Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Elftes Kapitel.
Angenehme Nachbarschaft

Die Familie Burkhart hatte sich auf ihrer Farm gut eingerichtet. Sie waren während des Sommers alle sehr beschäftigt gewesen, denn während Vater und Sohn sich hauptsächlich mit dem Klären von Land beschäftigten, gab es für die Frauen, denen auch die Versorgung des Viehs und Geflügels oblag, im Hause viel zu tun. Die von Deutschland mitgebrachten Sachen hatten dazu gedient, das Haus, das vieler Verbesserungen bedurfte, wohnlich herzurichten, und es war schließlich kein Wunder, daß sich jeden Sonntag eine Anzahl Leute aus der näheren und ferneren Umgebung einfanden, um ihnen einen Besuch zu machen. Besonders unter den jungen Leuten aus der Stadt und auf dem Lande ringsherum hatte die Kunde von der Ankunft dreier hübscher Mädchen aus Deutschland eine Art Sensation hervorgerufen, und man konnte darauf rechnen, jeden Sonntag, und oft schon vormittags, eine Anzahl von ihnen in ihrer besten Kleidung anzutreffen. Einzelne, besonders auch ein paar Mädchen, kamen mit ihren Eltern.

An Unterhaltung fehlte es somit nicht. Die Kinder lernten unter diesen Umständen überraschend schnell Englisch, während es den Eltern nicht so leicht fiel.

Die Besuche wurden von den jungen Leuten oft wiederholt, und das stellte Frau Burkhart vor die Aufgabe, genau zu prüfen, in welchen Fällen sie die Besuche für die Dauer als erwünscht ansehen sollte. Es befanden sich mehrere Clerks aus den Stores und anderen Geschäften der Stadt darunter und auch einige Arbeiter. Zwischen beiden bestand kaum ein Unterschied. Die ersteren fanden sich daher in bezug auf die Wiederholung ihrer Besuche bald ebenso entmutigt wie die letzteren. Denn der Umstand, daß jemand im weißen Kragen arbeitete, für ein Gehalt, das ungefähr seine Lebenshaltung im Boardinghause und seine Wäscherechnung deckte, war nicht ausreichend, ihn Frau Burkhart als zukünftigen Schwiegersohn zu empfehlen. Es waren recht nette junge Leute darunter, das war aber nur ein Grund mehr, sie fernzuhalten, und sie hatte eine durchaus nicht überhöfliche Art und Weise, ihnen das zu erkennen zu geben.

Nur einer war darunter, der eine andere Einschätzung rechtfertigte. Es war Mr. Horton, der Bankmanager von Edson. Er war ein ungemein langweiliger Mensch, der selten etwas sprach. Ob er nichts zu sagen wußte, oder ob die pflichtmäßige Diskretion der Bankbeamten in kleinen Ortschaften bei ihm bereits Fleisch und Blut geworden war, wußte niemand. Den meisten war das auch gleichgültig, und Frau Burkhart war sicher, daß es ihr gleichgültig war. Er galt jedenfalls für die beste Partie in der Stadt, da der Arzt und der Rechtsanwalt unglücklicherweise bereits verheiratet waren. Seine wiederholten Besuche auf der Burkhartschen Farm riefen daher in gewissen Zirkeln Edsons eine große Beunruhigung hervor, besonders dort, wo die Mütter mit Recht oder Anrecht glaubten, daß ihre Tochter bereits von dem Bankbeamten bevorzugt werde.

Es war bald zu erkennen, daß es Valeska war, die ihn aus seiner schildkrötenhaften Reserve herausgelockt hatte, und weder von ihr noch von Frau Burkhart wurden irgendwelche Einwendungen dagegen erhoben. Ein Charakter wie der der stets lustigen, ja übermütigen Valeska war dem mehr als gesetzten Menschen etwas so Neues, so überwältigend Reizvolles, daß er sich hilflos dem fremdartigen Zauber überließ.

Der Neid und die geheime Empörung der Mütter und Töchter in Edson, die sich in ihren stillen Hoffnungen nun so bitter getäuscht sahen, gaben Frau Burkhart noch eine besondere Befriedigung über diesen Stand der Dinge.

Sie wurde auch bald von jeder Ungewißheit über die Absichten des Mr. Horton befreit, denn eines Sonntags im Oktober überraschte Valeska ihre Eltern mit der Bekanntgabe ihrer Verlobung. Der Vater hatte in dieser Beziehung nichts zu sagen, und des Einverständnisses der Mutter war sie längst sicher.

Auch Mathilde war sehr umworben. Zwei Söhne vermögender Farmer bemühten sich ganz offen um ihre Gunst. Die andern taten das ja auch, aber mit dem Bewußtsein der Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen. Hätte Mathilde den beiden nur die kleinste Ermutigung gegeben, so wäre es auch hier zu einer Verlobung gekommen. Aber sie beugte beizeiten vor, indem sie der Schwester des einen gegenüber gelegentlich die Behauptung fallen ließ, sie würde jetzt noch nicht heiraten. Es war ihr freilich klar, daß solche Bemerkungen selten ernst genommen werden, deshalb hütete sie sich auch, es mit diesem oder irgendeinem der anderen Besucher zu einer vertraulichen Aussprache kommen zu lassen.

