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XVIII.
Was für Tarife würde ich aufstellen, wenn ich Zar wäre?

Veröffentlicht zuerst 1895 (März). Die in dem Artikel gegebenen Ausführungen dürften besonders jetzt, angesichts des neuen, deutschen Zolltarifs, besonderes Interesse haben.

Fast möchte ich sagen, die Frage gefällt mir, und ich schicke mich deshalb an, sie zu beantworten. Die Ausgaben der Regierung der Vereinigten Staaten belaufen sich der Schätzung des Sekretärs Carlisle zufolge, für das Rechnungsjahr 1892 auf 424 Millionen, die Einnahmen auf 404 Millionen Dollars, sodaß ein Fehlbetrag von 20 Millionen Dollars bleibt. Carlisle schätzt für das nächste Jahr den Überschuß auf 30 Millionen, bei Ansatz der Ausgaben zur gleichen Höhe. Die Verminderung der Kosten für Pensionen im selben Rechnungsjahre belaufen sich auf nicht weniger als 18 Millionen Dollars, und jedes folgende Jahr muß den Prozentsatz dieser Abnahme vergrößern. Die Flotte wird in kommenden Jahren weniger Ausgaben erfordern, die Besitzzunahme und die Zunahme des Reichtums größere Einnahmen zur Folge haben, sodaß durchaus nicht die geringste Ursache besteht, sich über die Ausgaben und Einnahmen der Regierung nach dem nächsten Jahre (1896) zu beunruhigen, obgleich der Staatssekretär die Einnahmen bei den gegenwärtig bestehenden Gesetzen überschätzt. Unter den Einnahmen der Regierung ist der Tarif mit 160 Millionen für dieses und mit 190 Millionen Dollars für das nächste Jahr geschätzt. Es fragt sich nun, was würde ich mit dem Tarif tun, wenn ich die höchste Gewalt in Händen hätte?

Zunächst würde ich alle notwendigen Lebensbedürfnisse von allen Abgaben frei zu halten suchen, dagegen die Luxusgegenstände der wenigen Reichen hoch besteuern. Die Volksmassen, welche heimatliche Erzeugnisse benutzen und konsumieren, würde ich überhaupt nicht besteuern; aber die Damen und Herren der vornehmen Welt, welche, was immer es kosten mag, feine Wollstoffe, außerordentlich feine Seide, und besonders fein gewobenes europäisches Linnen tragen – diese sollten die Tarifabgaben zahlen. Die beschränkte Zahl der Reichen würde sich unter einem solchen Tarif – dadurch, daß sie die vielleicht doppelten Abgaben zahlen – selbst noch vornehmer als jetzt fühlen. Die große Masse aber, welche amerikanischen Tabak raucht, sollte keine höheren Steuern zahlen als gegenwärtig. Der reiche und luxuriöse Herr dagegen, dessen feiner Geruchssinn das Aroma einer echten Havanna verlangt, müßte für den Staat mehr einbringen, indem er eine doppelt so hohe Abgabe wie die gegenwärtige zahlt. Die Leute, welche Champagner und alte seltene Weine trinken, sowie die, welche ausgesucht altes und feines Glas und Porzellan kaufen, sollten in die Lage gebracht werden, mit vollem Recht mit deren erhöhtem Wert zu prahlen.

Man darf niemals vergessen, daß Importartikel nur von den wenigen Reichen, einheimische Artikel dagegen von den großen Massen gebraucht werden. Die erhöhten Abgaben auf fremde Luxusartikel würden nicht mit der Absicht eines Schutzzolles, sondern einzig mit der Rücksicht auf die dadurch erzielten höheren Einnahmen erhoben werden. Daß nebenbei diese Zollpolitik einigermaßen den einheimischen Fabrikanten zugute kommen dürfte, ist gewiß kein Einwurf gegen dieselbe; dennoch könnte ein solcher Nutzen, wenn er überhaupt vorhanden wäre, nur gering sein, da die feine Seide, sowie feinste Wolle und Linnen nicht bei uns im Lande produziert werden, ebensowenig wie teuere Weine, Zigarren und andere Luxusartikel. Unsere einheimischen Industriellen haben dagegen ganz den Markt für Güter gewöhnlicher Art in ihrer Gewalt, die von den Massen Verwendung finden. Die bisher befolgte Politik ist gerade das Gegenteil von alledem. Eine ganze Seite könnte man mit Anführung aller jener Luxusartikel füllen, für welche die Abgaben im neuen Tarif herabgesetzt sind. Ich gebe hier einige solcher Reduktionen:

