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II.
Des Geldes A.B.C

Veröffentlicht zuerst 1891.

Jeder, glaube ich, der sich durch Wort oder Schrift an die Öffentlichkeit wendet, hat zeitweise den Wunsch, sein Publikum möge alles andere beiseite lassen und ihm allein für wenige Minuten seine Aufmerksamkeit schenken. Auch ich habe augenblicklich diesen Wunsch, denn ich fürchte, unser Volk und unser Land Amerika wird von einem großen Unglück bedroht, weil die Mehrheit der Landwirte und der Lohnempfänger die Frage des Geldes durchaus nicht versteht. Ich will deshalb für das, was Geld eigentlich ist, eine einfache Erklärung geben, damit jedermann imstande sei, es zu verstehen.

Vielleicht wird der eine oder der andere, den ich unter meinem Einfluß zu halten wünsche, ausrufen: »Wer bist du? eine Goldwanze, ein Millionär, ein Eisenbaron, ein Wohltatenempfänger des Mc Kinleygesetzes?« Man gestatte mir deshalb die Antwort, daß ich seit vielen Jahren auch nicht nur 1000 Dollars in Gold gesehen habe. Was das Mc Kinleygesetz angeht – nun, ich bin vielleicht der einzige Mann in den Vereinigten Staaten, der sich mit vollem Rechte über dieses Gesetz beklagen könnte; hat es doch die Zölle auf Eisen und Stahl um 20, 25, ja 30 % herabgesetzt. Trotzdem aber mißbillige ich – die Wahrheit zu sagen – diese Verminderung der Eingangszölle nicht allzusehr, denn als amerikanischer Industrieller beabsichtige ich, auch jetzt noch, nachdem die genannte Bill die Eingangszölle auf unser Produkt herabgesetzt hat, auf dem einheimischen Markt gegen das ausländische Fabrikat anzukämpfen; ich bin überhaupt nicht für den Schutzzoll, solange wir Amerikaner imstande bleiben, unseren eigenen Markt im ehrlichen Wettstreit mit den Ausländern uns zu erhalten.

Ganz gleichgültig, was wir sind – Bergwerkarbeiter, Fabrikarbeiter, Feldarbeiter, Landwirte, Handarbeiter, Kaufleute, Fabrikanten oder Millionäre – jeder von uns hat das größte Interesse, die Frage des Geldes, sowie deren kluge Behandlung zu verstehen. Ich bitte deshalb Sie alle, mir Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, denn was für den einen Arbeiter gut ist, ist auch gut für den anderen; und was den einen schädigt, muß auch den anderen schädigen, mag er arm oder reich sein.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, müssen wir zunächst wissen, warum Geld eigentlich existiert; und dann, was Geld eigentlich ist. Ich will mit Rücksicht auf einen neu erschlossenen Teil unseres modernen Amerika auseinander zu setzen versuchen, wie »Geld« entsteht. In vergangenen Zeiten, da die Menschen nur als Bodenbebauer lebten, und Handel und Gewerbe noch nicht entwickelt waren, hatten sie auch nur wenige Bedürfnisse; damals wurde alles ohne Geld, durch bloßen Austausch der Güter bewerkstelligt. Der Landwirt, der ein Paar Schuhe brauchte, gab so und so viel Korn für die Schuhe, und seine Frau kaufte ihren gegen die Sonne schützenden Hut für so und so viele Kartoffeln; auf diese Weise kam aller Kauf und Verkauf zustande – also durch Tauschhandel. Mit dem Wachsen der Bevölkerung und der Vervielfältigung der Bedürfnisse wurde bloßer Tauschhandel immer unbequemer. Daher legte der eine oder andere in dem betreffenden Bezirke ein Warenlager an, in welchem die meistnötigen Artikel zu haben waren, und nahm dafür Waren in Austausch, die der Landwirt abgeben konnte. Darin zeigte sich bereits ein großer Fortschritt; denn der Landwirt, der, wenn er ins Dorf kam, Dutzend verschiedenartige Dinge verlangte, brauchte nicht mehr länger nach einem halben Dutzend verschiedener Leute auszuschauen, die einen oder mehrere der Artikel gegen solche, die er selbst besaß, einzutauschen bereit waren. Er konnte jetzt alles bei ein und demselben Mann, dem Ladeninhaber, bekommen; bei diesem tauschte er jetzt für seine landwirtschaftlichen Erzeugnisse das meiste von dem, was er selbst brauchte, ein. Dabei war es für den Ladeninhaber ganz gleichgültig, ob er dem Ackerbauer Thee oder Kaffee, Bettdecken oder einen Hausrechen gab; ebenso machte es nicht den geringsten Unterschied, welche Artikel er von dem Ackerbauer nahm: ob Weizen, Roggen oder Kartoffeln, da er alle diese Artikel in die Stadt sandte und seine eigenen Bedürfnisse damit decken konnte. Der Landwirt vermochte sogar die Löhne seiner Arbeiter in Anweisungen für Artikel bei dem Ladeninhaber zu zahlen. Wie man sieht, erscheint bis dahin noch kein Geld. Austausch von Artikeln ist alles. Das ganze System ist sehr ungeschickt und kostspielig, da die in Tausch gegebenen landwirtschaftlichen Artikel hin und her geschleppt wurden und ihren Wert stets wechselten.