Frau Burkhart entging ihr Verhalten nicht, und sie erriet auch die Gründe dafür, aber sie sagte nichts. Es gibt Fälle, wo es viel besser ist, in den Gang der Dinge nicht einzugreifen, besonders wenn es sich um Dinge handelt, die abgewartet werden können …

Es war zwei oder drei Tage nach dem Zusammentreffen Mühlbergs mit Mr. Leech, als Valeska mit ihrem Bruder Rudolf schon im Laufe des Vormittags zwei Pferde vor den Kastenschlitten spannte, um einige Meilen stromabwärts an den Edson-River zu fahren und dort mit dem Netz Fische zu fangen. Sie erreichten die Stelle, die ihnen als ein guter Fangplatz bekannt war, bald, machten am Ufer halt und warfen den Pferden warme Decken über.

»Bleib du hier,« riet ihr Rudolf, »ich gehe Holz suchen, denn wir müssen ein Feuer haben, damit wir uns die Hände wärmen können.«

Damit nahm er die Axt von dem Schlitten und verschwand im nahen Walde.

Valeska machte inzwischen das Netz klar, das sie beim Fange benutzen wollten. Die Zeit für den Fischfang zum Marktverkauf begann freilich erst am fünfzehnten Dezember, aber darum handelte es sich bei dem Ausfluge der beiden nicht, sondern nur um die Versorgung des eigenen Haushalts, der an sich schon große Ansprüche stellte, die durch die häufigen Besuche noch vermehrt wurden.

Valeska trat auf den Fluß hinaus, der trotz seines lebhaften Gefälles mit einer Eisdecke von stellenweise mehr als einem Fuß Dicke überzogen war. Hier mußten einige Löcher in das Eis gehackt werden, und sie wollte die geeigneten Stellen dafür auswählen. Der Breite des Flusses entsprechend würden sie vier oder fünf solcher Löcher benötigen, jedes dreißig bis vierzig Fuß vom andern entfernt. Als sie soweit gekommen war, kehrte Rudolf mit einem Armvoll Holz und einigen Stücken Birkenrinde aus dem Walde zurück. Der Fluß hatte sich an dieser Stelle tief in das Erdreich eingewühlt, und die Ufer ragten mehr als mannshoch über die Eisdecke empor. Rudolf ließ seine Blicke eine Weile an der Uferbank entlangschweifen, dann sagte er, indem er auf eine bestimmte Stelle deutete: »Hier werde ich das Feuer anlegen. Das hohe Ufer strahlt die Hitze zurück, und wir sitzen dann warm hinter dem Feuer.«

Er warf das Holz ab, nahm eine Schaufel vom Schlitten und begann den Schnee, der etwa zwei Fuß hoch war, von der angedeuteten Stelle wegzuschaufeln. Dann legte er mit Hilfe der Birkenrinde, die schnell aufflammte, ein prasselndes Feuer an. Als es zu seiner Zufriedenheit brannte, breitete er ein Stück wasserdichte Leinwand über die Reste von Schnee hinter dem Feuer und sagte: »Hier können wir nun behaglich sitzen, wie zwei alte, erfahrene Trapper. Die könnten es nicht besser machen. Aber ich muß erst noch einmal Holz holen, denn das Feuer verzehrt ungeheuer viel.«

Während er sich noch einmal entfernte, nahm Valeska eine Spitzhacke vom Schlitten, den sie, um den Pferden Schutz vor dem Winde zu gewähren, auf den Flußlauf heruntergeführt hatten, wo die Tiere mit einem Heubündel beschäftigt waren, und schritt auf die Eisdecke hinaus. Hier begann sie, nachdem sie ihre dicken Fausthandschuhe zurechtgerückt, an den ausgewählten Stellen das Eis aufzuhacken. Das war keine leichte Arbeit, denn der Frost hatte es hart gemacht wie Eisen. Sie war aber kräftig und nicht ungeschickt im Gebrauch schweren Arbeitswerkzeugs, und so ging die Arbeit, obwohl nur immer Splitter unter ihren Schlägen flogen, rasch vorwärts. Sie hatte vier Löcher über dem tieferen Wasser des Flusses fertig, als der Bruder mit einer neuen Ladung Holz wieder sichtbar wurde.

»Bringe die Stange und das Netz, ich bin fertig!« rief sie ihm zu.

Rudolf brachte das Verlangte. Das Netz hatten sie sich von Finsterbusch geliehen. Die Stange war dünn und etwa vierzig Fuß lang. Valeska band eine dünne Leine daran fest und schob sie in das erste Loch, so daß sie bis zum zweiten reichte, während noch ein ganzer Teil des Seiles vor dem ersten Loche liegenblieb. Von hier aus wurde sie bis zum dritten Loche weitergeschoben und danach bis zum vierten, wo sie von Rudolf herausgeholt wurde. An das Ende der Leine befestigte Valeska jetzt das Netz, und auf einen Ruf von ihr begann Rudolf es an seinem Ende in das Wasser zu ziehen. Es war ein langes und etwas mehr als anderthalb Meter breites Kiemennetz, also ein solches mit Maschen, in denen die Fische, wenn sie dagegen anschwimmen, mit den Kiemen hängenbleiben. Oben wurde es durch große Korkstücke schwimmend erhalten, unten dagegen war es mit Bleigewichten versehen, so daß es im Wasser aufrecht stand. An beiden Enden wurde es an quer über die Löcher gelegten Stangen befestigt.