Die Abgabe für Porzellan ist auf 50 Proz.
" Glasplatten und gefärbtes Glas " 40 "
" Goldfedern " 16 "
" Hüte " 72 "
" Stickwarenfabrikate " 72 "
" seidene Regenschirme " 18 "
" Kognak und Magenlikör " 28 "
" Seide " 40 "
" Handschuhe " 30 "
" Spitzen, Posamentierarbeit und dergl. " 16 "
" Wollen und Seiden " 10-20 "

herabgesetzt und zwar ad valorem, anstatt mit Rücksicht auf die besonderen Abgaben. Bei dem gegenwärtigen Tarif erfreut sich der reiche Mann der Mode des hochfeinen fremden Tuches, seines feinen Linnen, seines seidenen Hutes, seines feinen seidenen Regenschirmes, seiner hochfeinen Glaceehandschuhe und seines kostbaren, mit seltenem feinem Wein angefüllten Glases um 20-70 Proz. billiger, als bei den früheren Abgaben für Luxusartikel. Seine Dame spielt mit dem Fächer, läßt ihr gesticktes Taschentuch sehen, zeigt ihre außerordentlichen Spitzen und putzt sich mit herrlicher Seide zu ähnlichen Preisreduktionen und dankt mit einem Lächeln ihrem neuen Freunde aus dem Volke, dem charmanten jungen Mann aus West-Virginien, der sich bei ihr entschuldigt: es sei ihm nicht gelungen, die Abgaben auf den Champagner, welchen sie ihm vorsetzt, herabzudrücken; er erklärt ihr, daß er daran keine Schuld trägt, da der von ihm ursprünglich eingebrachte Gesetzesvorschlag auch für diesen Artikel eine Reduktion vorsah. Hunderte von Modeartikeln aus Wolle, Seide und Linnen zahlen jetzt geringere Abgaben. Diese Herabsetzungen der Abgaben auf Luxusartikel machen, wie wir gleich sehen werden, zwei Drittel der gesamten aus dem Tarife gezogenen Einnahmen aus. Nicht ein einziger Arbeitsmann braucht diese Luxusartikel, und doch nennt man das eine zeitgemäße Tarifreform! Das also ist die Erleichterung für die Massen des Volkes von der Schwere der Abgaben! Welch wunderliche Täuschung! Tatsächlich werden die Abgaben dadurch nur für die Reichen erleichtert!

Es handelt sich hier nicht etwa um eine Parteifrage, denn jede Partei wünscht in erster Stelle – und zwar ohne Rücksicht auf Freihandel oder Schutzzoll – durch den Tarif Einnahmen aus dem Luxus der Reichen zu gewinnen. Eine richtige Tarifgesetzgebung würde die Bürde auf die Schultern jener Leute legen, die sie am ehesten zu tragen imstande sind; deshalb müßte auf alle Luxusartikel eine größere Abgabe gelegt werden, als jemals bisher darauf gelegt war. Die Annahme, daß der Gebrauch der Luxusartikel durch höhere Abgaben ernstlich vermindert wird, ist falsch. Gerade das Gegenteil trifft zu: einen Hauptbestandteil des fashionablen Bedürfnisses bilden eben die großen Kosten. Die Einfuhr verringerte sich, wenn die Abgaben auf Artikel gelegt würden, die allgemein bei den großen Massen Verwendung finden, wo die Kosten stets sorgsam erwogen werden. Doch das alles fällt nicht so bei Luxusgegenständen ins Gewicht, die hauptsächlich Sachen des Geschmackes und der Mode sind und die einzig und allein reiche Leute kaufen, bei denen der Preis keine Rolle spielt. Beispielsweise könnte eine doppelte Abgabe auf Champagner, Spitzen, Wolle und Seide die Reichen vor deren Kauf nicht abschrecken. Die dadurch für die Staatseinnahmen hervorgebrachte Verminderung dürfte durch die Vermehrung der Bevölkerung und deren Reichtum aufgewogen werden. Die Höhe der auf diese Weise erreichten Mehreinnahmen würde die Sache sehr bald ausgleichen. Selbst wenn diese höheren Abgaben den Verbrauch solcher importierten Artikel um ein Viertel für eine Zeit lang reduzierten, würden die dadurch gewonnenen Einnahmen bei Verdoppelung der darauf gelegten Steuer immer noch ein volles Viertel mehr ausmachen als bisher. Sollte eine derartige Steuerpolitik eine beträchtliche Verminderung des Gebrauches herbeiführen, dann wäre das um so besser.

