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VII.
Reichtum und sein Gebrauch

»Reichwerden ist,« wie Gladstone einmal sagte, »das Geschäft der Welt.« Daß Gelderwerb das Geschäft der Welt ist, erhellt aus der Tatsache, daß alle jungen Leute, mit wenigen unglücklichen Ausnahmen arm geboren werden und deshalb unter dem heilsamen Einflusse des weisen Gesetzes stehen: »Im Schweiße Deines Angesichts sollst Du Dein Brot verdienen«; aus dieser Tatsache geht hervor, daß der Geldmarkt das Geschäft der Welt ist. Man sieht allgemein heutzutage Armut als ein Uebel an und bemitleidet den jungen Mann, der nicht mit einem silbernen Löffel im Munde geboren ist; ich aber unterschreibe von ganzem Herzen Präsident Garfields Ausspruch, daß das reichste Erbteil, das man einem jungen Mann von Hause aus mitzugeben vermag, die Armut ist. Ich mache mich keiner Torheit schuldig, wenn ich behaupte: gerade der Klasse der Armut entstammen die guten und großen Menschen. Nicht die Söhne der Millionäre und des Adels geben der Welt ihre Lehrer, ihre Märtyrer, ihre Erfinder, ihre Staatsmänner, ihre Dichter und selbst ihre großen Geschäftsleute. Kaum einer jener unsterblichen Namen, welche dem Menschengeschlecht außerordentliche Dienste geleistet, der nicht gewiegt, genährt und aufgebracht worden wäre in der alle Kräfte anspornenden Schule der Armut. Nichts ist so entnervend, nichts so tötlich in seinen Einwirkungen auf die Eigenschaften, die zur höchsten Vollendung, sittlich sowohl wie geistig führen, als ererbter Reichtum. Für jedweden jungen Mann, der sich nicht dazu gezwungen sieht, sein Brot selbst zu verdienen, fühle ich nur tiefes Mitleid. Sollte solch ein junger Mann dadurch, daß er ein für sich selbst und den Staat nützliches Leben führt, den Beweis liefern, eine Ausnahme von der allgemeinen Regel zu bilden, dann beuge ich mich vor ihm in vollster Hochachtung; denn derjenige, der den Versuchungen ererbten Reichtums widersteht, gehört wahrlich zum »Salz der Erde« und verdient doppelte Ehrung.

Man findet in der »New York Sun« recht viel Gutes und ich bitte Sie, mir zu erlauben, einen der vielen Licht verbreitenden Artikel des Blattes hier mitzuteilen.

»Unsere Jungen«.

Jeder Moralist, der um ein Thema verlegen, fragt immer wieder von Zeit zu Zeit: was geht mit den Söhnen unserer mächtigen und reichen Männer vor? Die Frage wird dann weiter ausgeführt durch statistische Zahlen über die Untauglichkeit und das schlechte Ende, das solche Söhne nehmen.

Der Fehler dieser Moralisten besteht darin, daß sie von Anfang an die Frage falsch stellen. Diese unklugen Söhne sind nicht gerade schlecht, sie sind nur unglücklich, dagegen stimmt etwas nicht mit ihren Vätern. Nehmen wir einmal an, ein besonders feiner Jagdhund von allerfeinster Dressur treibe eine große Menge von Hirschen in einem Park zusammen, mache dieselben fett und sage dann zu seinen Jungen: »Hier, Jungens, ich hab' mir's sauer werden lassen, all diese Hirsche zusammen zu treiben, und ich wünsche, daß Ihr selbst ein möglichst vergnügtes Leben führt. Ich bin so daran gewöhnt im Walde zu jagen, daß ich nicht davon zu lassen vermag. Ihr aber, Jungens, geht just in den Park und nehmt, was Ihr immer mögt.« Solch ein Jagdhund würde von jedem Menschenvater ausgescholten werden. Der Menschenvater würde zu einem solchen Hunde sagen: »Mein werter Herr Hund, Du richtest Deine Brut einfach zu Grunde. Bei zuviel Fleischkost ohne jede Bewegung werden sie die Räude und hundert andere Übel bekommen; und wenn ihre Unpässlichkeit sie nicht töten sollte, werden sie eine lässige, wasseräugige Schande für Dich werden. Um des Himmels Willen gib ihnen nichts als Hundebiskuit und lasse sie hart dabei arbeiten.«

