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VI.
Wie kann man ein Vermögen erwerben?

Alle wirtschaftliche Arbeit teilt sich in zwei große Lager: Ackerbau und Industrie. In beiden sind verschiedene Kräfte tätig. In dem einen Lager geht alles auf weitere Verteilung von Land unter die vielen aus; in dem anderen Lager zielt alles auf Konzentration des Geschäftes in den Händen von wenigen hin. Einer der großen Irrtümer, auf welche Georges bekanntes Buch »Fortschritt und Armut« aufgebaut ist, besteht in der Voraussetzung, daß Grund und Boden immer mehr in die Hände von wenigen komme. Die einzige Quelle, aus der Henry George seine Kenntnis über diesen Punkt schöpfen konnte, ist der Census; der Census aber sagt aus, daß im Jahre 1850 die durchschnittliche Größe der Landgüter in den Vereinigten Staaten 203 Acres, im Jahre 1860 199 Acres, im Jahre 1870 153 Acres und im Jahre 1880 134 Acres betrug. Die Ursache für diese äußerst schnelle Landaufteilung erklärt sich leicht. Der Landwirt, welcher ein kleines Gut mit eigner Hand kultiviert, vermag leicht den ehrgeizigen Kapitalisten aus dem Felde zu schlagen, der versucht, Land in weiten Flächen mit der Arbeit anderer zu kultivieren. Es ist bemerkenswert, daß in Großbritannien der kleine Landwirt die Zeiten landwirtschaftlicher Not bei weitem besser überstanden hat als der Großgrundbesitzer. Wir haben hier für Amerika sowohl wie für England den besten Beweis, daß unter gleichen gesetzlichen Voraussetzungen Landbesitz sich immer mehr und mehr unter die Massen der Bevölkerung verteilt. In der ganzen Masse sozialer Erscheinungen gibt es keine wichtigere Tatsache, als die eben erwähnte, und nichts, was dem denkenden Forscher größere Befriedigung verursacht. Der Triumph des kleinen Landeigners über den Großgrundbesitzer sichert Wachstum und Bestand desjenigen gesellschaftlichen Elements, auf welches die Zivilisation am sichersten zählen kann; denn es gibt keine andere Volkskraft, die das Gute so erhält und die zugleich so ehrlich denkend und tugendhaft ist, wie der Stand, welcher seinen Acker mit eigener Hand bebaut. Zum Glück für die Menschheit lehrt die Erfahrung, daß kein Mann mit Nutzen für sich selbst mehr Boden bebauen kann, als er selbst mit Hilfe seiner Familie zu bestellen vermag.