Damit war ihre Arbeit für mehrere Stunden getan, und sie konnten an das Mittagessen denken. Valeska ging nach dem Feuer zurück, legte noch ein paar Klötze auf und wärmte dann eine Zeitlang ihre erstarrten Glieder. Darauf setzte sie den Topf mit dem mitgebrachten Kaffee auf die glühenden Holzstücke. Währenddessen schlug Rudolf unterhalb des ausgelegten Netzes ein anderes Loch in das Eis und senkte durch dieses eine Angelschnur in das Wasser. Es dauerte auch nicht lange, so zog er einen Hecht von mehreren Pfund Gewicht heraus. Mit diesem lief er eiligst nach dem Feuer, wo er ihn mit seinem Jagdmesser aufschlitzte, innen reinigte und den Kopf abtrennte. Valeska brachte inzwischen eine Pfanne herbei, deren Boden mit steinhart gefrorenem Fett bedeckt war, und nachdem sie den Fisch noch einmal mit losem Schnee gereinigt und mit Salz bestreut hatte, setzte sie die Pfanne ebenfalls auf das Feuer. Bald verbreitete sich der köstliche Geruch des bratenden Fisches durch die Luft.

Beide waren mit ihrer Arbeit so beschäftigt gewesen, daß sie ihrer Umgebung keine Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Als jetzt aber Valeska einmal zufällig aufblickte und auf den Fluß hinaussah, gewahrte sie eine dunkle Tiergestalt, die vom anderen Ufer kam. Zwei weiße Streifen, die über den Rücken liefen, ließen keinen Zweifel daran, daß es sich um einen Skunk handelte.

Offenbar hatte der Geruch des bratenden Fisches ihn angelockt. Furchtlos kam er näher. Das Feuer in der aufgeworfenen und nur nach der Uferbank zu offenen Schneegrube mußte er gesehen haben, oder doch wenigstens dessen Schein und zweifellos auch die sich um das Feuer herumbewegenden beiden menschlichen Gestalten. Ein Skunk fürchtet aber nichts als einen andern Skunk.

Erschrocken legte sie ihre Hand auf Rudolfs Arm.

»Um Gottes willen, das Tier dort! Ich glaube, es ist ein Skunk. Hoffentlich kommt er nicht hierher.«

Es war noch ungewiß, denn er blieb erst an mehreren der Löcher im Eise stehen und untersuchte diese, kam aber doch immer näher. Das mußte unter allen Umständen verhindert werden. Dazu gab es aber nur einen Weg für Rudolf – einen gutgezielten Schuß. Ein Mann mit mehr Erfahrung hätte auf eine so kurze Entfernung hin wohl nicht mehr geschossen, sondern sein Heil in schleunigster Flucht gesucht, denn auch im Falle eines tödlichen Schusses hätte es nur den Erfolg gehabt, daß sich die Stinkdrüsen des Skunks reflexartig entleerten.

Seine Rifle befand sich auf dem Schlitten. Es wäre eine Unvorsichtigkeit gewesen, sich ohne eine solche von der Farm so weit zu entfernen, und jede Gelegenheit zu ihrer Anwendung war ihm viel zu willkommen, um sich einer solchen Unvorsichtigkeit schuldig zu machen. Er sprang daher nach dem Schlitten und riß sie an sich.

Die Pferde hatten die nahende Gefahr auch schon wahrgenommen, und sie schien ihnen nicht unbekannt zu sein, denn sie wurden unruhig und blickten scheu und mißtrauisch nach dem Flusse aus.

Das Wetter war schon seit einiger Zeit unsichtig geworden, und ein scharfer Wind, der immer mehr anschwoll und in seinen Stößen Wolken von Schneestaub vor sich herjagte, peitschte mit einem hohlen Pfeifen über die Landschaft. Es waren die Zeichen eines herannahenden Blizzards, des ersten in diesem Jahre, der aber weder Rudolf noch Valeska einstweilen Sorge bereitete, da sie seine Gefährlichkeit noch nicht kannten.

Dieser Umstand und die Aufregung, in der er sich befand, mußten Rudolf wohl des sicheren Zieles beraubt haben, als er dem Skunk im nächsten Moment die Kugel antrug. Denn obwohl dieser inzwischen bis auf dreißig Schritte herangekommen war, erwies sich der Schuß doch als ein Fehlschuß. Er konnte das Tier nur gestreift haben, und er hätte darauf schwören können, daß er Haare von ihm hatte fliegen sehen. Zur Untersuchung blieb ihm aber keine Zeit, denn wie in einem elektrischen Kontakt drehte das Tier sich um und ließ seinen Strahl unerträglich stinkender Jauche nach der Stelle fliegen, von der der Schuß gekommen war. Dann trollte es sich ohne besondere Eile dem jenseitigen Ufer zu, wo es zwischen den Büschen verschwand.

Ein Schrei Valeskas zeigte zu gleicher Zeit an, daß sie getroffen war. Rudolf war diesem Schicksal wunderbarerweise entgangen, aber er kämpfte in dem fürchterlichen Gestank, der die Luft sofort auf wenigstens eine Meile erfüllte, nicht weniger um jeden Atemzug Luft. Auch die Pferde rissen entsetzt an den Stricken, mit denen sie an dem Schlittenende festgebunden waren, und hätten sich losgerissen, wenn Rudolf nicht hinzugesprungen wäre, die Stricke gelöst und die Tiere eine Strecke weit fortgeführt hätte, bis er an eine Gebüschgruppe gelangte, wo er sie festband. Dann erst konnte er seiner Schwester zu Hilfe kommen.

