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VIII.
Das Schreckgespenst der Trusts

Wir alle können nicht ohne ein Spielzeug sein. Das Kind hat seine Knarre, der Erwachsene sein Steckenpferd, der Vergnügungssüchtige die Mode, der Mann der Kunst seinen Lieblingsmeister; auch das Menschengeschlecht in seinen verschiedenen Abstufungen verlangt von Zeit zu Zeit ein neues Spielzeug. Ganz die gleiche Regel gilt für die Geschäftswelt. Zurückhalten und Verschleißen der Güter – beides hat seine Zeit. Es ist noch nicht allzu lange her, als alles Syndikat war. Dieses Wort ist jetzt schon altmodisch und die neueste Mode heißt nun »Trust«. Auch sie wird im Laufe der Jahre einem anderen Allheilmittel Platz machen. Und dieses neue Heilmittel wird nach geraumer Zeit wieder von einem andern verdrängt werden und so fort ohne Ende. Die großen volkswirtschaftlichen Gesetze allein bleiben, wie alle die Gesellschaft betreffenden Gesetze – tief in der menschlichen Natur begründet – durch alle Veränderungen immer die Gleichen. Von jenen Allheilmitteln bleibt, sobald Konsolidierung oder Ausbreitung der Güter, Syndikate oder Trusts dagegen zu verstoßen anfangen, nichts übrig, während die großen volkswirtschaftlichen Gesetze nach wie vor ihre unerschütterliche Wirkung ausüben. Immerhin ist es lohnend, Erscheinen und Wachstum der Trusts zu untersuchen und zu verstehen, welche Umstände die Trusts erzeugen.

Ihr Ursprung ist folgender: In einem bestimmten Artikel entsteht eine gewisse Nachfrage, welche die Leistungsfähigkeit der damit beschäftigten Betriebe übersteigt. Die Preise sind hoch, und der Gewinn ist verlockend. Jeder Fabrikant dieses Artikels beginnt sofort seine Anlagen zu erweitern und ihre Betriebskraft zu erhöhen. Dazu ziehen die ungewöhnlichen Verdienste die Aufmerksamkeit seiner Geschäftsleiter oder derer, die mehr oder weniger bei der Fabrik interessiert sind, auf sich und machen wieder anderen von der Ertragsfähigkeit der Werke Mitteilung. Neue Teilhaberschaften bilden sich, neue Werke werden eingerichtet; nicht lange darauf sind die Bedürfnisse für den Artikel voll gedeckt, und die Preise bleiben die alten. Bald wird das Angebot größer als die Nachfrage; infolgedessen bleibt etwas Ware unverkauft, und die Preise beginnen wieder zu fallen. Sie fallen so lange, bis der betreffende Artikel auf Kosten der weniger günstig situierten oder weniger fähig geleiteten Fabriken verkauft wird; ja, sogar bis die best situierte und best ausgestattete Fabrik den Artikel nicht mehr zu den Preisen erzeugen kann, zu denen er überhaupt noch verkäuflich ist. Selbst die Nationalökonomen erklären, daß dann die Schwierigkeit beginne: Güter würden nicht unter dem Kostenpreise erzeugt. Das traf voll in dem Zeitalter Adam Smith's zu, aber es trifft nicht mehr heutzutage zu. Solange ein Artikel von kleinen Fabrikanten gewöhnlich im eigenen Hause mit Hilfe von ein paar Tagesarbeitern und ein paar Lehrjungen erzeugt wird, ist es leicht, die Produktion einzuschränken oder gar einzustellen. Wie heutzutage Fabrikation betrieben wird – in ungeheuren Betrieben mit 5 bis 10 Millionen voller Kapitalanlage und mit Tausenden von Arbeitern – ist es für den Fabrikherrn viel weniger kostspielig, mit einem bestimmten Verlust per Tonne zu arbeiten, als seiner Gütererzeugung Einhalt zu tun. Arbeitseinstellung würde eine äußerst ernste Sache sein. Die Voraussetzung für billigere Fabrikation ist Vollbetrieb. Zwanzig verschiedene Ausgaben sind dauernde, feste Ausgaben. Viele davon würden durch Betriebseinstellung nur noch viel größer werden. Daher wird der Artikel oft Monate, ja, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, sogar Jahre hindurch weiter forterzeugt, nicht nur ohne jeden Gewinn und ohne jede Verzinsung des Kapitals, sondern sogar zum Schaden des darin angelegten Kapitals. Die Fabrikanten sehen sich Jahr für Jahr bei ihrem Bücherabschluß Kapitalsverlusten gegenübergestellt. Einerseits bedeutet Fortsetzung des Betriebes unter diesen Umständen fortgesetzten Verlust, andererseits Einstellung desselben sicheren Ruin. Ihre Konkurrenten befinden sich selbstverständlich in derselben Lage. Sie sehen wie ihre Ersparnisse, wie ihr Kapital, welches sie vielleicht gar von anderen geliehen haben, immer kleiner wird, ohne jede Hoffnung auf bessere Zeiten. Unter solchen Umständen wird all und jedwedes Mittel, das Abhilfe verspricht, dankbar aufgenommen. Die Fabrikanten befinden sich in der Lage von Kranken, die, nachdem sie eine Reihe von Jahren erste Ärzte konsultiert, das Opfer von Quacksalbern werden. »Bündnisse, Syndikate, Trusts« – man ist bereit, alles zu versuchen. Eine Versammlung wird einberufen und angesichts der dringenden Gefahr entscheidet man sich zum Handeln. Man bildet einen Trust. Jede Fabrik wird zu einem bestimmten Werte eingeschätzt; Beamte werden gewählt und durch sie wird das gesamte Produkt des Artikels zu lohnenden Preisen an das Publikum verkauft.

