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Zwölftes Kapitel.
Saubert und Mühlberg als Fallensteller

Es war früh am Morgen vier oder fünf Tage später.

Mühlberg hatte die Zeit benutzt, eine Schneemauer an den Außenwänden des Stalles aufzutürmen, und sie dadurch winddicht gemacht. Die Ausbesserung des Daches hatte sich bei näherer Prüfung als kaum noch durchführbar erwiesen. Der ganze Bau war von dem Vorbesitzer anscheinend nur als ein vorläufiger Behelf gedacht gewesen, und eine Ausbesserung des Daches, wenn sie zufriedenstellend sein sollte, wäre daher einem Neubau gleichgekommen. Einen solchen hätte aber wieder der Unterbau nicht gerechtfertigt.

Es kam ihm daher außerordentlich gelegen, daß ihm Mr. Nielsen, der schwedische Farmer am Shining-Bank-See, eine große wasserdichte Plane, die ihm sonst als Schutzdach für Heu- und Strohfeimen diente, leihen konnte. Er hatte Nielsen mit Saubert aufgesucht, da sie sich einen Vorrat von Fischen fangen wollten, zum Teil für den eigenen Bedarf, zum Teil als Köder für die Tiere, die sie in ihren Fallen zu fangen hofften.

Diese Plane, über das Dach gespannt, gab Mühlberg ebensoviel Schutz, als die Ausbesserungen es vermocht hätten.

Am nächsten Tage würde die gesetzliche Trappzeit beginnen, und der heutige Tag war dazu ausersehen, die nötigen Vorarbeiten zu erledigen. Für einzelne Tiere, wie zum Beispiel Moschusratten, von denen Canada den Weltmarkt mit zwei bis drei Millionen Fellen jährlich beliefert, hatte sie ja schon einige Zeit bestanden, und es gab auch große Sümpfe und Teiche genug in der Nähe, wo sie in ganzen Kolonien zu finden waren. Diese Zeit hatten sie aber notgedrungen versäumt, und jetzt kam ihr Fang kaum noch in Frage, denn es gab wichtigere Arbeit.

Gegen zehn Uhr kam Saubert mit seinem Schlitten angefahren. Er stellte ihn an der Seite des Hauses auf, wo die Pferde vor dem Winde geschützt waren, und spannte aus, das heißt, er nahm den Pferden die Kopfstücke des Geschirrs ab, band ihnen die Halfter um und legte ihnen warme Decken auf. Dann trat er, von Mühlberg begrüßt, in die Hütte.

Es sah hier jetzt etwas wohnlicher aus als am ersten Tage, denn aus den Brettern, die sie aus der Sägemühle herbeigeschafft, hatte Mühlberg einen kurzen Tisch und einen langen Arbeitstisch sowie eine Bank und einige Regale gezimmert. Auch den eisernen Ofen hatte er aufgestellt, und er strahlte jetzt rote Glut aus.

Die vorzunehmende Arbeit war schon zurechtgelegt. Die Fallen – es waren gegen fünfzig – lagen, nach ihrer Größe geordnet, auf dem Boden. Er hätte sich gern mehr angeschafft, denn viele Trapper arbeiten mit hundert und zweihundert und fahren im Auto auf ihre Arbeit, das sie in den Stand setzt, täglich einen Trappkreis von hundert Meilen Ausdehnung in der Runde zu befahren. Sein Geld hatte aber nicht weiter gereicht.

An der einen Wand standen dreißig oder vierzig Spannbretter, ebenfalls in verschiedenen Größen, bereit zur Aufnahme der erbeuteten Felle, nachdem sie abgezogen und von allen Fleischresten befreit waren. Sie würden die Pelze vor dem Zusammenschrumpfen und dem Trocknen in Falten bewahren.

»Sie können zunächst einmal die Fallen reinigen,« wandte Mühlberg sich an Saubert. »Ich werde sie dann hier auskochen, und später müssen wir sie ölen.«

Saubert machte sich an die Arbeit.

Sobald eine Falle gereinigt war, wurde sie an der daran befestigten Kette in den Kessel gesenkt.

