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Die ungarische Königskrönung.

Nachdem Maria Theresia durch ein Rundschreiben vom 21. Januar 1741 die ungarischen Stände zu einem allgemeinen Reichs- und Krönungstag auf den 14. Mai berufen hatte, versammelten sich dieselben am 18. Mai in der königlichen Freistadt Preßburg, und zwar in dem Landhaus (der Kammer), woselbst die Eröffnungsreden der beiden Tafeln gehalten wurden. Aus demselben begaben sich die Stände in die alte Domkirche zu St. Martin, wo der Bischof von Erlau, als ältester Suffragan Ungarns, das » veni sancte spiritus« anstimmte und das Pontifikalhochamt hielt. Am folgenden Tage wurde die erste Sitzung gehalten und in der zweiten (am 20. Mai) der Beschluß gefaßt: Deputirte aus allen vier Reichsständen mit der Einladung zum Reichstag und zur Krönung an die Königin nach Wien zu senden. Es bestehen aber die Stände Ungarns aus der höheren Geistlichkeit, dann aus den Magnaten, ferner aus dem niederen Adel und endlich aus den freien Städten.

Die Deputation überreichte am 27. Mai der Königin die »Postulate« des Königreichs. Sie waren scharf ausgeprägt und beantragten 1) ausdrückliche Bestätigung aller Rechte und Freiheiten des Königreichs in Form einer Capitulation, 2) Abschaffung aller auswärtigen Gerichtsbarkeit in Ungarn und den eroberten Landen, in welchen bis dahin alles dem Militärgouvernement unterworfen gewesen, 3) Beiziehung der Ungarn zum Kabinet, so wie die Zusicherung: Friedensabschlüsse mit der Pforte nicht ohne Beirath der ungarischen Stände zu vollbringen, 4) Ausdehnung des Reglements von 1722 auch für Kriegszeiten, 5) Gleichstellung der ungarischen Hofkanzlei in allen Rechten und Befugnissen mit den übrigen höchsten Stellen, Unabhängigkeit derselben von der Hofkammer und dem Oberhofmarschallamt in Wien, Besetzung derselben, so wie der Obergespan-Würde, der Festungskommandanturen, der Plätze bei Finanzkammer, Zollwesen und Salzverwaltung, mit Ungarn; die Regimenter der ungarischen Nation sollten nicht reformirt, sondern den deutschen im Rang völlig gleichgestellt werden; die Finanzkammer sollte völlig unabhängig von jeder andern sein, sie und der Fiskus bei streitigen Fällen gegen Dritte nicht Selbsthülfe ergreifen, noch zu Thathandlungen schreiten, sondern den ordentlichen Lauf der Gerechtigkeit erwarten; 6) Freigebung der Ausfuhr ungarischer Produkte zum Verkauf nach Oesterreich und Steyermark; Abschaffung des dritten Pfennigs auf die zum Bedürfniß einzuführenden Waaren; Regulirung der Zollauflagen, Abschaffung des Monopols der Ochsenausfuhr nach Venedig; und Verhinderung aller Willkür in Bezug auf die Salzpreise durch stete Erhaltung von hinreichendem Salzvorrath in den Magazinen; 7) Feststellung der Repartirung der Contributionen ein für allemal auf dem Grunde einer verhältnißmäßigen Gleichheit zwischen den Gespanschaften; hiebei Wahrung der Freiungsrechte des Adels; 8) Wiederherstellung der die Autorität des Palatinus betreffenden Verordnung des Königs Mathias vom Jahre 1485; 9) endlich: Besetzung der katholischen Kirchenwürden ausschließlich mit Ungarn, sowie anderseits genaue Vollziehung der zu Gunsten der ungarischen Protestanten bestehenden Gesetze.