Dieses ist der Ursprung des »Trust« in Fabrikartikeln. Bei Verkehrsmitteln unterscheidet sich die Sache, obgleich sie tatsächlich auf dasselbe herauskommt, in einigen Einzelheiten. Viele kleinere Eisenbahnen sind unter besonderem Konzessionstitel erbaut. Ein Geschäftsgenie bemerkt, daß die acht oder zehn Organisationen, mit eben so verschiedenartigen Leitungen, Ausstattungen u. s. w. gerade so nutzlos sind, wie 250 Zaunkönige in Deutschland, und – gleich Bismarck – macht er ihnen ein Ende, schafft eine einzige große Hauptlinie, verdoppelt die Sicherheit, zahlt die Interessen aus den durch die Vereinigung der Bahnen erzielten Ersparnissen, und alles ist hochbefriedigt, wie unter anderem im Fall der New-Yorker Zentralbahn. Oder eine Linie ist beispielsweise so gebaut und mit solcher Sparsamkeit verwaltet, wie die Pensylvania-Eisenbahn; es gelingt ihr, staatliche Hilfsquellen in solchem Grade zu entwickeln, daß auf einer Entfernung von 250 engl. Meilen (Pittsburg-Phyladelphia) ein Reingewinn von 13 Millionen jährlich erzielt wird. 12 Millionen Dollars Gewinn kann sie durch ihre Bücher nachweisen. Zwischen 1 bis 2 Millionen werden jährlich verwendet, um eine der besten Bahnen der Welt herzustellen auf einem Wege, der ursprünglich für eine Pferdeeisenbahn bestimmt war. Wir nennen unsere Eisenbahnvereinigungen nicht Trusts, dennoch sind sie es, weil sie darauf ausgehen, die Verkehrskosten in gewissen Distrikten auf ihrer alten Höhe zu erhalten, ja, sogar sie zu erhöhen. Sie sind Vereinigungen, die ein Monopol innerhalb gewisser Distrikte anstreben.

Während der letzten Präsidentenwahlen schien es den Zwecken einer der Parteien zu entsprechen, Trusts mit der Theorie des Schutzzolles in Beziehung zu bringen.

