Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Was wir von der Defensivschlacht gesagt haben, wirft schon ein großes Licht auf die Offensivschlacht.
Wir haben dort diejenige Schlacht im Auge gehabt, in der die Verteidigung am stärksten ausgesprochen ist, um das Wesen derselben fühlbar zu machen, – die wenigsten Schlachten sind aber von dieser Art, die meisten sind halbe rencontres, in denen der Defensivcharakter sehr verloren geht. Anders verhält es sich mit der Offensivschlacht; sie behält ihren Charakter unter allen Umständen und darf ihn um so dreister behaupten, als der Verteidiger sich nicht in seinem eigentlichen esse befindet. Darum bleibt auch bei der nicht recht ausgesprochenen Defensivschlacht und bei den wahren rencontres immer etwas von dem Unterschiede in dem Charakter der Schlacht auf seiten des einen und des andern. Die Haupteigentümlichkeit der Offensivschlacht ist das Umfassen oder Umgehen, also zugleich die Lieferung der Schlacht.
Das Gefecht mit umfassenden Linien gewährt an sich ganz offenbar große Vorteile; es ist indes ein Gegenstand der Taktik. Diese Vorteile kann der Angriff nicht aufgeben, weil die Verteidigung ein Mittel dagegen hat; denn dieses Mittel kann er selbst nicht anwenden, insofern es mit den übrigen Verhältnissen der Verteidigung zu eng zusammenhängt. Um den umfassenden Feind mit Erfolg wieder umfassen zu können, muß man sich in einer ausgesuchten und wohl eingerichteten Stellung befinden. Aber was viel wichtiger ist, nicht alle Vorteile, welche die Verteidigung darbietet, kommen wirklich zur Anwendung; die meisten Verteidigungen sind dürftige Notbehelfe, die Mehrzahl der Verteidiger befindet sich in einer sehr bedrängten und bedrohten Lage, in der sie, das Schlimmste erwartend, dem Angriff auf halbem Wege entgegenkommen. Die Folge davon ist, daß Schlachten mit umfassenden Linien oder gar mit verwandter Front, welche eigentlich die Folge eines vorteilhaften Verhältnisses der Verbindungslinien sein sollten, gewöhnlich die Folge der moralischen und physischen Überlegenheit sind (Marengo, Austerlitz, Jena). Bei der ersten Schlacht ist übrigens die Basis des Angreifenden, wenn auch nicht der der Verteidigung überlegen, doch wegen der nahen Grenze meistens sehr groß, also kann er schon etwas wagen. – Der Seitenanfall, d. h. die Schlacht mit verwandter Front, ist übrigens wirksamer, als die umfassende. – Falsche Vorstellung, daß ein umfassendes strategisches Vorrücken von Hause aus damit verbunden sein müsse, wie bei Prag. (Dies hat selten etwas damit gemein und ist sehr mißlich; worüber in dem Angriff eines Kriegstheaters das Nähere.) – So wie in der Verteidigungsschlacht der Feldherr das Bedürfnis hat, die Entscheidung möglichst lange hinzuhalten und Zeit zu gewinnen, weil eine unentschiedene Verteidigungsschlacht mit Sonnenuntergang gewöhnlich eine gewonnene ist, so hat der Feldherr in der Angriffsschlacht das Bedürfnis, die Entscheidung zu beschleunigen; aber andrerseits ist mit der Übereilung große Gefahr verbunden, weil sie zur Verschwendung der Kräfte führt. Eine Eigentümlichkeit der Angriffsschlacht ist in den meisten Fällen die Ungewißheit über die Lage des Gegners; sie ist ein wirkliches Hineintappen in unbekannte Verhältnisse (Austerlitz, Wagram, Hohenlinden, Jena, Katzbach). Je mehr sie das ist, umsomehr ist Vereinigung der Kräfte geboten, umsomehr Umgehen dem Umfassen vorzuziehen. Daß die Hauptfrüchte des Sieges erst im Verfolgen errungen werden, lehrt schon das zwölfte Kapitel des vierten Buchs. Der Natur der Sache nach ist bei der Offensivschlacht das Verfolgen mehr ein integrierender Teil der ganzen Handlung als in der Verteidigungsschlacht.