»Nun, derselbe Menschen-Vater tut mit großem Stolz, wo es sich um seinen eignen Nachwuchs handelt, gerade dasselbe, was er bei jedem Hund oder jeder Katze verdammen würde. Er richtet seine Kinder geradeswegs zu Grunde und erklärt dann später, wenn er alt wird, bis zum Überfluß und voller Kummer, daß er alles für sie getan und daß sie ihm doch nur Enttäuschungen gebracht haben. Wer seinem Sohne eine von ihm selbst nicht verdiente Stellung gibt und ihn dadurch instand setzt, seinem Vater und seinen Freunden Schande zu machen, verdient in Wahrheit nicht mehr Teilnahme, als irgend ein Herr Fagin, der ganz offen einen Knaben zur Ehrlosigkeit erzieht.«

»Die fetten, durchaus nutzlosen Schoßhündchen, welche junge Damen mit sich an der Leine herumschleppen, sind selbst gewiß nicht für ihre Lässigkeit zu tadeln; ganz dasselbe trifft auf die Söhne reicher Leute zu. Die jungen Damen, die ihre Hunde überfüttern und die Väter, die ihre Söhne zu Grunde richten, haben solche Folgen nur sich selbst zuzuschreiben.«

»Niemand wird vielleicht dergleichen in Vorschlag bringen: dennoch, wer kann daran zweifeln, daß ein Gesetz, welches eine andere Art von Erbe als eine gute Erziehung und eine gute Gesundheit unmöglich machen würde, in kurzer Zeit bessere Männer hervorbringen würde?«

Das sind gesunde Ansichten. Wir pflegen zu sagen: »Wenn's in der »Sun« steht, dann ist's auch richtig.« Wenigstens ist das in diesem Falle so.

Nicht den armen jungen Mann, welcher von morgens früh bis abends spät arbeitet, brauchen wir zu bemitleiden, sondern den Sohn des reichen Mannes, welchem die Vorsehung eine ehrenvolle Tätigkeit versagt hat. Nicht dem Fleißigen, vielmehr dem Lässigen sollte unsere Teilnahme gelten; er allein erregt unsere Besorgnis. »Glücklich ist der Mann,« sagt Carlyle, »der eine ihn beglückende Arbeit gefunden«. Ich möchte sagen: Glücklich der Mann, welcher zu arbeiten und zwar lange und schwer zu arbeiten hat. Ein großer Dichter hat gesagt: »Der betet am besten, der am besten liebt.« Man könnte diesen Ausspruch dahin parodieren: »Wer am besten arbeitet, betet am besten.« Ein Tag ehrlicher, tüchtiger Arbeit ist noch nicht die schlechteste Art von Gebet.

Von allen Seiten ertönt heutzutage der Ruf: »Schafft die Armut aus der Welt!« Glücklicherweise ist das unmöglich; wir werden immer Arme neben uns haben. Was sollte aus der menschlichen Rasse werden, wenn es keine Armut mehr gäbe! Jeder Fortschritt, jede Entwicklung würde aufhören. Was für eine Zukunft wäre der Menschheit beschieden, wenn sie von den Reichen allein abhängen würde! Alles Gute und alles Große würde aufhören, und die menschliche Gesellschaft würde in Barbarei zurückfallen. Man schaffe den Luxus ab, nicht aber den Boden, auf dem alle Tugend und all das, was kostbar im menschlichen Wesen ist, gedeiht: Armut – ehrliche Armut!