Die hatte sich inzwischen, soweit dies möglich war, schon selbst geholfen, indem sie ihre Pelzjacke, die die schlimmsten Spritzer abbekommen hatte, sich vom Leibe riß und so weit von sich fortschleuderte, wie sie es nur vermochte. Es war warm genug hinter dem Feuer, und sie konnten den Pelz entbehren.

Sie wurde es gar nicht gewahr, daß der Kaffee überkochte und der Fisch, der ihnen ein so vorzügliches Mittagessen verheißen hatte, verbrannte. Es war auch gleichgültig, denn beide waren doch verdorben.

Auch von einer andern Seite war ihr noch Hilfe gekommen.

Oben von dem hohen Ufer her tönte eine Stimme herab: »Hallo, hat jemand hier mit dem Teufel Umgang?«

»Jawohl, Herr Mühlberg!« rief Valeska zurück. »Und er hat die Höllentore sperrangelweit offen gelassen. Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, bleiben Sie da oben, denn ›hier unten ist's fürchterlich‹!«

»Hier oben nicht weniger.«

Es war in der Tat Mühlberg, der mit Saubert von Edson zurückkehrte. Sie hatten diesmal einen etwas andern Weg gewählt, da sie bei Burkharts mit vorsprechen wollten. In Edson hatte es sich, ganz ihren Erwartungen entsprechend, herausgestellt, daß die Angaben des Mr. Leech auf Unwahrheit beruhten. Die Heimstätte war noch frei, und Mühlberg hatte keine Schwierigkeiten, sie auf seinen Namen eintragen zu lassen.

Während Saubert den Schlitten oben zum Halten brachte, sprang Mühlberg über die niedrige Kastenwand und kletterte die Böschung herab.

Ein paar Worte der Erklärung genügten. Es blieb nichts anderes übrig, als Valeska so schnell wie möglich nach Hause zu befördern, damit sie aus ihren Kleidern herauskam. Wie lange der Geruch, trotz aller Reinigungsversuche, an ihrem Körper haften bleiben und ob die Kleidungsstücke auch bei Anwendung des einen oder anderen der vielen Mittel zu seiner Beseitigung jemals wieder zu gebrauchen sein würden, blieb zweifelhaft.

Die Arbeit hier hätte indessen ohnehin abgebrochen werden müssen, denn es wäre unweise gewesen, das Netz mit den gefangenen Fischen in dieser verpesteten Atmosphäre aus dem Wasser zu heben. Trotz des Blizzards, der immer stärker wurde, würde der entsetzliche Gestank hier noch stundenlang die Luft erfüllen, die Fische würden ihn annehmen und zur Nahrung selbst für das Geflügel untauglich werden. Aber auch der beginnende Blizzard, von dem man nicht wußte, welche Stärke er noch annehmen würde, und bei dessen ersten Anzeichen es ein Akt der gewöhnlichsten Klugheit ist, so schnell wie möglich unter Dach und Fach zu gelangen, schloß die Fortsetzung der Arbeiten aus. Die Einholung des Netzes konnte bis zum folgenden Morgen oder auch auf später verschoben werden, falls der Blizzard andauern sollte.

Auf Mühlbergs Anordnung spannte Rudolf daher in aller Eile die Pferde ein, Valeska wurde in eine wollene Decke gewickelt, und dann glitten beide Schlitten auf der Schneedecke vorwärts, der Burkhartschen Farm zu. Die Pferde bedurften keines Antriebs, sie kannten die Gefahr und rasten förmlich dahin.

Zu Hause angelangt, mußte sich Valeska sofort umziehen. Die getragenen Stücke wurden ins Freie geschafft und an passender Stelle aufgehängt, um zu sehen, ob es dem Blizzard gelingen würde, den Höllengestank aus ihnen zu entfernen.

Daß Mühlberg und Saubert heute ihre Fahrt noch fortsetzen konnten, daran war nicht zu denken. Der Blizzard war inzwischen mit voller Gewalt losgebrochen und die Luft erfüllt von einem wirbelnden Gestöber winziger Eiskristalle, die die Furie des Windes einherpeitschte, daß sie wie glühende Funken gegen Gesicht und Augen schlugen. Es wäre sogar gefährlich gewesen, nur bis nach dem Stall zu gehen, was aber glücklicherweise nicht nötig war, da Martha auf Geheiß ihrer Mutter die Pferde und Kühe, sowie sämtliche anderen Tiere ausreichend mit Futter versorgt hatte.

Der Vater Burkhart war nicht daheim, er befand sich auf der Hirschjagd. Man war etwas beunruhigt um seine Sicherheit, vertraute aber schließlich seiner Umsicht, die ihn gewiß irgendwo hatte Schutz suchen lassen.

Als man am Nachmittag in der Wohnstube beisammensaß, mit Ausnahme der Frau Burkhart und Rudolfs, die in der Küche beschäftigt waren, fragte Mathilde: »Wissen Sie schon, daß Valeska verlobt ist?«

»Keine Ahnung,« sagte Mühlberg überrascht. »Das ist ja recht schnell gegangen. Mit wem denn?«

»Mit Mister Horton, dem Bankmanager in Edson.«

»Gratuliere,« sagte er, indem er ihr die Hand reichte.

»Mathilde hat übrigens auch einen Heiratsantrag erhalten,« plauderte Valeska aus der Schule.

Mühlberg fühlte, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich und es plötzlich kalt wurde.

