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II. Ächte Perle und falsche Perle.

»Was hat sie eigentlich? ... Was habe ich ihr nur gethan?« ... fragte sich Clara Fromont oft, wenn sie an Sidonie dachte.

Sie hatte nicht die geringste Ahnung von dem, was sich einst zwischen ihrer Freundin und Georges in Savigny zugetragen hatte. Bei ihrer geraden Handlungsweise und ihrem ruhigen Gemüthe konnte sie unmöglich errathen, was für ein niedriger, eifersüchtiger Ehrgeiz da seit fünfzehn Jahren neben ihr groß gewachsen war. Trotzdem aber beängstigte sie, ohne daß sie sich darüber klar wurde, der räthselhafte Blick, der ihr eiskalt aus diesem hübschen Gesichte entgegenlächelte. Auf eine affectirte, unter Jugendfreundinnen seltsam berührende Höflichkeit folgte plötzlich ein schlecht verhehlter Ärger, ein trockner, schneidender Ton, dem Clara betroffen wie vor einem Problem gegenüber stand. Zuweilen verband sich auch mit dieser Beängstigung ein seltsames Vorgefühl, die undeutliche Ahnung eines großen Unglücks, denn die Frauen sind sämmtlich ein wenig Hellseherinnen, und selbst die Reinsten haben bei der tiefsten Unkenntnis des Bösen oft plötzliche Visionen von staunenswerther Klarheit.

Von Zeit zu Zeit, nach einer längern Unterhaltung oder einer jener unerwarteten Begegnungen, wo das Gesicht, in einem unbewachten Augenblicke beobachtet, seine wahren Gedanken sehen läßt, dachte Frau Fromont ernstlich über diese seltsame kleine Sidonie nach. Aber das thätige, drängende Leben mit seinen Leidenschaften und Sorgen ließ ihr keine Zeit, sich lange mit diesen Kleinigkeiten zu beschäftigen.

Es tritt nämlich im Leben der Frauen eine Zeit ein, wo das Dasein so jähe Wendungen nimmt, daß der ganze Horizont und alle Gesichtspunkte sich verändern.

Wäre sie noch junges Mädchen gewesen, so würde das Aufhören dieser Freundschaft, die, wie von böser Hand zerrissen, allmählich dahinschwand, sie tief betrübt haben. Aber sie hatte ihren Vater verloren, die einzige und größte Liebe ihrer Jugend. Dann hatte sie geheirathet. Das Kind war gekommen und mit ihm unablässige, süße Pflichten. Außerdem hatte sie ihre fast völlig zum Kinde gewordene Mutter bei sich, deren Stumpfsinn der tragische Tod ihres Gatten noch vermehrt hatte. Bei einem so in Anspruch genommenen Leben waren Sidoniens Launen von wenig Bedeutung: Clara hatte kaum Zeit gefunden, sich über ihre Verheiratung mit Risler zu wundern. Augenscheinlich war er zu alt für sie, aber das that nichts, da sie ja einander liebten.

Sich darüber zu ärgern, daß die kleine Chèbe zu einer bevorzugten gesellschaftlichen Stellung gelangt und beinahe ihresgleichen geworden war – einer solchen Kleinlichkeit war ihre wahrhaft vornehme Natur unfähig. Im Gegenteil, sie hätte diese junge Frau, die bei ihr wohnte, die so zu sagen ihr eigenes Leben lebte und ihre Jugendgespielin war, von Herzen gern glücklich und geehrt gesehen. Auf die liebreichste Weise suchte sie die Freundin zu belehren, sie in die Gesellschaft einzuführen, wie man es etwa mit einer höchst begabten Kleinstädterin thun würde, der nur wenig fehlt, um reizend zu erscheinen.

Aber zwischen zwei jungen und schönen Frauen ist das Rathgeben ein mißliches Ding. Wenn Frau Fromont an einem Tage, wo ein großes Essen stattfinden sollte, Frau Risler auf ihr Zimmer führte und ihr liebreich zulächelte, um ihr, ohne sie zu kränken, sagen zu können:

»Nicht so viel Geschmeide, Kleine ... Und außerdem, siehst du, trägt man bei weit hinaufgehenden Kleidern keine Blumen im Haar« ... so wurde Sidonie roth und dankte zwar der Freundin, empfand aber diese Zurechtweisung im Herzen als einen neuen Grund zur Beschwerde gegen dieselbe.