Die damit verbundene Schattenseite hat, sozusagen, einen Silberrand, denn es würde dadurch soviel Reichtum mehr für den Einkauf heimatlicher Produkte verwendet und zumindest nicht so viel für luxuriöses Leben ausgegeben werden.

Man darf vielleicht sagen, daß der einheimische Produzent zuguterletzt die allerfeinste Qualität im Textilgewerbe fabrizierte, wenn man die ausländischen Produkte hoch einschätzte. Das mag so sein und wäre so nur zum Nutzen des Landes; dennoch bedürfte es Jahre und Jahre, um dahin zu kommen. Lange vorher würde der natürliche Zuwachs der Einnahmen durch die natürliche Vermehrung der Bevölkerung und Vermehrung des Reichtums jede Reduktion der Einfuhr ausgleichen. In wenigen Jahren müßte die Abnahme der Pensionen – diese große finanzielle Last der Gegenwart – die Regierung von der Notwendigkeit befreien, so viel Einkommensteuer wie jetzt zu fordern. Im Jahre 1892 wiesen die Tarifabgaben für die von Reichen gebrauchten Luxusgegenstände folgende Beträge auf:

Wollzeuge 32 293 609 Dollars
Seidenstoffe 16 965 637 "
Baumwollstoffe 16 436 733 "
Flachsfabrikate 10 066 636 "
Glas und Porzellan 10 339 000 "
Wein, Likör etc. 8 935 000 "
Tabak und Zigarren 11 882 557 "

Wir haben also hier 106 Millionen Einnahmen für sieben Klassen von Luxusgegenständen; einige andere, welche weitere Millionen einbringen, füge ich hier hinzu: Juweliersachen, Schmucksachen, Equipagen, künstliche Blumen, Bürsten, Parfümerien, musikalische Instrumente, Papier. Alles zusammen ergiebt 114 Millionen Dollars bei einer Gesamteinfuhr von – alles in allem – 117 Millionen Dollars. Die Reduktion der Abgaben für nur von Reichen gebrauchte Luxusgegenstände auf zwei Drittel der früher daraus gezogenen Erträgnisse ist das Hauptergebnis des Gesetzes Wilson.

Es kann dem nicht widersprochen werden, daß keiner dieser Artikel zum Gebrauch breiter Volksmassen eingeführt wird. Mit Wollen- und Seidenfabrikaten werden alle die Volksmassen ausschließlich von den einheimischen Produzenten versorgt. Die einzige Klasse, welche importierte Kleidungsstoffe, sowie importierte Glaswaren, Porzellan, Wein und Tabak benutzen, bilden die Reichen. Dem Vorwurfe, daß die von den großen Massen gebrauchten Artikel durch erhöhte Steuern teurer werden, sollte das Gesetz dadurch begegnen, daß Wolle, Seide und Linnenstoffe gewöhnlicher Beschaffenheit von den höheren Steuersätzen frei bleiben. Im Grunde genommen wird nur hochfeine Ware importiert; dennoch würde eine solche Klausel jeden Kritiker entwaffnen. Selbst wenn der Abgabesatz vom Jahre 1892 auf Luxusgegenstände aufrecht erhalten worden wäre, hätte das Defizit den Staatsschatz viel weniger angegriffen. Wir haben hier in der Tat eine reiche Goldmine, welche bei der nächsten Tarifgesetzgebung ausgenutzt werden sollte. Wenn wir die Abgaben auf Luxusartikel verdoppeln und auf diese Weise andere 114 Millionen Dollars einsammeln könnten, so wäre die Regierung imstande – selbst bei einer Verminderung des Gebrauches dieser Gegenstände um ein volles Viertel infolge der erhöhten Taxen – 57 Millionen von den Schultern der arbeitenden Klassen zu nehmen und auf die der vergnügungssüchtigen und extravagant luxuriösen Klassen der Gesellschaft abzuwälzen. Diese vermögen sehr wohl für ihre Extravaganzen zu zahlen – nicht nur zum Nutzen für sie selbst, sondern auch für die Gesamt-Nation. Wollte man es mit einer Zusatzgabe versuchen, dann deckten die Einnahmen sehr bald die ganze Summe der außerordentlichen Ausgaben; freilich müßte der Zuschlag volle 50 Proz. betragen. Das ist weder Schutzzoll noch Freihandel und hat mit keinem von beiden etwas zutun: sondern bildet einfach eine Frage des Staatseinkommens; auf keinem anderen Wege, so darf man ruhig sagen, sind die notwendigen Staatsbedürfnisse so weise zu decken, als durch Steuern auf ausländische Luxusgegenstände, welche von den Reichen und der extravaganten Klasse konsumiert werden. Mein Tarif würde die Abgaben auf alle diese Luxusgegenstände verdoppeln.