Allein Trusts sind auf kein einzelnes Land beschränkt; sie hängen in keiner Weise von fiskalischen Gesetzen ab. Der größte Trust der Gegenwart ist der Kupfertrust; er ist ein französischer Trust und hat sein Hauptquartier in Paris. Der Salztrust – ein englischer Trust – hat sein Hauptquartier in London. Der Drahtstabtrust ist ein deutscher Trust. Der einzige Eisenbahntrust, der je existierte, umfaßte alle einschlägigen Werke Europas. Trusts, mögen sie nun immer Verkehrsmittel oder Fabrikaktionen betreffen, sind stets Produkte menschlicher Schwäche, und diese Schwäche breitet sich gleichzeitig mit dem Wettbewerbe aus.

Es existiert eine ungeheure Vereinigung – sie wird unter die Trusts gezählt – so außergewöhnlich in ihrem Ursprunge und ihrer Geschichte, daß sie eine besondere Betrachtung verdient: ich meine die Standard Oil Company! Vielleicht hat es niemals eine so günstige Gelegenheit gegeben, ein Erzeugnis zu beherrschen, wie in dem Falle des Petroleums. Einige der fähigsten Geschäftsleute, welche die Welt je gesehen, begriffen früh die Wichtigkeit der Entdeckung und legten große Kapitalsummen in dem mit der Entdeckung des Petroleums verbundenen Grundeigentume an. Der Erfolg des Petroleumgeschäftes war ungeheuer, und daher auch ungeheuer der Erfolg dieser Leute. Die gemachten Gewinne und alles Kapital, das sie irgend auftreiben konnten, wurde furchtlos von ihnen in die Anlage gesteckt, und so wurden sie bald die hauptsächlichsten und einzigen Eigentümer des ganzen Landstriches, welcher diese Quelle des Reichtums enthielt.

Die Standard Oil Comp. läge längst in Trümmern, wäre sie nicht alles in allem in Übereinstimmung mit den Gesetzen geleitet worden, welche die geschäftliche Welt beherrschen. Im allgemeinen wird behauptet, daß die Ölpreise ebenso niedrig – viele behaupten sogar, viel niedriger – stehen, als sie hätten sein können, wenn das Geschäft nicht als ein ungeheurer Betrieb und mit dem freien Blicke geleitet wäre, durch den die Stand. Oil. Comp. berühmt ist. Die Stand. Oil. Comp. ist in ähnlicher Lage wie Colmans in Pennsylvania, der die hauptsächlichsten Erzlager im amerikanischen Osten besitzen soll. Da nun die Stand. Oil. Comp. fortwährend damit beschäftigt ist, Öl an anderen Orten zu finden, so hängen ihr Fortbestehen und ihre Erfolge von der Fortdauer der außerordentlichen Geschicklichkeit ihrer Berater und von der Verwaltungsorganisation ihrer Gründer ab. Hin und wieder erhebt sich eine gefährliche Gegnerschaft, und die Aussichten sprechen sehr dafür, daß die Stand. Oil. Comp. tatsächlich ihr Monopol verlieren und den Weg aller solcher ungeheuren Vereinigungen gehen wird. Man könnte hundert gegen eins wetten, daß sie die Abdankung ihrer gegenwärtigen Leiter nicht überleben würde. Oder vielleicht, so sollte ich sagen, findet sich nach dem Abtreten dieser Männer ein oberster Befehlshaber (denn solche wundervollen Organisationen bringen oft Genies hervor) mit einem Corps besonders fähiger Stabsoffiziere, etwa ein neuer Grant, an der Spitze. Denen, welche die Stand. Oil. Comp. als ein Beispiel dafür anführen, daß Trusts und mächtige Vereinigungen selbst auf die Länge der Zeit erfolgreich bleiben können, sage ich: Wartet ab und seht zu! Ich habe mich hier ganz frei über diese Gesellschaft geäußert, weil ich keinerlei Kenntnisse über ihre Leitung, ihre Gewinne und Transaktionen habe.

Ich überschaue sie von außen her, einzig und allein als volkswirtschaftlicher Forscher; als solcher habe ich auf die Companie die Grundsätze angewendet, die, wie ich weiß, zur Erscheinung kommen müssen, ganz gleichgültig, wie gewaltig der Versuch auch sein mag, die Wirkungen dieser Gesetze zu hintertreiben.

