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Sechstes Kapitel.
Die Farm eines Deutschen

Die Farm von Finsterbusch lag auf der andern Seite des Flusses, der Schönbernerschen fast gegenüber. Um aber zu ihr zu gelangen, mußte man erst noch eine Strecke weit auf dem diesseitigen Ufer flußaufwärts fahren, bis man die Fähre erreichte. Nachdem man sich auf dieser hatte übersetzen lassen, mußte man die gleiche Strecke auf dem anderen Ufer wieder zurückverfolgen.

Vor ein paar Jahren hatte Finsterbusch zu seiner Heimstätte noch eine Viertelsektion angrenzendes Land dazugekauft, und sein Besitztum war jetzt sehr wertvoll. Der Weg nach dem Hause, das er sich vor zwei Jahren erbaut, führte durch schöne Wiesen mit süßem Timothygras auf der einen Seite und wogenden Weizenfeldern auf der anderen.

Die Ankommenden wurden von ihm, seiner Frau und seinem Bruder begrüßt, während zwei kräftige deutsche Schäferhunde einen energischen Protest gegen ihre Ankunft äußerten, eine Katze mißtrauisch um das Haus schlich und mehrere Pferde und Kühe in ihren Umzäunungen hinter dem Hause näherkamen und verwundert um die Ecke lugten.

Die Erklärung ihres Besuches erfolgte rasch. Finsterbusch schien erfreut über die Aussicht, neue und noch dazu deutsche Nachbarn zu bekommen. Er war schon über sechzig Jahre alt, von mittelgroßem Wuchs, und die Zufriedenheit mit seiner jetzigen sorgenlosen Existenz nach so vielen Jahren schwerer Sorgen leuchtete ihm aus dem Gesicht.

Die Frau war annähernd ebenso alt wie er und nicht größer. Ihr ganzes Wesen war aufrichtige Freundlichkeit. Vermutlich infolge einer Lähmung des Augenschließmuskels konnte sie das Lid des linken Auges nur unvollkommen öffnen und erklärte das damit, daß sie sich dieses Auge während der schweren Heimstättenjahre ausgeweint habe.

»Heute ist das ja alles nicht mehr so schlimm,« fügte sie hinzu, »denn erstens geht niemand mehr ganz ohne Geld auf eine Heimstätte, und zweitens kann jetzt auch jeder gutbezahlte Arbeit in der Nähe seiner Heimstätte finden. Als wir hierher kamen, gab's das nicht, da waren lauter Heimstätter hier, die für sich selbst nicht genug hatten, geschweige denn, daß sie noch einen Arbeitslohn für andere hätten aufbringen können.«

Der Bruder des Besitzers mochte um ein paar Jahre jünger sein. Er war erst vor zwei Jahren von Düsseldorf gekommen, nachdem seine Frau gestorben war, und machte einen etwas verschüchterten, unbedeutenden Eindruck, als ob er sich hier nicht recht an seinem Platze fühlte. Das war wohl auch der Fall, denn als man in das Haus gegangen war und Finsterbusch die Männer darin herumführte, während seine Frau das gleiche mit den Frauen tat, fand diese Gelegenheit, ihnen anzuvertrauen, der Bruder habe keine Lust zur Arbeit.

Das Haus war außerordentlich sorgfältig gebaut, hatte ein oberes Stockwerk mit mehreren Zimmern und einen geräumigen Keller mit Pumpstation, der mit allen möglichen Vorräten für die Küche angefüllt war, von denen Reihen von Würsten und Speckseiten einen besonders einladenden Eindruck machten.

Die bei dem Bau verwendeten Ziegel hatte Finsterbusch selbst geformt, die Wände waren so sauber verkleidet und jede Einzelheit mit solcher Sorgfalt ausgeführt, daß man sicher sein konnte, auf ein paar hundert Meilen in der Runde kein gleich gut gebautes Haus anzutreffen. Als früherer Stukkateur und unter dem Entschlusse, sich nach so vielen Jahren härtester Entbehrung sein Leben so angenehm und behaglich wie möglich zu gestalten, hatte er seinen Stolz darein gesetzt, sich hier ein Haus zu schaffen, das von den sehr handwerksmäßig hergestellten Häusern selbst in den Städten vorteilhaft abstach. Nur die Farbe fehlte noch an dem Holzwerk. Es sollte erst ein oder zwei Jahre richtig austrocknen, damit es später, nachdem es die Politur erhalten hatte, keine weißen Fugen zeigte.