Heute ist der Ladeninhaber bereit, sagen wir, einen Scheffel Weizen für so und so viele Pfund Zucker einzutauschen, morgen oder bei einem folgenden Besuch des Landwirts ist es ihm vielleicht nicht mehr möglich, ein Gleiches zu tun; er fordert vielleicht eine größere Quantität Weizen für dieselbe Quantität Zucker. Andererseits wird der Ladeninhaber, wenn der Weizenmarkt steigt, nicht weniger Weizen verlangen als zur Zeit, da der Weizen billiger war. Und ganz dasselbe zeigt sich bei allen Artikeln, die der Ackerbauer anbieten kann. Sie alle steigen im Wert, geradeso wie Thee und Kaffee, Zucker und Kleidungsstücke, Stiefel und Schuhe, was alles der Ladeninhaber zum Tausche bereit hält.

Es braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden, daß bei all solchem Tauschhandel der Ladeninhaber einen Vorteil über den Ackerbauer besitzt. Er kennt die Marktpreise sowie deren Steigen und Fallen lange vor dem Ackerbauer, und er versteht sich auf die Zeichen der Zeit besser als irgend einer seiner Kunden. Der gerissene Ladeninhaber hat immer die beste Geschäftskenntnis. Ich möchte gerade hier darauf besonders aufmerksam machen, daß der Ladeninhaber selbstverständlich einen landwirtschaftlichen Artikel dem anderen vorzieht. Dieser Artikel wird stets der sein, für welchen der Ladeninhaber die besten Abnehmer hat, also das Meistverlangte. In den einzelnen Teilen des Landes wurden verschiedene Artikel als »Geld« besonders geeignet gefunden. Weizen war, um als Geld benutzt zu werden, ebenso gut wie Weizen überhaupt, unabhängig von jeder gesetzlichen Vorschrift. Das Volk hatte sich für Weizen entschieden und erhob Weizen zu Geld. Weil Tabak die haupsächlichste Frucht in Virginien war, hielt es das Volk für das beste, dem Tabak den Charakter des Geldes für das Land Virginien zu verleihen. Man beachte wohl, daß in all diesen Fällen die menschliche Gesellschaft dasjenige Geld nennt, was den wenigsten Preisveränderungen ausgesetzt ist, also den am meisten gebrauchten und gewünschten Artikel. Was dauernd und allgemein verlangt wird, trägt seinen Wert in sich selbst. Geld ist nur ein Name für den Artikel, der dem Austausch mit allen anderen Artikeln zu Grunde gelegt wird. Ein Artikel wird nicht erst durch Gesetz wertvoll und daraufhin als Geld gewählt, vielmehr zeigt sich der Artikel zunächst an sich wertvoll und am besten zu solchem Zwecke geeignet und wird so durch sich selbst der überall zu Grunde gelegte Artikel – Geld. Er erwählt sozusagen sich selbst dazu. Weizen und Tabak waren als allem anderen zu Grunde gelegte Artikel gerade so gut Geld, wie heute Gold und Silber Geld sind.