Nach einer Weile bemerkte Saubert: »Meine Frau meinte heute morgen, daß das Fallenstellen eigentlich doch ein grausamer Beruf sei. Und es kommt mir fast vor, als ob sie recht hätte. Ich bin ja gewiß mit allem Eifer dabei, fühle sogar etwas wie Jagdfieber, denn es hat einen eigenen Reiz, wenn Sie Ihren Witz mit dem der Tiere messen, aber der Gedanke, daß wir ausgehen, um unschuldige Tiere zu töten, die sich ihres Lebens freuen, hat doch etwas Unangenehmes für mich.«

Mühlberg lächelte. »Unschuldige Tiere ist gut,« sagte er, »besonders, wenn man sich vorstellt, wie eins das andere zerreißt. Sie haben zwei Schweine, die nun bald fett sind und die Sie wahrscheinlich demnächst schlachten werden. Und Geflügel, das nach und nach in Ihre Pfanne wandern wird. Werden Ihnen dabei die gleichen Gedanken kommen?«

»Ich fürchte, ja,« gestand Saubert kleinlaut.

»Well, in bezug auf das Trappen können Sie Ihr Gewissen beruhigen, denn das Leben der Tiere in der Natur, ich sollte vielleicht besser sagen ihr Sterben, ist in der Regel grausamer, als es der brutalste Trapper sein könnte. Haben Sie schon einmal daran gedacht, daß kein wildes Tier einen natürlichen Tod stirbt? Würmer und Insekten werden von Fischen gefressen; die Kaninchen fallen den Wieseln, den Coyoten, Wölfen, Bären, Luchsen und Mardern zum Opfer. Und wenn es nicht der Fall wäre, würden sie sich in einer Weise vermehren, daß ihnen die Natur bald eine Pest schicken müßte. Das ist in Australien geschehen. Sonst hätten sie sich so vermehrt, daß sie verhungert wären. Ich habe hier an einem Bache ganze Haufen krepierter Kaninchen liegen sehen, alle mit bösartigen Beulen am Kopfe. Und wie ist's mit den Moschusratten in Böhmen, die man dort Bisamratten nennt? Man hat buchstäblich einen Preis auf ihren Kopf setzen müssen und sie doch nicht ausrotten können.«

»Freilich, unter solchen Verhältnissen, ich meine, wenn sie sich so vermehren, daß sie den Menschen ernsten Schaden bringen oder ihnen gar zur Gefahr werden, ist ihre Tötung gerechtfertigt, vielleicht sogar geboten. Aber nicht einmal in diesem Falle bin ich mir darüber klar, ob es richtig ist, denn es ist ein Eingriff in die Planwirtschaft der Natur. Die hat ein ganz bestimmtes Programm, einen Plan, und hält eine Tiergattung durch die andere in Schach. Ich habe das selbst in Deutschland erlebt. Dort wollte man in einer Gegend die Kleinvögel vermehren und tötete alle Sperber, weil man in ihnen die Feinde der Singvögel sah. Der Erfolg war aber ganz entgegengesetzt. Die Kleinvögel vermehrten sich nicht, sondern ihre Zahl verminderte sich im Gegenteil, denn ihre grimmigsten Feinde, die Krähen und Eichelhäher, die ihre Eier zerstören und auch die Jungen fressen, konnten sich ungestört vermehren, weil ihr Vertilger, der Sperber, fehlte. So ist es mit allen Tiergattungen. Eine hängt in ihrer Existenz von der anderen ab. Der Mensch sollte sich da nicht hineinmischen, denn die Natur ist klüger als er.«