In Claras Umgebung hatte man sie ziemlich kalt aufgenommen.

Das Faubourg Saint-Germain hat seine Vorurtheile, aber auch das Marais hat die seinen.

Diese Frauen und Töchter von Industriellen und reichen Fabrikanten kannten die Geschichte der kleinen Chèbe und würden dieselbe, wäre sie ihnen unbekannt gewesen, schon aus ihrem Auftreten und ihrem Benehmen errathen haben.

Vergeblich suchte Sidonie sich ihnen anzupassen. Sie blieb innerlich immer Ladenjungfer. Ihre etwas gekünstelte, zuweilen allzu kriechende Liebenswürdigkeit berührte unangenehm wie der gezwungen artige Ton in den Läden, und ihre stolze Haltung erinnerte an das hochmüthige Gebahren jener Ladenjungfern in den Modemagazinen, die mit ihren Lockenfrisuren und ihren schwarzseidenen Roben, die sie abends beim Weggehen wieder in den Schrank thun müssen, die kleinen Leute, welche etwa zu feilschen wagen, mit imponirender Geringschätzung betrachten.

Sie fühlte sich beobachtet und bekrittelt, und bei ihrer Unsicherheit auf diesem Boden war sie gezwungen, sich kampffertig zu machen. Die Namen, die hier genannt wurden, die Vergnügungen, die Feste, die Bücher, von denen man sprach – das alles war ihr unbekannt. Clara bemühte sich nach Kräften, sie aufs Laufende zu bringen und sie mit stets bereiter Freundeshand in ihre Sphäre emporzuheben, aber viele von den Damen fanden Sidonie hübsch, und das genügte, um ihnen einen Widerwillen gegen diesen Eindringling einzuflößen. Andere, die auf die Stellung ihrer Gatten oder ihren Reichthum stolz waren, konnten gar nicht genug herablassende Höflichkeit und wegwerfendes Nasenrümpfen finden, um den kleinen Emporkömmling zu demüthigen.

Sidonie bezeichnete sie alle mit einem einzigen Wort: Claras Freundinnen d. h. meine Feindinnen! – – – Aber nur einer einzigen zürnte sie ernstlich.

Die beiden Associés hatten keine Ahnung von dem, was zwischen ihren Frauen vorging.

Risler senior, der ganz und gar von der Erfindung seiner Druckpresse in Anspruch genommen wurde, saß oft bis Mitternacht an seinem Zeichentische. Fromont junior brachte seine Tage außer dem Hause zu, frühstückte im Club und ließ sich fast nie in der Fabrik sehen. Er hatte seine Gründe dazu.

Sidoniens Nachbarschaft beängstigte ihn. Die flüchtige Leidenschaft, die er für sie empfunden, diese Liebe, die er dem letzten Willen seines Onkels zum Opfer gebracht hatte, lebten mit dem ganzen Bedauern über das für immer Verlorene nur allzu oft in seinem Gedächtnis wieder auf, und da er seine Schwäche fühlte, so floh er. Er war eine mark- und haltlose Natur, vernünftig genug, um sich selbst zu erkennen, aber zu schwach, um sich zu beherrschen. Am Abend des Hochzeitsfestes seines Compagnons hatte er, der selbst erst wenige Monate verheirathet war, beim Anblick dieses Weibes die ganze Erregung der stürmischen Abende in Savigny von neuem empfunden, und nun vermied er es, sie wiederzusehen oder von ihr zu reden, ohne sich dessen klar bewußt zu sein. Da sie aber dasselbe Haus bewohnten und die Frauen sich zehnmal täglich besuchten, so führte unglücklicherweise der Zufall nicht selten Begegnungen herbei, und daraus entsprang der seltsame Umstand, daß dieser Ehemann, um ehrenhaft zu bleiben, sein Haus mied und außerhalb desselben Zerstreuung suchte.

