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Dreizehntes Kapitel.
Pelztiere

Am nächsten Morgen brach Mühlberg zeitig auf, mit einem Korbe auf dem Rücken, der den Köder und die andern Dinge enthielt, die er brauchen würde, sowie einen kleinen Eßvorrat und etwas Kochgeschirr. Auch einige Fallen für den möglichen Gebrauch bis zur nächsten Niederlage befanden sich darin.

Der Morgen kommt spät in diesem Lande im Winter. Die Sterne in ihrer harten, klaren, kristallnen Strahlung, die ihnen nur an diesem nördlichen Himmel eigen ist, verblichen allmählich, und die Sonne stieg über den Horizont, bleich und ihr Licht zerstreut in der von Frosthauch erfüllten Atmosphäre. In einer Stunde hatte sich der Hauch geklärt, der zuerst zum Greifen dick gewesen war, oder wie es Saubert sich selbst gegenüber bezeichnet hatte, so dick, daß man ein Messer hineinstechen konnte, um seinen Hut daran aufzuhängen, und jetzt gab es nichts von Horizont zu Horizont wie blendendes Sonnenlicht und Schneeblinken.

Mühlberg verbarg sein Gesicht und namentlich seine Augen, da er ohne Schneebrille ausgegangen war, nach Möglichkeit in dem hohen Kragen seines Mackinaws, hielt aber trotzdem scharfe Ausschau nach Tierspuren. Er wußte ungefähr, welche Fallen er brauchen würde. Bären waren jetzt kaum anzutreffen. Sie lagen in ihrem dicken Winterfell warm in ihren Höhlen oder unter Baumwurzeln, unter denen sie sich aus Laub und Gras ein weiches Lager bereitet hatten, im Winterschlafe, oftmals unter einer dicken Decke von Schnee, über die der eisige Wintersturm dahinfegte. Aber Fuchs, Kaninchen, Hermelin und das an den Wassern lebende Raubzeug beging seine Wechsel, und solange das der Fall ist, streifen auch seine Feinde, Luchs, Wolf und Wolwerin, umher.

Er war etwa eine Stunde gewandert, als er stehenblieb und in ein Stück dünn bestandenen Wald schaute. Dort waren einige Reihen von Tierspuren deutlich in den Schnee eingedrückt.

Was für Spuren waren es?

Er trat näher und besichtigte sie. Nach einer Weile war er sich darüber klar, daß sie von Füchsen herrührten. Er beschloß, eine Falle, oder noch besser zwei, Größe Nr. 3, hier aufzustellen, denn nach den Spuren handelte es sich um große Tiere.

Mit dem Fang von Füchsen hatte er gerechnet und deshalb einige Fallen in einer Kalklösung gekocht, so daß sie mit einer dünnen weißen Kruste überzogen und im Schnee schwer zu entdecken waren. Seine Fausthandschuhe, unter denen er warme Fingerhandschuhe trug, abstreifend, nahm er eine dieser Fallen aus dem Korbe. Dann grub er ein wenig rechts von der Spur mit einem flachen Stück Holz ein Loch in den Schnee, in das er die Falle fest einsetzte. Die daran befindliche Kette machte er an dem starken Aste eines nahen Strauches fest. Auf die Falle legte er dann noch ein Stück weißes Papier, und zuletzt bedeckte er beide, Falle und Kette, mit Schnee, den er mit Hilfe eines Tannenzweiges darüberfegte, bis er wieder eine glatte Fläche bildete und nichts das Vorhandensein einer Falle verriet. In die Falle selbst durfte kein Schnee gelangen, das hätte vielleicht ihr Zuschnappen verhindert, daher das Blatt Papier.

Das gleiche wiederholte er ein paar Schritte weiter. Dann verwischte er seine Spuren mit demselben Tannenzweige und nahm diesen mit sich, um den Verdacht der Tiere nicht zu erregen, und spritzte noch ein paar Tropfen Witterung über beide Fallen. Nach einem letzten prüfenden Blick auf seine Arbeit setzte er seine Wanderung fort.