Gehen wir einen Schritt weiter. – Das Land wird mehr und mehr bevölkert; die Bedürfnisse des Volkes werden immer zahlreicher und zahlreicher. Der Gebrauch von Weizen und Tabak als Geld wechselt im Wert, weil beide Artikel der Zerstörung ausgesetzt und dabei von verschiedener Güte sind; sie werden deshalb für das wechselnde Tauschgeschäft bald zu beschwerlich befunden und eignen sich dann nicht mehr dazu, als Geld gebraucht zu werden. Jedermann sieht ohne weiteres ein, daß wir nicht mehr Getreide anstatt des Geldes verwenden könnten. Die Metalle zeigten ihre Vorzüge; sie sind nicht so leicht zerstörbar, ändern nicht so schnell ihren Wert und teilen mit Weizen und Tabak die wesentliche Eigenschaft, daß sie auch an sich, für andere Zwecke als den bloßen Tauschhandel, Wert besitzen. Die Menschen begehren ihrer zu persönlichem Schmuck, in Fabriken oder in den Künsten, kurz zu tausend Zwecken; gerade das macht Metalle für uns als Geld empfehlenswert. Man vergegenwärtige sich nur einmal, für wie viel verschiedene Zwecke Gold gebraucht wird, weil es eben für sie am besten geeignet ist. Wir begegnen Gold überall. Nicht einmal heiraten können wir ohne den Ring von Gold.

Da die Metalle noch zu anderen Zwecken denn als Geld benutzt werden und weil ihre Zufuhr beschränkt ist und nicht so leicht vermehrt werden kann, wie die Zufuhr von Weizen oder Tabak: so haben sie stets einen Wert auf offenen Märkten und sind auch viel weniger dem Wertwechsel ausgesetzt, denn irgend ein anderer als Geld gebrauchter Artikel. Das ist von entscheidendster Wichtigkeit, da die erste und hauptsächlichste Eigenschaft des Artikels, welchen wir als Tauschwert für alle anderen Artikel brauchen, sein feststehender Wert ist. Die menschliche Race war von jeher instinktiv auf der Suche nach einem Artikel, der am meisten dem Nordstern unter den Himmelsgestirnen gleicht, um als Geld benutzt zu werden – auf der Suche nach jenem Artikel, der in seinem Werte am beständigsten bleibt und gerade so wie der Nordstern unter den Himmelsgestirnen am wenigsten seine Wert-Stellung ändert. Was der Nordstern am weiten Himmelsgewölbe bedeutet, das ist der vom Volke als Geld erwählte Artikel im weiten Bereiche aller übrigen Artikel. Wir sind jetzt soweit vorgeschritten, daß wir die zerstörbaren Artikel fallen gelassen und die Metalle als unser Geld erwählt haben, oder, genauer gesprochen: Metalle haben sich zum Gebrauch als Geld vorteilhafter ausgewiesen, denn irgend etwas anderes. Als ich in China war, erhielt ich als Austauschmittel Abfälle und Schnitzel aus einem Silberbarren herausgeschnitten, die vor meinen Augen auf der Wage des Kaufmannes abgewogen wurden; denn die Chinesen haben kein geprägtes Geld. In Siam zahlt man mit einer hübschen Art kleiner Muscheln, die die Eingeborenen als Schmucksache benutzten. Ein Dutzend hat den Wert von einem Cent (= 4 d.). Man wird nun leicht begreifen, wie unmöglich es mir war, den chinesischen Händler daran zu hindern, daß er mir weniger Silber gab, als ich zu fordern hatte, oder auch den siamesischen Händler, mir wertlose Muscheln zu geben, da ich davon nichts verstand. Zivilisierte Nationen überzeugten sich sehr bald, wie notwendig es war, daß ihre Regierungen auf eine bestimmte Masse von Metall ihren Stempel drückten, als Garantie für richtiges Gewicht, Reinheit und vollen Wert. So entstand die Prägung der Metalle und Geld – ein großer Fortschritt. Jeder erkannte nun durch bloßes Sehen den wirklichen Wert jedes Münzstückes; er konnte also nicht länger betrogen werden, da wägen und prüfen überflüssig geworden. Wohlverstanden, die Prägung der Münze erhöhte keineswegs ihren Wert an sich. Die Regierungen haben auch nicht die Absicht, aus nichts Geld zu machen; sie lassen durch ihren Stempel nur jedermann wissen, wie hoch der Marktwert des Metalles in jedem Münzstücke, also der Marktwert des Rohmaterials – nicht etwa der Wert des Metalles als Geldstück – ist.