Wenden wir uns nun dem anderen Lager, dem der industriellen Arbeit, zu. Es wird, wie wir eingestehen müssen, gerade von dem entgegengesetzten Gesetze beherrscht, welches Gewerbe und Geschäft im allgemeinen zur Konzentration in wenige großartige Betriebe zwingt. Beispielsweise sehen wir 1700 Uhren täglich von einer einzigen Gesellschaft angefertigt. Daher sind Uhren zu einem sehr mäßigen Preise käuflich. Wir haben Werke, die jeden Tag tausend Meter Kattun erzeugen, und dieser vielbegehrte Artikel kann für wenige Pfennige pro Elle erstanden werden. Stahlwarenfabrikanten erzeugen täglich 2500 Tonnen Stahl; infolgedessen werden vier Pfund feiner Stahl für 5 Cents (20 Pfennige) verkauft. Und so geht es fort durch das ganze Gebiet der Industrie. Man zerteile die großen Fabriken in kleine Anlagen, alsdann wird man finden: die Herstellung einzelner Artikel ist überhaupt nicht möglich! denn der Erfolg der Arbeit hängt davon ab, daß die Waren in großen Massen hergestellt werden; die Herstellungskosten ein und desselben Artikels würden in kleinen Fabrikanlagen den gegenwärtigen Preis zwei- oder dreimal übertreffen. Es gibt für dieses Gesetz der Konzentration in der industriellen Welt durchaus kein gegenwirkendes Gesetz. Ganz im Gegenteil, die bei der Arbeit beteiligten Kräfte scheinen wachsende Produktion von jedem Großbetriebe zu fordern, damit das Minimum an Unkosten erreicht werde. Daher schreibt sich nun der rapide und fortwährende Kapitalzufluß zu den Fabriken und Handelsanlagen; Fünf, fünfzehn, ja zwanzig Millionen werden häufig von ein und derselben Gesellschaft verwendet. All das hat zu einer oft gehörten Klage Anlaß gegeben, deren Grundlosigkeit ich zu beweisen hoffe. Der praktische junge Geschäftsmann weist auf diese Verhältnisse hin und meint: Es ist nicht mehr möglich, ohne Kapital über die Stellung eines bezahlten Angestellten hinauszukommen! Ein Ungeheuer stellt sich jedem ohne eigene Mittel in den Weg: Dieses Ungeheuer deutet auf unabhängige Macht oder Teilhaberschaft; es ist repräsentiert in den bestehenden ungeheuren Etablissements, welche dem Emporkommen junger Leute ein unübersteigliches Hindernis entgegenstellen. Dagegen hat der junge Landwirt, wie wir gesehen haben, von dem Kapitalisten nichts zu fürchten. Mit geringem Kapital, das er leicht ersparen oder leihen kann, vermag er sein landwirtschaftliches Gewerbe zu beginnen, und seine einzigen Wettbewerber, mit denen er zu rechnen hat, sind mit ihm in der gleichen Lage. Zweifellos ist es für einen Mechaniker oder praktischen Geschäftsmann heutzutage viel schwerer, ein neues Geschäft zu etablieren oder einen Teilhaber für ein schon bestehendes Geschäft zu erhalten, als es einem jungen Ackerbauer wird, mit nichts anzufangen. Trotzdem, die Schwierigkeiten sind weder unüberwindlich noch größer als früher. Allerdings eignen sie sich nicht dazu, den Ehrgeizigen anzustacheln; aber es muß in Rechnung gezogen werden, daß, wenn das Rennen in der Industrie- und Geschäftswelt auch schwerer zu gewinnen, dafür auch der Preis beträchtlich größer ist.

Bevor ich die Aussichten des Mechanikers in der industriellen und die des Gehilfen in der kaufmännischen und in der Finanzwelt näher betrachte, möge es mir erlaubt sein, zu zeigen, daß gerade die letzten beiden Klassen bei der Etablierung derjenigen großen Fabriken, Geschäftshäuser und großen Finanzinstitute, die heute in den Vereinigten Staaten am besten bekannt sind, beteiligt waren. Sprechen wir zunächst von den gelernten Mechanikern. Alle unseren großen Werke wurden begründet und geleitet von Mechanikern; also von Männern, die ihre Lehrlingszeit durchgemacht haben. Ja, die Anzahl der hier in Betracht kommenden Anlagen würde sich uns noch weit größer darstellen, wenn wir diejenigen Betriebe mit einschließen wollten, deren Gründer ihre Laufbahn als Comptoirburschen oder Gehilfen begonnen haben. In diesem Falle müßten wir beinahe alle großen Betriebe einschließen; beispielsweise war Edison Telegraphist.

In den kaufmännischen und finanziellen Zweigen der Geschäftswelt, die alle unter dem Konzentrationsgesetz stehen und deshalb geschäftlich den Großbetrieben zudrängen, nimmt der Gehilfe dieselbe Stellung ein, wie der geschickte Mechaniker in der industriellen Welt. Alle großen Geschäftshäuser zeigen, soweit ich ihre Geschichte zu verfolgen vermag, denselben Ursprung. Wanamaker in Philadelphia, Claflins in Boston, Field in Chicago und Barr in St. Louis haben als arme Ladenjungen angefangen; andere wie Phelps & Dodgs – gleichfalls in Boston – waren arme Gehilfen. In der Bank- und Finanzwelt stammen, wie allbekannt, die Stanfords, Rockefellers, Goulds, Sages, Fields, Dillons, Seligmans, Wilsons und Huntingtons alle aus der großen Masse der Unvermögenden. Die Millionäre, welche heute alles beherrschen, begannen als arme Jungen und gingen durch die härteste aller Schulen – Armut.