Angesichts der Tatsache, daß die hauptsächlichste Veränderung, welche das Wilsongesetz hervorbrachte – eine Reduktion der Abgaben auf zwei Drittel der gesamten Tarifeinnahmen – einzig und allein zum Nutzen der die importierten Artikel benutzenden Reichen ist, muß man sich die Frage vorlegen, weshalb ein so ehrenhafter, eifriger und sittlich reiner Mann, wie Herr Wilson, die Schultern des Volkes nicht von dieser schweren Last erleichterte? Die Antwort darauf ist leicht genug: Er besaß keine Erfahrung, hatte die Frage nicht studiert, und ich zweifle sehr, ob er heute eine Maßregel vorschlagen würde, die seinen eigenen von ihm bekundeten Absichten so vollkommen fremd ist. Die Wichtigkeit der Tatsache, daß solch ein Mann, wie er, auf ein bloßes Privatleben beschränkt blieb, nur weil ein Distrikt für den anderen Stimmen abgab, zeigt sich hier deutlich. Unsere Gewohnheit, nur Repräsentanten zu wählen, die in demselben Distrikt wohnen, bringt uns um viele unschätzbare Kräfte. Herr Wilson ist heutzutage fähig, einen der größten Dienste zu leisten, weil er jetzt die Eigenschaft besitzt, die ihm bis dahin einzig und allein dazu fehlte: Kenntnis der Geschäfte. Wir bedürfen gerade solcher Leute, wie er, im öffentlichen Leben, und ich hoffe, er wird sehr bald in die Öffentlichkeit zurückkehren. Dann wird er, wie ich glaube, eines Tages im Parlament einem Tarife das Wort reden, der die Luxusgegenstände der Reichen höher einschätzt, nicht aber die darauf liegenden Steuern reduziert, zu ihrem eigenen Wohl. Vielleicht verstehen nur wenige, bis zu welcher Ausdehnung Textilartikel nur für die Reichen da sind. Nehmen wir z. B. Wollwaren. Im Jahre 1890 betrug der Wert der einheimischen Wollproduktion 338 Millionen Dollars, teure ausländische Wollen wurden eingeführt im Werte von 35 500 000 Dollars. Der Wert der letzteren per Meter ist immer viel größer als der der gewöhnlichen einheimischen Fabrikate, sodaß die Zahl der Meter nicht mehr als 6-7 Proz. des gesamten Verbrauchs betrug. Wir haben ähnliche Verhältnisse im Baumwollengewerbe. Der Wert dieser einheimischen Industrie im Jahre 1890 belief sich auf 268 Millionen Dollars, dagegen wurde die Gesamteinfuhr in diesem Artikel nur auf 28 Millionen Dollars geschätzt. Sogar mit Bezug auf Seideneinfuhr wurde die in amerikanischen Betrieben erzeugte Masse auf 69 Millionen Dollars veranschlagt. Der gesamte Wert der eingeführten Seide belief sich dagegen nur auf 31 Millionen Dollars. Selbstverständlich ist auch in diesem Falle der Wert per Meter viel höher, als der des einheimischen Produkts. Seit dem Jahre 1890 hat sich die Seidenindustrie Amerikas sehr gehoben und deckt mehr und mehr dauernd den einheimischen Markt.

Wenn die ausländischen Wollen, Linnen und Seiden in Bezug auf ihre Feinheit nach Klassen fixiert werden sollten, so würde man sehr bald entdecken, daß Güter geringerer Qualität, wie sie das Volk im allgemeinen braucht, überhaupt nicht mehr eingeführt werden, selbst unter dem gegenwärtigen Tarif. Soweit hat der amerikanische Produzent sich den einheimischen Markt erobert. Noch ein anderer Punkt kommt dabei in Betracht. Ein sehr großer Prozentsatz der eingeführten Textilartikel besteht nicht aus Zeug, sondern aus Litzen, Spitzen, Putzmacherwaren, Posamentierwaren etc. Das alles wird bei uns nicht fabriziert. Für Kohle und Eisen sollte der neue Tarif keinerlei Reduktionen bringen, weil eine Reduktion auf nahezu die Hälfte zu heftig wirkt. Es bedarf der Zeit, bis eine Industrie sich einer so bedeutenden Veränderung anbequemt. Nebenbei bemerkt, ist eine Abgabe von 40 Proz. per Tonne auf Erz und 30 Proz. per Tonne für Kohle sehr gering. Das findet im allgemeinen auch auf Eisen und Stahl Anwendung. Beide haben neuerdings durch Verminderung der Eingangszölle gelitten. Das Mac Kinley-Gesetz hat diese Abgaben um ebensoviel reduziert als das Wilsongesetz: nämlich um 30 Proz. Die Baumwollenbänder von allen Abgaben zu befreien, und alle anderen Formen von Stahl abgabepflichtig zu lassen, das war der größte Fehler des neuen Tarifs: ein Stück von reinem Patrikularismus, dem Gifte des Bundessystems. Die Hälfte der früheren Abgaben sollte der Baumwolle wieder auferlegt werden.