Es war nahezu Mittag, und Frau Finsterbusch hatte sich daran gemacht, das Mittagessen zu bereiten, denn es war selbstverständlich, daß ihre Besucher über Mittag dableiben würden. Mit Hilfe des weiblichen Teils derselben, von denen jede einen Teil der Arbeit übernahm, verursachte das keine allzugroßen Schwierigkeiten.

Finsterbusch hatte seine Gäste inzwischen ins Freie geführt, zeigte ihnen die Ställe und die Vorratshäuser, die Fenzen mit acht Pferden und einigen Kühen, auch eine Ziege, die, an einer Leine angepflockt, es sich in dem saftigen Grase um sie her wohl sein ließ, es sich aber nicht versagen konnte, mit einem lauten und trotzigen Meckern gegen die Anwesenheit der fremden Leute Einspruch zu erheben, und eine Schar von dreißig oder vierzig Hühnern, die den Haushalt reichlich mit Eiern versorgten. Ein paar Schweine waren ebenfalls vorhanden; sie würden den nötigen Ersatz liefern, wenn die Fleisch- und Wurstvorräte im Keller zu Ende gingen.

»Hier habe ich für dreihundertundfünfzig Dollar Heu. Ich hätte es für achtzehn Dollar die Tonne verkaufen können, es muß mir aber zwanzig bringen, billiger gebe ich es nicht ab. Es ist gutes Timothyheu und das Geld wert,« sagte Finsterbusch, das Tor eines Schuppens öffnend, in dem eine Anzahl drahtverschnürter Heuballen aufgestapelt waren.

Die Besucher staunten über das, was hier alles gewissermaßen oder eigentlich buchstäblich aus dem Nichts aufgebaut war, in einer Zeit, die man schließlich doch nur als kurz bezeichnen konnte. Gewiß, sie war voll Opfer gewesen, diese Zeit, schwerer Opfer, aber man gelangt nicht nach dem Schlaraffenlands, ohne sich erst durch einen Berg von Hirsebrei durchzuessen.

»Sie werden nun meine Fuchsfarm zu sehen wünschen,« bemerkte der Farmer dann. »Ich kann aber höchstens zwei von Ihnen mitnehmen. Füchse sind sehr ängstlich, und man muß Fremde fernhalten. Mich kennen sie natürlich. Schönberner, du hast sie ja schon gesehen, kannst also zurückbleiben. Aber da ist noch der Junge. Ich denke, ich kann es riskieren, ihn auch mitzunehmen, denn er würde es mir wohl nie verzeihen, wenn er sie nicht zu sehen bekäme. Also kommen Sie.«

Während Schönberner mit dem Bruder von Finsterbusch wieder nach dem Hause zurückging, begaben sich die andern nach der Umzäunung, die die Füchse beherbergte.

»Ich habe meine ersten Füchse selbst gefangen,« berichtete Finsterbusch. »Es war im Sommer, und ich hätte sie ohnehin bis zum Dezember behalten müssen, denn dann erst sind ihre Pelze in einer marktfähigen Verfassung, und da kam mir der Gedanke, eine Zuchtfarm anzulegen. Das ist nicht so einfach und kostet viel Geld. Viele haben auch schon viel Geld damit verloren, während andere große Vermögen erworben haben. Ich sagte mir aber, wenn ich aus den Erfahrungen Nutzen zöge, die andere zu ihrem Schaden gemacht hatten, und mich um meine Pfleglinge richtig kümmerte, so müßte die Sache schließlich gehen. Am Ende konnte ich ja auch weiter nichts verlieren als die Kosten für den Zwinger und die Füchse, und das würde mich nicht ärmer machen. Es ist jedenfalls eine aussichtsreiche Industrie, aber wie gesagt, man hat im Anfangs viele kostspielige Fehler gemacht. So sperrte man, um nur ein Beispiel zu nennen, die Füchse in einen großen Käfig und ließ sie dort beisammen, und die Folge davon war, daß alle Jungen aufgefressen wurden.«

»Sie halten sie in Einzelkäfigen?« fragte Saubert.

