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XVII.
Die Manchester-Schule und die Gegenwart

Während unlängst der Expremier Rosbery in Manchester über die Triumphe des Freihandels in volles Lob ausbrach, beschwor der Minister des Auswärtigen in Wien, Graf Goluchowsky, die Nationen Europas, sich gegen den zerstörenden Wettbewerb der transeuropäischen Länder zu verbinden.

»Wir müssen Schulter an Schulter kämpfen gegen die gemeinschaftliche Gefahr«, ruft er aus »und mit allen zu Gebote stehenden Mitteln uns für den Kampf vorbereiten. Die europäischen Völker müssen in geschlossener Linie fechten, wenn sie ihre Existenz mit Erfolg verteidigen wollen.«

So treffen sich hier wieder die Extreme, und wir sehen, wie viel von dem Gesichtspunkt abhängt, von dem aus man die Dinge betrachtet. Hätten sich die Vorhersagungen der Manchesterschule erfüllt, dann würden heute die billigen Waren von jenseits des Weltmeeres als ein volkswirtschaftlicher Gewinn gepriesen und als ein Segen – anstatt einer Drohung – für die Empfänger angesehen werden. Jeder Hafen würde sich dann dem Einströmen dieser Güter öffnen und die neuen Länder, die dieselben Güter liefern, würden als Wohltäter gepriesen werden, denn freier Güteraustausch war früher die Parole, und man ließ es sich nicht träumen, daß die Güter, welche die alte Welt nach der neuen liefert, Konkurrenzartikel für die alte Welt werden sollten; und doch liegt darin der ganze Unterschied.

Vor sechzig Jahren begann zu Land und zur See die Dampfkraft und Eisenbahn ihr alles umwälzendes Werk. Ihr eigentlicher Schöpfer, Großbritannien, auf Kohlenbergwerken und Eisenstein gelagert, wurde ganz natürlich das Land ihrer weiteren Entwicklung. Die Welt verhielt sich mehr als Zuschauer, während in England mit der Entwicklung der Dampfkraft eine vollkommene Umwälzung begann. Jedes andere Land, welches sich der Vorteile der neuen Erfindungen bemächtigen wollte, war gezwungen, sich zu diesem Zweck nach Großbritannien zu wenden. Großbritannien erfüllte sein Geschick: es wurde sehr bald die Werkstatt der ganzen Welt.