Lassen Sie mich, meine verehrten Zuhörer, für einen Augenblick annehmen, daß Sie alle so glücklich sind, arm geboren zu sein: In diesem Falle muß es Ihre erste Sorge sein: was habe ich zu lernen im Interesse der Allgemeinheit, das mir genug Mittel einbringen würde, mich zu ernähren, zu kleiden; mir Obdach zu geben und mich von jeder Wohltätigkeitshilfe anderer unabhängig zu machen? Was habe ich zu tun, meinen Lebensunterhalt zu gewinnen? Nun, ein junger Mann mag sich dem einen oder dem anderen zuwenden; er mag die eine Sache lieber ergreifen als die andere; er mag ein Geschäftsmann oder Handwerker irgend welcher Art, oder ein Geistlicher, Arzt, Elektriker, Baumeister, Zeitungsredakteur oder Jurist werden – ich habe keine Zweifel, daß einzelne unter Ihnen im wildesten Flug ihrer Einbildung sich als Journalisten sehen; alles das ist ganz einerlei, solange der junge Mann den Gesichtspunkt im Auge behält: Kann ich in dem von mir erwählten Beruf eine solche Fertigkeit erlangen, daß ich durch dessen Ausübung mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen vermag?

Der junge Mann, welcher entschlossen ist, sein Leben für andere nützlich zu machen und deshalb den gerechten Anspruch erhebt, von einer dankbaren Umgebung als Entgelt die zu seinem Unterhalt nötigen Lebensmittel zu erlangen, begreift voll und ganz die höchsten Pflichten eines jungen Mannes. Er begegnet der zur Entscheidung drängendsten Lebensfrage und entscheidet diese Frage in durchaus rechtem Sinne. So weit besteht mit Bezug auf die Erlangung reichlicher Mittel keinerlei Meinungsunterschied. All und jeder gibt ohne weiteres zu, daß eines jeden erste Pflicht die Erlangung solcher Fertigkeiten ist, die ihn instand setzen, sich selbst zu erhalten. Auch bezüglich des nächsten Schrittes waltet keinerlei Schwierigkeit ob; kein junger Mann hat seine Pflicht voll und ganz erfüllt, so lange er die Wechselfälle des Lebens, die Möglichkeit von Unglücksfällen, Krankheit und schlechten Geschäftszeiten außer Acht lässt. Weisheit gebietet ihm, für solche Dinge Vorsorge zu treffen; und ein Teil seiner Pflicht und Schuldigkeit besteht geradezu darin, einen Teil seines Einkommens zu sparen und sicher anzulegen, nicht in Spekulationsobjekten, sondern in guten Sicherheiten oder Grundbesitz, oder in einem ordentlichen Geschäft und zwar so, daß daraus langsam aber sicher ein Reservefonds entsteht, auf welchen er, im Falle der Not oder auch in seinen alten Tagen zurückgreifen kann, sodaß er von seinen Ersparnissen zu leben vermag. Ich denke, wir alle stimmen darin überein, daß es gut, ja geradezu Pflicht ist, eine kleine Rente für sich zu schaffen und dadurch unsere Selbstachtung zu bewahren.

Außerdem halte ich es beinahe für ausgemacht, daß der eine oder andere meiner Zuhörer sobald wie möglich »eine gewisse junge Dame« fragen wird, ob sie sein Besitztum oder vielleicht auch seine Besitztümer mit ihm zu teilen, willens sei. Eine Heirat ist eine sehr, sehr ernste Sache und muß daher zu allerlei wichtigen Überlegungen Veranlassung geben. »Vor allem heirate eine Frau mit gesundem Menschenverstande,« so riet mir mein eigener Mentor. Ich lege Ihnen das Gleiche ans Herz. – Gesunder Menschenverstand ist die ungewöhnlichste und schätzenswerteste Eigenschaft bei Weib und Mann. Doch ehe Sie die Gelegenheit wahrnehmen, sich eine Gefährtin zu schaffen, kommt gerade ganz besonders das in Betracht, wovon ich Ihnen jetzt sprechen will: Reichtum. Nicht Reichtum in die Millionen hinein, sondern nur ein Einkommen, das groß genug ist, um bescheiden und unabhängig dabei zu leben. Damit kommen wir zur Behandlung des Themas über Reichtum in jedem eigenen und weiteren Sinne.