Wir haben hier die Entstehung von Trusts und großer geschäftlicher Vereinigungen verschiedener Art zu erklären unternommen. Die Frage bleibt: Bedrohen sie dauernde Interessen einer Nation? Sind sie eine Quelle ernster Gefahren? Oder sind sie, gleich verschiedenen Bildungen der Vergangenheit, nur vorübergehende Phasen der Unrast und eines Übergangsstadiums? Um das zu beantworten, wollen wir den Operationen des von uns vorausgesetzten Fabrikantentrustes folgen: Salz oder Zucker, Nagel oder Bohnen, Blei oder Kupfer, es ist immer dasselbe. Nehmen wir einmal an, die Zuckerraffinerien hätten einen Trust gebildet, nachdem sie sich gegenseitig viele schlechte Geschäftsjahre hindurch Konkurrenz gemacht; der ganze in den Fabriken erzeugte Zucker soll durch einen Kanal zu erhöhten Preisen an das Publikum gebracht werden. Gewinne zeigen Zuwachs, Dividenden werden bezahlt, und die, welche früher ihre Mittel dahinschwinden sahen, sind jetzt glücklich. Die Dividenden des im Zuckergeschäft angelegten Kapitals bringen dem Anleger einen viel höheren Gewinn als das in anderen Dingen angelegte Kapital. Die Preise für Zucker sind so hoch, daß Kapital, in einer neuen Zuckerfabrik angelegt, ungeheuren Gewinn abwerfen würde. Vielleicht hat sich der Trustteilnehmer verpflichtet, seinen Betrieb nicht weiter zu vergrößern, oder sich nicht an einer gleichen Anlage zu beteiligen: aber seine Bekannten und Verwandten entdecken bald die neue Möglichkeit des Gewinnstes. Er kann ihnen raten, die Vollendung einer kleinen Fabrik zu beschleunigen, die dann natürlich Glied des Trustes werden muß, oder wenn er selbst seinen Freunden einen solchen Wink nicht geben will, so liegt doch immer Kapital auf der Lauer für solche Gelegenheiten, besonders wenn es ruchbar würde, daß ein Trust in der Bildung begriffen, wie eben in diesem Falle Zucker. Sofort schießen wie durch einen Zauber neue Zuckerfabriken in die Höhe. Je erfolgreicher der Trust ist, desto sicherer werden diese Schlingpflanzen aufschießen. Recht angesehen, ist jeder Sieg eine Niederlage. Für jede Fabrik, die der Trust aufkauft, wird eine andere gegründet. Und so weiter, bis die Blase platzt.