Damals erschien auf der volkswirtschaftlichen Bühne die Manchesterschule – Cobden, Villiers, Bright und ihre Anhänger. Sie forderten im Interesse der großen Massen die Aufhebung aller auf Nahrungsmitteln liegenden Steuern und Abgaben. Die Aufhebung all dieser Abgaben, welche unter dem Freihandelsystem in Großbritannien im Gegensatz zum Schutzzollsystem vor sich ging, hat nur wenig mit der modernen Schutzzolldoktrin zu tun, wie sie jetzt in anderen Ländern bekannt ist. Solche Abgaben auf Nahrungsmittel konnten nimmer von den Schutzzöllnern der Gegenwart verteidigt werden, da es unmöglich sein würde, durch eine solche Maßregel die Masse der Nahrungsstoffe irgendwie beträchtlich zu vermehren. Der einzig gesunde Verteidigungsgrund für den Schutzzoll ist nach Ansicht des kosmopolitischen Schutzzöllners eine Hebung der einheimischen Produktion in dem betreffenden Artikel, groß genug, um der Nation einen sicheren und besseren Vorrat darin zu verschaffen, als welchen sie jemals vom Auslande her erhielt. Eine unter solchen Bedingungen erhobene Abgabe wird von John Stuart Mill in einer berühmten Stelle seiner Schriften befürwortet. John Bright sagte einst in Bezug darauf zum Verfasser dieser Zeilen, solche Abgaben würden viel mehr Unglück über die Welt bringen, als der Schriftsteller John Stuart Mill jemals Gutes gewirkt hätte. Die gleichen Abgaben werden auch von Marschall für zweckmäßig oder unzweckmäßig, je nach den Umständen, angesehen. Sie bilden gerade das, was heutzutage außerhalb Großbritanniens unter Prohibitiv oder Schutzzoll verstanden wird. Die mit dieser Abgabe verbundenen Verhältnisse haben sich ganz und gar nicht verändert, und darauf steht das Werk der Manchesterschule. Eine etwa gemachte wunderbare Entdeckung, Großbritannien in die Lage zu setzen, so viel Nahrungsmittel zu erzeugen, wie die Einwohner des Landes bedürfen, würde eine zeitweise Abgabe auf Nahrungsstoffe insofern rechtfertigen, als sie Kapital für die Entwicklung des neuen Verfahrens heranzuziehen geeignet wäre. Aus dem hier erklärten Grunde verurteilt der moderne Verteidiger des Schutzzolles geradeso streng wie nur irgend ein Enthusiast für die Aufhebung der Korngesetze die Abgaben auf Nahrungsstoffe für Großbritannien. Der wunderbare Erfolg der britischen Erfindungen – des Dampfschiffes und der Eisenbahn – und die Erträgnisse, welche die Folge der Oberherrschaft über jede Industrie der Welt, die diese Erfindungen England gaben, waren, verbunden mit den zweifellosen Vorteilen der freien Einfuhr aller und jeder Nahrungserzeugnisse, führten natürlicherweise zu außerordentlich sanguinen Aussichten für die zukünftige Stellung und das zukünftige Gedeihen der vereinigten Königreiche. Die erfolgreichen Apostel der Manchesterschule waren unter allen anderen Leuten selbstverständlich die hoffnungsreichsten. Die Lehren, welche sie aus den damals bestehenden Bedingungen ableiteten, waren folgende: Die Natur hat beschlossen – und das gar weise – daß alle Nationen der Erde untereinander und von einander abhängig sein sollen; sie gab daher der einen fruchtbares Erdreich, der anderen reiche Bergwerke, der dritten große Wälder; der einen Sonnenschein und Hitze, der anderen eine gemäßigte Zone und wieder einer anderen ein kaltes Klima. Die eine Nation hat diese, die andere jene Bestimmung; eine dritte wiederum eine andere Bestimmung. Alle Nationen zusammen machen, während jede ihr natürliches Produkt hervorbringt, ein großes harmonisches Ganzes aus. Welch ein schönes Bild. Und ihm folgte der zweite Grundsatz.

Es ist klar zu erkennen, daß Großbritannien die hohe Sendung erhalten hat, für alle anderen Nationen zu fabrizieren. Unsere Rassenverwandten von jenseits des Meeres sollen auf unseren Schiffen ihre Baumwolle von den Tälern des Mississippi, Indien soll uns seine Jute, Rußland seinen Hanf und Flachs, Australien seine feineren Wollen senden, und wir werden mit unseren natürlichen Hilfsmitteln, wie Reichtum an Kohle und Eisenstein, mit unseren Fabriken und Werkstätten, mit unseren gelernten Mechanikern und unserem ungeheuren Kapital die nötigen Maschinen erfinden und konstruieren. Wir wollen das Material für die anderen Völker in feines Tuch weben, und alles soll bei uns in die rechte Form gebracht und für den Gebrauch der übrigen Menschheit genügend zugerichtet werden. Unsere Schiffe, die zu uns mit dem Rohmaterial kommen, sollen zu allen Teilen der Erde zurückkehren, beladen mit den aus dem Rohmaterial fabrizierten Erzeugnissen. Dieser Austausch von Roherzeugnissen mit vollendet ausgestatteten Erzeugnissen macht, entsprechend den Naturgesetzen, jede Nation zum Diener der anderen und verkündet die Brüderschaft der Menschen. Friede und Hilfsbereitschaft soll auf Erden herrschen. Eine Nation nach der anderen muß unserem Beispiel folgen, und freier Güteraustausch wird überall vorherrschen. Die Häfen der anderen Völker sollen sich der Aufnahme unserer vollendeten Erzeugnisse weit öffnen; unsere Häfen aber stets offen bleiben für ihr Rohmaterial.

Das war der Glaube, das die Hoffnung und, von den zugrunde liegenden Voraussetzungen aus beurteilt, die nicht unvernünftige Erwartung der Manchesterschule. Denn, um diesen guten und großen Männern gerecht zu werden: das Gemälde, welches sie zeichneten, verwirklichte sich in der Tat. Großbritannien wurde die Werkstatt der Welt, und jede der großen Nationen spielte wirklich die Rolle und tat wirklich die Dienste, welche in dem Programm der Manchesterschule für jeden vorgesehen waren. Kein anderes Volk machte jemals solche Fortschritte und häufte solche Reichtümer an – auf Grund seiner Fabrikationserzeugnisse – wie Großbritannien in jener geschichtlichen Epoche.