Ich bat einen Banquier in der City, mir ein paar Namen von Präsidenten, Vizepräsidenten und Kassierern zu geben, die als Laufjungen oder Gehilfen begonnen hatten. Er sandte mir 36 solcher Namen und schrieb mir, er würde den folgenden Tag mehr senden. Dagegen fand sich keiner mit höherer Schulbildung unter ihnen. Ich habe nachgeforscht und nach allen Richtungen hin gesucht, konnte aber den höher Gebildeten nur sehr selten in leitenden geschäftlichen Stellungen ausfindig machen; oft jedoch bekleidete er Vertrauensstellungen bei Finanzinstituten. – Das alles ist nicht gerade überraschend. Die Preisgewinner in den höheren Schulen brauchen viel zu viel Zeit. Sie fangen ihren Kursus in den besten Knaben- und Jünglingsjahren an, d. h. in der zum Lernen wertvollsten Zeit vom 14. bis zum 20. Jahre. Während der Student etwas über die entlegene Vergangenheit, die noch dazu ganz wertlos ist, lernt, oder sich mit toten Sprachen abmüht – alles Dinge deren Kenntnis für einen anderen Planeten als den unsrigen berechnet scheint, wenigstens soweit geschäftliche Dinge in Frage kommen – ist der zukünftige Befehlshaber auf dem Felde der Industrie eifrigst mit Studien des praktischen Lebens beschäftigt, ganz dazu geeignet, die für zukünftige Triumphe nötigen Kenntnisse zu sammeln. Ich spreche nicht über die Kenntnisse und die Ergebnisse höherer Schulbildung bei denjenigen jungen Leuten, welche für gelehrte Berufe vorbereitet werden sollen; für diese ist solch' eine Erziehung bis zu einem gewissen Grade unentbehrlich; allein das gänzliche Fehlen der Studierten in jeder leitenden Stellung der Geschäftswelt scheint den Schluß zu rechtfertigen, daß höhere Bildung für jeden größeren Geschäftserfolg geradezu verhängnisvoll ist. Es verdient in Erinnerung gebracht zu werden, daß mit festem Gehalt Angestellte doch nicht so eigentlich im Geschäft stehen. Ein Hauptmann im Gebiete der Industrie erwirbt alles selbst in seinem Geschäft; er ist von seinem persönlichen Arbeitsertrag, vom Erfolge seines Geschäftes durchaus abhängig. Gerade im praktischen Leben hat der Hochgebildete, der mit zwanzig Jahren ins Geschäft tritt, nur wenig Aussicht auf Erfolg im Vergleich zu dem Jungen, der mit 14 Jahren das Comptoir ausfegt, oder als Verladungsgehülfe beginnt. Die Tatsachen beweisen das. Man hat zwar Beispiele dafür, daß mit höherer Bildung ausgestattete Söhne von Geschäftsleuten, welche sich dem Geschäftsleben widmeten, mit Erfolg ein schon bestehendes Geschäft leiten; dennoch ist die Zahl solcher verhältnismäßig gering, verglichen mit denen, welchen es nicht gelingt, das überkommene Vermögen zu erhalten. Immerhin sind während der letzten Jahre polytechnische und wissenschaftliche Schulen oder auch Studienkurse für junge Leute eröffnet worden, die bereits höchst wertvolle Früchte für industrielle Betriebe gezeitigt haben. Der gelernte Mechaniker, der, wie wir bereits gesehen haben, bis jetzt die meisten Ehren in unseren Industriewerken einheimste, findet nun seinen Nebenbuhler in dem wissenschaftlich gebildeten Jüngling, der ihn in Zukunft hart, ja sehr hart bedrängen dürfte. Drei der größten Stahlwerke stehen bereits unter der Leitung von drei technisch vorgebildeten jungen Männern: Studenten, welche die Schultheorien mit der Praxis vertauschten, obgleich sie noch in den ersten Jünglingsjahren standen. Walker von der Illinois Stahlkompagnie, Schwab von den Edgar Thomson-Werken, Potter von den Homestead Stahlwerken in Pittsburg sind Typen dieser neuen Schule, und keiner von ihnen ist auch nur 30 Jahre alt. Die meisten diesen jungen Leitern unterstehenden Abteilungsvorsteher gehören derselben Klasse an. So vorbereitete junge Leute haben einen bedeutenden Vorteil über den gelernten Mechaniker; sie besitzen seinen offenen Blick und sind ohne Vorurteil. Die wissenschaftliche Schulung des Geistes und der Trieb nach Wahrheit macht sie für neue Ideen empfänglich. Groß und unschätzbar wie der arbeitende Mechaniker war, wie er ist und wie er bleiben wird, war er doch stets zu engen Geschäftsanschauungen geneigt, denn im allgemeinen kommt er erst in vorgeschrittenen Jahren zur Macht. Ganz anders ist es mit dem wissenschaftlich gebildeten Jüngling; er hat keinerlei Vorurteile und versucht jede neue Erfindung und jede neue Methode, ganz gleichgültig, wer ihr Erfinder sein mag. Er eignet sich all das an, was bisher Geleistetes übertrifft und verwirft seine eigenen Einfälle und Ideen; dazu entschließt sich ein Oberwerkführer nur schwer. Deshalb darf auch der Vorteil der Bildung nicht unterschätzt werden; nur muß es eine zweckentsprechende Bildung sein mit Kenntnissen, die der Laufbahn des Interessenten angepaßt sind, wenn er seinen Weg zum Glück finden soll.