Doch selbst jetzt wurde vielerlei Schwindel getrieben; Halunken beschnitten die Ecken der Geldstücke und boten sie dann, nachdem die Münzen auf diese Weise sehr leicht geworden, aus. Ein begabter Franzose erfand die Rundung der Münzecken; dadurch wurde diese Räuberei unmöglich gemacht, und zivilisierte Völker hatten endlich die Münzung, welche bis auf den heutigen Tag im Gebrauch ist. Es ist die beste bisher bekannt gewordene Münzung, weil sie, in sich selbst von hohem Wert, sich am Wenigsten verändert. Zum Gebrauch als Geld ist eben der Artikel von idealer Vollendung, welcher durchaus unverändert bleibt. Darin liegt der sicherste Schutz für alle Arbeiter, Landwirte, Mechaniker u. s. w., denn nichts trägt so sehr dazu bei, jeden Austausch von Artikeln zu einer bloßen Spekulation zu machen, als Geld, dessen Wert der Veränderung unterliegt. Im Spekulationsspiel darf die große Menge sicher sein, immer von denen übervorteilt zu werden, die mit Geld handeln und das meiste von Geld verstehen. Nichts ist für den Ackerbauer, den Lohnarbeiter und für alle die, welche mit Finanzsachen nicht vollkommen vertraut sind, bei Abgabe ihrer Erzeugnisse unangenehmer als wertwechselndes Geld. Sie alle befinden sich in derselben Lage, wie ich sie vorhin zwischen Ackerbauer und Ladeninhaber geschildert. Wir alle wissen, daß Fische nicht bei stillem Wasser ihrer Beute nachsteigen; nur bei Wind und aufgeregtem Wasser hält das arme Opfer den Köder für wirkliche Beute. Geradeso geht es in der Welt mit geschäftlichen Dingen. In stürmischen Zeiten, wenn die Preise auf- und niedersteigen, und wenn der als Geld gebrauchte Artikel auf- und niedertanzt – heute hoch und morgen niedrig steht – fängt der gewiegte Spekulant den Fisch und füllt seinen Korb mit seinen Opfern. Daher sind Ackerbauer und Mechaniker, kurz alle – mögen sie eigene Erzeugnisse zu verkaufen haben oder Gehälter und Löhne beziehen – am meisten an der Sicherheit oder Unveränderlichkeit des Wertes, den sie als Geld annehmen, beteiligt. Sehr bald fand man bei dem Gebrauch der Metalle als Geld, zur Deckung aller Nachfrage, mehr als zwei Sorten von Metallen notwendig. Es wäre nicht weise, eine Goldmünze kleiner als im Werte eines Dollars zu prägen, denn solche Münzen müßten zu winzig ausfallen; ebenso wäre Silber in höherem Betrag als dem eines Dollars unbequem, weil das Münzstück zu groß ausfallen würde. Wir hatten daher weniger wertvolles Metall für kleine Summen zu gebrauchen und nahmen also zunächst Silber; doch bald stellte sich's heraus, daß wir auch Silber für kleinere als 10 Centstücke nicht verwenden konnten, denn der Dime Dime (10 Cents = 40 Pfg.). ist die in Silber kleinstmögliche Münze. Daher sahen wir uns gezwungen, für noch kleinere Werte ein anderes Metall zu benutzen, ein Metall von noch geringerem Werte als Silber. So bedienten wir uns, um Fünf-Centstücke zu schlagen, eines Gemisches von Nickel und Kupfer; wieder zeigte sichs bald, daß sogar Nickel für Ein- oder Zwei-Centstücke zu wertvoll, und so blieb uns für die Prägung dieser kleinsten Stücke nur Kupfer übrig – alles in dem Bemühen, jeder Münzsorte den Metallwert möglichst dem von der Regierung ihr zugeschriebenen Werte entsprechend zu geben. Wir bestrebten uns daher, in ein Centstück ein Stück Kupfer im Werte eines Cent und in ein Nickelstück soviel Nickel und Kupfer, als einem 5 Centstück entspricht, hineinzutun; da jedoch Nickel und Kupfer einem täglichen Wertwechsel noch mehr als Silber unterworfen sind, so ist es unmöglich, jeder Münze den vollen Metallwert zu geben. Wenn wir hineintun, was an einem bestimmten Tage dem vollen Metallwert gleichkommt, und Nickel, Kupfer und Silber dann auf dem Metallmarkt im Preise steigen, so würden die, welche mit solchen Metallen handeln, die Münzen einschmelzen und dabei ihren Gewinn machen; folgerichtig ständen wir in solchen Fällen sehr bald ganz ohne solche Münzen da. Deshalb müssen wir stets etwas weniger Metall für diese Art Münzen verwenden, damit sie nicht für den vollen Metallwert, den sie vorstellen, verkauft werden können. Aus diesem Grunde werden alle solche kleinen Münzen in der Geschichte des Geldes »Zeichen- oder Scheidemünzen« genannt. Sie gelten als ein Zeichen, welches besagt, daß man dafür so und so viel Gold erhalten kann. Jeder Besitzer von zwanzig Nickeln muß zum Empfange von einem Golddollar berechtigt sein, damit diese »Zeichen- oder Scheidemünzen« ihren Zweck als Geld zu erfüllen vermögen. Im allgemeinen setzen die Völker eine bestimmte Grenze für Benutzung der Scheidemünzen fest und rechnen sie für geringere Beträge zu gesetzlichen Zahlungsmitteln um. Beispielsweise ist in Großbritannien niemand verpflichtet, für mehr als zehn Dollars – 40 sh oder £2 – Scheidemünzen zu nehmen. Alle Silbermünzen werden in England als Scheidemünzen angesehen.