Der Prospekt der Barrow Stahl Companie stellte fest, daß der Reingewinn 30-40 per Hundert jährlich betrug, ja in einem Jahre hatte der Gewinn die unglaubliche Höhe von 60 Proz. des eingelegten Kapitals erreicht. Und das ist nur ein Beispiel unter den vielen unerreicht gebliebenen Gewinnen, die von britischen Fabrikanten in jener Zeit gemacht wurden, da die Welt ihnen zu Füßen lag, d. h. in der Zeit, ehe eine kräftige Konkurrenz die Gewinne wesentlich reduzierte und in vielen Fällen ganz und gar verschwinden machte. Gewiß war diese Belohnung, so groß sie auch gewesen, verdient von der Nation, welche der Welt die Dampfkraft gegeben, ein neues Zeitalter der Maschinen begonnen und dadurch die Menschheit für alle Zeit zu ihrem Schuldner gemacht hatte.

Das Naturgesetz, wie es von der Manchesterschule verstanden wurde, gründete sich auf die Voraussetzung, daß die Hilfsquellen der verschiedenen Länder der Erde ganz und gar voneinander verschieden seien; ebenso die Fähigkeit von Männern und Frauen, und daß bloß in Großbritannien fabriziert werden könnte. Daß Werkzeugstahl oder gar Maschinen auch anderswo gemacht, die feinsten Woll-, Linnen- und Baumwollstoffe mit Erfolg auch in andern Ländern erzeugt werden könnten, das alles waren Voraussetzungen, welche zu jener Zeit nicht einmal in Betracht gezogen wurden und die, wenn jemand dergleichen gewagt haben würde, mit Spott begrüßt worden wären.

Es wäre unvernünftig vorauszusetzen, daß die fähigen Führer der Manchesterschule jemals gedacht hätten, die ersten Völker der Erde – oder solche die danach trachteten, erste Völker zu werden – würden sich damit für immer begnügen, eine so untergeordnete Rolle wie die ihnen zugeschriebene zu spielen, hätte das weite Feld der Fabrikation diesen Völkern zur Zeit offen gestanden.

Die eigentliche Grundstruktur des Gebäudes, welches die Manchesterschule aufführte, bestand eben in der Voraussetzung, daß die verschiedenen Nationen von der Natur selbst einzig und allein zu Rohmaterialerzeugern und zu nichts anderem bestimmt wären. Gerade im Gegensatz zu dieser Anschauung haben jetzt, nach einem gewaltsamen Aufraffen, die übrigen Völker ohne Ausnahme den Ehrgeiz, das bei ihnen erzeugte Rohmaterial selbst zu verarbeiten. Um sich diesen Erfolg zu sichern, bedurften sie weder britischen Kapitals noch britischer Geschicklichkeit. In der Tat ist es diesem Umstände allein zu verdanken, daß die Kolonien des äußersten Ostens mit dem Mutterlande konkurrieren können; obgleich die Hilfsquellen dieser östlichen Völker sehr gering und für Fabrikationszwecke unzureichend, dazu die Bevölkerungen unfähig waren – ganz wie die Manchesterschule es angenommen hatte – so zeigte sich doch der Erfolg ihrer Fabrikationsbestrebungen im großen und ganzen geradezu überraschend.

