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Bayerns Ansprüche.

Der Kurfürst Albrecht von Bayern hatte noch bei Lebzeiten des Kaisers die Streitfrage, wem nach dem Erlöschen des habsburgischen Mannsstammes dessen Erbstaaten zufallen sollten, mit lebhaftem Eifer fortgesetzt, immer mit Berufung auf den Rechtstitel jenes Testaments Ferdinands I.; indem er sich als Nachkömmling desselben in gerader absteigender Linie betrachtete, hatte er – durch seinen Gesandten, den Grafen Maximilian Emanuel von Perusa – auf die Ansicht des zu Wien befindlichen Originaltestaments gedrungen, und zu dem Ende den Grafen von Perusa nach Wien geschickt. Einen anderen Rechtstitel hatte Karl Albrecht darauf begründet, daß Oesterreich vor dem Jahre 1156 ein Theil des alten großen Herzogthums Bayern gewesen sei, und nun beim Erlöschen der zweiten Dynastie (Habsburg) eben so mit Bayern wieder vereinigt werden müsse, als dies schon beim Ausgang der ersten (der Babenberger) hätte der Fall sein sollen. Die gänzliche Unhaltbarkeit dieses Anspruchs bedarf keiner Widerlegung, und eben so war die Berufung Karl Albrechts auf ein Nachfolgerecht kraft seiner Vermählung mit einer österreichischen Prinzessin, wie aus den bereits früher angegebenen Thatsachen erhellt, durchaus unstichhaltig. Was nun die Einsicht des Ferdinandeischen Testaments betraf, so wurde der plötzliche Tod Karls VI. Veranlassung zu einer neuen Verwickelung. Denn kaum war der Kaiser erkaltet, als der Graf von Perusa eine Protestation gegen die Besitznahme Marien Theresiens einlegte, dieselbe bis zur Beendigung des Streits für nichtig erklärte und als Bevollmächtigter des Kurfürsten von Bayern sogar die sämmtlichen Chefs der österreichischen Hofstellen von jeder Verpflichtung gegen Marien Theresien abmahnte. Diese verlangte hingegen die abschriftliche Mitteilung jener Artikel des Testaments, worauf Bayern seine Ansprüche begründete, zum Behufe der Vergleichung mit dem im erzherzoglichen Archive befindlichen Original. Als dies geschehen war, wurde Perusa in die Burg beschieden, und dort in Gegenwart der sämmtlichen Gesandten der auswärtigen Höfe das Originaltestament Ferdinands I. mit der bayerischen Abschrift verglichen, wobei sich denn ergab, daß statt der Worte: »keine männlichen Erben«, woraus Bayern seine Ansprüche folgern wollte, im Original: »keine eheliche Erben« stand. Perusa war damit, obgleich die Sache nun buchstäblich klar entschieden war, noch keineswegs zufrieden gestellt, sondern übergab dem Obersthofkanzler Grafen Sinzendorf und dem österreichischen Landmarschall eine Protestation in Betreff der Rechte Bayerns. Gleich darauf verließ er Wien (22. November 1740). Die Streitfrage war hiermit nicht beendigt Bayern behauptete: der Ausdruck eheliche Erben könne blos gleichbedeutend sein mit héritiers legitimes, und darunter habe Ferdinand I. blos männliche Erben verstehen können.; vorerst wurde sie Gegenstand von Staatsschriften für und wider Karl Albrecht und Maria Theresia, bald sollte sie auch noch ernstere Verwickelungen veranlassen. Maria Theresia täuschte sich keineswegs über die Gefahr, welche ihr von Seiten Bayerns drohte; aber im Bewußtsein ihres guten Rechts wurde sie dadurch nicht erschreckt. Sie beeilte sich blos, diejenigen Maßregeln ins Leben zu rufen, durch welche sie derselben aufs Entscheidendste begegnen zu können hoffte. Sie blickte nach jenen auswärtigen Mächten, auf deren Beistand sie gegen Bayern rechnen zu können glaubte. England war entschlossen, die pragmatische Sanktion aufrecht zu halten; von Holland war dasselbe mit Grund zu erwarten; Frankreich und Sachsen gaben ermuthigende Erklärungen. Wichtiger als dieß alles war die Popularität, welche Maria Theresia von Tag zu Tag in höherem Grade gewann. »Oh wäre sie nur ein Mann, mit denselben Eigenschaften, welche sie besitzt«, hatte der Kanzler gleich nach Karl VI. Tod zu dem englischen Gesandten Robinson geäußert. Schon zeigte sich jetzt der männliche Geist, der sie beseelte. Ganz auf sich selbst angewiesen, – kleine Geister vergehen dabei, – für sie war die Gefahr wie Frühlingssonnenschein, der mit einem Mal die Blüte aus der Knospe entfaltet.

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