Maria Theresia empfing die Deputation mit schmeichelhafter Auszeichnung, und versicherte ihre Zustimmung zu denjenigen Punkten der Postulaten, durch welche die königliche Autorität nicht mit Beeinträchtigung bedroht werde; der zweite, der fünfte und der sechste Punkt wurden im Voraus bewilligt. Minder günstigen Erfolges hatte sich eine Deputation der ungarischen Protestanten zu erfreuen, welche um Erhaltung unbeschränkter Kultusfreiheit und Abstellung vieler in dieser Angelegenheit veranlaßter Beschwerden bitten wollte. Sie wurde gar nicht vorgelassen, – unter Angabe des Grundes, daß man eine Korporation nicht als eine solche anerkennen könne, nur Einzelnen sei früherhin durch Resolutionen die Erlaubniß zur Bitte am Throne verstattet worden. Das eigentliche Motiv ist unschwer zu erkennen, – Abneigung der streng im katholischen Glauben erzogenen jungen Fürstin gegen Andersgläubige, eine Abneigung, welche leicht zum Vorurtheil werden konnte, wenn nicht der Drang gewaltiger Verhältnisse ihren herrlichen Geist frühzeitig auf eine lichtere Höhe der Weltanschauung hob, auf den wahren Standpunkt des Herrschers, der stets mit dem des wahren Menschen zusammentrifft. Sie konnte von ihrem Gegner Friedrich II. lernen; wie er, der protestantische Fürst, gegen die Katholiken in Schlesien, so mußte sie, die katholische Fürstin, sich gegen die Protestanten in Ungarn benehmen; und bald zeigte es sich, daß sie begriff, wie vollkommen die persönliche Religiosität des Herrschers bestehen könne, ohne daß er mit einem Zwang über die Gewissen der Beherrschten sich selbst zu belasten braucht.

Der Drang der Verhältnisse schärfte Marien Theresiens richtigen Takt und gutes Gedächtniß. Nicht umsonst hatte sie sich geschichtliche Kenntnisse erworben; sie mußte sich jetzt, wo sie der Ungarn bedurfte, an die Tage Leopolds I. erinnern; die entsetzlichen Spuren Caraffa's und »der Schlachtbank von Eperies« mußten frisch vor den Blicken ihres Geistes stehen, die Nationalverwünschung » Beste lélek Karaffia« in ihren Ohren tönen. Sie, die Enkelin jenes Leopold, dessen Caraffa in Ungarn auf eine so furchtbare Weise die Herrschaft der Habsburger befestiget hatte, mußte den Weg des Rechts und des Vertrauens gehn, wenn sie mit der Krone des heiligen Stephan nicht blos die Huldigung, sondern auch die freie Liebe eines freien Volkes, die Begeisterung gewinnen wollte, deren nur Freie fähig sind und welche allein große Thaten schafft. Um der vollen Kraft der Nationalität theilhaftig zu werden, mußte sie ihre volle Achtung vor derselben, mußte sie sich selbst als nationale Königin zeigen.

Am 19. Juni bestieg Maria Theresia, in Begleitung ihres Gemahls, (dessen Ernennung zum Mitregenten in Ungarn durch den Reichstag ihr sehnlicher Wunsch war), und ihres Schwagers, des Herzogs Karl von Lothringen, unter freudigem Zuruf der Wiener ein prachtvoll geschmücktes Donauschiff mit vielen wallenden Fahnen, kam noch am Abend desselben Tages nach Petronell, und wurde an der ungarischen Grenze von den Abgeordneten der vier Reichsstände mit Willkommen und Glückwünschen feierlich empfangen. Prächtig war ihr Einzug in Preßburg. In sechsspännigen Wagen fuhren die hohen Prälaten und Magnaten nach dem Schlosse voraus, um die Königin dort zu erwarten. Deutsche und ungarische Würdenträger und Edelleute zogen im vollen Prunk, von ihrer Dienerschaft umgeben, dem Herzog Karl von Lothringen voran und neben ihm; zahlreiche Magnaten und Comitatsherren, in ihrer malerischen Nationaltracht aus den kostbarsten Stoffen, von Gold und Silber starrend, von Edelsteinen funkelnd, ritten auf prächtiggeschirrten stolzen Rossen, – jedem wurden noch fünf bis sechs edle Thiere nachgeführt – den