»Ja. Jeder Rüde und jede Fähe hat ihren eigenen Käfig, nur zur Rollzeit läßt man sie ein paar Wochen zusammen. Auch die Jungen, wenn sie einigermaßen herangewachsen sind, nehme ich von der Mutter weg und stecke sie in Einzelkäfige. Wie ich schon sagte, eine Pelzfarm ist ein aussichtsreiches Unternehmen, denn der Bedarf an Pelzen wird immer größer und die Zahl der wilden Tiere immer geringer. Je mehr die Besiedlung des Landes fortschreitet, das Eisenbahnnetz sich ausdehnt und Wälder niedergelegt werden, um Weide für Pferde, Rindvieh und Schafe abzugeben, um so schwieriger wird es für den Trapper, gute Fänge zu machen. Um die Ausrottung verschiedener Tierarten, die sonst unausbleiblich wäre, zu verhindern, hat die Regierung sich schon veranlaßt gesehen, mehrjährige Schonzeiten einzuführen, wie zum Beispiel für Biber und Alaska-Seehunde. Die Mode in Pelzen wechselt ja nun allerdings beständig, und die Preise sind einmal hoch, das andere Mal niedrig. Silberfüchse werden aber immer einen guten Preis behalten, wenn er auch heute lange nicht mehr so hoch ist wie vor einer Anzahl Jahren, wo man für ein gutes Zuchtpaar fünfzehntausend bis fünfundzwanzigtausend Dollar bezahlte. Nun müssen Sie aber nicht etwa denken, daß Silberfüchse silbern aussehen. Es sind schwarze Füchse mit silbergetippten Haaren auf dem Rücken und an den Seiten. Man versucht ja jetzt auch in Deutschland, sie zu züchten. Ob das etwas werden wird, bezweifle ich, denn auch wenn sie Zuchtanstalten auf den Bergen anlegen, ist das Klima doch nicht dasselbe. Man hatte ja auch vor einer Reihe von Jahren Zuchtpaare unserer Moschusratten in Böhmen eingeführt und sie dort ausgesetzt. Sie haben sich schnell vermehrt und sind schon zu einer Landplage geworden, weil sie nicht zu gebrauchen sind und sie daher niemand wegfängt. Man nennt sie dort Bisamratten, und ihr Fell ist heller, struppiger und glanzloser als das der unseren. Die Namen der Pelze, die Sie in den Geschäften kaufen, oder die dort verarbeitet werden, decken sich übrigens nicht mit denen der Tiere, von denen sie stammen. Der Pelzhandel hat seine eigenen Namen. Um billige Felle wertvoll zu machen, mußte man die Namen ändern. Moschusratten wollte niemand kaufen, deshalb nannte man sie Seal, also Seehund; Hasen waren zu gewöhnlich, aber als Zobel, Fuchs oder Luchs fanden sie guten Absatz; weiße Kaninchen werden als Hermelin oder Chinchilla verkauft.«

»Das ist doch aber Betrug!« rief Saubert.

»Streng genommen und wenn die Täuschung zu weit geht, ja. Die Handelskammern sorgen aber in der Regel dafür, daß das nicht geschieht. Durch Scheren und Färben verändert man eben die Felle und leitet daraus das Recht her, sie anders zu benennen. Immerhin kann es vorkommen, daß Kinder derselben Hasenmutter das eine als weißer Fuchs, das andere als schwarzer Luchs verkauft werden. Das geschieht aber nur, soweit es sich um die billigen Felle handelt. Einen Silberfuchs anders denn als Silberfuchs zu bezeichnen, wird niemand einfallen.«

Sie waren jetzt vor der äußeren Umzäunung angelangt, und Finsterbusch schloß die Zugangstür auf.

»Sehen Sie sich die Umzäunung an,« sagte er dabei. »Sie ist nötig, um alle Störungen von den Füchsen fernzuhalten. Ich meine nicht nur durch die Menschen, sondern auch durch Kühe, Hunde und so weiter. Außerdem gewährt sie aber auch noch Sicherheit gegen ihr Entkommen. Wenn es ihnen gelungen ist, aus ihrem Käfig zu entwischen, können sie innerhalb der Umzäunung leicht wieder eingefangen werden, oder sie gehen, wenn man die Tür offen läßt, zur Futterzeit selbst wieder hinein.