Die Zuckerraffinerien haben im besonderen Falle mehr aus dem Kapital herauszuschlagen versucht, als Kapital im allgemeinen abwirft. Sie versuchten einen Teil des Kapitalozeans über das Niveau der ihn umgebenden Wasser zu heben. Über den von ihnen aufgeführten Bollwerken sind die Fluten hereingebrochen, und das Kapital hat gerade wie Wasser, wieder sein natürliches Niveau gefunden. Es ist wahr, daß eine kürzere oder längere Periode nötig sein mag, um das verlorene Niveau wieder zu erlangen; während dieser Periode mag auch der betreffende Artikel in kleinen Mengen zu einem etwas höheren Preise als früher verkauft werden. Doch dafür wird der Abnehmer während der Jahre voll entschädigt, in denen der Kampf der abweichenden Konkurrenzbetriebe heftiger wird, als er je vorher gewesen; und das dauert so lange, bis das große Gesetz vom Überleben des Stärkeren seine Erfüllung findet. Diejenigen Betriebsleiter, die sich am besten auf ihren Vorteil verstehen, zwingen die weniger Leistungsfähigen, und das weise verwaltete Kapital erhält seinen legitimen Nutzen. Nach kurzer Zeit setzt die wachsende Nachfrage das Kapital wiederum in stand, einen ungewöhnlichen Nutzen einzuheimsen. Das bringt dem Gewerbe selbstverständlich von neuem Kapital zu: so finden wir eine Wiederkehr des alten Kampfes, bei welchem der Käufer des Fabrikates den Vorteil hat. So ist das Gesetz, so war das Gesetz, und so dürfte das Gesetz auch für alle Zukunft bleiben; denn bis jetzt vermochte noch kein Kunstgriff dasselbe dauernd zu hintertreiben. Vollkommene Freiheit der Konkurrenz vorausgesetzt, haben bis jetzt noch alle Vereinigungen und Trusts, die von den Konsumenten einen höheren als den volkswirtschaftlich gesetzmäßigen Gewinn für Kapital und Arbeit herauszuschlagen suchten, sich dadurch die Urkunde ihrer eigenen Niederlage ausgestellt. Es gibt vielfache und ausreichende Beweise dafür, daß dieses große Gesetz nie schläft und nie unterdrückt werden kann. Vor einiger Zeit habe ich darauf hingewiesen, daß die Stahlschienenfabrikanten Europas einen Trust bildeten und den Preis der Schienen so verteuerten, daß amerikanische Fabrikanten zum ersten und vielleicht auch zum letzten Mal solche Schienen nach Kanada in Konkurrenz zu den Europäischen ausführen konnten. Aber Mißverständnisse und Streitigkeiten, welche von solchen versuchten Vereinigungen früherer Konkurrenten unzertrennbar sind, zerbrachen bald diesen Trust. Mit Rachegefühlen, die sich der bis dahin blos geschäftlichen Nebenbuhlerschaft hinzugesellten, wurde der Kampf beendet, und die Stahlschienenindustrie Europas hat sich von diesem Schlage niemals wieder erholt. Sehr bald zeigte sich das Aufwärtsdrängen in den Preisen solcher Betriebe; es verlieh den letzteren, die besser Schienen überhaupt niemals fabriziert haben würden, für kurze Zeit ein nur galvanisiertes Dasein; und so starb der Trust eines natürlichen Todes.

Während der großen Depression, die jahrelang im amerikanischen Eisenschienenhandel herrschte, wurden verschiedene Versammlungen voll von Besorgnissen abgehalten, die ganz der oben beschriebenen Entstehung der Trusts entsprachen; man beschloß, es mit einer Einschränkung der Produktion zu versuchen. Glücklicherweise erfolgte sehr bald eine Reaktion. Eine Nachfrage nach Schienen setzte ein, bevor der Plan wirklich zur Ausführung kam; infolgedessen wurde tatsächlich keine Eisenproduktionseinschränkung versucht, und dadurch blieb die Eisenschienenindustrie vor einem großen Irrtum bewahrt. Wir sahen unlängst die amerikanische Bleiindustrie in Stücke gehen und deren Besitzer bankrott werden. Erst vor kurzem waren die Zeitungen voll davon, daß eine Vereinigung der Viehzüchter von St. Louis entschlossen sei, die Vereinigung der Schlächter und Verschiffer von Chicago und der Stadt Kansas zu beseitigen.

Viele Jahre hindurch gab es in Amerika infolge von Überproduktion kein schlechteres Geschäft als die Nagelfabrikation. Diesem Übelstande abzuhelfen, bildeten die Fabrikanten nicht etwa einen Trust, um die Produkte zu verkaufen, sondern schränkten die Produktion ein. Ein Teil ihrer Maschinen stand still. Dieser Teil wurde von Zeit zu Zeit vergrößert und man fabrizierte nur soviel, wie der Markt zu einem bestimmten Preise aufzunehmen vermochte. Allein die Folge davon war, daß bald mehr Maschinen zur Fabrikation von Eisennägeln hinzugefügt wurden, als die Nachfrage nach Nägeln in Amerika für viele Jahre nötig machte; so ging denn diese Vereinigung zuguterletzt den Weg aller Trusts, und ließ das Geschäft in einem schlimmeren Zustande zurück als je zuvor.