»Aber Valeska!« rief Mathilde verweisend, indem sich ein peinlicher Ausdruck auf ihr Gesicht legte. »So was erzählt man doch nicht.«

»Warum nicht,« entgegnete Valeska mutwillig, »ich bin überzeugt, daß es Herrn Mühlberg interessiert.«

»Da darf man also auch hier gratulieren?« zwang er sich zu fragen.

Sein Blick ruhte einen Augenblick auf Mathilde, die ihn aber nicht bemerkte, denn sie hielt ihre Augen niedergeschlagen.

»Geht das daraus hervor?« fragte Valeska unschuldig.

»Es ist der gewöhnliche Lauf der Dinge,« meinte Mühlberg.

Eine Spannung lag auf seinen Gesichtszügen, denn die Bemerkung Valeskas schien darauf hinzudeuten, daß dem berichteten Vorgang die erforderliche Endgültigkeit fehlte.

»Mein lieber Herr Mühlberg,« entgegnete Valeska weise, »Sie scheinen nicht zu wissen, daß zu einer solchen Sache etwas gehört, was später in den meisten Ehen nicht mehr vorhanden ist.«

»Und was ist das?«

»Übereinstimmung.«

Mathilde sprach noch immer nicht. Sie war unangenehm davon berührt, daß Valeska den halben Vertrauensbruch begangen hatte. Mochte sie jetzt auch die Sache zu Ende führen.

»Wollen Sie damit sagen, daß Fräulein Mathilde – –«

»Aber natürlich. Sie ist gar nicht so erpicht aufs Heiraten wie ich armes Wurm, und will noch warten.«

»Auf was?« fragte Mühlberg, innerlich befreit aufatmend.

»Sie meinen auf wen?« verbesserte Valeska. »Auf den Richtigen natürlich, denn anders heiratet man doch nicht. Mister Horton hat mir auch gesagt, er würde niemals geheiratet haben, wenn er die Richtige nicht gefunden hätte.«

»Und wer hat ihm denn gesagt, daß Sie die Richtige sind?«

»Ich natürlich.«

»Da weiß er es ja freilich aus bester Quelle,« versetzte Mühlberg lachend.

Frau Burkhart kam jetzt aus der Küche, gefolgt von Rudolf, der eine Anzahl eiserne Fallen trug, die er in einer Ecke aufstellte.

»Die habe ich mit Pappelrinde gekocht,« sagte er stolz, »damit sie den Eisengeruch verlieren. Sie können auch Eichenrinde dazu nehmen, die ist vielleicht sogar noch besser, aber Eichen wachsen hier herum nicht.«

»Willst du Trapper werden?« fragte Saubert.

»Bin schon einer,« erklärte Rudolf mit etwas gekränkter Würde. »Nächste Woche gehe ich mit meinem Partner Silas Leech auf unser Trappgebiet.«

»Leech?« fragte Saubert, aufmerksam werdend. »Ist das der Sohn des Heimstätters da oben auf Sektion vierunddreißig?«

»Selbe.«

Er hielt es wohl für besonders smart, so kurze Antworten zu erteilen, mochte irgendwo gehört haben, daß das die Gewohnheit von Trappern ist, die lange Jahre in der Einsamkeit gelebt haben.

Saubert sagte nichts mehr, richtete aber einen Blick auf Mühlberg, der ihn erwiderte.

»Ich bin jetzt der Nachbar von Leech,« sagte Mühlberg, zu den Mädchen gewendet. »Gestern habe ich mir die Heimstätte neben der seinigen eintragen lassen.«

Die Mädchen zeigten sich sehr interessiert und stellten eine Reihe von Fragen, die Mühlberg alle beantwortete.

»Wo wollt ihr trappen?« fragte er dann den Jungen. »Von Leechs Heimstätte aus?«

»Nein, dort trappt Leech selber. Silas hat sich aber ein Trappgebiet ausgesucht, wo niemand hinkommt. Es ist an die zehn Meilen von der Heimstätte, und es steht auch schon eine Hütte darauf. Silas hat dort schon ein paar Jahre getrappt.«

Etwas später fand Mühlberg Gelegenheit, Frau Burkhart zu fragen: »Kennen Sie diesen Silas Leech?«

»Er war ein- oder zweimal hier.«

»Ich weiß nicht, ob sich Ihr Sohn da den richtigen Partner ausgesucht hat. Er wie sein Vater stehen in einem sehr schlechten Rufe.«

Unter anderen Umständen hätte Frau Burkhart in dieser Bemerkung wahrscheinlich eine wohlgemeinte Warnung erblickt. Da sie aber entschlossen war, jedes Vertrautsein Mühlbergs mit ihrer Familie zu verhindern, faßte sie sie als eine unerwünschte Einmischung in ihre Angelegenheiten auf, die Zurückweisung verdiente.

»Was wissen Sie von den beiden?« fragte sie streng.

»Nicht mehr, als was ich Ihnen gesagt habe. Man hört alles mögliche über die Leute, und fast niemand verkehrt mit ihnen. Der Vater hat nur ein paar Freunde, die nicht besser sein sollen als er.«

»Etwas Bestimmtes können Sie ihnen aber nicht nachsagen?«

»Nein.«

»Und auf solches Gerede hin glauben Sie die Leute hier schlecht machen zu können?« fragte sie jetzt wirklich empört, denn Anschauungen und Überzeugungen waren bei ihr immer das Ergebnis von Stimmungen und Wünschen; zu einer abgeklärten und von Vorurteilen freien Auffassung von Dingen war sie außerstande.