Als er die Stelle erreichte, wo er sich gestern von Saubert getrennt hatte, fand er diesen schon auf ihn wartend. Er erzählte ihm von dem Aufstellen der Fuchsfallen, und Saubert bedauerte, nicht dabei gewesen zu sein. Die Trappzeit war aber noch lang, und er würde Gelegenheit genug finden, Erfahrungen zu sammeln.

»Was Sie als Trapper zuerst nötig haben,« sagte Mühlberg, als sie die hier abgelegten Fallen in ihre Körbe verteilt hatten und ihren Weg fortsetzten, »ist das Spurenlesen. Denn Sie müssen feststellen können, welches Tier an einer bestimmten Stelle gewechselt hat, um zu wissen, welche Falle Sie aufstellen sollen. Beim Fuchs ist das zum Beispiel gar nicht so leicht; denn er fegt mit seinem buschigen Schwanze immer über die Spur hin. Er scheint ihm ausgerechnet nur zu dem Zwecke gegeben zu sein, sie zu verwischen. Die feineren Unterscheidungspunkte, ich meine, ob es sich um ein männliches oder ein weibliches, ein altes oder ein junges Tier handelt, kommen natürlich erst mit der Zeit. – Sollte mich übrigens gar nicht wundern, wenn wir hier ein recht gutes Trappgebiet aufgefunden hätten. Sehen Sie nur die vielen Kaninchenspuren. Mit den Kaninchen können wir uns aber nicht aufhalten, es lohnt sich nicht. Höchstens, daß wir ein paar für die Küche und als Köder fangen.«

Als sie eine Strecke weitergewandert waren, deutete Saubert auf eine Stelle zwischen den Büschen an der linken Seite.

»Dort ist eine andere Spur. Ein Tier, das Sprünge gemacht hat.«

»Ja, ich sehe sie. Das müssen wir untersuchen.«

Sie traten näher hinzu und betrachteten die Spur eine Weile.

»Das ist entweder ein Hund oder Wolf oder Luchs,« meinte Saubert.

»Es ist ein Wolf,« entschied Mühlberg. »Der Hund hebt seine Füße und macht klare Eindrücke, der Wolf hat aber einen schleifenden Gang. Sehen Sie den kurzen, kometenhaften Schweif an jedem Eindruck? Auch bei einem Luchs finden Sie den nicht, denn der läuft, besonders wenn er schnell läuft, nur auf den Zehen, wie eine Katze. Der Wolf, der hier gelaufen ist, muß ein großes Tier gewesen sein, und er war von der Wölfin begleitet. Sehen Sie die kleinere Spur dort? Er ist sicher einer von denen, die Ihre Frau schon oftmals in der Nacht geängstigt haben, wie sie mir erzählte. Wir müssen sehen, daß wir ihn kriegen. Es ist allerdings schwer, denn es gibt nur noch ein Tier, das schlauer ist als Fuchs und Wolf, und das ist der Wolwerin. Wie werden wir aber die Falle setzen?«

»Ich habe gehört, daß man am besten einen Köder auslegt, ein Kaninchen oder sonst etwas und dann ein halbes Dutzend Fallen in den Richtungen aussetzt, aus denen das Tier sich ihm vermutlich nähert. Eine natürlich an der Stelle, wo es am wahrscheinlichsten ist, daß es seine Füße einstemmen wird, um nach dem Köder zu schnappen.«

»Damit haben Sie manchmal Glück,« entgegnete Mühlberg, »aber nur, wenn es sich um ein junges und unerfahrenes Tier handelt. Ein alter und gewitzigter Wolf fällt auf den Schwindel nicht mehr herein. Der nimmt überhaupt keinen Köder an und frißt nur, was er sich selbst fängt. Nein, wir müssen die Sache schon anders machen. Und selbst dann ist noch zehn gegen eins zu wetten, daß wir ihn nicht kriegen. Es ist zum großen Teil Glückssache.«

Er dachte eine Weile nach. »Ich weiß einen andern Weg,« sagte er dann. »Der Wolf ist neugierig und untersucht vor allem auch jedes erloschene Kampfeuer. Wir wollen ein solches anlegen. Natürlich nur zum Schein; aus Zweigen, Ästen und Blättern. Um dieses streuen wir dann ein paar Stückchen Kaninchenfleisch, als ob sie von unserer Mahlzeit übriggeblieben wären, und setzen unsere Fallen um die Feuerstelle herum. Der Wolf wird sie dann mehrere Male umkreisen, bis er sich von jeder Einzelheit genaue Kenntnis verschafft hat. Hoffentlich gerät er dabei in eine unserer Fallen. Wenn wir dann noch ein paar Tropfen Wolfswitterung auf die Stelle spritzen, lockt ihn das sicher an.«

Nach diesem Plane handelten sie.