Diese Umzäunung ist sieben Fuß hoch und hat oben einen Überhang von zwei Fuß nach innen, damit die Füchse nicht darüber hinwegklimmen können, denn wenn ihnen, wie wir gehört haben, die Trauben wohl auch manchmal zu hoch hängen, an einem solchen Drahtgitter könnten sie vielleicht doch hinaufklettern. Man muß in solchen Fällen eben sicher gehen. Ein ebensolcher Überhang, aber drei Fuß breit, befindet sich unter der Erde. Die Füchse graben immer dicht am Zaun, wenn sie ausbrechen wollen, und stoßen dann auf das Drahtnetz. Die Umzäunungen für die Einzelzwinger sind ähnlich angelegt.«

Sie waren durch die Tür, die Finsterbusch wieder sorgfältig hinter sich schloß, in den Gang, der rund um die Zwinger führte, eingetreten. Nach wenigen Schritten standen sie vor einem dieser Zwinger, in den Finsterbusch sie ebenfalls einließ. Er enthielt eine Fähe, die mit drei Jungen in einer Holzhütte im Heu lag. Sie schien keineswegs zu den nervösen Exemplaren ihrer Gattung zu gehören, denn als Finsterbusch das Dach lüftete, damit die Besucher sie besser sehen könnten, zeigte sie sich zutraulich wie eine Katze und blickte furchtlos mit klugen Augen auf sie.

»Womit füttern Sie die Tiere?« fragte Burkhart.

»Wir geben ihnen alles, was von unsern Mahlzeiten übrigbleibt. Das reicht natürlich für acht Füchse nicht aus, ich gebe ihnen deshalb noch Fische, die ich drüben im Flusse fange, wilde Kaninchen, Gophers, Vögel, Ratten und was ich sonst gerade in die Hände bekomme. Eine reine Fleischnahrung würde aber schädlich sein, deshalb gebe ich ihnen auch noch Hundekuchen, Brot, Gras, Beeren, Haferflocken, Äpfel, Milch und Eier. Die Hauptsache ist aber, daß man ihr Freßgeschirr stets sauber hält.«

Als sie nach Besichtigung der anderen Tiere, die ebenfalls ganz zutraulich waren und aus ihren Hütten zum Vorschein kamen, den Zwinger wieder verließen, wandte sich Burkhart an Finsterbusch.

»Ich habe Ihnen erzählt,« sagte er, »daß ich nicht abgeneigt bin, die Schönbernersche Farm zu kaufen. Was raten Sie mir?«

»Die Farm ist gut, das läßt sich gar nicht anders sagen. Haben Sie sich auch schon andere angesehen?«

»Nein, aber ich sollte es wohl tun. Meinen Sie nicht?«

»Sie können sich das in diesem Fall ersparen. Sie werden andere Farmen finden, die andere Vorzüge und andere Mängel aufweisen. Sie werden aber doch auf diese hier zurückkommen, denn sie grenzt an den Fluß, und das wiegt viele andere Vorzüge auf. Der vorige Besitzer wollte nicht arbeiten, und wenn er etwas tat, tat er es immer nur halb. Bei ihm war alles gut genug, aber ich kann Ihnen sagen, nichts ist gut genug, solange es noch besser gemacht werden kann. Außerdem war er auch ein Trinker, und damit, ich meine mit solchen Eigenschaften, kommen Sie auf keiner Farm und auch sonst nirgends vorwärts. Was sollen Sie zahlen?«

»Dreißig Dollar für den Acker, mit tausend Dollar Anzahlung.«

»Das ist das Land wert. Ich würde an Ihrer Stelle zugreifen.«

Bevor sie sich auf den Rückweg nach Edson begaben, hatte Saubert mit dem Bruder von Finsterbusch verabredet, daß dieser ihn in einem Wagen seines Bruders auf die noch freien Heimstätten hinausfahren sollte. Finsterbusch verlangte dreiundeinenhalben Dollar täglich, wovon zwei Dollar dem Bruder gehören sollten. Das war die Hälfte von dem, was der Leihstall in Edson berechnete. Der Bruder war offenbar froh über die Aussicht, ein paar Tage von der Farm abwesend zu sein – und Finsterbusch und seine Frau ebenfalls.

*

Am Abend dieses Tages betrat Saubert den sehr einfach eingerichteten Parlor des Hotels in Edson, in dem er Burkhart anwesend fand.

»Sie sind also entschlossen, die Schönbernersche Farm zu kaufen?« fragte er nach einigen einleitenden Worten.