»Zugegeben. Aber Sie gehen von einer falschen Voraussetzung aus und begehen den Irrtum, den so viele Leute begehen. Der Trapper vermindert keineswegs den Tierbestand und greift somit also auch nicht in die Planwirtschaft der Natur ein, obwohl das den meisten höchst gleichgültig wäre. – Und da ist auch noch die Frage des überzähligen männlichen Tieres. Verschiedene, wie die Füchse, leben in dauernder Paarschaft, die meisten Pelzträger kämpfen aber für ihren Harem, und wie oft kommt es in diesem Kampfe vor, daß die Jungen getötet und die Mütter schwer verletzt werden. Die Männchen, da sie die Stärkeren sind, bleiben übrig, um sich gegenseitig abzuwürgen. Denken Sie nur an die Hirsche, Känguruhs, wilden Pferde, die mit einem halben Dutzend Stuten herumlaufen und ihren Besitz gegen jeden anderen Hengst verteidigen, und besonders an die Seehunde. Es sind fürchterliche Schlächtereien von unbefugten Seehundfängern und Wilderern begangen worden – jetzt ist das ja alles besser geregelt –, aber sie haben nicht so viele getötet, wie junge Tiere diesen Kämpfen um den Harem zum Opfer fielen und Muttertiere verletzt wurden. Außerdem sind alle wilden Tiere die Feinde der kleineren oder schwächeren. Wenn diese fehlen, fallen sie über ihre eigenen Jungen her, wie die Ratten, oder zerreißen ihre eigenen Geschlechtsgenossen, wie die Wölfe und Nerze, die wir hier Mink nennen.«

Mehrere Fallen hatten inzwischen genügend lange gekocht. Mühlberg hob sie mit einem Haken aus dem Kessel und legte sie zum Abkühlen auf den Boden. Sie waren von der dunklen Flüssigkeit gebräunt.

»Ziehen Sie sich Ihre Handschuhe an,« empfahl er Saubert, »denn jetzt dürfen wir sie nicht mehr mit den Händen berühren. Der Geruch würde daran haften bleiben und jedes Tier verscheuchen. Wenn sie kalt geworden sind, müssen wir sie einölen. Dort steht das Öl; ich habe ein paar Tropfen Witterung hineingetan. Ein Pinsel liegt daneben.«

Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

Nach einer Weile fuhr er fort: »Der Trapper hat das größte Interesse daran, den Tierbestand nicht zu vermindern. Und wenn wirklich einer zum Aastrappen Neigung hat, so gibt er das bald auf. Es lohnt sich nicht. Die Pelzhändler kaufen nur Pelze, die ersten Ranges sind, also die in der kurzen Zeit von zwei oder drei Monaten, wo der Fang des betreffenden Tieres erlaubt ist, erbeutet worden sind. Mancher möchte sie aus bloßem Eigennutz gern vorher fangen, dann sind sie aber noch nicht ersten Ranges, und er erhält keinen Preis dafür. Natürlich ist die gesetzliche Fangzeit auch immer die Zeit, wo die Mütter nicht mit Jungen gehen, und wo diese schon für sich allein sorgen können. Auch müssen sie in solchen Fallen gefangen werden, die sie nicht schwer verletzen, denn sie dürfen nicht in Fieber verfallen. Der Pelz eines fiebernden Tieres färbt sich nämlich immer bläulich, und ein solch bläulicher Pelz verliert die Haare und wird daher von den Pelzhändlern zurückgewiesen oder im besten Falle mit ein paar Cents bezahlt. Ebenso ist das Trappen mit Hunden in vielen Gegenden verboten, wie auch der Gebrauch von Giften, aus Sorge, daß ein Muttertier mit Jungen von dem vergifteten Köder fressen könnte. Der Tod durch eine gutgezielte Kugel ist weniger schmerzhaft, als wenn das Tier durch einen Wolf gerissen wird, oder ein Mink oder Marder ihm lebend das Blut aussaugt. Freilich, man gebraucht das Gewehr heute fast nur noch bei den großen und gefährlichen Tieren, wie Wolf und Bär, während man den Fuchs, Fischer und Marder meist mit Schlagfallen tötet, bei denen ein schwerer Balken herabfällt und das Tier erschlägt, sobald es, um den Köder zu erlangen, die Auslösung berührt. Auch Kastenfallen benutzt man vielfach. Und es wird verlangt, wenn es auch nicht immer geschieht, daß diese in Gegenwart eines Wildhüters geöffnet werden. Die sind ja überall vorhanden. Erweist sich der Gefangene dann als ein Weibchen, so werden ihm aus dem Schwänze eine Anzahl Haare ringförmig ausgeschnitten, und man läßt es laufen. Wenn ein Trapper es später einfängt, könnte er den Pelz nicht verkaufen, ohne sich schwerer Strafe auszusetzen. Ein junger Fuchs wird genau so behandelt. Sein Pelz ist ziemlich wertlos, und man läßt ihm daher noch ein Jahr die Freiheit, bis er für den Markt reif ist. Die Aastrapperei lohnt sich eben in keiner Weise. Wenn die überschüssigen Männchen nicht weggefangen würden, so würden sie sich schließlich gegenseitig niederreißen. Das weiß jeder Jäger, und man sieht es am besten bei den arktischen Blau- und Weißfüchsen, die nur selten weggefangen werden.«