Sie legten ein Feuer an, und nachdem es niedergebrannt war, stellten sie vier Fallen ringsum im Schnee auf, ganz in derselben Weise, wie es Mühlberg vorher mit den Fuchsfallen getan hatte.

Auf dem weiteren Wege legten sie noch einige Schlingen für Hermeline und stellten noch eine Falle für einen Marder auf, dessen Spur sie im Schnee abgezeichnet fanden. Es waren merkwürdigerweise immer nur zwei Fußabdrücke, so daß die Spur den Eindruck machte, als ob ein zweibeiniges Tier hier gehüpft sei. Saubert war deshalb auch einigermaßen überrascht, als sie Mühlberg als Marderspuren bezeichnete.

Das kommt daher, daß der Marder mit den Hinterfüßen immer genau in die Spuren der Vorderfüße springt.

In der Spurlinie stand eine dicke Tanne, an der das Tier offenbar auf und ab geklettert war, vermutlich um nach Eichhörnchen zu suchen. An dem Stamme dieses Baumes, in ungefähr drei Fuß Höhe, befestigte Mühlberg ein paar Stücke Kaninchenfleisch und besprengte diese mit Marderwitterung. Dann ließ er durch Saubert eine Anzahl Baumzweige herbeibringen, die er so in den Schnee steckte, daß sie einen Gang nach dem Baume bildeten. In diesen Gang setzte er eine Falle, auf die das Tier treten mußte, wenn es sich, von dem Köder angelockt, dem Baume näherte. Auch diese Falle bedeckte er sorgfältig mit Schnee.

Gegen Mittag trafen sie auf Sauberts Heimstätte ein, aßen Mittagbrot und setzten dann mit einer Thermosflasche voll heißem Kaffee ihren Weg fort, denn die Tage waren kurz und mußten ausgenützt werden.

Als sie wieder auf den Bach stießen, wußten sie, daß sie sich an einer Stelle befanden, deren Untersuchung Zeit verlangte.

Sie waren noch nicht lange an dem nördlichen Ufer entlanggeschritten, als Saubert auf einen halbgefressenen Fisch aufmerksam machte, der im Bache auf einem aus einer Stelle blanken Eises herausragenden Steine lag. Spuren waren auf dem Eise nicht zu erkennen. Der Stein befand sich nicht weit von einer offenen Stelle, die durch das starke Gefälle eines kleinen Wasserfalls gebildet war.

»Sehen Sie den Fisch da?« machte Saubert Mühlberg darauf aufmerksam.

Mühlberg hatte ihn bereits gesehen.

»Den hat sicher ein Tier dorthin verschleppt. Aber welches? Eine Moschusratte vielleicht.«

»Ich glaube nicht, daß Moschusratten hier sind,« widersprach Mühlberg, indem er rundum schaute, ob er irgendwo Spuren solcher entdecken konnte.

»Dann hat ihn vielleicht ein Mink hier liegenlassen.«

»Auch nicht. Ein Mink tut das nicht. Er läßt niemals Spuren einer Mahlzeit herumliegen. Was er nicht fressen kann, verscharrt er. Selbst wenn er ein Dutzend Wasserratten auf einem Raubzuge getötet hat, trägt er sie auf einen Haufen zusammen und bedeckt sie mit Erde oder Schnee oder Laub. Den Fisch hat ein Otter zurückgelassen. Der war hier und wird wiederkommen. Dort aus der offenen Stelle ist er aufgetaucht. Es hat aber keinen Zweck, hier eine Falle mit einem toten Fisch aufzustellen, solange noch genug lebende Fische zu haben sind.«

Sie kehrten nach dem Ufer zurück. Hier stießen sie auf eine Reihe Eindrücke von kleinen Füßen mit Schwimmhäuten.