»Ja, ich denke, ich kann nichts Besseres tun,« antwortete Burkhart.

»Die Farm scheint ja recht gut zu sein, soweit ich das beurteilen kann. Trotzdem können Sie sie aber nicht kaufen, ich meine unter den Bedingungen, die Schönberner Ihnen gestellt hat.«

»Wieso?« fragte Burkhart verwundert.

»Sehen Sie, ich bin Kaufmann, und das ist selbst in der canadischen Wildnis etwas wert. Ich habe mir eine kleine Berechnung aufgestellt. Der Vertrag, den Schönberner mit Ihnen abschließen will, ist ein Abwürgevertrag. Er läßt Ihnen nur die eine Aussicht, nach zwei oder höchstens drei Jahren die Farm wieder zu verlassen, nachdem Sie Ihren letzten Cent hineingesteckt haben.«

Er ließ sich Burkhart gegenüber, der ihn sprachlos anstaunte, auf einen Stuhl nieder und fuhr fort: »Ich habe die Verhältnisse mit offenen Augen geprüft. Das Land ist anders, als ich mir vorgestellt hatte, aber man hat uns schließlich doch nichts gesagt, was nicht auf Wahrheit beruhte. Nur sehen die Dinge immer anders aus, wenn Sie sie selbst sehen, als wenn Sie sich nur aus Schriften eine Vorstellung davon machen. Ich bin überzeugt, daß man sowohl auf einer fertigen Farm wie auf einer Heimstätte vorwärtskommen kann. Es wäre Torheit, das zu leugnen mit so vielen Farmern im Lande, die sich einen Wohlstand geschaffen haben. Die meisten gehen wohl mit der unklaren Idee auf eine Heimstätte, daß sie in fünf oder sechs Jahren reiche Leute sein werden. Sie werden das schließlich auch in einem bescheidenen Maße, denn wenn sie nach drei Jahren den Besitztitel auf ihr Land erhalten haben, stellt das immerhin ein Vermögen von rund dreitausend Dollar dar. Sie sind aber nur, was man hier landreich nennt, das macht den Unterschied, denn man lebt nicht von seinem Besitz, sondern von seinem Einkommen. Eine Hypothek können Sie nur schwer bekommen, denn wer Geld ausleiht, möchte sicher sein, daß er es an den Fälligkeitstagen mit Zinsen zurückerhält. Das ist bei einem Heimstätter, der gerade nur sein Leben fristet, eine unsichere Sache. Gewiß, die Leihbanken haben volle Sicherheit für ihre Forderung, wenn aber die Zinsen nicht pünktlich bezahlt werden, würde die Forderung bald über die Sicherheit hinauswachsen. Sie können natürlich auch die Farm in Beschlag nehmen, wenn die vertraglichen Zahlungen nicht geleistet werden. Das würde dann aber so ziemlich in jedem Falle geschehen müssen, und daran liegt ihnen nichts. Sie wollen schließlich nicht mit einer Menge Land dasitzen, das ihnen nichts einbringt, sondern ihr Geld im Umlauf halten. Leuchtet Ihnen das ein?«

»Ganz gewiß. Ich weiß nur nicht, was es mit dem Schönbernerschen Vertrage zu tun hat.«

»Ich komme gleich darauf. Der Heimstätter kann also höchstens seine Farm verkaufen, und falls er töricht genug ist, wird er das auch tun, wenn auch vielleicht aus keinem andern Grunde, als um einmal seine Schulden loszuwerden. Er nimmt dann die geringe Anzahlung – denn eine Barauszahlung kommt ja kaum vor – und den Vertrag, der die weiteren jährlichen Abzahlungen festlegt, und geht damit meist in die Stadt. Dort verkauft er den Vertrag an eine Leihbank mit fünfundzwanzig Prozent Nachlaß und fängt irgendein Geschäft an, das entweder gut geht, oder mit dem er, was das Wahrscheinlichere ist, sehr bald fertig wird. Ich werde es nicht so machen. Ich suche mir eine Heimstätte, wo ich sicher bin, so sicher, wie man als Farmer eben sein kann, gute Ernten zu haben, und werde darauf bleiben, wenn ich mich auch die ersten Jahre durchwürgen muß. Das ist meiner Meinung nach der sicherste Weg, in Canada wohlhabend zu werden. Und mehr verlange ich nicht.«

»Sie sprachen aber von dem Vertrage, den ich mit Schönberner abschließen will. Ich sehe noch immer nicht – –«

»Ich weiß. Denn wenn Sie es gesehen hätten, wie ich es gesehen habe, wüßten Sie, daß Sie auf einen solchen Vertrag nicht eingehen können. Sind Sie sich schon darüber klar geworden, daß der Mann Ihre ganze Ernte fordert, bis die Kaufsumme nebst Zinsen abgezahlt ist?«

»Die halbe Ernte,« sagte Burkhart überlegen.