»Es sind aber doch heute viel weniger Pelztiere vorhanden als früher, wo die Trapper noch nicht so zahlreich waren,« warf Saubert ein.

»Teilweise, ja,« gab Mühlberg zu. »Aber das ist nicht die Schuld der Trapper. Wo es der Fall ist, sind die Tiere durch die Farmer mit ihren Stacheldrahtzäunen vertrieben worden. Der Pelzhandel hat im Gegenteil eine ganze Menge Tiergattungen vor der völligen Ausrottung bewahrt und ihre Bestände wieder aufgefrischt. Denken Sie an den Büffel, den Biber und den Seehund in Alaska. Auch für die Moschusochsen wird etwas geschehen müssen, bevor sie durch die Wölfe und die Eskimos ganz ausgerottet sind.«

»Sie vergessen aber die Seeotter. An deren Ausrottung ist der Pelzhandel mit den hohen Preisen, die für ihre Felle bezahlt wurden, schuld.«

»Ja, und es würde heute wieder vorkommen, wenn wir keine Schutzgesetze hätten. Es waren die Indianer aus den Aleuten, die von den russischen Händlern mit Wodka traktiert wurden. Sie sind für die Ausrottung verantwortlich. Die Schutzgesetze, die zum allermeisten den Trapper selbst schützen, haben dafür gesorgt, daß heute Moschusratten, Skunk, Waschbär und Mink viel zahlreicher sind als früher, so daß es sich für den Farmer noch immer lohnt, im Winter trappen zu gehen.«

Die Arbeit des Reinigens, Auskochens und Ölens der Fallen nahm mehrere Stunden in Anspruch. Dann bereitete Mühlberg ein Mittagessen, und die beiden Freunde setzten sich am Tische nieder, um es zu verzehren.

»Wir müssen uns nun entscheiden, wo wir unsern Trappkreis haben werden,« nahm Mühlberg wieder das Wort.

»Das beste würde wohl sein, wenn wir ihn zwischen Ihrer und meiner Heimstätte hätten,« meinte Saubert.

»Daran habe ich auch gedacht,« stimmte Mühlberg bei. »Wir sind ja ohnehin ganz auf den Zufall angewiesen, ob wir Tiere finden oder nicht, denn ein Gebiet ist uns so fremd wie das andere. Das ist ein Nachteil, der sich aber nicht ändern läßt. Außerdem möchten wir beide des Nachts zu Hause sein. Ich schon um deswillen, weil ich hier unter den Augen meines lieben Nachbars bin, der es sicher dem Landamt anzeigen würde, wenn er eines Morgens nicht den Rauch aus meiner Ofenröhre aufsteigen sähe und mir auch nur ein Tag an meiner sechsmonatigen Wohnpflicht fehlte. Auf ein paar Nächte kommt es nicht an, die hole ich im Frühjahr nach, denn ich will da zwei Monate lang Land brechen und kultivieren und, wenn sich unsere Fänge einigermaßen als ergiebig erweisen, erst zur Erntezeit wieder auf Arbeit ausgehen. In Ausnahmefällen, besonders wenn mich schlechtes Wetter festhält, könnte ich also eine Nacht bei Ihnen bleiben. Ihre Heimstätte ist ungefähr neun Meilen von hier entfernt. Das wären also hin und zurück achtzehn Meilen. Da wir aber nicht den geraden Weg gehen, sondern in einem ungefähren Kreise, so können wir auf fünfundzwanzig bis dreißig Meilen rechnen. Das ist nicht zuviel, denn wir brauchen die Runde an den Fallen nur jeden zweiten Tag zu machen. Die ersten Male und hin und wieder auch später müssen wir ja zusammen gehen, damit Sie die Arbeit kennenlernen. Sonst aber gehen wir abwechselnd, dann braucht jeder von uns den Weg nur einmal in vier Tagen zu machen, ich von hier und Sie von Ihrem Platze aus.«

