte drang wieder auf einen Ersatz für Piacenza, das seinem Monarchen abgetreten worden war, auf die Rückgabe des Finales.

Unter diesen Kollisionen vereinbarten sich denn vor der Hand die Bevollmächtigten Frankreichs, Großbritanniens und der Generalstaaten zu einem Waffenstillstand, in welchem man Maastricht einstweilen den Franzosen zur Besetzung einräumte (7. Mai), und zu den Friedenspräliminarien auf folgenden Prinzipien: Alle Eroberungen sollten wechselseits zurückgegeben, Parma, Piacenza und Guastalla an Don Philipp abgetreten werden, jedoch mit dem Heimfallsrecht an Oesterreich, wenn er ohne Erben sterben oder wenn er König von Spanien oder Neapel und Sicilien werden würde, Modena und Genua sollten ganz in den alten Stand gesetzt werden, per König von Sardinien das erhalten, was ihm durch das Wormser Bündniß zugesagt worden, die pragmatische Sanktion, sowie für den König von Preußen der Besitz von Schlesien und Glaz gewährleistet, dann der Assientotraktat erneuert werden, Dünkirchen bloß auf der Landseite befestigt, aber zur See offen sein u. s. w. Den alten schwebenden Streitfall über das Großmeisterthum des Vließordens überging man beim Abschluß mit Stillschweigen, obwohl man denselben in den Präliminarien berühret und zu seiner Erledigung einen Kongreß angesetzt hatte.