Was also ist Reichtum? Wie entsteht er und wie verteilt er sich? Nicht weit von hier entfernt gibt es ungeheure Kohlenlager; sie lagen Millionen von Jahren ungenutzt da. Durch irgend einen Versuch oder Zufall wurde die Entdeckung gemacht, daß diese schwarzen Steine brannten und Hitze erzeugten. Man bohrte, richtete Maschinen auf, grub und brachte Kohle zu Tage, die man dann an die Leute verkaufte. Sie ersetzte das Holz als Feuerung für ungefähr die Hälfte der Feuerungskosten. Gleich darauf war jedwedes Kohlenlager wertvoll, weil nutzbringend, oder es wurde zum mindesten möglich, es nutzbringend zu machen, und so wurde durch einen neuen Artikel, welcher Hunderte, ja Tausende von Millionen wert ist, der Reichtum der Gesamtheit bereichert. Ein schottischer Mechaniker, bemerkte, wie die Geschichte erzählt, eines Tages, während er in ein Feuer stierte, über welchem ein Kessel mit Wasser kochte, daß der Dampf den Deckel des Kessels in die Höhe hob; was Hunderttausende vor ihm schon bemerkt hatten; aber keiner von allen sah in diesem Vorgange, was der Schotte darin sah: die Dampfmaschine, welche heute die Arbeit der ganzen Welt mit einem Kostenaufwande besorgt, der im Verhältnis zu allem früher Bekannten so gering ist, daß der Reichtum der Welt dadurch in einem geradezu unschätzbaren Grade vermehrt worden ist. Ersparnisse bilden überall und immer in jeder materiellen Entwicklung die Wurzeln des Reichtums.

Der durch die Arbeit oder den Dienst eines jungen Mannes eingebrachte Reichtum steht stets im Verhältnis zu der Nützlichkeit der von ihm der Allgemeinheit geleisteten Dienste, mag diesen nun die bloße Anwendung, oder eine neue Verbesserung bestehender Arbeitsmethoden zugrunde liegen. Commodore Vanderbilt sah, wenn ich mich recht erinnere, dreizehn verschiedene kurze Eisenbahnlinien zwischen New-York und Buffalo vor sich; sie hatten dreizehn verschiedene Verwaltungen. Der Betrieb jeder einzelnen Linie bestand für sich und war sehr langweilig. Albany, Schenectady, Utica, Syracuse, Auburn Rochester u. s. w. waren die Hauptstellen für einige dieser Bahngesellschaften. Vanderbilt faßte sie alle zusammen und schuf eine einzige direkte Linie, auf welcher der Reichsexpreßzug jetzt 57 (englische) Meilen die Stunde läuft, was die schnellste Fahrgeschwindigkeit in der ganzen Welt ist; infolgedessen fahren für je einen Reisenden früherer Zeiten heute hundert Reisende täglich auf dieser Linie. Vanderbilt leistete so der Allgemeinheit einen besonderen Dienst, der, in Verbindung mit anderen, ähnlichen von ihm geleisteten Diensten, die Transportkosten für die in den Prärien des amerikanischen Westens geernteten Nahrungsmittel bis zu unserer Tür auf ein außerordentliches herabsetzte. Er brachte und bringt dadurch noch täglich der Allgemeinheit unermeßliche Reichtümer ein; der Reichtum, den er für sich selbst dabei einheimste, war nur ein Tropfen im Eimer, verglichen mit den Wohltaten, die er dadurch auf unseren Staat und unser Volk ausschüttete.