Saubert nickte nur zum Zeichen des Einverständnisses.

»Heute benutzen wir Ihren Schlitten,« fuhr Mühlberg fort, »um eine allgemeine Idee von unserm Trappkreis zu bekommen und ein paar Stellen zu suchen, wo wir unsere Fallen ablegen, damit wir morgen nicht eine so große Last zu schleppen haben. Die bestimmten Plätze, wo wir die Fallen aufstellen, suchen wir morgen. Jetzt wollen wir noch unsere Mokassins mit Fährtenwitterung bestreichen, denn es ist immer besser, wenn wir den Tieren die Anwesenheit von Menschen nicht verraten. Dann fahren wir los.«

Eine halbe Stunde später waren sie unterwegs in der winterlichen Einöde. Sie hatten eine nordöstliche Richtung gewählt. Der Weg von Mühlbergs Heimstätte nach der Sauberts sollte als westliche Grenze gelten, denn sie mußten vermeiden, mit dem Trappkreis von Leech in Berührung zu kommen.

Ihre beiden Gewehre, Rifles, lagen im Handbereich auf dem Boden des Schlittens auf Heu, und ein Jagdmesser und eine Axt mit kurzem Stiel steckten in den an ihren Hüftgürteln befestigten Scheiden. Die Hände waren in dicken Fausthandschuhen verwahrt, die an einer um den Hals gelegten Schnur hingen.

Ihr Atem und der der Pferde gefror sofort zu weißem Eisstaub und schlug gegen ihre Gesichter und hing wie Rauhreif an ihren Haaren, Augenbrauen und Wimpern. Aber die kalte Luft war kräftig, und die Pferde trabten lustig drauflos, obwohl Saubert sie nicht antrieb, denn Eile lag nicht in ihrem Plan. In dem ein bis zwei Fuß hohen Schnee glitt der Schlitten fast geräuschlos dahin.

Beide hielten scharfe Ausschau. Ernst und schweigend und mit Schneegirlanden behangen, die oft von Ast zu Ast reichten, standen der Wald und einzelne Baumgruppen, und Unterholz und Gestrüpp zeigten ihre Formen unter der weißen Schneedecke. Manchmal, wenn die Sonne durchbrach, leuchteten seltsame Farbenspiele aus dem Frosthauch heraus. Jeder Busch schien Feuer zu fangen, denn die Eistropfen waren Prismen und zerlegten das Licht zu funkelnden Regenbogen.

Hirsche, Moose und Caribous waren nicht zu sehen; sie hatten sich in ihre Winterstände zurückgezogen, wo Wölfe und Luchse aus Furcht vor den messerscharfen Hufen und dem Geweih der Böcke sie nicht anzugreifen wagen, sondern sie umschleichen, bis es ihnen gelingt, ein unerfahrenes Jungtier oder ein Reh von dem Rudel abzudrängen und ihm den heimtückischen Biß in die Kniekehle oder in die Drossel zu versetzen.

Das geschultere Auge Mühlbergs gewahrte oft in einem Hagebuttenstrauch als einzige dunkle Punkte auf der weißen Fläche ein paar Kaninchenaugen, das einzige, was von dem Tiere in der Winterfarbe seines Pelzes sichtbar war. Schwarz ist die Verräterfarbe im Winter, und der schwarze Punkt am Schwanzende der zahlreichen Hermeline war auch das einzige, an dem sie diese zierlichen und doch so verdorbenen Tierchen erkennen konnten, wenn sie über den Schnee huschten. Sie waren gar nicht scheu, oder ihre Neugier war größer als ihre Furcht, denn sie ließen den Schlitten immer bis auf wenige Schritte herankommen, bevor sie die Flucht ergriffen.