Clara sah das ohne Erstaunen. Von ihrem Vater her war sie an dies beständige »Aufdemsprungestehen« im Geschäftsleben gewöhnt, und während der Abwesenheit ihres Gatten erfand sie im Eifer für ihre Pflichten als Gattin und Mutter große Aufgaben für sich, Arbeiten aller Art, Spaziergänge mit dem Kinde und lange Ruhepausen im milden Sonnenschein, von denen sie dann, über das Wachsthum ihres Töchterchens entzückt, vom Jauchzen und Gelächter der Kleinen erquickt, mit ein wenig von jener Kindesseligkeit in der Tiefe ihrer ernsten Augen zurückkam.

Auch Sidonie ging häufig aus. Oft zwang der Wagen Fromont juniors, wenn er abends durch das Portal rollte, Frau Risler, die eben in feinster Toilette von weiten Promenaden in der Stadt zurückkehrte, schleunigst bei Seite zu treten. Der Boulevard, die Schaufenster, einzelne Einkäufe, bei denen sie, um das ihr neue Vergnügen des Kaufens gründlich durchzukosten, lange gewählt hatte, hielten sie noch so spät von Hause fern. Dann wechselte man auf dem Treppenabsatz einen Gruß, einen kalten Blick, und Georges trat eilig in seine Wohnung wie in einen Zufluchtsort und verbarg dort die plötzlich auf ihn einstürmende Unruhe unter der Flut von Liebkosungen, mit der er das ihm entgegengereichte Kind überschüttete.

Sidonie ihrerseits schien sich an nichts mehr zu erinnern und für diese feige, haltlose Natur nur Verachtung zu hegen. Überdies hatte sie andere Sorgen.

Ihr Gatte hatte zwischen den beiden Fenstern im rothen Salon ein Klavier aufstellen lassen.

Nach langem Schwanken hatte sie sich entschlossen, singen zu lernen, da sie es für ein wenig spät hielt, um noch mit dem Klavierspielen anzufangen. Zweimal wöchentlich erschien daher Frau Dobson, eine hübsche, sentimentale Blondine, bei ihr, um ihr von zwölf bis ein Uhr mittags Unterricht zu geben. Bei der Stille auf den angrenzenden Höfen klangen diese hartnäckig langgezogenen As und Os, die immer wieder bei offenem Fenster von neuem begannen, als sei die Fabrik zum Pensionat geworden.

Und in der That übte sich dort ein Schulkind, eine unerfahrene, unruhige kleine Seele voll unbewußter Wünsche, die noch alles zu erlernen und zu erfahren hatte, um eine ächte Frau zu werden. Nur beschränkte sich ihr Ehrgeiz auf die Oberfläche der Dinge:

»Clara Fromont spielt Klavier, also lerne ich singen ... Sie gilt für eine elegante, vornehme Dame – dafür will ich auch gelten.«

Ohne einen Augenblick an ernstere Belehrung zu denken, brachte sie ihre Zeit damit hin, in den Läden und bei den Lieferanten umherzulaufen: »Was wird man in diesem Winter tragen?« ... Ihr Sinn haftete am Luxus der Schaufenster, an dem, was den Vorübergehenden in die Augen fällt.

Von den falschen Perlen, mit denen sie so lange umgegangen war, war ihr etwas an den Fingern hängen geblieben, etwas von dem künstlichen Perlmutt, der hohlen Zerbrechlichkeit, dem oberflächlichen Glanze. Ja, sie war selbst eine runde, glänzende, schön gefaßte falsche Perle, an der die Plattheit und Alltäglichkeit Gefallen finden konnte, Clara Fromont aber war eine ächte Perle von reichem und dabei stillem Feuer, und dieser Unterschied trat unverkennbar zu Tage, sobald man sie beisammen sah. Man errieth dann, daß die eine immer, von Kindesbeinen an, Perle gewesen, eine ganz kleine Perle, aus Elementen der Feinheit und der Vornehmheit gebildet, die ein seltenes und kostbares Wesen aus ihr gemacht hatten. Die andere dagegen war so recht Pariser Arbeit, ein Artikel des großen Juweliers Paris, der über tausend reizende, blitzende, aber wenig dauerhafte, schlecht zusammengestellte und schlecht verbundene Flitterdinge verfügt, ein wahres Product des Kleinhandels, dem sie angehört hatte.