Wenn nun auch Kaunitz am 25. Mai die Präliminarien unterzeichnete, (worauf Sardinien und Modena noch im selben Monat, Spanien und Genua im folgenden beitraten) und wiewohl nach einer Uebereinkunft vom 2. August die Russen sowohl als auch die Franzosen den Rückzug antraten, so währte es doch bis zum Oktober, bis der Definitv-Frieden in Aachen unterzeichnet wurde. Zuerst (am 18. Oktober) von England, Holland und Frankreich; dann (am 20.) von Spanien, hierauf (am 23.) von Oesterreich, am 25. von Modena, am 28. von Genua, am 7. November endlich von Sardinien. Der König von Neapel trat aus dem Grunde nicht bei, weil ihm die Bestimmung widerstrebte, daß er für den Fall, daß er König von Spanien würde, Neapel an Don Philipp abtreten müsse. Die Anerkennung Franz I. als Kaiser, sowie der pragmatischen Sanktion, die Wiedererlangung der österreichischen Niederlande, die erneuerte Abtretung Schlesiens mit Glaz an Preußen und Gewährleistung durch alle Mächte (im 22. Artikel), die Abtretung Parma's, Piacenza's und Guastalla's Das Herzogtum Guastalla nahm nach dem Tode des kinderlosen letzten Herzogs Joseph Maria (15. Aug. 1746) Maria Theresia in Besitz (1747) und einverleibte es, nebst den Fürstenthümern Sadionetta, Bozzolo, Luzzara und Reggiolo, dem Herzogtum Mantua, welches schon unterm 23. April 1745 mit Mailand vereinigt worden, aber 1750 von dem Letzteren wieder getrennt und für einen lediglich vom kaiserlichen Hof abhängenden Staat erklärt wurde. an Don Philipp, sowie kleinerer Parzellen an Sardinien waren denn die Resultate des Aachener Friedens für Marien Theresien. So hatte also diese Fürstin, der man beim Beginn des österreichischen Erbfolgekrieges Alles hatte entreißen wollen, immerhin eine ehrenwerthe Stellung erlangt, – wenn es ihr möglich gewesen wäre, eben jene Verluste, wie gering sie auch gegen die angedrohten größeren waren, zu verschmerzen. Wie bei weitem mehr hatte dagegen Frankreich zu verschmerzen, welchen Ersatz hatte diese Krone für all den Verlust an Geld und Menschen! Nicht einmal den Besitz von Eroberungen sollte es behalten; höchstens konnte es sich vor der Welt mit dem Anstand eines Heldenspielers hinstellen, der das göttergleiche Schauspiel der Mäßigung mit Pathos zu verlebendigen weiß, – wenn auch jedermann die gebieterischen Gründe kannte. Maria Theresia vermochte, von ihrer Leidenschaftlichkeit hingerissen, nicht einzusehen, daß die Länder-Verluste, welche sie erlitt, nicht anzuschlagen waren gegen den völkerrechtlichen Triumph, den sie errungen, gegen den völkerrechtlichen Bestand ihrer Monarchie, welchen der Aachener Friede befestigte. Sie hatte nun einmal ein unbezwingliches und in der That nicht unbegründetes Mißtrauen gegen die Aufrichtigkeit Englands welches sie für partheiisch zu Gunsten Sardiniens hielt, wenngleich ihr kaiserlicher Gemahl seinerseits England und Oesterreich »als miteinander verheirathet« betrachten, und sich darauf etwas zu gute thun mochte: »ein ächter Engländer zu sein!« Wir werden sehen, daß dieß bei Marien Theresien mehr als augenblickliche üble Stimmung war, und wie Kaunitz, indem seine politische Ueberzeugung mit der persönlichen Antipathie Marien Theresiens zusammentraf, sich die Bahn zum Steuerruder des großen Staatsschiffes öffnete, wie er, gegen die festgewurzelten Ansichten des ganzen österreichischen Hofes, einen Umschwung des ganzen Systems der Politik zu Stande bringen konnte, ob auch alle Welt das Faktum, als es plötzlich dastand, gar nicht für möglich hielt: die Möglichkeit wurzelte nicht bloß in der geistigen Überlegenheit Kaunitzens, sondern auch in der ganzen Innerlichkeit Marien Theresiens, die sich nun einmal nicht gewöhnen konnte, in Bezug auf das, was sie von Anfang her als an ihr begangnes Unrecht betrachtete, im Verlauf der Ereignisse, wie sich Geschichte doch stets als Neugestaltung erweist, die Verwandlung des bloßen Faktums in einen Rechtszustand zu begreifen. Hier mag ein Fehler der Erziehung immerhin als vorwaltend gedacht werden. Indem sie den Aachner Frieden unterzeichnete, worin sie Schlesiens mit Glatz Abtretung neuerdings bekräftigte, anerkannte sie selbst einen neuen Rechtszustand, begab sie sich selbst jedes ferneren Rechtsanspruches auf Wiedererwerbung des ihrem Herzen so theuren Juwels, mußte sie selbst also von vorn herein jeden solchen künftigen Rechtsanspruch von ihrer Seite für ungerecht, jedes Mittel, welches sie zu einem solchen Zweck führen konnte, für unerlaubt erklären. Daß sie dennoch unterzeichnete Wie Maria Theresia die Sache betrachtete, ergibt sich daraus, daß sie dem englischen Gesandten, der sich bei ihr anmelden ließ, um ihr zu dem Frieden Glück zu wünschen, sagen ließ: »Beileidsbezeugungen wären besser angebracht.« und sich weder der Hoffnungen entschlug noch später die Mittel scheute, war Ergebniß einer Selbsttäuschung, welche sie durch sieben blutige Kriegsjahre endlich als solche erkennen mußte; wir wollen, ohne Lobredner sein zu mögen, dies eine weibliche Schwäche der sonst so großen Frau nennen, was wir bei einem Mann mit härterem Ausdruck bezeichnen würden. Auf der anderen Seite war, – möge auch der durch jene Selbsttäuschung veranlaßte Umschwung des politischen Systems sich später als nicht probehältig erwiesen, möge sich die Ueberzeugung herausgestellt haben, daß weder England, noch Frankreich, daß keine außerdeutsche Macht es mit Deutschlands Interesse ehrlich meinte und meinen konnte, – war doch jener Umschwung für Oesterreich und Deutschland, als Mittelzustand, von unberechenbarer Wichtigkeit, – zunächst deßhalb, weil er Kaunitz an's Ruder brachte, der dem Staatsleben der österreichischen Monarchie einen neuen belebenden und bewegenden Geist einflößte, welcher wieder auf ganz Deutschland seinen Einfluß äußern mußte, weil nun der Wettkampf zwischen Oestreich und Preußen eröffnet war, von welchem die meisten übrigen deutschen Staaten mehr oder minder berührt wurden; ein Wettkampf nicht bloß auf den Schlachtfeldern des siebenjährigen Krieges, sondern bereits vor demselben auf den friedlichen des politischen, geistigen, moralischen Lebens, nach einem neuen Ziele hin, von welchem man früherhin so gut wie keine Ahnung gehabt, nach dem der Humanität. Ahnte Kaunitz selbst, so geistreich und tiefblickend er, ahnte Maria Theresia, so liebenswürdig und wohlwollend sie war, welchen geschichtlichen Zwecken sie dienten? Daß ihre Reformen, so radikal sie ihrer Zeit sein mochten, nur Saatkörner kommender Zeiten? Ahnte Joseph, der späterhin das Keimen mit dem ganzen Feuer seiner schönen Seele fördern wollte, daß nach langen Jahren des Stillstandes und Rückschrittes, die Bahn des Fortschritts, auch für Oesterreich, wenn sie einmal geöffnet, für ewige Zeiten geöffnet worden? Was menschlich Ermessen und menschlich Zurückschrauben! In der Menschheit wirkt Gott, der kein Rückwärts kennt. Von all dem Kleinlichen, Unerquicklichen der Begebenheiten, von den Berechnungen der Personen, die über jeder Berechnung zu stehen glauben, bleibt dem Geist immer der Rekurs an jene höchste Instanz der Geschichte, und er hat die Gewißheit, daß er vor derselben seine Sache gewinnen wird.

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