Alles in allem haben wir nicht zu untersuchen, welchen Platz der gelernte Mechaniker und der Praktiker in den verschiedenen Zweigen der Geschäftswelt – den finanziellen, handels- und kaufmännischen, sowie in den Fabrikzweigen – einnehmen, sondern was diese beiden Klassen in der gesamten Geschäftswelt für andere übrig gelassen haben.

Auf industriellem Gebiete wird der gelernte Mechaniker der Gründer und Leiter berühmter Betriebe. Auf handels-, kaufmännischem und finanziellem Gebiete sehen wir den armen Kontorjungen, der, ein kaufmännischer Fürst, sicher ist, seine Herrschaft anzutreten. Sie vergegenwärtigen zwei verschiedene Klassen. Der arme Gehilfe und der geübte Mechaniker sind es, die zuguterletzt in jeder Art von Geschäft die Herrschaft erlangen, ohne Kapital, ohne Familieneinfluß und ohne höhere Bildung. Sie sind es auch, welche zu allerersten Stellen aufsteigen und später herrschen; sie, die bezahlte Stellungen aufgeben, um alles für die Gründung neuer Geschäfte aufs Spiel zu setzen. Akademisch Gebildete begnügen sich meistenteils mit ihren Gehältern und bleiben in den von ihnen innegehaltenen Vertrauensstellungen. Weder Kapital, noch Einfluß, noch höhere Schulbildung, noch all das zusammengenommen, haben bisher erfolgreich zu wetteifern vermocht mit der Tatkraft und der unbezähmbaren Energie: beides Eigenschaften der alles erobernden Armut. Damit es nicht scheine, es solle hier etwas zur Unehre der akademischen Bildung gesagt werden, will ich ausdrücklich bemerken, daß ich hier nur die glücklichen jungen Leute im Auge habe, die sich ihren Lebensunterhalt verdienen müssen; dagegen ist der Verfasser dieser Zeilen der Allerletzte, denjenigen, welche genügende Mittel besitzen, gegen eine akademische Bildung zu raten: ist doch mit ihr verglichen aller Geldgewinn, selbst des vielfachen Millionärs wertlos. Für den Armen aber ist es erste Pflicht, ein hinreichendes Vermögen zu erwerben, und Pflichterfüllung ist mehr wert, als alle Universitätsbildung wert sein mag. Höhere Bildung gibt dem, der sie wirklich voll in sich aufnimmt, einen vornehmen Geschmack und höhere Ziele, als der Erwerb von Reichtümern; sie öffnet ihm eine Welt voll Entzücken, zu welcher dem, der nichts anderes als ein Millionär ist, der Schlüssel fehlt; daher liegt in dem Beweis, daß höhere Bildung nicht die beste geschäftliche Erziehung ist, zugleich die Anerkennung ihres Anrechtes für eine höhere Welt. Wahre Erziehung kann auch außerhalb der Schulen erlangt werden; das Genie pflegt für gewöhnlich nicht in Akademien einheimisch zu sein; es gleicht einer wilden im Walde aufwachsenden Blume, die keiner Pflege von seiten der Gesellschaft bedarf – die Durchnittsbegabung dagegen bedarf der Universitäten.