Vor allem aber beneidete Sidonie ihre Freundin um das Kind, das schön geputzte, von den Vorhängen seiner Wiege bis zur Haube seiner Amme bebänderte Püppchen. Sie dachte dabei nicht an die süßen Pflichten, die so viel Geduld und Selbstverläugnung erfordern, an das langwierige, mühsame Indenschlafwiegen, an das lächelnde Erwachen der thaufrischen Kinderaugen. Nein, sie sah im Kinde nur den Spaziergang: die wallenden Kleidchen und langen Federn, die im Menschengewühl der Straßen hinter den jungen Müttern herschweben, sehen doch gar zu hübsch aus!

Sie hatte nur ihre Eltern und ihren Gatten zur Begleitung. Lieber ging sie allein aus. Der brave Risler hatte eine zu lächerliche Manier, seine Liebe zu zeigen: er spielte mit seiner Frau wie mit einer Puppe, kniff sie in das Kinn und in die Backen und tanzte um sie herum, indem er dabei: »Hasch'! Hasch'!« rief, oder sah sie mit seinen großen Augen gerührt an wie ein treuer, dankbarer Hund. Dieser albernen Liebe, die aus ihr ein Spielzeug, ein Porzellanpüppchen machte, schämte sie sich. Was ihre Eltern betrifft, so waren ihr dieselben der Gesellschaft wegen unbequem, die sie besuchen wollte, und sie hatte sich ihrer daher gleich nach der Hochzeit beinahe völlig entledigt, indem sie ihnen ein Häuschen in Montrouge miethete. Das hatte den häufigen Überfällen des Herrn Chèbe mit seinem langen Überrocke und den endlosen Besuchen der guten Frau Chèbe, bei der der wiedergekehrte Wohlstand alte Gewohnheiten, Klatsch und Müßiggang wachrief, kurzweg Einhalt gethan.

Gern hätte Sidonie auch die Familie Delobelle entfernt, deren Nachbarschaft ihr lästig war. Aber der Nähe der Boulevardtheater wegen war das Marais für den ehemaligen Schauspieler von Wichtigkeit, und außerdem hing Désirée wie alle Leute von sitzender Lebensweise an dem ihr bekannten Horizont: der düstere Hof, der sich im Winter schon um vier Uhr in Schatten hüllte, erschien ihr wie ein Freund, wie ein bekanntes Gesicht, das die Sonne zuweilen beglänzte, als ob es ihr ein Lächeln zusende. Da Sidonie sich demnach ihrer nicht entledigen konnte, hatte sie den Entschluß gefaßt, sie nicht mehr zu besuchen.

Im Großen und Ganzen würde ihr Leben einsam und ziemlich trübselig gewesen sein, hätte nicht Clara Fromont ihr einige Zerstreuungen verschafft. Das war jedes Mal ein Ärger für sie. Sie dachte:

– Alles soll mir also durch sie kommen!

Und wenn man ihr zur Zeit des Diners aus dem untern Stock ein Logenbillet oder eine Einladung für den Abend heraufschickte, so dachte sie während des Ankleidens in der Freude, sich zeigen zu können, nur daran, wie ihre Rivalin auszustechen sei. Übrigens wurden die Gelegenheiten dazu selten, da Clara mehr und mehr von ihrem Kinde in Anspruch genommen wurde. Wenn jedoch der Großvater Gardinois nach Paris kam, so verfehlte er nie, die beiden Familien zusammen einzuladen. Die Heiterkeit des alten Bauern bedurfte zu ihrer vollen Entfaltung dieser kleinen Sidonie, die seine derben Späße nicht erschreckten. Er bat alle vier zum Diner bei Philippe, seinem Lieblingsrestaurant, wo er den Wirth, die Kellner und den Zahlkellner kannte, gab dort viel Geld aus und führte sie dann in eine im voraus bestellte Loge der komischen Oper oder des Palais Royal.