Dem Zuckertrust ist bereits ein bekannter Konkurrent entstanden. Auch der Kupfertrust befindet sich in Gefahr. All' und jeder nimmt seine Maßregeln zur Bekämpfung der Trusts und Vereinigungen, sobald nur der Angriff lohnt; mit anderen Worten: Sowie Trusts oder Vereinigungen mit Erfolg den reinen Nutzen über das im ganzen Lande herrschende Gewinnniveau erhoben haben, sind sie der Konkurrenz aus allen Richtungen ausgesetzt; die notwendige Folge ist dann ihr Zusammenbruch. Es erscheint ganz und gar überflüssig, bei den zahlreichen Trusts für geringe Artikel, über die man beinahe täglich liest, länger zu verweilen, denn sie sind alle demselben großen Gesetze unterworfen. Die Zeitungen erklären: Trusts beständen für Tapeten, Schuhbänder, Bauholz, Kohle, Koks, Ziegel, Schrauben, Taue, Glas, Versicherungswesen, Eisenwaren, und noch zwanzig andere Artikel; doch die Grabschrift all dieser Schöpfungen ist:

»Warum habt ihr mich geschaffen,
Da ihr habt so schnell mich fallen lassen.?«

Wir könnten mit Macbeth, wenn er die Schattenbilder von Banquo's Nachkommenschaft anstarrt, ausrufen: »Wie? soll das fortgehen bis zum jüngsten Tag?« Aber wie mit Banquo's Reihen, so geht es auch mit Trusts. Es liegt eine gewisse Beruhigung darin, daß, sobald ein neuer naht, ein früherer verschwindet. Sie kommen und verschwinden gleich Schattenwesen.

Soviel über Trusts auf industriellem Gebiete. Wir wollen nun die Eisenbahnen prüfen, deren »Einsätze«, »Bündnisse«, »Differentialtarife« vielen Leuten schlaflose Nächte bereiten. In all ihren verschiedenen Formen sind diese Dinge nichts anderes, als Bemühungen des Kapitals, vor dem Spiel der wirtschaftlichen Kräfte, welche im freien Wettbewerb konzentriert sind, sich selbst zu sichern.

In Großbritannien sowie in Europa überhaupt wird im allgemeinen eine andere Art Eisenbahnpolitik als unsere unbeschränkt freie Eisenbahnpolitik befolgt. Eisenbahnen und andere Verkehrswege Großbritanniens haben, weil sie vorher eine Bauerlaubnis vom Parlament nachsuchen müssen, beinahe soviel auf jede einzelne Meile gekostet, wie der Gesamtbau unserer billigsten westlichen Bahnen ganz und gar. Beispielsweise hat Manchester sich unlängst dahin entschieden, einen 30 Meilen langen Kanal nach Liverpool zu bauen. Die Auslagen allein für die Erlangung der Erlaubnis vom Parlament betrugen bis jetzt schon fast eine halbe Million Dollars. Die Regierung entscheidet vermittels eines Parlamentsausschusses darüber, ob die geplante Linie wirklich nötig ist; um über diesen Punkt ins Klare zu kommen, wird nun jedermann, der mit den Verkehrsverhältnissen vertraut ist, vor den Ausschuß geladen, um zu beweisen, daß die geplante Linie nicht notwendig sei; dagegen müssen die Vertreter des Unternehmens den mit ungeheuren Kosten verbundenen Beweis, daß die betreffende Linie notwendig ist, durch hunderte von Sachverständigen erbringen. Trotzdem läßt sich die auf diese Weise herbeigeführte Entscheidung des Parlamentsausschusses in keiner Weise mit der untrüglichen Entscheidung der Kapitalisten vergleichen. Diese wissen zweifellos viel besser als irgend ein anderer, ob das geplante Werk einen guten Vorteil abwerfen kann, und darin liegt der beste Beweis seiner Notwendigkeit. Das Ergebnis der amerikanischen Verkehrspolitik zeigt sich am besten darin, daß trotz aller Versuche der Eisenbahnen, die volkswirtschaftlichen Gesetze zu unterdrücken, das amerikanische Volk sich des billigsten Verkehrswesens in der ganzen Welt erfreut. In den meisten Fällen hat man den Wert der Aktien »verwässert« (herabgesetzt). Nach dem wirklich angelegten Kapital sind die Dividenden der Eisenbahnlinien ungewöhnlich gewesen und viel höher als der Gewinn, welcher Kapital aus anderen Anlagen ziehen könnte. Das ganze Aktienkapital im Westen Amerikas hat gewöhnlich wenig oder nichts gekostet, da die Erträge der Obligationen für den Bahnbau genügten. Die Bemühungen der Eisenbahndirektoren gehen deshalb dahin, ein größeres Kapital, als es für die Verdoppelung des betreffenden Besitzes notwendig wäre, zu verzinsen. Ihre Verbindungen und Abmachungen verschiedener Art, die schon in wenigen Monaten, nachdem durch sie Verpflichtungen feierlich übernommen, für jedermann wertlos sind, bieten gleichfalls volle Beweise für diese Versuche. Dennoch, gerade wie die ungeheuren Verdienste, die bei der Fabrikation eines Artikels erzielt werden, neue Kapitalien heranziehen, ebenso zieht der ungeheure Erfolg dieser Eisenbahnen neues Kapital in ihren Bereich. Die New-Yorker Centralbahn, welche 80 % Dividende zahlt, steht an der amerikanischen Westküste allen voran. Die Domäne der Pensylvania-Eisenbahn, welche, wie ich bereits erwähnt, 13 Millionen Dollars abwirft, ist Süd-Pensylvania. Eine andere, außerordentlich gewinnbringende Linie zwischen Chicago und Millwaukee hat eine Parallelbahn zur Folge gehabt. Da beide gewinnbringend waren, so wurde bald eine dritte Bahn gebaut. Früher gab es zwischen den genannten Städten blos eine Linie, jetzt gibt es deren sechs; sollten diese Linien sich morgen vereinigen, um vom Publikum auch nur ein Prozent mehr Ertrag für das angelegte Kapital zu erhalten als den Durchschnittsertrag, dann würde sehr bald eine siebente Linie erbaut werden und zwar mit vollem Rechte. Dieses beweist ebenfalls, daß das große wirtschaftliche Gesetz nicht umgangen werden kann, solange die Möglichkeit besteht, Kapital in Konkurrenzlinien anzulegen.