königlichen Kämmerern, dem ungarischen Oberstkanzler Grafen Ludwig Batthyany, dem greisen Palatinus Grafen Johann Palfy von Erdöd und der schönen Königin voran, welche in einem weißen mit Gold und blauen Blumen gestickten Prachtgewande zur rechten Seite ihres Gemahls in einem von sechs Pferden gezogenen offenen Wagen saß; neben ihr ritten der Oberststallmeister, Graf Ferdinand Leopold von Stahrenberg, der Leibgardehartschieren-Hauptmann Graf Heinrich Joseph von Daun und der Leibgardetrabanten-Hauptmann Graf von Cordua und Alagon, so wie viele Geheime-Räthe; der Oberbereiter, die Edelknaben, die Hartschieren-Leibgarde mit Trompeten und Pauken und eine Abtheilung Kürassiere beschlossen den Zug. Auf der Schiffbrücke wehten zahlreiche Fahnen in Weiß, Roth und Grün, und standen die Trabanten, welche die Königin in's Schloß begleiteten; am Weteritzer Thor harrte der Magistrat und überreichte der Bürgermeister ihr die Schlüssel der Krönungsstadt. Unter Glockengeläut und Kanonendonner, beim Schall von Trompeten und Pauken, die stattlichen Reihen zweier Regimenter entlang, die mit klingendem Spiel aufgestellt waren, fuhr die schöne junge Königin in's Schloß, wo die Erzbischöfe, von Gran und Colocza an der Spitze der hohen Geistlichkeit, der hohe Adel und die Damen sie erwarteten, der Schloßhauptmann die Schlüssel des Schlosses überreichte und der Bischof von Erlau der Monarchin das Kreuz zum Kusse darreichte. Sie begab sich sogleich in die Schloßkapelle, wo der Erzbischof von Gran das »Herr Gott, Dich loben wir« anstimmte; Trompeten- und Paukenschall und Kanonendonner begleiteten den ambrosianischen Lobgesang.

Am 21. Juni erschien die Königin, nachdem sie die Heilige-Geist-Messe gehört, im Thronsaale des Schlosses, auf dem Thron unter einem Baldachin und beschloß den königlichen Vortrag an die Stände, welchen der ungarische Hofkanzler denselben in der Landessprache eröffnet, mit einer huldvollen und vielverheißenden lateinischen Anrede, worauf der Primas von Ungarn in einer gleichfalls lateinischen Rede den Dank der Stände aussprach. Die Königin zog sich nun in ihre Gemächer zurück, und zwei Bischöfe begaben sich sodann, in Begleitung vieler Magnaten und Edelleute nach dem Thurm, wo die heilige apostolische Krone Stephans, welche der Papst – auf himmlischen Befehl, wie die Ueberlieferung es bewahrte, – diesem Begründer des Christenthums in Ungarn gesandt, St. Stephans brauner goldgestickter Mantel und die andern Reichsinsignien aufbewahrt waren, um diese in's Schloß zu bringen.

Mit welcher Ehrfurcht die Kleinodieen als Nationalheiligthümer betrachtet wurden, sah man an dem der Krönung vorhergehenden Tage, dem 24. Juni. Am Abend dieses Tages um 6 Uhr schritten die Kronhüter mit den andern Magnaten und Deputirten aus dem Palast des Palatinus, wo sie sich versammelt hatten, nach dem Schlosse und nahmen dort den wohlverwahrten Schrein, worin sich die Reichskleinodieen, die man aus dem Thurme dahingebracht, in Empfang, um sie in die Sakristei des Domes zu St. Martin zu bringen; ein mit Goldstuck bedeckter, von 6 Pferden gezogener königlicher Wagen nahm den kostbaren Schrein auf, die Kronhüter und deutschen Kommissäre setzten sich in den Wagen, zu dessen Seiten die königlichen Garden der Hartschiere und Trabanten zogen; vor dem Kronwagen fuhren die Bischöfe und der Palatinus, es folgten demselben 20 ungarische, und eben so viele deutsche Edelleute, zur Bewachung der Krone bedienstet. So bewegte sich der Zug durch die Gassen bis zur Martinskirche; überall standen die Bürger der Krönungsstadt in Gewehr, stolz auf die Ehre, daß ihre Mauern schützend den theuern Schatz des Reiches umfingen; am Michaelerthore erwartete der Magistrat