Der junge Praktiker, welcher an der Wechselbank oder am Zahltisch steht und dem sich die holde Göttin Fortuna bis dahin noch nicht geneigt erwiesen, mag zu dem Schlusse kommen, daß es für ihn unmöglich ist, in unserer Zeit ein eigenes Geschäft zu gründen. Darin liegt etwas Wahres. Zweifellos wird es heutzutage unendlich schwieriger, ein neues Geschäft anzufangen, als früher; dennoch besteht die Schwierigkeit mehr in der veränderten Art und Weise als in der Möglichkeit der Sache selbst. Denn es ist heutzutage auch um ein Bedeutendes leichter für einen geschickten jungen Mann, eine Teilhaberschaft in bereits bestehenden Firmen zu erwerben, als es jemals vorher war. Die Fähigen finden die Türen keineswegs verschlossen; im Gegenteil, die Pforten öffnen sich ihnen jetzt viel leichter. Kapital ist dabei heute nicht nötig und selbst Familieneinfluß zählt nicht mehr, wie in alten Zeiten. Wahre Geschicklichkeit und wirkliche Leistungsfähigkeit waren niemals gesuchter als eben jetzt, und haben niemals vorher einen so hohen Lohn gefunden.

Das Gesetz, demzufolge die leitenden Gewerbe, so wie handels-, kaufmännische und finanzielle Geschäfte wenige Fabriken und Firmen umfassen, enthält zugleich ein anderes nicht weniger mächtiges Gesetz. Große Betriebe können nicht erfolgreich von bezahlten Angestellten geleitet werden. Kein Geschäft kann einen glänzenden und dauernden Erfolg haben, es sei denn, daß seine Leitung in den Händen praktischer Männer liegt, die bei seinen Ergebnissen finanziell beteiligt sind. In der industriellen Welt scheinen die Tage der Korporationen (Gesellschaften) gezählt zu sein. Ich sah mich während meines Lebens oft veranlaßt, die Operationen großer Etablissements, welche hunderten im Geschäfte nicht tätiger Kapitalisten gehörten und von bezahlten Beamten geleitet wurden, zu beobachten. Verglichen mit solchen Betrieben, zahlen diejenigen, welche von tatsächlich interessierten Eigentümern geleitet werden, zufriedenstellende Dividenden, selbst in Fällen, in denen Aktiengesellschaften sich in Schwierigkeiten befanden und kaum wußten, wie die Jahresbilanz ausfallen würde. Die großen Schnittwarenhäuser, die ihre Angestellten an den Gewinnsten jedes Departements beteiligen, arbeiten mit Erfolg, während die, welche nur mit bezahlten Angestellten arbeiten, fehlschlagen. Sogar bei der Verwaltung unserer großen Hotels hat sich eine Gewinnbeteiligung der Hauptarbeiter zweckmäßig erwiesen. In jedem Geschäftszweig offenbart sich dasselbe Gesetz; im großen und ganzen sind jene Betriebe die blühendsten, welche eine immer steigende Zahl ihrer tüchtigsten Arbeiter am Gewinn beteiligen. Das Fabrikgeschäft, welches keine für den Betrieb praktisch vorgebildeten Techniker besitzt, sollte diesem Mangel so schnell wie möglich abhelfen; höchst wahrscheinlich wird es die rechten Leute unter den jungen, frischen Mechanikern finden, die bis jetzt für geringen Tagelohn arbeiteten, oder unter den jungen Leuten, die eben vom Polytechnikum kommen. Täglich bieten sich Beispiele, daß Gesellschaften einen versprechenden jungen Mann durch Gewinnanteil an ihrem Geschäft interessieren, nur um seine Dienste nicht zu verlieren. Irgend ein fähiger Fabrikant oder eine kaufmännische Firma bietet dann dem Betreffenden das, was er verlangt. Denn jeder tüchtige Geschäftsmann ist auf der Suche nach dem unentbehrlichen Artikel – persönliche Fähigkeit. Bis jetzt war es bei den Aktiengesellschaften nicht Brauch, den im Werden begriffenen Geschäftsleiter zu belohnen; dennoch muß es über kurz oder lang dazu kommen, wenn sie dem Wettbewerb derjenigen Betriebe nicht erliegen wollen, die am Gewinn beteiligte Männer leiten. Auf der anderen Seite bieten, wie ich für junge Leute bemerken möchte, Gesellschaften auch einen Vorteil. Ihre Anteilscheine stehen freihändig zum Verkauf. Wenn ein Arbeiter heutzutage in Amerika einen Anteil in einem Fabrikbetriebe wünscht, so kann er das leicht genug haben und schon mit 50 (200 Mark) oder 100 Dollars (400 Mark) Aktienbesitzer werden. Es wird unter Arbeitern täglich immer mehr Brauch, ihre Ersparnisse in dieser Weise anzulegen. Gar viele gut geleitete Gesellschaften zahlen den Einlegern eine recht zufriedenstellende Dividende, und der Arbeiter kann seinem Arbeitgeber keinen besseren Beweis seiner Fähigkeit und seines richtigen Urteils geben, als den, welchen die Eintragung seines Namens unter den Aktieninhabern in den Büchern der Gesellschaft liefert.