»Well, ich hielt es für meine Pflicht, Ihnen zu sagen, was Sie überall hören können,« verteidigte sich Saubert.

»Und im übrigen waschen Sie Ihre Hände in Unschuld? Das kennt man. Wenn ich nicht mehr von Leuten weiß, sage ich überhaupt nichts. Und wegen Rudolf machen Sie sich nur keine Sorge. Der weiß schon, mit wem er umgeht. Dieser Silas Leech ist, soweit ich ihn kenne, ein ganz ordentlicher Mensch, und solange die Leute nichts Bestimmtes über ihn sagen können, sollten sie sich lieber um sich bekümmern.«

» All right, Frau Burkhart. Das ist zum wenigsten deutlich. Ich kenne aber Leute, die eine gutgemeinte Warnung anders aufnehmen.« – –

Der Blizzard hatte sich in der Nacht ausgetobt, und es war stille, ruhige Luft am nächsten Morgen, wenn auch die Atmosphäre noch von einem dicken Frosthauch erfüllt war.

Saubert und Mühlberg machten sich daher zum Aufbruch fertig. Es gelang dem letzteren, noch kurz vor der Abfahrt verstohlen ein paar Worte mit Mathilde zu wechseln.

»Nehmen Sie meiner Mutter ihr Verhalten nicht übel,« bat sie ihn. »Sie ist manchmal so eigen.«

»Ich weiß,« entgegnete Mühlberg. »Leider kann ich mich nicht rühmen, in ihrer Gunst zu stehen.«

»Und werden Sie sich davon abhalten lassen, wiederzukommen?«

»Nicht, wenn ich sicher sein könnte, daß ich Ihnen willkommen bin.«

Sie umging eine direkte Antwort und sagte nach einer kleinen Pause leise: »Kommen Sie!«

Das war alles, was sie miteinander sprechen konnten, es genügte aber, um Mühlberg in die fröhlichste Stimmung zu versetzen, und er winkte allen Mitgliedern der Familie Burkhart, einschließlich der resoluten Frau Burkhart, freundliche Grüße zu, als die Pferde jetzt anzogen und in die Schneelandschaft hineintrabten.

Es war in den zeitigen Nachmittagsstunden, als sie sich der Heimstätte, die jetzt Mühlberg gehörte, näherten. Die Hütte, die darauf stand, war sonst aus einer Entfernung von einer halben Meile sichtbar, die beiden Insassen des Schlittens schauten jetzt aber vergeblich danach aus, als sie sich der Stelle näherten.

»Sonderbar,« meinte Mühlberg, »ich kann die Hütte nicht sehen.«

Saubert antwortete nicht. Auch er blickte scharf aus und schien überrascht.

Als sie noch eine kurze Strecke weitergefahren waren, erblickten sie an der Stelle, wo bisher die Hütte gestanden hatte, einen schwarzen, verkohlten Trümmerhaufen, aus dem sich noch einige schmutzige Rauchschwaden in die Luft hoben.

»Das ist das Werk von Leech! Seine erste Schurkerei!« sagte Saubert.

»Ich werde dafür sorgen, daß es auch seine letzte ist,« antwortete Mühlberg ingrimmig.

Inzwischen waren sie auf der Heimstätte angelangt und brachten den Schlitten vor einem Haufen zum Teil noch glimmender Balken und Bretter zu einem Halt.

»Was ist jetzt zu tun?« fragte Mühlberg, für den Augenblick völlig ratlos.

Er war nun obdachlos, denn er hatte damit gerechnet, in der Hütte, trotz ihres verfallenen Zustandes, den er aber mit jedem Tage zu verbessern gedacht hatte, zu wohnen. Jetzt war ihm das genommen, und es war ein schwerer Schlag für ihn.

Auf der Nachbarfarm war alles ruhig, verdächtig ruhig. Sie lag wie ausgestorben.

»Ich bin überzeugt, daß wir von Mister Leech jetzt beobachtet werden,« fuhr er fort. »Lassen Sie uns hinübergehn und ihn fragen, was hier geschehen ist.«

Sie waren beide inzwischen vom Schlitten gestiegen, hatten die Pferde ausgespannt, ihnen Decken übergeworfen und sie am Ende des Schlittens vor einem Bündel Heu festgebunden. Nunmehr schritten sie der Farm des Mr. Leech zu.

Als sie dem Hause schon ganz nahe gekommen waren, trat Leech, gefolgt von einem jungen Menschen, offenbar seinem Sohne, aus der Tür.

»Well, Mister Leech,« rief ihm Mühlberg zu, »ich wollte Sie als Nachbar begrüßen, denn ich habe die Heimstätte übernommen. Wie ich von vornherein vermutet, hatte sich der Mann, von dem Sie mir erzählten, anders besonnen.«

Die Bedeutung dieser Bemerkung konnte Leech nicht entgehen. Unter den buschigen Augenbrauen traf Mühlberg ein höhnischer Blick, in dem sich die ganze Rücksichtslosigkeit eines Mannes ausdrückte, der gewohnt ist, aufs Ganze zu gehen, und damit auch meistens Erfolge erzielt, wenn auch nur vorläufig.