die Krone und schloß sich dem Zug an. Als der Wagen an dem Kirchhof von St. Martin ankam, hoben dieselben Magnaten, welche den Schrein aus dem Thurm in den Wagen getragen, ihn aus demselben und trugen ihn in die Sakristei des Domes, an dessen Pforte nebst den Thürhütern noch vier Magnaten, wie an der Thüre der Sakristei zwei Kastellane, sechs ungarische und sechs deutsche mit der Kronwache bedienstete Edelleute standen. Nachdem nun der Schrein in die Sakristei gebracht worden, nahmen die Kronhüter die Schlüssel zu derselben, so wie der Custos des Kapitels die zum Dom an sich. Am andern Morgen um fünf Uhr, als alle Bürger, so wie die Regimenter des stehenden Heeres in Wehr und Waffen aufgestellt waren, eröffneten die Kronverwahrer in Gegenwart der Kronhüter den Schrein und legten die Krone an den ihr bestimmten Ort, so wie den Mantel nebst den, übrigen Insignien an einen andern; die zehn Fahnen der Krone Ungarn, welche deren Herrlichkeit verkündeten, die Fahnen von Ungarn, Slavonien, Croatien, Dalmatien, Rama, Gallizien, Lodomerien, Servien, Cumanien und Bulgarien wurden in der Sakristei aufgepflanzt. So zeigte sich, daß die Krone Stephans der Nation galt wie der heilige Gral; die Edelsten suchten die höchste Ehre darin, ihre Tempeleisen zu sein.

Am 25. Juni, des Morgens um 9 Uhr. verließ Maria Theresia das Schloß, um sich in den Dom zur Krönung zu begeben. Die schöne Königin war in ungarischer Nationaltracht, ihr Kleid von Silberstoff mit Goldstickerei, mit Brillanten, Rubinen und Smaragden überreich besetzt, die Aermel von den kostbarsten Spitzen und statt der Bänder von Brillantenschnüren gehalten, das Bruststück des Kleides Perlengrund, von Brillanten, Rubinen und Smaragden, in zierlicher Goldfassung, umsäumt, das Haar ganz einfach, ohne den mindesten Kopfputz. So saß die Königin in einem von sechs herrlichen Rossen gezogenen, zurückgelegten Staatswagen, der mit grünem goldgestickten Sammt ausgeschlagen und mit schweren goldenen Fransen verbrämt war. Den Zug, welcher sich vom Schlosse durch die Vorstädte und das Michaelerthor, dann durch die Michaeler und Weteritzer Gasse nach dem St. Martinsdom bewegte, eröffneten vier königliche Einspannier zu Pferde und die herrschaftlichen Läufer und Lakaien; dann ritten, je zu Dritt, einige hundert ungarische Edelleute in prachtvollster Kleidung, hierauf die königlichen Kammerherren und Staatsräthe, die Ritter des goldenen Vließes in der Galatracht des Ordens mit der großen Ordenskette, dann der Vice-Palatinus (weil der Palatinus selbst durch Alter und Gebrechlichkeit abgehalten war, zu Roß zu erscheinen), hinter diesem der Reichsherold Ungarns mit dem Reichswappen auf der Brust und dem weißen Stab in der Hand, dann der Reichsmarschall unbedeckten Hauptes, das bloße Schwert tragend, unmittelbar vor dem Prachtwagen der Königin. Diesen begleiteten die vornehmsten Minister, wie der K. Obersthofmeister, Ferd. Leop. Graf von Herberstein, der K. Oberststallmeister Franz Anton Graf von Stahrenberg, der Leibgarde-Hartschieren-Hauptmann Graf Daun, der Trabanten-Hauptmann Graf Cordua u. s. w. Einige Compagnieen Infanterie schlossen den Zug. Als die Königin an der Pforte des Domes angelangt war, schritten ihr die Bischöfe und Prälaten Ungarns, der Kardinal-Erzbischof Kollonitsch, der päpstliche Nunzius und der venezianische Gesandte entgegen; der Erzbischof von Gran bot ihr beim Eintritt in die Kirche das Weihwasser. Trompeten und Pauken schollen, bis sie, begleitet von dem Erzbischof von Colocza und dem Bischof von Erlau, in der Kapitel-Sakristei angelangt war, wohin ihr die Kron-Abgesandten und der Reichsherold folgten. Aus derselben begab sie sich dann wieder in die Kirche zum