Nach einstündiger Fahrt hielten die beiden Freunde vor einem Stück Wald, dessen ziemlich unterholzfreier Boden nur stellenweise mit tieferem Schnee bedeckt war.

»Hier wollen wir ein Dutzend von unsern Fallen ablegen,« sagte Mühlberg. »Ob wir sie hier brauchen werden, müssen wir morgen feststellen; heute können wir uns damit nicht aufhalten. Wenn aber nicht alles trügt, werden wir ein paar in der Nähe aufstellen können, denn hier herum sind Kaninchen. Und wo die sind, sind auch ihre Feinde: Fuchs, Wolf, Luchs und Marder. Wir werden uns nach solchen umsehen müssen.«

»Sie schließen das wohl aus den vielen jungen Bäumen, von denen unten die Rinde abgenagt ist?« fragte Saubert.

»Ja, und dort läuft auch eine Spur – und da noch eine.« Er deutete mit der Hand die Richtung an.

Sie stiegen ab, suchten zwölf Fallen von verschiedener Größe aus dem Vorrat heraus und schichteten diese hinter einer Gebüschgruppe auf, deren Örtlichkeit sie sich genau einprägten.

Mühlberg hatte recht gehabt, als er die Kaninchenspuren als sicheres Zeichen für das Vorhandensein auch noch anderer Tiergattungen ansah. Bei genauerer Prüfung fand er auch noch andere Spuren in die Schneedecke eingedrückt, sonderbare Punkte und Striche wie in Morseschrift. Hier waren kleine Abdrücke, die fast ineinander liefen, an einer Stelle war ein tieferer Eindruck, wo das Hermelin seinen Lauf einen Augenblick unterbrochen hatte, um nach einem Vogel oder Kaninchen zu spähen. Die Spur endete plötzlich vor einer Einschlupföffnung im Schnee, wo das schlaue Tier unter die Schneedecke getaucht war, um sich unter der Oberfläche fortzuwinden und unter einem Schneehuhn wieder aufzutauchen, ihm die Fänge in die Brust zu schlagen und das Herzblut auszusaugen. Einige blutige Federn an der Stelle ließen über den Vorgang keinen Zweifel.

»Hier werden wir doch eine Schlinge legen,« sagte Mühlberg. »Die Länge der Sprünge verrät, daß es ein ausgewachsenes Tier ist, wenigstens fünfunddreißig Zentimeter lang. Das gibt einen guten Preis.«

Er holte einen elastischen Draht von dem Schlitten und befestigte diesen, nachdem er ihn an seinem Ende mit einer gleitenden Schlinge versehen, an einem Baumaste, den er niederbog. Sobald das Tier mit dem Kopfe in die Schlinge rannte, würde der Ruck den Baumast emporschnellen lassen und es sofort erwürgt werden. Ein kleiner Fischkopf, den er als Köder auslegte, würde das Tier sicher anlocken.

»Ich bin überzeugt, daß wir hier noch weitere Tierspuren entdecken, wenn wir danach suchen. Aber damit können wir uns jetzt nicht aufhalten. Lassen Sie uns weiterfahren.«

Eine halbe Stunde später kamen sie an einem großen Teiche vorüber, der auch unter dem Schnee als ein solcher zu erkennen war. Am Rande war eine lange Stange in den Boden gerammt, an deren oberem Ende ein Lappen im Winde flatterte.

»Was ist das?« fragte Saubert.

Sie hielten den Schlitten an und blickten über die Fläche des Teiches.