»Wünsche viel Glück,« versetzte er mit einem niederträchtigen Grinsen, das seine schadhaften Zähne bloßlegte. »Wenn es aber wahr ist, wie die Leute sagen, daß der Anfang immer eine Vorbedeutung für das ganze Unternehmen ist, so scheint es mir, als ob Sie hier recht üble Erfahrungen machen würden.«

»Ich glaube, die Leute haben unrecht, wenn sie so etwas behaupten,« entgegnete Mühlberg ruhig. »Der Anfang mit dem niedergebrannten Hause ist sicher eine unangenehme Überraschung, aber es ist meine Ansicht, daß nicht der Anfang, sondern das Ende maßgebend ist. – Wie konnte es aber geschehen, daß Feuer in dem Hause ausbrach?«

»Oh,« sagte Leech leichthin, »ein paar Tramps kamen gestern, als der Blizzard ausbrach, hier vorüber und übernachteten in dem Hause. Wahrscheinlich sind sie mit dem Feuer unvorsichtig umgegangen, denn heute morgen, als ich aufstand, sah ich es in hellen Flammen.«

Mühlberg wußte, was er von diesen Worten zu halten hatte. Nachbarliche Pflicht des Mannes wäre es nun eigentlich gewesen, ihm für die nächsten Nächte Unterkunft in seinem Hause anzubieten, es geschah aber nicht. Er wollte ihn auch nicht darum bitten. Das lag nicht in seinem Plane. Seine Augen wanderten über die Farm, sahen das Blockhaus, in dem Leech wohnte, den Stall mit einem mächtigen Heuhaufen dahinter, den Geräteschuppen und die verschiedenen sonstigen Einrichtungen. Es war alles ausnehmend liederlich und verriet, daß die Farm in einer Weise bewirtschaftet wurde, die mit den Gewohnheiten und dem Charakter des Mannes, wie Mühlberg beide einschätzte, übereinstimmte.

»Ja, die Tramps sind eine Plage,« sagte er. »Well, ich muß sehen, wie ich zurechtkomme.«

Sie begaben sich zurück nach der Heimstätte. Es stand noch ein Stall darauf, halb verfallen, mit schadhaftem Dach und Wänden, durch die überall der Wind hineinpfiff. Eine schlechte Behausung für den Winter, aber immer noch besser als gar keine.

»Wir müssen meine Sachen in den Stall bringen,« wandte er sich an Saubert. »Mit einem tüchtigen Feuer werde ich darin nicht erfrieren. Wollen Sie es übernehmen, mir einen Holzvorrat aus dem Walde zu holen? Ich werde inzwischen den Schlitten abladen. Dann können Sie nach Hause fahren. Ich komme hier schon zurecht.«

»Das will ich gern tun,« antwortete Saubert. »Und morgen komme ich mit den anderen Pferden wieder, und wir holen eine Anzahl Bretter aus der Sägemühle, denn die brauchen Sie zur Ausbesserung des Stalles. Sie sollten auch einen Hund haben.«

»Daran habe ich auch schon gedacht. Wissen Sie, wo ich einen bekommen kann? Er darf aber nicht zu jung und muß gut dressiert sein. Namentlich darf er von anderen nichts zu fressen annehmen, wie der meines Vorgängers auf der Heimstätte hier.«

»Ich werde mich erkundigen.«

Der zeitige Winterabend hatte schon seine Schleier durch die Atmosphäre gebreitet, und es war daher keine Zeit zu verlieren, den nötigen Holzvorrat herbeizuschaffen. Saubert spannte daher die Pferde wieder ein und fuhr nach dem nächstgelegenen Stück Wald. Inzwischen schaffte Mühlberg seine Sachen, einschließlich der Trapperausrüstung und der Proviantvorräte, in den Stall, schlug das mitgebrachte Kampbett auf und machte sich mit Hilfe seiner wollenen Decken ein Lager zurecht, auf dem er, wenn er angekleidet blieb und sich die Pelzmütze über die Ohren zog, ein paar Nächte, bis er die nötigen Ausbesserungen des Stalles vorgenommen, ohne Gefahr des Erfrierens verbringen konnte. Eine Anzahl noch nicht völlig ausgebrannter Stücke von Holzbalken fand er noch unter den Trümmern des Hauses, und die dienten ihm dazu, auf dem festgefrorenen und teilweise mit Schnee bedeckten Fußboden ein Feuer anzulegen.

Nach etwas mehr als einer halben Stunde kam Saubert aus dem Walde zurück mit einem Vorrat von Wurzelstöcken und dicken Ästen, der für mehrere Tage reichen würde.

Dann verabschiedeten sich die beiden Freunde voneinander, und Saubert fuhr nach Hause, während sich Mühlberg von den mitgebrachten Vorräten ein gutes Abendessen zur Feier seines Einzugs in sein neues Heim zubereitete.

*

Ein roter Schein, der manchmal tiefer und manchmal heller wurde und manchmal durch dicke Rauchschwaden ganz verdunkelt wurde, breitete sich am nächsten Morgen über Mühlbergs Heimstätte. Er sprang nicht erschrocken von seinem Bett auf, als er ihn bemerkte, sondern erhob sich und zupfte seine Kleidung zurecht, als ob er völlig sicher sei, daß es sich nicht um ein neues Unglück handle, das ihn betroffen habe.