Hochaltar hin. Den Zug eröffnete die infulirte Geistlichkeit, welcher das Kreuz vorgetragen wurde, dann kamen zehn ungarische Grafen paarweise, die wallenden Fahnen der zehn Königreiche tragend, hierauf der Reichsherold; jetzt erschienen die Kronhüter mit den Reichskleinodieen, zuerst der Königliche Kammermeister mit dem Kreuz, dann der Oberschenk mit dem Schwert des heiligen Stephan, der Quartiermeister mit dem Pacem, der Ban von Croatien mit dem Reichsapfel, der Hofrichter mit dem Scepter, der Palatinus mit der Krone und der Marschall mit dem entblößten Schwert, dicht vor der Königin, welche abermals zwischen dem Erzbischof von Colocza und dem Bischof von Erlau ging und von dem Obersthofmeister so wie von dem Magister curiae begleitet war; der Kardinal-Erzbischof Kollonitsch, der päpstliche Nuntius und der venezianische Gesandte beschlossen den Zug. Als derselbe am Hochaltare angekommen war, knieete die Königin auf der untersten Stufe desselben nieder, hörte dort die Anrede des Primas-Erzbischofs von Gran, welcher sie zu einer löblichen Regierung ermahnte, und küßte das Kreuz, welches er ihr reichte; es wurde dann, wie die anderen Insignien auf den Altar gelegt, an dessen Epistelseite der Marschall mit fünf, an dessen Evangelienseite sich der Palatinus mit den andern fünf Fahnenträgern stellte. Hierauf legte die Königin zwei Finger auf das Evangelienbuch, welches ihr der Erzbischof von Gran vorhielt, und schwur auf dasselbe den Eid, Frieden und Gerechtigkeit im Reiche zu erhalten. Nun begann die Litanei aller Heiligen, nach deren Beendigung die Bischöfe von Colocza und Erlau die Königin von dem Kissen, auf welchem sie knieete, erhoben und zur Salbung führten. Diese Ceremonie nahm der Erzbischof von Gran vor, und salbte, ein Gebet sprechend, die Königin zuerst auf der rechten Schulter, dann auf der Brust; worauf die Bischöfe sie zu dem, rechts vom Altare errichteten Throne führten und mit Beihülfe des Oberhofmeisters mit dem Mantel des heiligen Stephan bekleideten. Nun begann das Hochamt und nach dem Graduale und der Epistel, überreichte der Bischof von Erlau der knieenden Königin das entblößte Schwert St. Stephans mit den Worten: »Nimm hin das heilige Schwert als ein Geschenk Gottes, in dem du die Feinde des Volkes Gottes Israel schlagen sollst;« hierauf wurde das Schwert in die Scheide gesteckt, und die Königin damit umgürtet. Alsobald wendete sie sich zu dem Volke, zog selbst das Schwert aus der Scheide, und führte damit drei Streiche in Kreuzesform, ihren festen Willen: den Glauben zu vertheidigen, hierdurch symbolisch andeutend. Nun knieete sie abermals nieder und empfing die heilige apostolische Krone auf ihr Haupt, den Scepter in die Rechte, den Reichsapfel in die Linke, aus den Händen des Erzbischofs von Gran, welchem der Erzbischof von Colocza, der Palatinus und der Judex curiae bei dieser bedeutungsvollen Ceremonie mithandelnd beistanden. Die Krone auf dem Haupt, Scepter und Reichsapfel in den Händen, aber ohne Schwert, wurde sie nun von den Bischöfen zum Throne geleitet und auf demselben feierlich eingesetzt, wobei sich ein Prälat mit einem großen Kreuze zu ihrer Rechten stellte; da rief der Palatinus: » Vivat Rex domina nostra!