»Es ist schon richtig,« sagte Mühlberg. »Ein Otter. Den holen wir uns noch. Schadet gar nichts, wenn wir noch ein paar Wochen warten. Um Weihnachten herum ist sein Pelz fast schwarz und glänzend wie Seide. Und dann gibt es auch kaum noch lebende Fische, und die Otter sind hungrig wie russische Waisenkinder. Wir bekommen dann das Doppelte für die Felle. Ein Trapper muß warten können und seine Fänge manchmal auf lange Zeit vorbereiten. Die ersten Tage sind nicht maßgebend.«

Sie fanden keine weiteren Spuren auf dieser Seite und überschritten daher den Bach nach dem andern Ufer. Dort währte es nicht lange, bis sie wieder auf andere Tierspuren stießen. Es war diesmal eine Doppelreihe solcher, nicht so groß wie die einer Wildkatze, aber auch nicht so klein wie die eines Otters und ohne die Schwimmhäute des Minks. Das mußte ein Fischer sein, ein Tier, das trotz seines Namens das Wasser scheut wie eine Katze. Trotzdem ist es stets an Bächen und Flüssen zu finden, denn es sucht sich seine Beute unter Mink und Otter, Moschusratten und Wasservögeln, die Bäche oder Flüsse aufsuchen, um zu trinken. Die Doppelreihe der Spuren erklärt sich aus dem Umstande, daß die Fischer stets in Paaren auf Raub ausgehen. Sie sind übrigens keine Kostverächter, nehmen, was sie finden, und sind daher auch, wie die meisten gefräßigen Tiere, ohne große Schwierigkeit in einer Schlinge oder Mordfalle zu fangen, es bedarf nicht einmal einer Stahlfalle. Das einzige ist nur, ihn aufzufinden; alles andere ist leicht. Er hat aber einen feinen Geruch, und es ist dieser Geruch, der ihn alle tote und lebende Nahrung unfehlbar auffinden läßt. Freilich läßt er ihn ebenso unfehlbar den Menschen entdecken. Wenn der Trapper seine Mordfalle so gebaut hat, daß bei dem geringsten Ruck an der Auslösung der schwere Balken niederfällt und das Tier erschlägt, muß er sie daher mit Buschwerk oder Schnee oder beidem bedecken, um nicht das Mißtrauen des Tieres wachzurufen. Außerdem kennt und übt der Fischer eine Menge Tricks, wie sie sonst nur noch dem Wolwerin eigen sind. Er geht zum Beispiel dem Trapper nach und plündert jede Falle, die einen Fang aufweist.

Da sie Stahlfallen noch in genügender Anzahl besaßen – sie hatten inzwischen schon das zweite und dritte Lager aufgenommen –, so hielten sie sich nicht damit auf, eine Mordfalle zu bauen, sondern stellten eine Stahlfalle auf und versahen sie mit Köder.

Dann wanderten sie weiter und fanden am Ufer eine Minkspur, die unter dem Eise in die Böschung des Ufers führte. Sie hackten das Eis auf, stellten eine Falle in das Wasser und befestigten die Kette in einer Weise, daß das gefangene Tier, wenn es versuchte, mit der Falle zu entkommen, nur tiefer in das Wasser gerissen werden mußte, um schließlich zu ertrinken.

Sie verließen nun den Bach und setzten ihren Weg nach Süden fort. Nach einiger Zeit kamen sie an einem großen Sumpfe vorüber, kennbar an hohem Schilf, das über die Schneedecke herausstand, und der Abwesenheit von Baum und Strauch auf der ebenen Fläche. Das war wieder eine aussichtsreiche Stelle, die aufmerksam abgesucht werden mußte.