Arbeitsleute haben ein gewisses Vorurteil gegen die Entdeckung ihrer Ersparnisse durch die Arbeitgeber; doch das ist verkehrt. Der sparende Arbeiter ist zugleich der tüchtige Arbeiter, und ein weiser Arbeitgeber sieht in den Ersparnissen seiner Leute den deutlichsten und besten Beweis dafür, daß sie für ihn einen ganz besonderen Wert besitzen. Es sollte das Bestreben einer jeden Gesellschaft sein, ihre vorzüglichsten Angestellten zur Anlage ihrer Ersparnisse in Gesellschaftsaktien zu veranlassen. Nur so können Aktiengesellschaften hoffen, mit solchen Einzelfabrikanten zu konkurrieren, welche das wertvolle Geheimnis außergewöhnlicher Erfolge – nämlich die Gewinne mit denen zu teilen, die am meisten zu deren Erzeugung beitragen –, schon längst entdeckt haben. Die Zeiten, in denen der bloße Aktieninhaber seine Dividende einheimste und kein weiteres Interesse an der Arbeit und den Werken der Gesellschaft nahm, dürften bald vorüber sein. Der Tag für den wertvollen Arbeiter ist in der industriellen Welt seinem Anbruch nahe. Junge, praktische Arbeiter sollten daher nicht den Mut verlieren; ganz im Gegenteil, sie mögen voller Hoffnung sein. Von Tag zu Tag wird es dem Mechaniker und dem wirklich fähigen praktischen Manne leichter, seinem Arbeitgeber seine Bedingungen zu diktieren. Wo früher nur ein einziger Weg zum Aufstieg war, bieten sich heute ganze Dutzende solcher Wege dar. Die ungeheuren Betriebe werden in der Zukunft ihren Gewinn nicht unter hunderten von müßigen Kapitalisten, sondern unter die hundert ihrer fähigsten Angestellten verteilen, von deren Geschicklichkeit und Anstrengungen jeder Erfolg in hohem Grade abhängt. Der kapitalistische, dem Geschäft fernstehende Aktienbesitzer muß durch den fähigen, im Geschäft tätigen Arbeiter ersetzt werden.

Die zum Vorwärtskommen praktischer junger Leute nötigen Eigenschaften hat niemand besser gekennzeichnet als George Elliot, welche das Nötige sehr markig wie folgt hervorhebt: »Ich will Ihnen sagen, wie ich vorwärts kam. Ich hielt Ohren und Augen offen und machte meines Herrn Interesse zu meinen Eigenen«.

Die erste Bedingung zum Vorwärtskommen ist die Erregung von Aufmerksamkeit für sich. Der Betreffende muß etwas Außergewöhnliches tun, und vor allem etwas, was über den Kreis seiner eigentlichen Pflichten hinausgeht. Er muß etwas anempfehlen oder etwas sparen oder einen Dienst für seinen Arbeitgeber leisten, zu dessen Leistung er nicht verpflichtet war. Wenn er dadurch die Aufmerksamkeit seines unmittelbaren Vorgesetzten erreicht hat, mag der letztere auch nur aus der Vormännerabteilung sein, dann ist der erste große Schritt zum Vorwärtskommen für ihn getan. Denn von seinem unmittelbaren Vorgesetzten hängt seine Beförderung ab. Wie hoch er heraufzuklimmen vermag, das ist dann ganz und gar seine eigene Sache.