« Diese Begrüßung war vorher durch ständische Berathung und Beschließung festgesetzt worden. und alles Volk rief es nach; da schmetterten Trompeten und Pauken, donnerten die Salven und ertönte das Tedeum. Die Königin aber küßte das Evangelium und gab Krone, Scepter und Reichsapfel den Insignienträgern zurück, welche sich damit um den Thron stellten. Hierauf wurde in dem Hochamt fortgefahren; bei der Communion wurde der Königin die Krone abgenommen und sie empfing hierauf das heilige Abendmal. Nach Beendigung des Hochamts zog die Königin im vollen Krönungsornat, mit der Geistlichkeit und dem Adel, den Würdenträgern des Reiches und den vornehmsten Damen aus dem St. Martinsdom in die Franziskanerkirche, wo sie vom Throne aus mit dem Schwert des heiligen Stephan 48 Edelleute zu goldenen Rittern schlug; während des Zuges hatte der ungarische Kammerpräsident, welcher hinter den Hofdamen ritt, die Krönungsmünzen mit Marien Theresiens Wahlspruch: » Justitia et clementia« rückwärts in die dichten Haufen des jauchzenden Volkes ausgeworfen. Aus der Franziskanerkirche begab sich nun der Krönungszug – die Königin zu Wagen, Bischöfe, Magnaten und Edelleute zu Roß – durch die Michaeler Gasse und das Michaeler Thor auf den Platz vor der Kirche der barmherzigen Brüder, wo eine große Bühne aufgeschlagen und mit grün-weiß-rothem Tuch bekleidet war; in Mitten derselben erhob sich ein mit Goldstoff bedeckter Auftritt. Diesen bestieg jetzt die Königin, und in Gegenwart der beiden ehrwürdigen Greise, des Primas und des Palatinus, mehrerer Bischöfe, des Judex curiae, des Ban von Croatien, des ungarischen Hofkanzlers und anderer Würdenträger, schwur sie, drei Finger emporhebend, »zu dem lebendigen Gott, der hochgebenedeiten Jungfrau Maria, seiner Mutter, und allen Heiligen, daß sie alle Prälaten, Barone, Edelleute und freie Städte in Ungarn, auch alle Einwohner dieses Königreiches in ihren Freiheiten, Gerechtigkeiten, Immunitäten, Privilegien, wie auch die guten alten Gewohnheiten erhalten und Allen und Jedem Gerechtigkeit nach den Gesetzen und Gebräuchen dieses Reiches widerfahren lassen, ingleichen die magna charta des Königs Andreas vom Jahre 1222 unverbrüchlich erhalten wolle.« Mit entblößten Häuptern hörte das dichtgeschaarte Volk, welches die Bühne umstand, den Eid, und rief dann seiner Königin ein tausendstimmiges Lebehoch. Maria Theresia aber begab sich nun nach dem Königsberg, wo ein prachtvoll geschirrtes schwarzes Roß, – Sattel, Gurt, Zügel und Bügel wie alles Gezeuge funkelte von Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen, – bereitstand, den »König« der Ungarn nach alter Sitte die Höhe hinanzutragen. Der Großherzog von Toskana sieht vom Fenster eines nächstgelegenen Hauses, zahlreiche Schaulustige auf den Giebelmauern der Häuser, deren Dächer man abgetragen, wie die schöne Königin, – das vom Wochenbette her noch blasse, schmachtende Antlitz von einer zarten Röthe überhaucht, das Roß besteigt; wie sie dann im gestreckten Lauf den Berg hinansprengt und die Höhe erreicht. Auf derselben angelangt, schwingt sie das entblößte Schwert des heiligen Stephan nach allen vier Weltgegenden – gen Osten zuerst und gen Norden zuletzt; ein herrlicher Anblick! Begeistert ruft die Nation der Königin, die das Reich mit dem heiligen Schwert gegen jeden Feind, woher er komme, vertheidigen will, ein Lebehoch zu. Die Königin aber begab sich sodann zu Wagen in das Schloß zurück, wo sie die Krone auf dem Haupt, die Haare in Locken auf die Schultern niederwallend, unter einem Baldachin auf einem Throne zum Krönungsmale niedersaß, der Erzbischof von Gran und der Palatinus reichten ihr Tuch und Wasser, Magnaten trugen die Speisen. An fünfzehn Tafeln wurden die Reichsstände kostbar bewirthet; dem Volke gab man zu allgemeiner Ergötzlichkeit den gebratenen Krönungsochsen preis und Brunnen, aus denen sich rother und weißer Wein ergoß. Die Feierlichkeiten der Krönung wurden mit der Niederlegung der Reichskleinodieen in ihrem Schrein, mit dessen Versiegelung und Zurückbringung in den Thurm beendigt; die heilige Krone hatte man, unter Obhut eines Kronenwächters und acht bewaffneter Trabanten, dem Volk zur Schau ausgestellt.

