Matthias Claudius
Der Wandsbecker Bote
Matthias Claudius

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Brief an Andres

Gott zum Gruß!

Mein lieber Andres, wenn Er Sich noch wohl befindet, ist's mir lieb. Was mich anlangt, so befind' ich mich itzo in Wandsbeck.

Er wird's auch wohl vom Herrn Rektor gehört haben, daß der Kalendermacher und Sternkucker Tycho Brahe zu seiner Zeit in Wandsbeck den Sternenlauf betrachtet hat, und daß dieser Tycho Brahe eine Nase von Gold, Silber und Wachs hatte, weil ihm von ohngefähr 'n Edelmann zu nächtlicher Weile eine von Fleisch abduellierte; ich tu' Ihm zu wissen, daß ich keine Nase von Gold, Silber und Wachs hab' und daß ich folglich hier auch den Sternenlauf nicht betrachte. Übrigens ist mir in Ermangelung eines Bessern zu Ohren gekommen, daß Ihm seine Gertrud abgestorben ist. Da Er weiß, daß ich nicht ungerührt bleibe, wenn 'n Hund stirbt den ich zum erstenmal sehe, so kann Er Sich leicht vorstellen, wie mir bei der Nachricht von diesem Todesfall geworden sein mag. Die selige Gertrud hatt' ihre Nücken, aber 's reute sie doch gleich, und sie hätt' auch viel Gutes, und hätte wohl länger leben mögen, doch sie ist nun kaputt, und Er muß Sich zufrieden geben. Andres! unterm Mond ist viel Mühe des Lebens, Er muß Sich zufrieden geben – ich sitze mit Tränen in den Augen und nag' an der Feder, daß unterm Mond so viel Mühe des Lebens ist, und daß einen jedweden seine eigne Nücken so unglücklich machen müssen!

Mundart


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