Wir hören oft Leute darüber klagen, daß sie keine Gelegenheit haben, ihre Geschicklichkeit zu zeigen und daß, wenn sie sie zeigen, es nicht anerkannt wird. Daran ist sehr wenig Wahres. Sein eigenstes Interesse treibt den Vorgesetzten dazu, dem Manne die erste Stelle einzuräumen, der sie am besten auszufüllen vermag, denn der Beamte ist für die ihm unterstehende Abteilung und ihre Arbeit als Ganzes verantwortlich. Kein Mann vermag einen anderen niederzuhalten. Man wird immer finden, daß die meisten praktischen Männer, welche ein Vermögen erwarben, dieses dadurch erwarben, daß sie von ihnen gemachte Verbesserungen selbst in der Hand behielten. Verbesserungen werden leicht von solchen Leuten gefunden, welche immer ein und dasselbe Feld bearbeiten, denn sie haben die genaueste Kenntnis der darin zu lösenden Probleme. Gerade auf diesem Wege wurden die wertvollsten Verbesserungen gemacht. Wer eine Verbesserung einführt, der tut viel besser, einen Anteil am Geschäft zu erstreben anstatt einer Gehaltserhöhung. Selbst wenn bis dahin das Geschäft nicht sehr gewinnbringend war, wird er doch, wenn er das rechte Zeug in sich fühlt, denken, er könne es gewinnbringend machen, und das kann er auch. Alle Geschäfte haben gute und schlechte Zeiten. Tagen der Depression folgen Tage des Aufschwunges. Das eine Jahr bringt große Überschüsse, andere wieder geringen oder gar keinen Ertrag. Das ist in der Geschäftswelt nun mal Gesetz und ich brauche hier seine Ursachen nicht weiter zu entwickeln. Deshalb sollte der praktische Geschäftsmann sich nicht gerade auf diesen oder jenen Geschäftszweig versteifen; jedes gut geführte Geschäft wird während einer bestimmten Zeit einen hübschen Gewinn abwerfen.

Drei große Hindernisse stellen sich jedem jungen Mann, der seinen Fuß im Steigbügel hat und im Aufsteigen begriffen ist, entgegen. Zunächst Trunksucht; sie wird geradezu zum Verhängnis. Hopfen und Malz sind an jedem jungen Mann verloren, der sich dem Trunke von Spirituosen ergibt, mögen seine Talente auch noch so groß sein. In Wahrheit, je größer seine Talente, um so größer auch die Enttäuschung. Das zweite Hindernis besteht im Spekulieren. Die geschäftliche Tätigkeit eines Spekulanten und die eines Fabrikanten oder wirklichen Geschäftsmannes sind nicht nur verschieden, sondern geradezu unvereinbar. Um in der Geschäftswelt Erfolg zu haben, sollten nur des Fabrikanten und Kaufmanns Verdienste in Rechnung gezogen werden. Der Fabrikant sollte unentwegt vorwärtsschreiten mit Berücksichtigung des Marktpreises. Wenn Du Waren zu verkaufen hast, verkaufe sie, wenn Du Waren brauchst, kaufe sie, und zwar in beiden Fällen ohne Rücksicht auf den Marktpreis. Niemals in meinem Leben habe ich einen spekulativen Fabrikanten oder spekulativen Geschäftsmann gekannt, dem der Erfolg treu geblieben wäre. Heute ist er reich, morgen bankerott. Außerdem ist es die Aufgabe des Fabrikanten, Artikel zu erzeugen und Arbeit zu geben. Beides macht seine Laufbahn erst lobenswert. Ein Mann mit solchem Berufe ist der Menschheit nützlich. Der Kaufmann nützt durch Verteilung von Waren, der Bankier durch Besorgung von Kapital. Das dritte Hindernis bei jedem Vorwärtskommen, das fast so schlimm ist wie das Spekulieren, sind Bürgschaften jeder Art.