Wohl wußte die Königin, wie gefahrvoll ihre Lage; doch ahnte sie inmitten der glanzvollen Feierlichkeiten nicht die Nähe der Gefahr von einer neuen Seite her. Am Tage nach der Krönung eröffnete der gelehrte Marquard Hergott, Orator der Stände des österreichischen Breisgau's, dem Hofkanzler Sinzendorf den Inhalt einer durch Staffette an ihn gelangten Mittheilung aus dem Breisgau: »ein französisches Heer von 60,000 Mann stehe am Rhein, man befürchte stündlich dessen Uebergang auf deutschen Boden, das Breisgau sei in äußerster Gefahr.« Diese Nachricht verfehlte nicht, einen lebhaften Eindruck auf Marien Theresien hervorzubringen, und die Folgen desselben zeigten sich in ihrem Benehmen gegen den ungarischen Reichstag, in ihrer Willfährigkeit, die Wünsche der Nation zu erfüllen. Die wichtigsten Ergebnisse des Reichstages von 1741 waren die Gesetze, von denen das eine dem Fiskus keine höheren Rechte als jedem andern Kläger oder Beklagten zusprach, das andere die außerordentlichen Gerichte abschaffte, das dritte dem Fiskus bei Hochverrathsklagen die Namhaftmachung des Angebers vor dem abgeordneten Gerichte zur Pflicht machte; ferner die Gleichstellung der ungarischen Hofkanzlei im Rang mit allen übrigen unmittelbaren Hofstellen, die Bestimmung, daß die ungarische Hofkammer von der deutschen völlig unabhängig sein sollte; sodann die Zugeständnisse an die Protestanten. Anderseits war die von Maria Theresia beantragte Mitregentschaft ihres Gemahls ein Gegenstand langen Bedenkens und Erwägens für den Reichstag; die Stände fürchteten eine Gefährdung des Wahlrechtes der Nation nach dem Tode Marien Theresiens und ihrer Kinder, eine Beeinträchtigung der Nationalität durch Begünstigung der Fremden. Endlich erfüllte (am 21. September 1741) der Reichstag den Wunsch der Königin, und nahm ihren Gemahl Franz Stephan zum Mitregenten des Königreichs an, jedoch unter mehreren Bedingungen, welche die gesetzliche Erbfolge und nach deren Beendigung das Wahlrecht der Reichsstände, den ausschließlichen Genuß der Majestätsrechte für die Königin, das Ansehen des Palatinus und die Untheilbarkeit der Erblande sicher stellten Man vergleiche später den Abschnitt: »Ungarns Nationalbewegung.«. Ein dritter Gegenstand der Verhandlungen zwischen Reichstag und Königin war die Wiedervereinigung aller Länder, welche je zur Krone Ungarn gehört und deren Einverleibung. So kam bereits auf dem Reichstag von 1741 die Siebenbürgens, des Temeswarer Banats und Slavoniens zum Vortrag.

Alles dies zusammengefaßt, sieht man, wie sich in Ungarn ein erfreuliches Verhältniß von wechselseitigem Vertrauen zwischen der Königin und der Nation bilden und befestigen mußte. Auf solcher Grundlage konnte Maria Theresia ihre Hoffnungen bauen, und ob der Kurfürst von Bayern, ob der König von Spanien gegen die ungarische Königskrönung protestirten, die Nation war bereit, in der Stunde der Entscheidung Gut und Blut für die Königin hinzugeben. Und bald schlug die verhängnißvolle Stunde, in welcher das Geschick des Hauses Oesterreich entschieden werden sollte, in welcher eine Frau einem dichtgeschaarten Kreise von Feinden, die ihren Untergang beschlossen, gegenüber stand, unverzagt, auf Gott vertrauend und auf die Volkskraft. Solche Stunden leuchten bedeutungsvoll durch die Weltgeschichte.

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