Matthias Claudius
Der Wandsbecker Bote
Matthias Claudius

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Nachricht
von meiner Audienz beim Kaiser von Japan

Vorrede

Der geneigte Leser weiß aus dem 1. und 2. Teil meiner sämtlichen Werke, was zwischen mir und dem Kaiser von Japan für eine Connexion ist und wie sich das angesponnen hat. Wer hätte es aber denken sollen daß eine Art von Romanze, die ich hier oben auf der Weltkugel geschrieben habe, mich hunten nach der andern Seite bringen würde? und da liegt doch Jedo, des Kaisers seine Residenz, hier grade unter Wandsbeck, und da bin ich gewesen. Wie gesagt, wer hätte das denken sollen? Ich für mein Teil hab's nicht gedacht, wie ich auch damals in der Zueignungsschrift geäußert habe. Aber, wenn etwas sein soll so muß sich alles darnach haben und fügen, und so ging's auch hier.

Mein Vetter kam auf 'm Morgen zu mir: »Hört Vetter, ich hab's auf dem festen Lande satt; wollt Ihr mit zur See gehen?« Ich hatte eigentlich keine Lust, aber ich kann ihm nichts abschlagen, und so zog ich mich an und ging mit ihm zur See. Als wir nun auf der Höhe von China kamen, sie nennens nur Höhe ist aber eigentlich flache See, und einige Tage in den Zimet- und andern Spezereigerüchen hin und her geschifft waren, kam mein Vetter wieder: »Gelt, so was wird Euch zu Hause nicht geboten? aber hört Vetter, wir sind nun nicht weit von Japan, der Kaiser ist ja Euer Patron; wollen wir nicht vollends hinfahren?« ich sagte wieder ja und wir fuhren hin, und auf die Weise bin ich nach Japan gekommen, das die Einwohner Nippon nennen.

Ich mag die Leser mit den Ebenteuern unsrer Reise nicht aufhalten, 's wird auch schon in andern Reisebeschreibungen alles viel besser stehen. Die Hauptsache ist, daß wir unterwegens gewaltig viel Wasser angetroffen haben, und mir für Freude der Schweiß ausbrach, als ich wieder Land unter'n Füßen fühlte. In einem Wirtshaus unterwegens, Capspranz genannt, ist der Wein sehr gut, recht sehr gut, das muß ich sagen.

Die Schildwache in Japan hielt uns nicht lange auf, und wir kamen bald in die Stadt. Sie liegt am Hafen und heißt auf Japansch Nagasaki. Wir blieben acht Tage da und sahen alles, was merkwürdig war, den Tag über an; ich habe auch noch verschiedenes davon aufgeschrieben und ordentlich die Konterfeis dazu gemacht, und des Abends studierte mein Vetter die japansche Mythologie und Philosophie, und ich den Japanschen Kalender.

Unterdes kam ein Gerücht in der Stadt aus, ich weiß nicht durch wen, ich will aber wohl glauben daß mir mein Vetter selbst diesen Streich gespielt habe, er hat seine Lust an solchen Dingen, diesmal wär es aber bald übel für uns abgelaufen; ich hab's ihm auch auf dem Rückwege oft recht ernstlich zu Gemüte geführt, und rund heraus zu ihm gesagt: »Pamphile, Pampile! es wäre bald übel abgelaufen.« Er gab mir aber zur Antwort: »Es wäre bald – also ists doch gut abgelaufen. Wie kann denn etwas übel ablaufen? Ihr habt doch Japan gerne gesehn, nicht wahr Vetter?« darin hat er nun recht. Japan hab' ich gerne gesehn, aber es kam also ein Gerücht aus, daß ein großer Gelehrter und Polyhistor aus Europa, der alle Schriften gelesen und geschrieben, mit seinem Famulus in Japan angekommen sei. Das Gerücht ist vermutlich weiter ins Land gegangen, und wir erhielten Ordre, nach Hofe zu kommen.