Geschäftsleute bedürfen unregelmäßiger Geldzuschüsse; zu manchen Zeiten geringe, zu anderen Zeiten wieder ungeheure Summen. Da andere sich in derselben Lage befinden, so entsteht eine große Versuchung zu gegenseitigen Gefälligkeitswechseln. Diese Klippe müßte vermieden werden. Zweifellos gibt es Fälle, in denen man einem Freunde helfen soll; dennoch gilt auch für diesen Fall eine Regel, die uns sichert: Niemand sollte Zahlungsverpflichtungen für einen anderen übernehmen, wenn er nicht genügend Kasse zur Einlösung einer solchen Verpflichtung hat, ohne daß sein eigenes Geschäft dadurch Schaden leidet. Dergleichen zu tun, ist nicht ehrenhaft. Jedermann hat sich als Verwalter derjenigen anzusehen, die ihm selbst vertraut haben, und sein Gläubiger besitzt ein volles Recht auf all sein Kapital und all seinen Kredit. Für Deine eigene Firma Deinen Namen, Dein Vermögen und Deiner Ehre Heiligtum – alles; in jedem anderen Falle jedoch, ganz gleichgültig, wie immer die Verhältnisse liegen mögen, leiste nur die Hilfe, welche Du ohne Gefahr für Deine eigenen Verpflichtungen leisten kannst. Das Beste ist deshalb, lieber baares dir selbst entbehrliches Geld herzugeben, als dein Accept oder deine Bürgschaft. Ein anderer wichtiger Grund für den geschäftlichen Mißerfolg junger Leute ist der Mangel an Konzentration. Sie sind zu Kapitalsanlagen außerhalb ihrer eigentlichen Tätigkeit geneigt. Das ist die Ursache vieles überraschenden Mißlingens. Jedes bißchen Kapital, jeder geschäftliche Gedanke, jedes bißchen Kredit sollte auf das eine Geschäft verwandt werden, dem man sich gewidmet hat. Zersplittere niemals Deine Mittel. Das muß ein armseliges Geschäft sein, welches bei vermehrter Kapitalsanlage nicht bessere Erträge liefert, als jede andere dem Geschäfte fremde Anlage. Kein Mensch, keine Mehrheit von Männern, und keine Gesellschaft vermag eines Geschäftsmannes Geld so richtig anzuwenden, wie er selbst. Die Regel: »Tu nicht alles in einen Topf«, findet auf die menschliche Lebensarbeit keine Anwendung. Gerade das Gegenteil ist richtig: » Tu alles in ein und denselben Topf.« Das allein ist die richtige Regel. Obgleich Geschäfte jeder Art sich in ungeheure Großbetriebe verwandelt haben und täglich noch verwandeln, so zeigt sich doch jeden Tag, daß wirkliche Tüchtigkeit mit einem Anteil am Gewinn nicht nur für die erfolgreichen Operationen solcher Geschäfte wertvoll, sondern geradezu unentbehrlich ist. Durch Gesellschaften, deren Aktien jeden Tag am Markt zu haben sind, durch Partner, welche sich in die Lage versetzt fühlen, ihre fähigsten Arbeiter zu beteiligen, durch Kaufleute, welche ihre ungeheuren Betriebe nur bei Benutzung außerordentlicher Fähigkeit erfolgreich im Gange halten können; kurz in jedem Teile der Geschäftswelt sind die Wege größer an Anzahl, breiter der Ausdehnung nach und leichter zugänglich denn jemals zuvor für den nüchternen, sparsamen, energischen Mechaniker, für den wissenschaftlich gebildeten Jüngling, sowie für den Komptoirburschen und den Gehilfen: sie alle können deshalb größere Erfolge erringen, denn jemals zuvor für diese Klassen in der Geschichte der Welt zu ernten möglich gewesen.

Deshalb kann man den jungen Mann, in welcher Stellung oder in welchem Geschäfte er auch tätig sein mag, wenn er erklärt und sich darüber beklagt, daß er keine Gelegenheit habe, seine Fähigkeiten zu zeigen, und zur selbständigen Teilhaberschaft aufzusteigen, nur die alte Antwort geben:

»Der Fehler, teurer Brutus, liegt nicht bei den Sternen,
Nein bei uns selbst allein, daß wir nur Knechte.«


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