Daß sich hier eine Kolonie von Moschusratten angesiedelt hatte, war mit Bestimmtheit anzunehmen und wurde auch bestätigt durch eine Anzahl Erhöhungen in der sonst glatten Schneefläche. Das waren unzweifelhaft die Häuser der Tiere, die nach außen hin großen Reisigbündeln gleichen und die der gegenwärtige niedrige Wasserstand hatte hervortreten lassen. Moschusratten interessierten sie aber einstweilen nicht, nur ihre Feinde, die hier herum auch vorhanden sein mußten. Sie stellten auch tatsächlich noch ein paar Fallen auf.

An einer Stelle wurde der Sumpf durch einen Hügel begrenzt, in dessen ziemlich steiler Wand sich eine Höhle zeigte.

Saubert deutete darauf hin. »Eine Zuflucht bei schlechtem Wetter.«

»Ja,« stimmte Mühlberg bei. »Und jetzt werden wir sie benutzen, um unsern Kaffee zu trinken und einen Bissen zu essen. Die kalte Luft macht Appetit. Da drin sind wir wenigstens vor dem Winde geschützt.«

Die Höhle erwies sich als mehrere Meter tief. Ein paar Schritte weit war der Boden mit Schnee bedeckt, den der Wind hineingeweht hatte. Zu ihrer Überraschung erblickten sie hier eine Feuerstelle, mit verkohlten Holzstücken und Asche, und mehrere Tritte in der dünnen Schneedecke.

»Wir sind offenbar nicht die ersten Besucher hier,« bemerkte Saubert. »Wer mag das gewesen sein?«

»Lassen Sie sehen,« erwiderte Mühlberg nachdenklich. »Ein Farmer war es nicht, denn der fährt, wenn er so weit unterwegs ist, und wir haben keine Schlittenspuren gesehen. Außerdem hält er sich auch nicht damit auf, zu lagern und ein Feuer anzumachen. Es kann nur ein Trapper gewesen sein. Vielleicht auch zwei, die Spuren sind nicht sehr deutlich. Sie haben hier gegessen, denn da liegen noch ein paar Kaninchenknochen. Wir haben aber noch gar nichts von der Anwesenheit eines anderen Trappers in dieser Gegend bemerkt, mit Ausnahme des einen, der sein Zeichen in den Biberteich gerammt hatte.«

»Was ist das?« unterbrach ihn Saubert, indem er eine Stelle an der rechten Steinwand der Höhle besichtigte.

Zwei Buchstaben waren dort eingeritzt und eine Jahreszahl: R. B. 1929.

»Das kann nur ein junger Mensch gewesen sein,« fuhr er fort. »Ein alter Trapper gibt sich mit so etwas nicht ab. Sollte mich wundern, wenn das nicht Rudolf Burkhart bedeutete. Sagte der nicht, daß er mit seinem Freunde Silas Leech in ein Trappgebiet, zehn Meilen von dessen Vaters Heimstätte, gehen wollte? Das könnte hier stimmen. Vielleicht ist es der südwestliche Bogen seines Gebiets. Weiter südlich können sie es nicht haben, da ist der Mann mit dem Biberteich. Und weiter westlich auch nicht; denn da wären wir auf ihre Spuren gestoßen.«

»Sie haben recht,« versetzte Mühlberg. »Es sind sicher die beiden. Wir haben sie also als Nachbarn. Well, macht keinen Unterschied für uns.«

Sie verzichteten darauf, ein Feuer anzulegen. Der weite Marsch hatte sie warm gemacht, und der Kaffee in der Thermosflasche war heiß. Sie fühlten aber beide, daß sie eine kurze Rast nötig hatten; denn sie waren an so lange Wanderungen, die der richtige Trapper aber nur als eine geringe Leistung einschätzt, nicht gewöhnt. So setzten sie sich nieder, tranken ihren Kaffee und aßen einige Butterbrote mit kaltem Gänsebraten. Der Aufenthalt in der Höhle war recht gemütlich, und sie bedauerten es, gezwungen zu sein, gleich nachdem sie gegessen hatten, wieder aufzubrechen, um ihre Runde zu vollenden. Immerhin hatte sie die kurze Rast und der Imbiß gestärkt und erfrischt, und der Eifer, mit dem sie beide bei ihrer Beschäftigung waren, und die Gewißheit, daß sie und besonders Saubert bis zum Abend noch eine beträchtliche Anzahl Meilen zurückzulegen hatten, ließ sie die Müdigkeit nicht mehr empfinden. Das würde erst am nächsten Tage kommen.