Werke der Kunst müßten von Abgabe frei bleiben; ebenso Bilderrahmen, die jetzt abgabepflichtig sind; da die dadurch gewonnenen Summen kaum in Betracht kommen, während die Umstände und der Aufenthalt, der durch die Schätzung jedes einzelnen Rahmens verursacht wird, die Einfuhr entmutigt. Solche Sachen finden zuletzt doch in öffentlichen Gallerien ihren Platz und werden damit kostbare Besitztümer des Volkes. Ein anderer sehr wichtiger Punkt in dem Tarif hat keineswegs die für ihn wünschenswerte Beachtung gefunden; ich meine die Bestimmung, welche die Einfuhr von Material erlaubt, welches für Herstellung von Ausfuhrartikeln bestimmt ist. In einem solchen Falle werden 99 Proz. der Abgaben erlassen. Darin zeigt sich ein wirklich staatsmännisches Verständnis, von gleicher Wichtigkeit wie das Gegenseitigkeitsverhältnis; etwas was für die Förderung der Ausdehnung unserer Handelsbeziehungen sehr wesentlich ist. Auch das würde ich in meinen Tarif aufnehmen, nur mit dem Unterschied, daß ich auch den Rest von 1 Proz. erlassen würde, sodaß der amerikanische Produzent die Möglichkeit besäße, in allem, was er für die Ausfuhr einkauft, von allen Märkten der Welt Nutzen zu ziehen. Auf diese Weise könnte er auf den verschiedenen Märkten der Welt unter gleichen Konkurrenzbedingungen mit den Industriellen Europas auch als Verkäufer auftreten. Schriftsteller und Redner, welche sich über den Ausschluß des amerikanischen Industriellen infolge der amerikanischen Schutzzölle von den Märkten Europas ereifern, wissen augenscheinlich nicht, daß der Amerikaner für das von ihm eingeführte Material sich voll und ganz der Vorzüge des Freihandelssystems erfreut – wenn man von dem 1 Proz. Abgaben absieht, die die Regierung für Deckung der Berechnungsgebühren zurückhält. Der neue Tarif würde auch in Bezug auf diesen Punkt jeden Kritiker durch Erlaß selbst dieses einen Prozentes entwaffnen. Amerikanische Produzenten müssten dann für ihren Kampf auf dem Weltmarkt jeden Vorteil genießen. Auch die Gattung fremder Wolle, welche bei uns aus klimatischen Gründen nicht erzeugt werden kann und trotzdem für die Mischung mit den einheimischen Produkten wertvoll ist, sollte von Abgaben frei sein.

Mein Tarif verlangte keine Einkommensteuer. Ich kenne keinen Staatsmann von Ansehen, der die Einkommensteuer nicht als die verderblichste von allen gebrandmarkt hätte. Gladstone appellierte einst nur wegen dieser Steuer an das Land, indem er sie als eine solche bezeichnete, welche dazu geeignet sei, eine Nation zu Lügnern zu erziehen. Obgleich der Theorie nach eine berechtigte Abgabe, ist sie doch tatsächlich eine solche Quelle der Demoralisation, daß man sie als die verderblichste Abgabenform bezeichnen kann, die jemals aufgefunden wurde, seitdem die menschliche Gesellschaft sich friedlicher staatlicher Verhältnisse erfreut.

In Kriegszeiten erscheint jede Maßregel gerechtfertigt: dennoch ist für die Einkommensteuer nur die dringendste Notwendigkeit eine Entschuldigung. Gegenwärtig existiert bei uns diese Notwendigkeit nicht; die Regierungseinnahmen müssen bald ein Mehr über die Ausgaben ergeben, wenn durch nichts anderes, dann durch die Vermehrung der Bevölkerung und des Reichtums. Das kann auch jetzt schon erreicht werden, einzig und allein durch höhere Besteuerung der Reichen und Extravaganten.