Mich ahndete bei dem allen nicht viel Gutes, aber mein Vetter lachte dazu, und nannte mich von nun an gewöhnlich Ihr Magnifizenz! Ich wollte mit ihm Abrede nehmen, was ich bei der Audienz und was er sagen wollte; er ließ sich aber auf nichts ein, und ich mußte ihm sehr lange gute Worte geben, bis er endlich noch drein willigte, daß, wenn der Kaiser etwas fragte was der große Polyhistor nicht wüßte, ich ihn denn ansehen und er mir die Antwort ins Ohr sagen sollte; »aber«, setzte er hinzu, »Ihr Magnifizenz müssen's höchstens nicht mehr als zweimal tun, sonst sag ich's dem Chan, warum Dieselben mich ansehen.« Ich hab's auch nur einmal getan, und alles lieber selbst beantwortet so gut ich denn gekonnt habe. Vieles von dem, was ich bei der Audienz vorgebracht habe, hatte ich vorher gelegentlich von meinem Vetter gehört, oder aus seinen Papieren behalten, und das übrige ist zum Teil schlecht genug; aber bei dem allen war's doch nicht anders, als wenn sein Geist bei der Audienz in mich gefahren wäre. Denn sonst hätt' ich das auch nicht vorbringen können was ich noch vorgebracht habe.

Wir hatten schon in Nagasaki gehört, daß der Chan ein guter Herr sei, aber von lauter argen Schmeichlern umgeben, und daß sonderlich ein gewisser Albiboghoi, der dem Chan seine Serailangelegenheiten besorgte, und ohngefähr soviel als Hofjunker oder Hofmarschall tituliert ward, von allen den argen Schmeichlern der ärgste und 'n rechter Ausbund und böser Mann sei, und grade der introduzierte uns bei der Audienz.

Auf dem Wege von Nagasaki nach Jedo sahen wir verschiedene sonderbare japansche Tiere, als Kirims, Kaitsus, Tatsdrias, Tatsmakis, und gewaltig viel Hunde, die in Japan größtenteils keine Herren haben und als Privatpersonen für sich leben. Bei einem Walde, nicht weit von Jedo, trafen wir von den grünen Fibakarris an, aus denen eine berühmte Arzenei gemacht wird, und weiterhin auf einigen Bäumen am Wege verschiedene Affen. Einer von diesen hatte einen Menschenschädel und spielte damit. Mein Vetter warf einen Stein auf den Affen und der Schädel fiel herunter; der Unterkiefer fehlte daran, sonst war er ganz. »Steckt ihn bei«, sagte mein Vetter zu mir, »wir wollen ihn begraben wenn wir heimkommen, daß er wenigstens nun Ruhe habe; der arme Junge ist vielleicht genug in seinem Leben gehudelt worden.« Das freute mich sehr. Mein Vetter ist 'n großer Liebhaber von Naturalien, und ich dachte gewiß, er würde den Schädel in seinen Muschelschrank legen wollen, und das wäre mir nicht recht gewesen. Aber so gehts mir immer wenn ich seine Absichten erraten will, er hat mich allemal zum Narren, und darum hab ich ihn eben so lieb. Ich steckte also den Schädel bei, und wir gingen vollends nach Jedo. Gleich den andern Tag holte uns der Albiboghoi ab zur Audienz, wie folget.

Ich habe zuweilen das Japansche mit beigesetzt, damit man die gewaltige Energie dieser Sprache sehe, und sonderlich des x und der :, samt wie so überall der Spiritus asper steht und nirgends ein kleines n, etc. etc.

Es könnte zwar der Zweifel aufgeworfen werden: wie ich so geschwind Japansch gelernt hätte? 's gibt aber bei dem ganzen Vorgang noch mehr Zweifel zu lösen, wer daran seine Lust hat. Das ist aber bei dieser Nachricht meine Absicht nicht gewesen, und ich bin überzeugt, daß um ihretwillen der Kaiser von Japan selbst, wenn ihm diese Nachricht zu Gesicht kommen sollte, mir nicht würde ungnädig werden; hab's auch nicht verdient, und so kann sie der Leser, dünkt mich, sich auch gefallen lassen. Übrigens hatte ich bei der Audienz meine rote Weste an und ein langes japansches Kleid, und mein Vetter trug mir die Schleppe.


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