Sie waren noch nicht weit gewandert, als Mühlberg seinen Partner auf eine Stelle in dem gefrorenen und schneebedeckten Sumpfe aufmerksam machte. »Ich möchte wetten, das war ein Wolwerin,« sagte er. »Und der kann auch erst gestern hier gewesen sein.«

Nicht weit von ihnen lagen auf dem Schnee verstreut eine Menge schwarzes Reisig und Binsen und getrockneter Lehm, und ein dunkles Loch mit Wänden aus gleichem Material gähnte fast wie eine Brandstelle aus dem Schnee heraus. Es hätte einem Mann mit einer Spitzhacke große Mühe gekostet, dieses festgefrorene Haus aufzureißen, und ein Wolf und noch weniger ein Fuchs, die das im Sommer, wenn der Sumpf halb ausgetrocknet ist, manchmal tun, kam deshalb nicht in Frage. Nur ein Wolwerin besaß die nötige Kraft dazu, denn der reißt auch einen zwei Fuß dicken Biberdamm auf.

Sie traten heran und besichtigten das zerstörte Haus. Das Dach war aufgerissen und die Innenanlage des Hauses klar zu sehen. Glatte, runde Wände, ein oberes Stockwerk, aus Zweigen und Gräsern und mit Lehm zusammengekittet, in dem die Familie in einer Kammer über dem Wasser gelebt hatte, rauhere Wände unter dem Wasserspiegel und zwei oder drei Einschlüpföffnungen in Gänge, die nach dem Ufer führten und bei gewöhnlichem Wasserstande sich unter Wasser befunden haben mußten. Auch eine Vorratskammer war vorhanden gewesen, in der noch einige Muscheln und die Wurzeln von Wasserlilien lagen. Die Tiere selbst mochten sich vor dem Räuber noch rechtzeitig durch ihre unterirdischen Gänge nach dem Ufer geflüchtet haben und sich dort in einer ausgegrabenen Höhle in einem zweiten warmen Neste in voller Sicherheit befinden.

»Wir müssen hier eine Falle aufstellen,« meinte Saubert, »denn ein Wolwerin auf unserm Trappgebiet läßt uns keinen Fang übrig.«

»Das ist leider wahr,« sagte Mühlberg. »Er macht die Runde an den Fallen genau wie der Trapper, nur immer ein paar Stunden vorher. Und was er nicht frißt, zerstört er. Übrigens heißt er nicht umsonst auch Glutton, also Vielfraß, denn es ist unglaublich, was er alles verschlingen kann. Auch wenn er satt ist – er ist aber niemals satt –, stürzt er sich auf seine Beute, als wenn er eine Woche lang gehungert hätte. Aber in eine Falle bekommt man ihn nicht. Ich habe noch keinen Trapper gekannt, dem das gelungen wäre. Es versucht auch gar keiner mehr. Wenn sie merken, daß ein Wolwerin auf ihrem Trappgebiet ist, packen sie ihre Fallen und sonstigen Habseligkeiten zusammen und wandern weiter.«

»Das können wir aber nicht.«

»Ich könnte es nicht, wenn ich meiner Wohnpflicht auf der Heimstätte genügen will.«

»Was sollen wir aber tun?«

Mühlberg zuckte die Achseln.

»Wir sind noch nicht sicher, daß er gerade unser Trappgebiet zum Schauplatz seiner Greueltaten erwählt hat. Es befinden sich ja hier mehrere. Da ist zuerst das von dem jungen Burkhart und Leech und dann das des Mannes am Biberteich. Die werden nicht viel kleiner sein als das unsere, und er kann nicht alle begehen. Es kommt darauf an, wo er seine Höhle hat. Vielleicht räubert er auf einem von diesen. Wir müssen das abwarten. Es wäre verdammt unangenehm, wenn wir ihn auf unserm Gebiet hätten. Ich kann auf das Trappen nicht verzichten, denn ich brauche das Geld im Frühjahr, wenn ich mit dem Brechen meines Landes beginnen will, und das Land bringt mir ja erst in zwei Jahren Einnahmen. Wenn wir uns jetzt ein anderes Trappgebiet suchen müßten, wo ich des Nachts nicht zu Hause sein kann, wäre ich gezwungen, meine Wohnpflicht gerade in einer Zeit zu erfüllen, wo ich mit auswärtiger Arbeit Geld verdienen kann. Wie gesagt, es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Entwicklung der Dinge ein paar Tage abzuwarten.«