Damit ist die Entwicklung dessen, was Geld ist, abgeschlossen, denn die gemünzten und geprägten Metallstücke kennzeichnen seine höchste Vollendung. Indessen habe ich noch einige Bemerkungen über diesen Punkt hinzuzufügen.

Obgleich man denken könnte, daß wir in den geprägten Münzstücken eine absolute Vollendung erreicht haben, und daß die Massen nunmehr in dem, was für ihr Wohlergehen so wesentlich ist – nämlich: vollgiltiges Geld – nicht weiter betrogen werden können, so wurde doch selbst trotz des geprägten Goldes ein Weg ausfindig gemacht, das Publikum zu betrügen. Die Scheidemünzen wurden häufig von bedürftigen Regierungen nach erschöpfenden Kriegen oder Pestilenz herabgesetzt, wenn Völker entweder zu schwach oder zu arm waren, um sich von ihren Mißgeschicken gleich wieder zu erholen. Eine Münze wird dann eine »herabgesetzte Münze« genannt, wenn sie auf dem Markt nicht genug Metallwert hat, um die darauf durch Prägung angegebene Summe einzubringen. Dieses Verfahren, das einfach die Leute betrügt, ist nicht neu, sondern schon sehr alt. 574 Jahre vor Christi Geburt haben die Griechen ihre Münzen herabgesetzt. Das Gleiche taten die römischen Kaiser, sobald sie sich in einer finanziellen Klemme befanden. England setzte im Jahre 1300 gleichfalls seine Münzen herab. Das schottische Geld war einstmals so wertlos, daß ein Dollar (4 M.) nur 12 Cents (48 Pfennige) Metallwert besaß. Irländische, spanische, französische, deutsche Regierungen haben es alle mit herabgesetzten Münzen versucht, wenn sie keine höheren Steuern mehr auf anderem Wege herauspressen konnten. In solchen Fällen wollten sie eben von ihrem Volke auf indirektem Wege mehr Geld haben. Ihr letztes Hilfsmittel blieb immer schlechte Münze. Alles das sind alte Geschichten. Heutzutage sinken erstklassige Völker nicht mehr so weit herab. Dennoch muß ich hier eine Ausnahme von dieser Regel erwähnen. Mein Haupt beugt sich voller Scham, indem ich diese Ausnahme nenne: – Die Vereinigten Staaten von Amerika. – Jeder einzige amerikanische Silberdollar ist schlechte Münze. Wenn eine Regierung schlechte Münzen macht, schlägt sie jeder mit Bezug auf Geld gemachten Erfahrung ins Gesicht. Eine gesunde Finanzpolitik gebietet jeder Regierung, nur den vollen Wert auf ihren Münzen durch Prägungsstempel zu bescheinigen, damit das Volk nicht betrogen werde. Jedesmal wenn die Regierung einen Dollar = 371,14 Gramm Silber stampft, stampft sie eine Lüge; schmachvoll und doch, ach, nur zu wahr! denn das darin enthaltene Silber ist nicht einen Dollar, sondern bloß 78 Cent wert!