Im Theater lachte er stark, sprach mit den Logenschließerinnen ebenso vertraulich wie mit den Kellnern bei Philippe, forderte mit lauter Stimme Fußbänke für die Damen und wollte beim Hinausgehen die Paletots und Pelzsachen immer zuerst haben, als ob er der einzige Emporkömmling im Hause wäre, dem drei Millionen zu Gebote standen.

Zu diesen etwas gewöhnlichen Partien, denen ihr Gatte meistens aus dem Wege ging, kleidete sich Clara mit gewohntem Takte äußerst einfach und blieb daher unbemerkt. Sidonie dagegen prunkte im vollen Staate an der Brüstung der Loge, lachte aus ganzer Seele über die Geschichten, die der Großvater zum Besten gab, und fühlte sich glücklich, von ihren einstigen Plätzen im zweiten oder gar dritten Range zu diesen prächtigen, mit Spiegeln geschmückten Prosceniumslogen herabgestiegen zu sein, deren Sammetrand ihr ausdrücklich für ihre hellen Handschuhe, den Operngucker aus Elfenbein und den Schuppenfächer gemacht schien. Der Alltagsprunk der öffentlichen Lokale, das Roth und das Gold der Decorationen galten ihr für ächten Luxus. Sie spreizte sich darin wie eine hübsche Papierblume in einem Blumenkorb aus Filigran.

Eines Abends, bei der Vorstellung eines gerade beliebten Stückes im Palais Royal, fiel Sidonie unter den anwesenden Frauen, gemalten Berühmtheiten mit mikroskopischen Hüten und ungeheuren Fächern, deren geschminkte Köpfe bei den tief ausgeschnittenen Miedern gleich schwach belebten Portraits aus dem Schatten der Logen hervortraten, wegen ihres Benehmens, ihrer Toilette, ihres Gelächters und ihres Blicks ganz besonders auf. Alle Operngucker im Saale, von jenem magnetischen Strome fortgerissen, der unter dem Kronleuchter so mächtig ist, richteten sich nach und nach auf die Loge, in der sie saß. Clara wurde schließlich dadurch belästigt und wechselte daher in aller Stille den Platz mit ihrem Manne, der sie an jenem Abend unglücklicherweise begleitet hatte.

Der junge, elegante Georges erschien neben Sidonie als deren natürlicher Gefährte, während der immer ruhige und stille Risler senior hinter ihnen bei Clara Fromont, die in ihrer ein wenig düstern Toilette gleichsam das Incognito einer ehrbaren Frau auf einem Maskenballe der großen Oper bewahrte, ganz an seinem Platze zu sein schien.

Beim Hinausgehen reichte jeder der beiden Associés seiner Nachbarin den Arm. Eine Logenschließerin sagte daher zu Sidonie, indem sie von Georges sprach: »Ihr Mann« ... und die kleine Frau strahlte vor Vergnügen.

Ihr Mann!

Dies einfache Wort hatte genügt, um sie außer Fassung zu bringen und im Grunde ihrer Seele eine Menge böser Gedanken wach zu rufen. Während sie die Corridore und das Foyer durchschritten, betrachtete sie Risler und »Madam Schorsch«, die vor ihnen gingen. Die Eleganz Claras erschien ihr durch den schwerfälligen Gang Rislers völlig vernichtet und entstellt. – »Wie häßlich mag ich aussehen, wenn ich neben ihm gehe!« ... sagte sie zu sich selbst. Und dann pochte ihr das Herz bei dem Gedanken an das reizende, glückliche, bewunderte Paar, das sie beide abgegeben haben würden, sie und Georges Fromont, dessen Arm jetzt unter der Berührung mit dem ihren erbebte.

Als dann die blaue Kutsche die Fromonts an der Pforte des Theaters abholte, kam ihr zum ersten Male der Gedanke, daß alles in allem jene Frau ihr ihren Platz gestohlen habe, und daß sie ganz in ihrem Rechte sei, wenn sie denselben zurück zu erobern versuchte.


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