Die Eisenbahnfrachten in Europa, verglichen mit denen Amerikas, zeigen einen geradezu schreienden Gegensatz. Die Frachtkosten auf englischen Linien sind durchschnittlich mehr als doppelt so hoch, wie die amerikanischen Frachten; ja, in vielen von mir genannten und geprüften Fällen betragen sie selbst das Dreifache, und in nicht wenigen Fällen sogar mehr als das Dreifache.

Einer meiner Freunde kaufte eine Ladung Getreide in Leith; die Fracht von New-York betrug einen Dollar per Tonne; dagegen kostete die Beförderung für 35 Meilen innerhalb Englands volle 96 Cent. Ein anderer kaufte 600 Tonnen Kohle am Obersee (Lake Superior). Die Fracht per Tonne nach Liverpool kostete 4 Dollar, dagegen betrug der Weitertransport für 8 englische Meilen per Tonne 2 Dollars 87 Cent (nach seinen englischen Mühlen). Für diesen Preis befördern unsere Bahnen 560, die englischen Bahnen nur 80 Meilen weit. Wenn Europa sich des unbeschränkten Wettbewerbes in seinem Verkehrssystem erfreuen dürfte, würde die Entwicklung seiner Hilfsquellen selbst jetzt noch, in geschichtlich relativ später Zeit, die Welt in Erstaunen setzen. Nach meiner Überzeugung haben wir Amerikaner alle Ursache, uns zu unserer Verkehrspolitik Glück zu wünschen. Ihre Vorteile sind gegen ihre Fehler, im Vergleich zu allen anderen Systemen geradezu ungeheuer.