Auch die Zuckerfrage ist wichtig. Rohzucker und Melasse sollten Abgaben zahlen und nur das Zuckermaterial frei von allen Abgaben aus all den Ländern zugelassen werden, die uns gleiche Vorteile als Gegenleistung gewähren: das käme, tatsächlich genommen, auf Abgabenfreiheit heraus. Die Vereinigten Staaten haben eine große Macht dadurch in der Hand, daß sie für über 120 Millionen Dollars Zucker jährlich verbrauchen; dieser Zucker wird hauptsächlich von unseren südamerikanischen Schwesterrepubliken eingeführt, teilweise aber auch aus Cuba. Diese Tatsache sollte weise benutzt werden, um uns zu den Märkten dieser Länder einen leichteren Zutritt zu verschaffen als anderen Nationen. Eine Prämie auf heimisch gewonnenen Zucker würde für kurze Zeit in dem neuen Tarif in Ansatz gebracht werden, mit der Hoffnung, daß unser Land es zuguterletzt dahin bringen möge, seinen eigenen Zuckerbedarf zu erzeugen. Die Versuche mit der Zuckerrübe und Sorghum sollten nicht eingestellt werden.

Die Politik der Gegenseitigkeit müßte in weitestem Umfange aufgenommen werden. Die Zunahme der Ausfuhr in diesen Artikeln zu den Ländern mit Gegenseitigkeitsverträgen beweist, daß Herr Blaine recht hatte, mit der Behauptung, wir würden bei diesem System, richtig gehandhabt, die beste Gelegenheit haben, unserem Lande ausländischen Handel zuzuführen, welcher uns durch nichts anderes gesichert werden kann. Ich vertraue einer Maßregel, welche von Ländern, denen wir unsere Märkte für Zuckermelasse und Tabak öffnen, Gegendienste verlangt. Obgleich ich im allgemeinen ein Gegner aller Abgaben auf Nahrungsstoffe bin, sowie auf alles, was dem Volke notwendig ist, würde ich doch mit Rücksicht auf die Produkte Kanadas eine Ausnahme machen und zwar ohne jede Rücksicht auf die Doktrinen des Freihandels und des Schutzzolles, einzig und allein von großen staatsmännischen Gesichtspunkten aus. Ich glaube, wir zeigen zu wenig patriotische Einsicht, wenn wir einem Lande, welches einer fremden, auf monarchischen Institutionen aufgebauten Macht unterworfen ist – einer Macht, die im innersten ihres Herzens für alle Zeit, die republikanische Idee verabscheuen wird – besondere handelspolitische Vorteile gewähren. Wenn Kanada ein freies unabhängiges Land wäre und sein Geschick mit dem Geschick unseres Kontinents in die Wagschale werfen würde, dann wäre es etwas anderes. Solange es aber als ein möglicher Feind an unserer Flanke bleibt – nicht durch seinen eigenen Willen, sondern weil es den Befehlen einer europäischen Macht unterworfen ist, solange es sich bereit halten muß, durch diese Macht dazu aufgerufen zu werden, seine Kräfte gegen uns zu wenden für Dinge, die Kanada selbst nicht betreffen – würde ich Kanada ganz deutlich zu verstehen geben, daß wir in ihm eine Bedrohung des Friedens und der Sicherheit unseres eigenen Landes sehen: ich würde es also demgemäß behandeln. Kanada sollte nicht zu gleicher Zeit in und außerhalb der Union stehen, und wenn ich es durchsetzen könnte, dann belegte ich alle seine Produkte, die nach den Vereinigten Staaten kommen, hoch mit Steuern; ich würde das tun, nicht etwa weil ich Kanada nicht leiden kann, sondern gerade weil ich es liebe; damit es daraus ersehen möge, daß die Völker dieses Erdteiles amerikanische Völker sind und, wie ich hoffe, eines Tages eine einzige Nation bilden werden, soweit ihr englisch sprechender Teil in Betracht kommt. Ich würde diesen Weg beschreiten, nicht aus Ärger, sondern aus Liebe; entweder sollte Kanada Mitglied der Republik sein, oder allein stehen; in diesem Falle müßte es für sein Betragen in Krieg und Frieden verantwortlich sein, gerade so wie jede andere Nation. Es dürfte sich nicht dadurch schützen wollen, daß es eine fremde Macht zu Hilfe ruft. Das ist, wie ich schon ausführte, weder Freihandel noch Schutzzoll, dennoch hängt es eng mit der Tariffrage zusammen. Ich würde kanadische Artikel solange besteuern, als Kanada sich einer europäischen Macht unterordnet. Das neue Tarifgesetz sollte die Bestimmung enthalten, daß beide Parteien einwilligen, keine weitere Tarifgesetzgebung für die folgenden zehn Jahre zu unternehmen. Gerade wie alle zehn Jahre ein Census aufgenommen wird, so müßte auch alle zehn Jahre der Tarif revidiert werden, da wir dann mit vollem Einverständnis der beiden Parteien handeln könnten. Wenn wir z. B. die Einfuhr derjenigen Artikel, die nicht nur von den Reichen verwendet, sondern allgemein benutzt werden, betrachteten, sie mit der einheimischen Produktion desselben Artikels verglichen und dann den Beweis daraus erhalten würden, daß der einheimische Industrielle den ausländischen Produzenten vom eigenen Markte vertrieben hat, dann könnte die Abgabe auf solchen Artikeln reduziert werden.