Eine andere Täuschung über das Wesen des Geldes hat oft ganze Völker ins Unglück gebracht: Die Idee, eine Regierung vermöge einfach dadurch Geld zu machen daß sie bestimmte Werte auf ein Stück Papier druckt. Das ist geradeso, als wenn der erste beste Geld machen könnte, sobald er nur eine Note ausstellt, die verspricht, 100 Dollars dafür zu zahlen. Nun, jedermann weiß, daß er durch solches Tun nicht Geld, sondern Schulden macht. Dasselbe tut jede Regierung, welche dergleichen Versprechungen für Zahlungen gibt. Und noch eine andere recht große Ähnlichkeit besteht zwischen Privatpersonen und Regierungen, die derartige Noten in großer Anzahl ausstellen: sie lösen nur selten ihre Noten durch Barzahlungen ein. Die Franzosen handelten so während der Revolution; in neuerer Zeit machten die amerikanischen Südstaaten Geld in großen Massen und gaben Bons aus, welche heute kaum das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden. Jedes Experiment dieser Art hat immer aufs neue bewiesen, daß man nicht Geld machen kann, wo kein wirklicher Wert dahinter steckt. Auch die Vereinigten Staaten hatten Bons ausgegeben, und die Angehörigen anderer Nationen kauften sie mit 40 Cts. für jeden Dollar, obgleich sie 6 % Zinsen in Gold zahlten. So groß war die Angst, daß selbst die Bons der Vereinigten Staaten keine Ausnahme von der Regel der Bons machen würden, die in Zeiten öffentlicher Krisis ausgegeben werden. Nur weil unsere Regierung strengstens ihr Wort hielt und Zinsen sowohl wie Kapital zahlte, beides in Gold, niemals aber in Silber, oder in einer anderen minderwertigen Münze, hat der Werth dieser Bons sich gehoben. Der Kredit der Vereinigten Staaten wurde der beste in der ganzen Welt; besser sogar, als der Kredit Großbritanniens. Niemals ist ein vollgiltigerer Beweis dafür erbracht worden, daß Ehrlichkeit in Geldgeschäften die beste Politik ist. Auch Noten hat die amerikanische Regierung ausgegeben, die sogenannten Greenbacks. Allein die Männer, welche das taten, waren weise genug, einen Fond von Hundert Millionen Dollars in Gold zu deren Einlösung festzulegen, sodaß jeder Besitzer eines »Greenback« zum Schatzamt gehen konnte und dort einen Dollar Gold dafür erhielt.

Doch noch eine andere Eigenschaft – von der ich jetzt sprechen will – besitzt dieses grundlegende Metall, eine Eigenschaft, die Ihnen kaum glaublich erscheinen wird. Die ganze Welt setzt solch ein Vertrauen in seinen feststehenden Wert, daß darauf sozusagen ein ganzer Turm von Kredit gebaut wird, so hoch, daß er alles Gold und Silber der Vereinigten Staaten überragt. Alle von der amerikanischen Regierung ausgegebenen Noten und Greenbacks machen infolge dieses Kredits nur 8 % des gesamten Wertverkehrs der Vereinigten Staaten aus.

Gehen Sie zu irgend einer Bank oder Kreditgesellschaft, irgend einer Mühle, einer Fabrik oder zu irgend einem anderen Geschäft oder Laden, und Sie werden finden, daß für jedes Geschäft von 100,000 Dollars nur ungefähr 8000 Dollars in wirklichem Gelde verwendet werden und zwar nur für geringe Geschäfte oder Zahlungen. 92 % aller geschäftlichen Transaktionen bewerkstelligt man durch kleine Papierstücke: Checks und Tratten. Auf derselben Grundlage beruht der Wert aller Staatsschuldscheine sowie aller von den einzelnen Landschaften und Städten ausgegebenen Schuldscheine. Diese Tausende Millionen von Schuldscheinen sind es, die unsere großen Eisenbahnsysteme überhaupt möglich machen; ebenso die Sicherheit der Tausende von Millionen ersparten Geldes, welches die große Masse in den Sparbanken niederlegt. Die Sparbanken leihen dann das Geld an verschiedene Parteien aus, die wiederum alles in gutem Gelde zurückzahlen müssen, wenn die Ersparnisse der armen Einzahler nicht teilweise oder ganz verloren gehen sollen.