Deutschland wurde eines der größten Industrieländer; Frankreich und die Schweiz haben die Seidenindustrie in Europa beinahe monopolisiert; Russland schickt sich an, Stahl und Ingenieurwerke unter der Aufsicht der allergeschicktesten Konstrukteure zu erbauen. Zwei von diesen Werken sind jetzt so weit vorgeschritten, daß sie Nebenbuhler ihrer Urbilder, der größten Werke Amerikas, geworden. Japan und China bauen Fabriken ganz nach neuestem vorzüglichstem Muster immer mit britischen Maschinen und gewöhnlich unter der Leitung von Engländern; Mexiko webt Baumwollstoffe, erzeugt Papier, und zwei Fahrradfabriken sind dort im Bau begriffen. Die Jute- und Baumwollfabriken Indiens sind schon jetzt zahlreich und werden noch jeden Tag zahlreicher. In Bombay führt man augenblicklich große Maschinenwerke auf. Es ist festgestellt worden, daß ein großes britisches Werk jede Woche den vollen Maschinenbedarf für eine neue Fabrik versendet. Noch besonders hier von Amerika zu sprechen, erscheint ganz unnötig. So hat jede einzelne Nation ersten Ranges oder wenigstens jede, die die Elemente zukünftiger Bedeutung in sich trägt, die Rolle, welche die Manchesterschule ihr zuschrieb, abgelehnt mit dem Ehrgeiz, für sich selbst zu fabrizieren. Die Nationalökonomie beweist jetzt, daß es der Menschheit zum Wohl gereicht, wenn die Transportkosten zwischen Stofferzeuger und Fabrikanten, wie sie durch die weite Entfernung der beiden voneinander bis dahin zu leisten waren, beseitigt werden können. Zweifellos werden Fabrikationsversuche von kleinen Gemeinwesen unternommen, fehlschlagen und wieder aufgegeben werden, im großen und ganzen jedoch erscheint der Erfolg sicher.

Einzelne Länder, besonders Deutschland und Amerika, geben sich nicht damit zufrieden, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken, sondern treten jetzt sogar als Ausfuhrländer vieler Artikel im Wettbewerb zu anderen Ländern auf. Verschiedene solcher Artikel kommen auch nach den Vereinigten Königreichen, und wenn früher andere Völker die Erfahrung machten, daß unzählige ihrer Gebrauchsartikel in Großbritannien fabriziert wurden, so kommt jetzt ein Ähnliches den Briten zum Bewußtsein. Sie müssen sich selbst eingestehen, daß sie ein gut Teil menschlicher Schwäche in sich tragen, nicht gar sehr verschieden von der Schwäche anderer Völker. Ganze Massen von Artikeln, fabriziert in Deutschland »made in Germany«, verursachen dem Engländer Nervosität. Abschlüsse für Lokomotiven, die in London, Dublin und Edinburgh mit amerikanischen Fabrikanten gemacht werden, billigt der Brite nicht. Glasgow verwirft ein amerikanisches Angebot für Wasserröhren und gibt es Glasgower Fabrikanten zu höheren Preisen. Wenn eine große Fahrradausstellung in London stattfindet, vermag man keinen Platz für amerikanische Fahrräder zu finden. Regierungsaufträge sogar für Schreibmaterialien sollen durch Einheimische gedeckt werden. Obgleich ausländischen Produkten freier Eintritt nicht verweigert wird, soll doch im Falle von Kaufaufträgen der Fremde sich nicht bemühen. Die Posten müssen mit langsamen Schiffen gehen, welche im Lande gemacht sind, selbst wenn die Post dadurch Verzögerung erleidet. Man konnte dergleichen nur erwarten und mag es sogar entschuldigen. Der ist ein schlechter Bürger, welcher sein eigenes Land nicht vorzieht und begünstigt, gegenüber fremden Ländern. Aber der Engländer dürfte dann auch erwarten, daß der Amerikaner und der Deutsche gerade so patriotisch verfahren, wie er selbst. Mit denselben Gefühlen, mit denen er in Deutschland und Amerika angefertigte Konkurrenzartikel sieht, betrachten auch naturgemäß der patriotische Deutsche und Amerikaner in England fabrizierte Konkurrenzartikel, die in ihr Land kommen.

Es ist heutzutage klar, daß die Natur mit viel volleren Händen die unumgänglich nötigen Minerale, wie Kohle, Kalk und Eisenstein, ausgestreut und die Frauen und Männer der meisten Länder mit einer nur schlummernden Geschicklichkeit ausgestattet hat, die ausreicht, unter den gegebenen Bedingungen das Rohmaterial des eigenen Landes zu verarbeiten; in vielen Fällen vielleicht nicht ganz so gut, in dem einen oder anderen Falle ebenso gut wie England und Amerika. Infolgedessen existieren jetzt nicht nur eins oder zwei, sondern viele hervorragende Industrieländer.