Es wäre für den einheimischen Produzenten unmöglich – und ebenso auch für den ausländischen Importeur – eine solche Entscheidung zu beeinflussen, weil wir die Zahlen, die die wirkliche Lage der Dinge beweisen, zur Verfügung haben. Niemand könnte dem widersprechen. Die eigentliche Frage würde sich dahin zuspitzen, ob der einheimische Fabrikant endlich den Beweis dafür geliefert hat, daß er den betreffenden Artikel selbst erzeugen könne, sodaß die Produktionsbedingungen im Vergleich zu denen, unter welchen er von ausländischen Quellen zu beziehen ist, günstig erscheinen. Wenn der für die Tarifrevision eingesetzte Ausschuß zu der Überzeugung gekommen wäre, daß die Herstellung des fraglichen Artikels für diesen Teil der Welt (Amerika) nicht geeignet ist, dann wäre damit erwiesen, daß man diesen Artikel nicht länger zu schützen brauche und ihn entweder ganz von Abgaben frei zu halten oder nur mit Rücksicht auf das Staatseinkommen einzuschätzen habe.

Die Haltung, in der sich ein solcher Ausschuß der Tarifrevision nähert, sollte der eines Liebhabers des Landlebens entsprechen, welcher sich fragt, ob ein Baum zu fällen sei. Der Ausschuß müßte es sich immer vor Augen halten, gleich dem Liebhaber des Landlebens, wie schnell ein von ihm geschätzter Baum niedergeschlagen und wie unmöglich es ist, ihn wieder aufzurichten. Es bleibt ganz unwichtig für das Land, ob 5 oder 10 Proz. mehr Steuern auf einen ausländischen Artikel gelegt werden müssen, als wirklich nötig sind, besonders wenn dergleichen nur für wenige Jahre geschieht. Allein es macht einen großen Unterschied, ob 5 oder 10 Proz. zu wenig auferlegt werden, sodaß der einheimische Produzent nicht mehr zu Bemühungen fähig ist, die vielleicht zuguterletzt in einen Sieg für ihn endigten. Bei der Tarifgesetzgebung sollte es Regel sein, in allen zweifelhaften Fällen das Schlimmste in Rechnung zu ziehen. In einem solchen Ausschuß für Festsetzung der Abgaben wäre wenig Spielraum für Parteilichkeit, da seine Funktionen einen richterlichen Charakter annehmen würden. Der letzte Endzweck bestände darin, eine heimische Produktion solcher Artikel für allgemeinen Gebrauch zu erhalten, die schliesslich unter unserer eigenen Flagge produziert werden können; vielleicht bei zeitweiligem Schutzzoll, doch so, daß das Angebot die Nachfrage unter gerade so günstigen Bedingungen decken könnte, wie die, welche mit einer Einfuhr von anderen Teilen der Welt verbunden sind. Nur dann, wenn der Beweis erbracht ist, daß die Vereinigten Staaten ein solches Ergebnis nicht hervorzubringen vermögen, sollte der Schutzzoll aufgegeben, und einzig und allein die Staatseinnahmen in Betracht gezogen werden. Dagegen bin ich der Überzeugung, daß Artikel, die nur zum Luxusgebrauch für wenige da sind – Artikel, für welche das Gesetz Wilson die Abgaben bedeutend reduziert hat – weder mit Freihandel noch mit Schutzzoll überhaupt etwas zu tun haben. Auf solche Artikel sollte ein außerordentlich hoher Schutzzoll gelegt werden, einzig und allein mit Rücksicht auf die fiskalische Einnahme; keine andere Rücksicht dürfte bei Erhebung von Zöllen ins Gewicht fallen, da ihr Endzweck Staatseinkommen ist. Ich bin sicher, daß der entscheidende Punkt nicht erreicht werden wird, bevor die gegenwärtigen Tarifsätze für alle die Sachen, welche als Luxusgegenstände gelten, nicht verdoppelt worden sind; ein solcher Tarifsatz würde volle ? des ganzen Tarifeinkommens decken. Ebenso bin ich der festen Überzeugung, daß die Meinung des Staatssekretärs Carlisle, der zufolge durch die Reduktionen des Wilsongesetzes, sich der Gebrauch dieser Artikel wesentlich steigern werde, irrtümlich ist. Der Gebrauch von Luxusartikeln kann sich durch Änderung des Zolles weder erhöhen noch vermindern; es sei denn in einem so geringen Grade, daß nur Theoretiker dadurch überrascht werden können – weil für die Reichen die Kosten nicht in Betracht kommen.

