Matthias Claudius
Der Wandsbecker Bote
Matthias Claudius

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Buch – Paraphrasis Evangelii Johannis –
etc.

Ich habe von Jugend auf gern' in der Bibel gelesen, für mein Leben gern. 's stehn solche schöne Gleichniss' und Rätsel drin, und 's Herz wird einem darnach so recht frisch und mutig. Am liebsten aber les' ich im Sankt Johannes. In ihm ist so etwas ganz Wunderbares – Dämmerung und Nacht, und durch sie hin der schnelle zückende Blitz! 'n sanftes Abendgewölk und hinter dem Gewölk der große volle Mond leibhaftig! so etwas Schwermütiges und Hohes und Ahndungsvolles, daß mans nicht satt werden kann. 's ist mir immer beim Lesen im Johannes, als ob ich ihn beim letzten Abendmahl an der Brust seines Meisters vor mir liegen sehe, als ob sein Engel mir's Licht hält, und mir bei gewissen Stellen um den Hals fallen und etwas ins Ohr sagen wolle. Ich versteh lang nicht alles was ich lese, aber oft ists doch, als schwebt' es fern vor mir was Johannes meinte, und auch da, wo ich in einen ganz dunkeln Ort hinein sehe, hab ich doch eine Vorempfindung von einem großen herrlichen Sinn den ich 'nmal verstehen werde, und darum greif' ich so nach jeder neuen Erklärung des Johannes. Zwar die meisten kräuseln nur an dem Abendgewölke, und der Mond hinter ihm hat gute Ruhe.

Des Herrn Verfassers Erklärung ist sehr gelehrt, dünkt mich, und ich glaube, daß man wohl zwanzig Jahre studieren muß, ehe man so eine schreiben kann.

Mundart


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