Sie wanderten weiter, indem sie noch ihre Gedanken über die Gefahr austauschten, die ihnen von seiten des Wolwerins drohte. Als sie sich dem Biberteich näherten, an dem sie gestern vorübergekommen waren, hörten sie plötzlich zwei laute Stimmen in heftigem Wortwechsel. Sie blickten auf und sahen an der Stelle, wo sich die Stange mit dem Lappen befunden hatte, zwei Männer, die aufeinander einschrien und ihre gegensätzlichen Meinungen mit drohenden Armbewegungen unterstützten.

Noch waren sie zu weit entfernt, um die Streitenden zu erkennen oder ihre Worte zu verstehen. Als sie aber noch fünfzig oder hundert Schritte gegangen waren, legte Mühlberg seine Hand auf Sauberts Arm.

»Der eine ist doch unser Freund Leech, oder ich müßte mich sehr täuschen,« sagte er.

»Es ist Leech,« bestätigte Saubert.

Sie beschleunigten ihre Schritte.

»Der andere ist Carter,« erklärte Mühlberg nach einer kleinen Weile. »Was mögen die zusammen haben?«

Sie konnten bereits einige Worte aus den streitenden Stimmen heraushören.

»Ich sage Ihnen, ich hatte hier mein Zeichen angebracht,« schrie der eine, den Mühlberg als Carter bezeichnet hatte. Er war ein Mann von etwa vierzig Jahren, klein und untersetzt. »Und Sie sind nicht besser als ein Dieb! Dieser Trappgrund gehört mir.«

»Well, wo ist Ihr Zeichen?« fragte Leech höhnisch. »Ich habe keins gesehen.«

»Das werden Sie wohl am besten wissen.«

»Ich weiß nichts von Ihrem Zeichen,« bestritt Leech. »Aber das weiß ich, daß ich mir mein Recht auf mein Trappgebiet von niemand streitig machen lasse. Sie können sonst etwas behaupten. Das kennt man schon. Ich bin hierhergekommen, und da war keins da. Das Gebiet gehört also mir, und es muß schon ein andrer kommen, es mir vor der Nase wegzunehmen.«

»Ihr Trappgebiet ist viel weiter westlich.«

»Mein Trappgebiet ist, wo es mir paßt.«

»Und am liebsten wohl dort, wo es einem andern zusteht?«

»Wenn Sie etwa glauben, daß ich mich durch Ihre Redereien von hier vertreiben lasse, so sind Sie im Irrtum. Scheren Sie sich zum Teufel und stören Sie mich nicht länger in meiner Arbeit; ich habe keine Zeit.«

Mühlberg und Saubert waren inzwischen so nahe gekommen, daß sie jedes Wort verstehen konnten. Auch die Ursache des Streites war ihnen sofort klar. Biberfelle waren zu wertvoll, als daß Leech nicht das Äußerste wagen sollte, sie sich zu sichern. Fallen zu berauben, war eine gefährliche Sache. Man konnte niemals sicher sein, daß man nicht eine Spur zurückließ, durch die man überführt wurde. Hier lag die Sache anders. Er brauchte nur das Zeichen des rechtmäßigen Eigentümers zu beseitigen und zu bestreiten, daß ein solches vorhanden gewesen war, um in aller Ruhe dem Fange der Biber nachzugehen. Das war kein Diebstahl, denn er raubte die Tiere nicht aus einer fremden Falle, sondern fing sie selbst. Es war nur ein Streit um das Besitzrecht an dem Trappgrund, bei dem der andere nachzuweisen hatte, daß er es sich durch sein Zeichen gesichert. Das konnte er nur, indem er den Beweis lieferte, daß Leech es entfernt und beiseite geschafft hatte, und daß ihm das nicht gelingen würde, dafür hatte dieser gewiß Sorge getragen. Für jeden andern Trapper war ein solches Zeichen nach dem ungeschriebenen Gesetz eine genügende Besitzerklärung; aber gerade die Dreistigkeit, es heimlich zu beseitigen und das Gebiet dann scheinbar mit dem besten Recht für sich zu beanspruchen, mußte jede Jury dazu bringen, Leech wenigstens den guten Glauben zuzubilligen. Und schließlich, wer geht denn wegen ein paar Biberfelle vor Gericht? In Canada niemand.

