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Der Angriff und die Verteidigung eines Transports sind ein Gegenstand der Taktik; wir würden also hier gar nichts darüber zu sagen haben, wenn nicht der Gegenstand überhaupt gewissermaßen erst als möglich nachgewiesen werden müßte, was nur aus strategischen Gründen und Verhältnissen geschehen kann. Schon bei der Verteidigung hätten wir in dieser Beziehung davon zu reden gehabt, wenn nicht das Wenige, was darüber zu sagen ist, sich füglich für Angriff und Verteidigung zusammenfassen ließe, und der erstere dabei die Hauptrolle spielte.
Ein mäßiger Transport von dreihundert bis vierhundert Wagen, womit sie auch beladen seien, nimmt eine halbe Meile ein, ein bedeutender mehrere Meilen. Wie ist nun daran zu denken, eine solche Entfernung mit so wenig Truppen zu decken, als gewöhnlich zur Begleitung bestimmt sind? Nimmt man zu dieser Schwierigkeit die Unbeweglichkeit dieser Masse, die nur im langsamsten Schritt fortrückt, und wobei doch immer die Gefahr der Verwirrung droht, endlich, daß es dabei auf die Deckung eines jeden Teils ankommt, weil sogleich alles stockt und in Verwirrung gerät, sobald ein Teil vom Feinde erreicht wird, so kann man sich mit Recht fragen: wie ist die Deckung und Verteidigung eines solchen Zuges überhaupt möglich? – oder mit andern Worten: warum werden nicht alle Transportzüge genommen, die angegriffen werden, und warum werden nicht alle angegriffen, die überhaupt gedeckt werden müssen, d. i. die dem Feinde zugänglich sind? Es ist offenbar, daß alle taktischen Auskunftsmittel, wie die höchst unpraktische Verkürzung durch beständiges Auf- und Abmarschieren, die Tempelhoff vorschlägt, oder wie die viel bessere durch Teilung in mehrere Kolonnen, zu der Scharnhorst rät, nur schwache Hilfe gegen das Grundübel gewähren.
Der Aufschluß liegt darin, daß bei weitem die meisten Transporte schon durch die strategischen Verhältnisse im allgemeinen eine Sicherung genießen, die sie vor jedem andern, dem feindlichen Angriff bloßgestellten Teile voraus haben, und die ihren geringen Verteidigungsmitteln eine viel größere Wirksamkeit gibt. Sie finden nämlich immer mehr oder weniger im Rücken des eigenen Heeres, oder wenigstens in großer Entfernung vom feindlichen statt. Die Folge davon ist, daß nur schwache Haufen zu ihrem Angriff abgesendet werden können, und daß diese genötigt sind, sich durch starke Reserven zu decken. Nimmt man hierzu, daß eben die Unbehülflichkeit solcher Fuhrwerke es sehr schwer macht, sie fortzuschaffen, daß der Angreifende sich meistens begnügen muß, die Stränge abzuhauen, die Pferde wegzuführen, Pulverkarren in die Luft zu sprengen u. s. w., wodurch das Ganze zwar aufgehalten und desorganisiert wird, aber doch nicht wirklich verloren geht, so sieht man noch mehr ein, wie die Sicherheit eines solchen Transports mehr in diesen allgemeinen Verhältnissen, als in dem Widerstand seiner Bedeckung liegt. Kommt nun dieser Widerstand der Bedeckung hinzu, welcher durch entschlossenes Draufgehen zwar nicht seinen Transport unmittelbar schützen, aber das System des feindlichen Angriffs stören kann, so erscheint zuletzt der Angriff der Transporte, anstatt leicht und unfehlbar zu sein, als ziemlich schwierig und in seinen Folgen ungewiß.
Aber ein Hauptpunkt bleibt noch übrig: es ist die Gefahr, daß die feindliche Armee oder ein Korps derselben an dem Angreifenden Rache nimmt und ihn durch eine Niederlage für das Unternehmen hinterher bestraft. Diese Besorgnis hält eine Menge von Unternehmungen zurück, ohne daß die Ursache ans Licht tritt, so daß man die Sicherheit in der Bedeckung sucht und sich nicht genug wundern kann, wie eine so bemitleidenswerte Verfassung, wie die einer solchen Bedeckung ist, solchen Respekt einflößen kann. Um die Wahrheit dieser Bemerkung zu fühlen, denke man an den berühmten Rückzug, welchen Friedrich der Große 1758 nach der Belagerung von Olmütz durch Böhmen machte, wo die Hälfte seiner Armee in Pelotons aufgelöst war, um einen aus 4000 Fuhrwerken bestehenden Train zu decken. Was hinderte Daun, dieses Unding anzufallen? die Furcht, daß ihm Friedrich der Große mit der andern Hälfte auf den Leib rücken und ihn in eine Schlacht verwickeln würde, die Daun nicht suchte; was hinderte Laudon in Zischbowitz den Transport, dem er immer zur Seite war, früher und dreister anzufallen, als er tat? die Furcht, etwas auf die Finger zu bekommen. Zehn Meilen von seiner Hauptarmee entfernt und durch die preußische Armee ganz von ihr getrennt, glaubte er sich in der Gefahr einer tüchtigen Niederlage, wenn der durch Daun auf keine Weise beschäftigte König den größeren Teil seiner Kräfte gegen ihn richtete.
Nur wenn die strategische Lage eines Heeres dasselbe in die widernatürliche Notwendigkeit verwickelt, seine Transporte ganz seitwärts oder gar von vornher zu beziehen, dann werden diese Transporte wirklich in großer Gefahr sein und folglich ein vorteilhaftes Objekt des Angriffs für den Gegner werden, wenn ihm seine Lage erlaubt, Kräfte dazu abzusenden. Derselbe Feldzug von 1758 zeigt in dem aufgehobenen Transport von Domstädtel den vollkommensten Erfolg eines solchen Unternehmens. Die Straße nach Neiße lag in der linken Seite der preußischen Aufstellung, und des Königs Kräfte waren durch die Belagerung und das gegen Daun aufgestellte Korps so neutralisiert, daß die Parteigänger für sich selbst gar nichts zu besorgen hatten und mit vollkommener Muße an ihren Angriff gehen konnten.
Eugen zog 1712, als er Landreci belagerte, seine Belagerungsbedürfnisse von Bouchain über Denain heran, also eigentlich vor der Front der strategischen Aufstellung. Welche Mittel er anwendete, um die unter diesen Umständen so schwierige Deckung zu bewirken, und in welche Schwierigkeiten er sich verwickelte, die mit einem förmlichen Umschwung der Angelegenheiten endigten, ist bekannt.
Wir ziehen also das Resultat, daß der Angriff von Transporten, wie leicht er auch, taktisch betrachtet, sich ausnehmen möge, doch aus strategischen Gründen nicht so viel für sich hat, sondern nur in den ungewöhnlichen Fällen sehr preisgegebener Verbindungslinien bedeutende Erfolge verspricht.