Die wundervollen Maschinen meist englischer Erfindung besonders in Eisen, Stahl und in Textilgewerben, befähigen den Hindu Indiens, den Paeon Mexikos, den Neger Amerikas, sowie den Chinesen und Japaner mit dem besser erzogenen Arbeiter Großbritanniens und Amerikas in Wettbewerb zu treten. Die früher so notwendige Geschicklichkeit ist heute nicht mehr so sehr erforderlich; dort wo sie in einzelnen Stellungen größerer Werke noch unentbehrlich, kann sie leicht aus den älteren Industrieländern beschafft werden. Automatische Maschinen sind heutzutage ein bedeutender Faktor für die Fabrikation von Massenartikeln; letztere können deshalb ohne die technisch erzogenen Arbeiter Britanniens und Amerikas mit Erfolg fabriziert werden. So wurde es möglich, daß Industriemittelpunkte in Ländern sich bildeten, deren Schicksal es bis in die letzten Jahre zu sein schien, auf das Erzeugnis von Rohmaterial beschränkt zu bleiben. Überall sehen wir jetzt den großen Einfluß dieses neuen Maschinenwesens. Man darf es heute als ein Axiom hinstellen, daß Rohmaterial gegenwärtig die Macht der Kapitalanziehung sowie auch die weitere Macht besitzt, Arbeit für seine Fabrikation in nächster Nachbarschaft anzuziehen und zu entwickeln; ebenso daß gelernte Arbeit seine frühere Macht, Rohmaterialien aus der Ferne an sich zu ziehen, zu verlieren anfängt; darin spricht sich nicht nur eine Veränderung, sondern eine vollständige Umwälzung aus.

Die Tätigsten und Besten jedes Landes sind bereit, alles für die Entwickelung seiner Hilfsquellen zu tun; sie halten es für ein Unrecht, die ihnen gegebenen Talente zu verbergen, und sehen jetzt deutlich und klar, wie das wahre Naturgesetz darin besteht, daß der Segen der verschiedenartigsten Industrien vielen Völkern zugute kommt, und daß dadurch die verschiedenartigsten Talente freien Spielraum finden.

Das alles konnte die Manchesterschule unmöglich voraussehen. Es ist ein Vergnügen, die Bewegungen der verschiedenartigsten Nationen auf dem Vormarsche für industriellen Fortschritt unter den neuen Bedingungen zu übersehen. Wären nur ein oder zwei Völker die Hauptindustriellen für alle Völker geworden, dann wäre eben nur der Genius dieser Völker bei dem Werke der Vervollkommnung und Erfindungen in Betracht gekommen. Heutzutage ist jedoch der Genius vieler Völker an der Arbeit und noch mehrere werden nachfolgen. Gleich erfreulich ist die Tatsache, daß der Genius eines jeden Volkes sich gewöhnlich nach einer besonderen Richtung hin vorzüglich auszeichnet. So hat beispielsweise Frankreich das Allerfeinste im Textilgewerbe beinahe monopolisiert, geradeso wie es sich schon lange der ersten Stelle in der Fabrikation von Frauenschmuck erfreut. Britannien nimmt die erste Stelle in der Maschinenfabrikation für Textilgewerbe ein. Sie, die Erfinderin der Eisen- und Stahlindustrie, ist zugleich die Führerin der Welt in der erfolgreichen Fortbildung eines Seitenzweiges der Fabrikation von Koksöfen; etwas, worin bis jetzt wir Amerikaner sogar ohne jeden Erfolg gewesen sind. Amerika hält das Feld in der Anwendung von Elektrizität und Maschinenwerkzeugen, Deutschland ist allen überlegen in chemischen Farben und hat ganz kürzlich einen Dampfkondensator erfunden, der außergewöhnliche Resultate zeigt; ebenso einen sehr bemerkenswerten Prozeß für Waffenfabrikation. So wird der Fortschritt nach allen Richtungen hin durch die Arbeiten mannigfacher Geister von verschiedener Nationalität gefördert.

Die aufstachelnde Konkurrenz, welche zwischen den Nationen begonnen hat und die, wie wir erwarten mögen, sich in Zukunft noch steigern wird, ist das rechte Mittel für Gewinnung der denkbar besten Ergebnisse; sie kann deshalb nur willkommen geheißen und ermutigt werden von denen, die sich selbst über die enge Anschauung dessen erheben, was nur für ein oder zwei geographische Breiten der Welt das beste zu sein scheint, und die dasjenige in Betracht ziehen, was das beste für das ganze menschliche Geschlecht ist.