»Wir können Ihnen bestätigen, Mister Carter, daß Ihr Zeichen gestern hier gestanden hat,« mischte sich Mühlberg in den Streit. »Wir fuhren gestern vorbei und haben es gesehen.«

Leech, der ihr Herankommen nicht bemerkt hatte, weil er der Richtung, aus der sie kamen, den Rücken zukehrte, und der auch durch ihre Schritte in dem weichen Schnee nicht aufmerksam geworden war, fuhr in wütender Überraschung herum. Sein Gesicht färbte sich dunkel und seine Augen nahmen einen stahlharten Blick an.

»Was haben Sie sich in unsern Streit zu mischen?« schrie er.

»Ich glaube, Sie haben meine Worte nicht richtig gehört,« entgegnete Mühlberg ruhig. Er hatte sich durch lange Übung daran gewöhnt, in der Aufregung ruhig zu bleiben. »Sie waren an Mister Carter gerichtet. Mit Ihnen habe ich nichts zu tun, und je weniger Sie mir dazu Gelegenheit geben, um so lieber wird es mir sein.«

»Es gibt wohl kein Heu mehr auf meiner Heimstätte zu verbrennen?« fragte Leech in einer Wut, die seine Worte fast erstickte.

»Nein, und auch keine Häuser mehr auf der meinen. Wenn Sie aber sonst etwas finden und Ihnen das Spiel nicht zu teuer wird – –«

»Sie haben mein Zeichen gestern hier gesehen?« fragte Carter, erfreut, so unverhofft einen Zeugen für seine Ansprüche zu finden.

»Ja.«

»Können Sie das beschwören?« fragte Leech in einem Tone, der wohl einschüchternd wirken sollte.

»Selbstverständlich.«

»Well, ich glaube, Sie beschwören sonst etwas.«

»Mister Leech, soweit ich die Sache beurteilen kann, würde eine Jury nicht im Zweifel sein, ob sie unserm oder Ihrem Eide Glauben schenken soll.«

Leech ging auf die Bemerkung nicht ein. »Sie haben das Zeichen gestern hier gesehen?« fragte er bloß.

»Ja.«

»Sie können aber nicht behaupten, daß es auch heute hier gestanden hat?« fragte er weiter.

»Das ist auch nicht nötig,« behauptete Carter. »Ich habe also Zeugen dafür, daß es mein Trappgrund ist.«

»Sie haben nur Zeugen dafür, daß er es bis gestern gewesen ist. Heute war kein Zeichen mehr vorhanden, und ich habe ihn in Besitz genommen. Alles andere geht mich nichts an. Halten Sie mich nicht länger auf!«

Damit schlug er bezeichnend an seine Rifle, die an einem Riemen über seiner Schulter hing, und schritt vorwärts, den Biberhäusern zu, unbekümmert um alles, was die Zurückbleibenden etwa noch zu sagen hatten. Das war seine Methode in einem Streit, und sie war immer erfolgreich. Aber er hatte sich in der ganzen Gegend damit verhaßt gemacht.

»Da geht der Schuft,« sagte Carter, »und ich kann nichts gegen ihn unternehmen. Jetzt glaube ich aber den Leuten, die behaupten, daß er auch Fallen bestehle. Doch vor mir soll er sich in acht nehmen. Der begeht seine Schurkereien zu dreist, als daß er nicht ein schlechtes Ende nehmen sollte.«


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