Um alles hier noch einmal kurz zusammenzufassen:

  1. Zölle sollten nur auf solche ausländischen Gegenstände gelegt werden, die eine sehr reiche Klasse benutzt, ohne jede Rücksicht auf Freihandel oder Schutzzoll, nur mit Rücksicht auf fiskalische Einnahmen. (Die Luxusgegenstände bringen ? des ganzen Tarifeinkommens ein).
  2. In Friedenszeiten sollten keinerlei Einkommensteuern erhoben werden.
  3. Schon bestehende Industriezweige sollten nicht häufig schwerwiegenden Änderungen unterworfen werden, sondern man müßte ihnen Zeit lassen, sich neuen Bedingungen anzupassen. Eine plötzliche Reduktion
  4. von mehr als die Hälfte des auferlegten Zolles ist nicht allein nicht zulässig, sondern geradezu gefährlich.
  5. Gegenseitigkeit ist, nach vorliegenden Tatsachen zu urteilen, das beste, um unseren ausländischen Handel auszudehnen; diese Politik sollte deshalb wieder aufgenommen werden.
  6. Die Prämie auf einheimisch erzeugten Zucker sollte bis auf weiteres nicht fallen gelassen werden, denn es ist noch keineswegs erwiesen, ob die Zuckerrübe und der Sorghumzucker uns doch am Ende nicht in die Lage bringen werden, unseren einheimischen Bedarf unter günstigen Bedingungen selbst zu decken.
  7. Wolle, die wir nicht zu Hause erzeugen können und die doch für Mischungen notwendig ist, sollte von jeder Abgabe frei sein.
  8. Kunstgegenstände aller Art sollten frei sein, weil sie ja doch früher oder später den öffentlichen Institutionen zu Gute kommen.
  9. Nachdem der Tarif festgesetzt, sollte jede weitere Tarifgesetzgebung bis zu jedem zweiten Jahre nach vorgenommenem Census ruhen, es sei denn, daß, wie gerade jetzt, ein Fehlbetrag im Staatshaushalt und eine gesunde Politik besondere Einnahmen von solchen Einfuhrartikeln notwendig machen, wie es die von außerordentlich reichen Leuten gebrauchten Luxusartikel sind; dagegen sollten unter keinen Umständen die notwendigen Lebensmittel der armen Leute besteuert werden.

So würde mein Tarif zugunsten der bedrückten Volksmassen aussehen, so zum Nutzen derer, die ein einfaches und unbemerkenswertes Leben führen. Weder Schutzzöllner noch Freihändler als solche, könnten etwas dagegen einwenden, da ein solcher Tarif bestimmt ist – nicht durch das Interesse einer der bestehenden Parteien, sondern einzig und allein durch die Rücksicht auf die fiskalischen Einnahmen und nach dem Grundsatz, daß es im großen und ganzen zum besten des Volkes geschieht – Abgaben von ausländischen Luxusgegenständen der besonders Reichen zu erheben.

So gehandhabt, würde der Tarif tatsächlich von unserem Parteileben ausgeschieden und als reine Geschäftsfrage behandelt werden. Wenn außerdem für jede Tarifgesetzgebung eine zehnjährige Rast zugestanden wird, dann würde, wie ich glaube, unser Land sich bald wieder erholen und den Vormarsch zum Gedeihen, soweit Tarifpolitik einen solchen Marsch beschleunigen kann, wieder aufnehmen, wie er das Jahrzehnt von 1880-1890 kennzeichnet: eine Periode, in der sich eine geradezu staunenswerte Entwicklung zeigte; ein Jahrzehnt, das, soweit materieller Fortschritt in Frage kommt, als das goldene Zeitalter unserer Republik bezeichnet werden darf.

 


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