Die tatsächliche industrielle Entwicklung der Welt nimmt allerdings eine von der vorhergesagten Entwicklung weit verschiedene Richtung. Dennoch soll das große, von der Manchesterschule geleistete Werk weder bemängelt noch vergessen werden. Villiers, Cobden, Bright und ihre Streiter haben mit der Bekämpfung der Abgaben auf Lebensmitteleinfuhr ihrem Lande einen Dienst erwiesen, für welchen es ihnen nie genug dankbar sein kann. Ihre Hingabe an die Sache des Friedens und an alles, was ihrer Idee nach dazu beitragen konnte, eine Brüderschaft der Nationen zu schaffen, gibt den Führern einen sichern Platz in der Geschichte der Wohltäter der Menschheit und als Verteidiger edler Endzwecke. Daß einige ihrer Vorhersagungen zu schänden gemacht oder geradezu ins Umgekehrte durch Kräfte verwandelt wurden, welche seit jener Zeit ihr Spiel erst begannen, stellt weder ihren Scharfsinn in Schatten, noch vermindert es ihre Verdienste.

Der Freihandel, den Manchester sah und dessen allgemeine Annahme es vorhersagte, betraf den Austausch verschiedener unter sich nicht konkurrierender Artikel und den Austausch von Rohmaterial gegen Industrieerzeugnisse: denn die Völker hatten zu jener Zeit noch nicht begonnen, unter einander in denselben Industrieerzeugnissen ernstlich zu wetteifern. Wenn das heutzutage nicht verwirklicht wurde, weil die hauptsächlichsten Nationen Verarbeiter ihren eigenen Rohmaterialien wurden, ihre Bedürfnisse selbst deckten und dabei auf dem Weltmarkte mit ähnlichen Erzeugnissen konkurrierten, so können wir uns doch andererseits dazu beglückwünschen, daß sich sogar etwas Besseres für den Fortschritt der Welt mit reißender Eile vollzogen hat als die Manchesterideale.

Es ist nutzlos, darüber Betrachtungen anzustellen, wie die Stellung der verschiedenen Nationen untereinander sich in Zukunft gestalten wird, da die bestehenden Bedingungen sich jeden Tag verändern können. Eine chemische Entdeckung, eine elektrische Erfindung, bis dahin unbekannte Eigenschaften benutzten Materials, kurz irgend dergleichen, oder irgend eine andere nicht unwahrscheinliche Überraschung, an deren Schwelle wir zeitweise zu stehen scheinen, kann eine volle Umwandlung hervorrufen. Der Ersatz des Zuckerrohres durch die Zuckerrübe hat vor nicht allzu langer Zeit Westindien vernichtet, obgleich es als Zuckerland fast ein Monopol zu besitzen schien; die Entwicklung der Mesaba-Eisenminen, verbesserte Verkehrsmittel und andere geringere Ursachen haben Amerika gerade jetzt zum billigsten Erzeuger von Stahl gemacht, während es bis dahin sein teuerster Erzeuger war; der basische Prozeß hat Deutschland in der Stahlproduktion zu einer führenden Stellung verholfen, während es vorher von diesem Gebiete gänzlich ausgeschlossen schien; derselbe Prozeß verspricht kaum weniger bedeutende Wirkungen für Großbritannien. Die Entdeckung von Bergwerken und die Ausdehnung seines Eisenbahnsystems dürften Rußland bald zu einem wichtigen Industrieland machen, während es bisher als solches nur wenig zählte. Die Ausnützung der Wasserfälle für Elektrizität, die Verschiebung der Kohle haben bereits die Veränderung einzelner Industriezentren zur Folge gehabt, und alle diese Veränderungen sind kaum von gestern.

Es scheint daher für keine Nation klug, sich törichterweise auf gegenwärtige Hilfsquellen zu steifen, aber auch ebensowenig ist es für irgend ein Volk nötig, ganz zu verzagen. Wissen wir doch nicht, was ein einziger Tag in Zukunft ans Licht zu bringen vermag.


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