»Hier können wir nicht weiter,« bemerkte Mühlberg. »Die Stange ist das Zeichen eines Trappers, der damit ankündigen will, daß das Gebiet ihm gehört. Entweder befindet sich hier eine Kolonie von Moschusratten, oder eine Familie von Bibern hat sich hier angesiedelt. Der Biberfang ist jetzt wieder erlaubt, nachdem er fünf Jahre lang verboten war. Beides lohnt sich: die Moschusratten durch ihre Menge und die Biberpelze durch ihren Preis. Der Farmer, bei dem ich während der Ernte arbeitete, hat im vorigen Winter siebenhundert Moschusratten nicht eine Meile weit von seiner Farm gefangen und einen guten Preis dafür bekommen. Dieses Jahr sind sie schon wieder etwas niedriger. – Wem mag das Gebiet gehören? Vielleicht Carter, denn dessen Land liegt nur ein paar Meilen östlich. – Übrigens, dort sehe ich etwas, das nur ein Biberdamm sein kann. Dort links. Und hier liegt ein Baumstamm, durchgenagt von Bibern. Sie sehen es deutlich an der zweikantigen Schnittfläche. Well, der Mann hat Glück. Aber wir haben hier nichts mehr zu suchen und fahren am besten nördlich. Dort werden wir auch auf den Bach stoßen, der durch Ihre Heimstätte fließt.«

Sie wandten den Schlitten und fuhren in nördlicher Richtung weiter.

Nach einer weiteren halben Stunde erreichten sie tatsächlich den Bach. Hier war, wie an jedem Wasser, ein wichtiges Trappgebiet, denn sie konnten so ziemlich sicher sein, hier Mink, Otter, Fischer und Marder zu finden, wenn sie scharf nach ihren Spuren suchten. Der Bach war gefroren und das Eis hart wie Stein, aber einstweilen fanden die Tiere hier noch Nahrung genug. Erst später würden sie genötigt sein, Wanderungen oft von vielen Meilen über Land zu unternehmen, um sich solche zu suchen. Es gibt immer Fische, die töricht genug sind, in den oberen Wasserläufen zu verweilen, bis das Eis sie einschließt. Dort kann man sie sehen, kann sehen, wie sie nach Luft schnappen in ihrem Kessel, dessen Wände immer dicker und enger werden, da jeder Tag eine neue Schicht Eis an sie ansetzt. Diese Kessel sind die Vorratskammern für Mink, Fischer und Otter, und erst wenn sie erschöpft sind, müssen sie sich nach anderer Nahrung umsehen.

Diese Bäche und ihre Ufer muß der Trapper sorgfältig untersuchen. Die Tiere schwimmen unter dem Eise und benutzen dabei die Luftschicht zwischen Eis und Wasser. Wenn er einen solchen Wechsel entdeckt, muß er das Eis aufhacken und seine Falle in dem Wasser aufstellen. Das gleiche gilt von den Moschusratten in den Teichen und Sümpfen, die ihre Wechsel in allen Richtungen von ihrem Hause aus unter dem Eise haben. Manchmal, wenn das Eis durchsichtig ist, kann man sie ausfindig machen und eine Falle dort aufstellen.

Hier wurde ein zweiter Vorrat von Fallen abgelegt und nach einer weiteren Stunde Fahrt der dritte.

Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen, und man war der Heimstätte Sauberts ganz nahe gekommen, hatte aber noch einen Teil der Fallen übrig, die man auf der letzten Strecke zwischen der Saubertschen und der Mühlbergschen Heimstätte niederlegen wollte.

Auf Sauberts Heimstätte wurde ein kurzer Halt gemacht, die Pferde ausgeschirrt, denn für den Rest des Weges, den Saubert auch wieder zurück zu machen hatte, wollte er das andere Gespann benutzen. Nachdem man Kaffee getrunken und etwas gegessen hatte, fuhr man weiter in der Richtung nach Mühlbergs Heimstätte, aber nicht auf der geraden Regierungsstraße, sondern in einem weiten Bogen durch die freie Landschaft.

Hier, ungefähr vier Meilen von Mühlbergs Heimstätte, legten sie die letzten Fallen ab. Es war schon Abend geworden, aber der Schnee machte den Weg deutlich sichtbar. Saubert brachte Mühlberg noch nach dessen Heimstätte, und es wurde vereinbart, daß sie sich am nächsten Morgen an der Stelle, wo die letzten Fallen lagen, treffen wollten, um ihre Runde von dort aus in der entgegengesetzten Richtung anzutreten.


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