»Nein, die ganze, und in schlechten Jahren auch wohl noch bares Geld dazu.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Lassen Sie mich Ihnen die Sache erklären. Der Mann verlangt nicht die halbe Ernte nach Abzug aller Gestehungskosten, das wäre günstig für Sie, sondern, ich habe mich genau erkundigt und auch Schönberner selbst darüber befragt, die Hälfte des Betrages, den Ihnen die Bank auszahlt, nachdem Sie die Ernte an den Elevator abgeliefert haben. Nehmen wir an, Sie liefern dreitausend Bushel ab und erhalten dafür rund dreitausend Dollar. Davon haben Sie an Schönberner die Hälfte, also eintausendfünfhundert, abzugeben. Nun kostet Ihnen aber die Erzeugung dieser Ernte, wenn Sie nicht mehr als fünfundzwanzig Bushel vom Acker erzielen, was doch schon immerhin eine gute Ernte ist, wenigstens fünfzig Cents für den Bushel. In Wirklichkeit sind die Gestehungskosten wahrscheinlich noch höher, aber um die Rechnung klarer zu machen, wollen wir nur die Hälfte annehmen. Ihre Nettoeinnahme von den dreitausend Dollar beträgt also gerade eintausendfünfhundert Dollar. Die zahlen Sie an Schönberner aus, und Ihnen bleibt von der ganzen Ernte nichts. Wie lange wollen Sie das aushalten?«

Burkhart war sehr betroffen. Sauberts Beweisführung war richtig, es ließ sich nichts dagegen einwenden.

»So halten Sie Schönberner für einen Betrüger?« sagte er unsicher.

»Ganz und gar nicht. Der Mann verlangt von Ihnen nicht mehr, als seine Farm wert ist, und hat vielleicht selbst über die Bedingungen des Vertrages noch gar nicht nachgedacht, denn es sind die üblichen. Es klingt so überzeugend gerecht, von der halben Ernte zu sprechen, während man in Wirklichkeit die ganze hingeben muß und dabei noch die Aussicht hat, in einigen Jahren trotz aller Zahlungen mehr auf die Farm zu schulden als am Tage der Übernahme. Denn Sie müssen auch die Zinsen von sieben Prozent berechnen. Das sind auf eine Summe von zehntausend Dollar und von einer Anzahlung einstweilen abgesehen, siebenhundert Dollar im Jahre. Bei schlechten Ernten und bei geringeren Erträgen überhaupt werden diese oftmals nicht gedeckt werden. Der Käufer schuldet im nächsten Jahre also noch mehr als im vorangegangenen, bis er sich endlich der Torheit, die er begangen hat, bewußt wird und, der aussichtslosen Arbeit müde, von der Farm wieder weggeht.

In Ihrem Falle liegt die Sache nicht ganz so schlimm. Sie können in normalen Jahren auf Ernten von fünfunddreißig bis vierzig Bushel rechnen. Das verringert die Gestehungskosten und läßt Ihnen vielleicht noch einen kleinen Überschuß. Der ist aber zu gering, als daß Sie mit Ihrer Familie davon leben und irgendwelche Neuanschaffungen, die auf einer Farm doch immer notwendig sind, machen könnten. Mein Rat ist der: bieten Sie Schönberner sechs Prozent Zinsen – die Eisenbahngesellschaften verlangen für ihre Farmen auch nicht mehr, und es ist nicht einzusehen, warum Sie dem Manne, nur aus dem Grunde, weil er ein Privatmann ist, mehr bezahlen sollen – und nicht die Hälfte, sondern nur ein Drittel der Ernte. Er wird ganz sicher darauf eingehen, denn erstens ist das Angebot in Canada größer als die Nachfrage, und zweitens macht er mir nicht den Eindruck, als ob es seine Gewohnheit wäre, andere rücksichtslos auszubeuten.


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