Die Amerikaner können ruhig lachen über die Anstrengungen ihrer Eisenbahnmagnaten und all ihrer Fabrikanten, die volkswirtschaftlichen Gesetze durch Trusts, Vereinigungen, Spieleinsätze, Differentialtarife oder irgend dergleichen zu umgehen, solange sie an dem Grundsatz unbeschränkt freien Wettbewerbes festhalten. Haltet das Feld frei und offen. Freiheit vor allem für jeden Eisenbahnbau – wann und wo immer Kapital ihn zu unternehmen wünscht – und zwar unter gleichen Bedingungen für alle. Niemand kann auf die Länge der Zeit mehr als den durchschnittlichen Gewinn für Anlagekapital herauspressen; weder ein Monopol noch ein Verkehrsmittel, noch eine Fabrik. Jeder darauf zielende Versuch muß mit einem Fehlschlage, der mit dem vorübergehenden Erfolge eines so törichten Beginnens im Verhältnisse steht endigen. Es ist einfach lächerlich, wenn Leute glauben, sie könnten dadurch, daß sie in einem und demselben Zimmer beraten und Resolutionen fassen, die großen Gesetze ändern, welche die menschlichen Angelegenheiten in der Geschäftswelt regieren, ganz gleichgültig, ob solche Leute Eisenbahnpräsidenten, Bankiers oder Fabrikanten sind.

Die Trustmode hat nur noch eine kurze Lebensspanne vor sich; Zweifellos wird ihr nach der nächsten Periode geschäftlicher Depression eine neue gleich törichte Mode folgen; aber darin liegt keine, auch nicht die geringste Gefahr; gesunden Geschäftsprinzipien kann kein ernstlicher Schaden aus all diesen Bewegungen erwachsen. Die einzigen, welche die Trusts zu fürchten haben, sind diejenigen, die Narren genug sind, sich daran zu beteiligen. Der Konsument und der Versender, nicht der Fabrikant und der Eisenbahnbesitzer, werden stets dabei das Fett abschöpfen.

Seitdem ich das vorhergehende niedergeschrieben,, ist auf der Bildfläche eine neue Art erschienen in der Form des präsidialen Abkommens; eines Abkommens unter Gentlemen, in welchem die Beteiligten sich verpflichten, die zukünftige Entwickelung des prächtigen, unter den Gesetzen natürlichen Wachstums arbeitenden amerikanischen Eisenbahnwesens zu kontrollieren, einzuschnüren und festzuhalten; alles das in einer Zeit, da das Land dessen weiterer Entwickelung mehr denn, jemals bedarf.

Diese Gentlemen wollen nicht etwa neue Bahnen bauen, welche dem Publikum die Vorteile einer gesunden Konkurrenz verschaffen, noch wollen sie den Bau solcher Bahnen späterhin erlauben. Man darf sicher sein, auch dieses Spielzeug wird, gerade wie seine Vorgänger bald zu gunsten eines anderen verworfen; und dann werden dieselben Leute, die jetzt von dieser neuen Knarre so sehr entzückt scheinen, diese selbe Knarre mit der größten Verachtung ansehen; die gleichen Gentlemen werden dann auch an dem guten Werke der weiteren Entwicklung des bestehenden Bahnsystems teilnehmen, wo und wann sie irgend an die Möglichkeit glauben, einen guten Gewinn dabei zu machen. Wo immer bestehende Bahnen mehr als einen gerechtfertigten Gewinn für das tatsächlich angelegte Kapital oder von dem Kapital, welches für Verdoppelung der bestehenden Bahnen erforderlich ist, herauspressen, dort werden stets neue Konkurrenzbahnen gebaut werden, und zwar zum Glück für die Interessen des Landes; denn diesem ist bei weitem mehr durch billige Verkehrsmittel als durch Dividendenversicherung für Kapitalisten gedient. Ferner, sobald es durch Begebung von Eisenbahnsicherheiten etwas zu verdienen gibt, werden sich stets Finanzleute finden – gleichfalls glücklicherweise zum Besten wichtiger Landesinteressen – die froh sein müssen, einen Markt dafür zu bekommen, ohne sich weiter darum zu kümmern, ob durch die neuen Linien bestehende Monopole beseitigt werden.

Es steht nicht in menschlicher Macht, für länger als kurze, sehr kurze Zeit außergewöhnlichen Vorteil aus wirklichem Kapital zu ziehen, das in Verkehrsanstalten oder Fabrikation angelegt wurde, solange all und jeder das Recht freien Wettbewerbes besitzt; diese Freiheit aber, das darf man ruhig versichern, wird sich das amerikanische Volk nicht leicht beschneiden lassen.


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