Als er hinaustrat aus dem baufälligen Stall, wurden seine Blicke sofort von einem mächtigen Feuer auf der Nachbarfarm angezogen. Dort war der Heuvorrat hinter dem Stalle irgendwie in Brand geraten, und er sah, wie Leech und seine Frau beschäftigt waren, Schnee auf den Brandherd zu schaufeln, während der Sohn zwei ängstlich brüllende Kühe und mehrere Pferde mit lauten Rufen und Peitschenhieben aus dem Stalle trieb. Die Löschversuche konnten nur noch die Wirkung haben, den Stall zu retten, der in Gefahr stand, von dem Feuer ergriffen zu werden, das Heu, auch soweit es nicht schon durch das Feuer zerstört worden war, hatte der Qualm und Brandgeruch verdorben.

Mühlberg wanderte langsam der Brandstelle zu.

»Sie haben auch Unglück gehabt, wie ich sehe,« bemerkte er. »Wie ist denn das Feuer entstanden?«

Leech antwortete zunächst nicht; er rammte seine Schaufel in den Schnee und ergriff einen Rechen, mit dem er das brennende Heu von der Stallwand wegriß. Man konnte jetzt deutlich sehen, daß sie, ebenso wie das Dach, beträchtlich angekohlt und rauchgeschwärzt war, sonst aber den Flammen Widerstand geleistet hatte. Die Gefahr des Umsichgreifens des Feuers konnte somit als beseitigt angesehen werden. Der Verlust Leechs durch die Zerstörung seiner gesamten Heuvorräte war aber trotzdem beträchtlich.

Nach einer kleinen Weile stieß er den Rechen in den Haufen feuchten, glimmenden Heus, umklammerte mit beiden Händen die Stange und richtete ein wutverzerrtes, rauchgeschwärztes Gesicht auf Mühlberg.

»Wie das Feuer entstanden ist, fragen Sie? Mir scheint, Sie wissen mehr darüber als ich.«

»Wieso? Meinen Sie die beiden Tramps? Es ist schon möglich, daß sie zurückgekommen sind und Ihr Heu angesteckt haben.«

»Zum Teufel mit Ihren Tramps!«

»Das sage ich auch, besonders da es nicht meine Tramps waren. Es wird Sie übrigens interessieren zu hören, daß ich diese Nacht einen merkwürdigen Traum hatte.«

»Was gehen mich Ihre Träume an? Scheren Sie sich zum Teufel damit.«

»Der Traum betraf aber Sie und mich. Es gibt nämlich Dinge auf dieser Erde, die in einer gewissen Wechselbeziehung stehen. Wie zum Beispiel im menschlichen Körper. Sie wissen, wenn irgend jemandem eine Verletzung des einen Auges zugefügt wird, so leidet vielfach auch das andere darunter. Well, mir träumte: wenn mir irgendein neues Unglück zustoßen sollte, so etwa wie durch Unvorsichtigkeit von Tramps oder auf irgendeine andere Weise, so werden Sie auf Grund einer solchen Wechselbeziehung auf Ihrer Farm ein doppeltes erleiden. Das ist unangenehm – nicht? Besonders, da ich gehört habe, daß meine Farm eine richtige Unglücksfarm ist.«

Der Hohn in Mühlbergs Worten war nicht zu verkennen.

Wilde Wut färbte das Antlitz des Mr. Leech noch viel dunkler und verzerrte es zu einer Fratze. Er sah ein, daß er es hier mit einem Manne zu tun hatte, der entschlossen war, ihm alles doppelt heimzuzahlen, was er ihm antat, ohne sich mit der Feststellung der Täterschaft lange aufzuhalten. Der Ausbruch des Feuers, der seinen Heuvorrat zerstört hatte und ihn jetzt zwang, eine beträchtliche Summe für den Ankauf von Heu auszugeben, ließ ihm daran keinen Zweifel. Denn was bisher nur als ein starker Verdacht bestanden hatte, nämlich, daß der neue Heimstätter als Erwiderung für das Niederbrennen seines Hauses das Feuer angelegt, war jetzt Gewißheit geworden, und er war ebensowenig in der Lage, ihm die Täterschaft zu beweisen, wie umgekehrt Mühlberg ihm etwas beweisen konnte. Und das war vielleicht gut so. Von Mr. Leechs Standpunkt aus.

»Well, das ist deutlich genug. Und nun will ich Ihnen eins sagen, Sie Sohn einer Hündin: wenn ich Sie jemals wieder auf meiner Farm erblicke, schieße ich Sie nieder wie einen tollen Hund!«

»Das können Sie natürlich tun,« entgegnete Mühlberg mit einer Ruhe, die Leech noch mehr in Wut zu bringen schien. »Sie können mich sogar auf meinem Lande niederschießen. Ich würde es Ihnen aber nicht raten. Das Betreten fremden Eigentums gibt Ihnen nicht das Recht, jemand niederzuschießen, und die canadische Polizei hat Stricke genug, um alle Mörder aufzuhängen. Ein Mord ist immer ein undankbares Geschäft hierzulande, und es ist manchmal schon unangenehm, wenn sich die Polizei überhaupt eingehend mit jemand befaßt.«

»Das ist zuviel,« schäumte Leech. »Wenn Sie sich nicht im Augenblick auf Ihr Land zurückscheren, schlage ich Ihnen mit diesem Rechen den Schädel ein.«

Die Argumente des Mr. Leech gipfelten immer in einer Drohung mit Handgreiflichkeiten.

» All right, ich gehe,« sagte Mühlberg. »Wir verstehen uns jetzt, wie ich sehe. Es geht eben nichts über eine offene Aussprache.«


 << zurück weiter >>