Geschäft und Ausgleich werden also jetzt nicht durch Geld – will sagen durch den eigentlichen Artikel Geld – bewerkstelligt. Wie in vergangenen Zeiten die Artikel nicht mehr ausgetauscht wurden, sobald ein Metall, genannt Geld, für den Austausch der verschiedenen Werte benützt werden konnte, geradeso wird jetzt das Metall nicht mehr zu diesem Zwecke benutzt. Der Check oder die Tratte des Käufers, ein Stück Papier, das seinen Wert erst durch das in der Bank niedergelegte Gold erhält, ist alles, was zwischen Käufer und Verkäufer hin- und herwandert. Warum nimmt der Verkäufer oder der, welcher die Schuld einkassiert, dieses Stückchen Papier? Weil er darauf rechnet, das darauf hin versprochene Gold im Bedarfsfalle jederzeit dafür bekommen zu können. Zugleich weiß er, daß er das Gold selbst nicht brauchen wird, weil er alles, was er zu kaufen wünscht, für dieses selbe Stückchen Papier erhalten kann, und weil jeder, dem er etwas schuldet, gerade wie jeder Verkäufer, seinen eigenen Check – ein gleiches Stück Papier – dafür nehmen wird, und zwar anstatt Gold. Vor allem hat, und das ist das allerwichtigste, jedermann das Vertrauen, daß die Grundlage – nämlich das Gold, – seinen Wert nicht verändern wird. Denn, um es nicht zu vergessen: ein mögliches Steigen in diesem Artikel würde geradeso schlimm wirken, wie ein mögliches Fallen im Werte, da Wertunveränderlichkeit für die Massen des Volkes die wichtigste Eigenschaft des Geldes ist.

Wenn die Leute also mehr Geld für den Wertumlauf verlangen – das will sagen: eine größere Menge des Artikels, den sie für den Austausch aller anderen Artikel nötig haben – so ist leicht zu ersehen, daß nicht Geld im eigentlichsten Sinne des Wortes verlangt wird, sondern Kredit. Niemand, der Weizen oder Tabak verkaufen will, hat irgend welche Umstände, Geld dafür zu erhalten. Vor kurzer Zeit war bei uns in Amerika eine sehr schwere finanzielle Krisis. Es hieß, man könne kein Geld zu Geschäften erhalten; aber nicht das Geld mangelte, sondern der Kredit und das Vertrauen, also gerade das, worauf, wie wir früher gesehen, jede geschäftliche Transaktion – abgesehen von kleinen Einkäufen und Zahlungen, die kaum Geschäft genannt werden können – beruht. Heute wieder geht kein Geschäftsmann über die Straße, ohne daß Leute förmlich darum betteln, er möge Kredit zu sehr niedrigem Zinsfuß annehmen. Für 2 % Jahreszins kann man heute Kredit (Geld) täglich und von Tag zu Tag haben. Dennoch differierte die Summe des erlangbaren Geldes während der letzten Monate nur ganz wenig von der jetzt flüssigen Geldmenge. Vor drei Monaten war gerade so wenig oder viel Geld im Lande wie jetzt. Also nicht in Mangel an Geld bestand die Ursache der Störung. Die Grundlage, auf der die Transaktion der Zweiundneunzigtausend von jedem Hunderttausend Dollars basieren, schwankte. Das Metall selbst und die Banknoten – das eigentliche Geld – sind, wie wir gesehen haben, nur für 8000 Dollars unter je 100 000 Dollars von Wert. Hier zeigt es sich, daß die größte aller Gefahren – das Schwanken der Wertbasis – Kredit ist. Dadurch wurde die Grundlage für die vollen 92 % alles geschäftlichen Austausches, im Lande – und damit indirekt auch für die übrigen 8 % – welche durch Zahlung von Metall und Regierungsbanknoten bewerkstelligt werden, erschüttert; denn die Normalwährung ist die Grundlage für jeden Austausch, sowohl für die 92 % Papieranweisungen als auch für die 8 % der Dollars auf jedes Hunderttausend. Daraus erhellt, daß durch Untergrabung der Basis der ganze ungeheuere Bau, auf welchem all und jedes Geschäft beruht, ins Schwanken geraten muß.


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