In früheren Zeiten, als weder Dampfkraft, noch Elektrizität noch irgend eine andere jener modernen Erfindungen bekannt waren, welche das Antlitz der Welt vollkommen verwandelten, wurde alles in kleinem Maßstabe angefangen. In jenen Zeiten war kein Raum für die Ausführung großer Ideen in großem Maßstabe, was doch allein dem Erfinder, Entdecker, Erzeuger oder Organisator große Reichtümer verheißt. Die neuen Erfindungen schufen erst eine solche Möglichkeit, und viele große Vermögen wurden dadurch von einzelnen Leuten erworben. Gegenwärtig jedoch überschreiten wir außerordentlich schnell, ja haben vielleicht dieses Stadium der Entwickelung schon überschritten; nur selten noch können unter ganz besonderen Verhältnissen große Vermögen erworben werden, wenn wir von den mit der Steigerung des Grundbesitzes verbundenen Möglichkeiten absehen; Fabrikwesen, Verkehrsanstalten, sowohl zu Land wie zur See, Bank- und Versicherungsgeschäfte – alles das liegt in den Händen von Gesellschaften, die aus Hunderten, ja Tausenden von Aktieninhabern bestehen. Die New-York-Zentralbahn gehört mehr als zehntausend Aktienbesitzern, die Pensylvania-Eisenbahn gehört mehr Leuten, als Angestellte bei dieser Bahn vorhanden sind, und fast ein volles Viertel ihres Besitzers gehört davon Frauen und Kindern. Geradeso verhält es sich mit den großen Industriegesellschaften, mit den großen Dampfschifflinien; ebenso, wie Jedermann weiß, mit Banken, Versicherungsgesellschaften und mehr oder weniger mit allen Geschäftszweigen. Trotzdem ist es ein großer Irrtum, wenn junge Leute behaupten: »Oh, wir können jetzt überhaupt in kein Geschäft hineinkommen!« Jeder der auch nur 50 oder 100 Dollars gespart, kann bei jedweder Art von Geschäft sofort eine Beteiligung finden: Er kann sein Aktienzertifikat erhalten und den Generalversammlungen der Aktionäre beiwohnen, kann Reden halten und Ratschläge geben, mit dem Präsidenten streiten, die Verwaltung der Gesellschaft bemäkeln und hat alle Rechte und jeden Einfluß eines Eigentümers; er kann allerlei Arten von Aktien kaufen, von Zeitungsaktien angefangen bis zu Pachtgrundstücken. Dennoch: Kapital wirft heutzutage so wenige Zinsen ab, daß ich jedermann raten möchte, sich gar wohl vorzusehen, bevor er sein Geld anlegt. Ich habe schon früher Arbeitsleuten und Geistlichen, gelehrten Professoren, Künstlern, Musikern und Aerzten, sowie allen ähnlichen Berufsklassen den Rat gegeben: Legt Euer Geld nicht in Geschäften an; Geschäfte sind nicht für Euresgleichen. Kauft Euch zunächst ein eigenes Heim, habt Ihr dann noch überflüssiges Kapital, so legt dasselbe in weiterem Hausbesitz an; oder erwerbt eine Grundschuld auf Hausbesitz oder auf eine Eisenbahn; aber nehmt nur erste Hypothek und begnügt Euch mit einem kleinen Zinsfuß. Man sollte bedenken, daß unter je hundert Leuten, die auf eigene Hand Geschäfte betreiben, immer fünfundneunzig früher oder später zu Grunde gehen. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Ich könnte hier Hudibras' Verse zitieren und Sie versichern, soweit Fabrikation in Betracht kommt, ist, was er als Wahrheit erkannte, auch heute noch zum großen Teil volle Wahrheit:

(Ay me! What perils do environ
The man, that meddles with cold iron.)
»Oh, welch' Gefahren doch umkreisen
Den, der sich einläßt mit kaltem Eisen.«

Die Besitzer unserer bestehenden Eisen- und Stahlgeschäfte können bezeugen, daß dem so ist, mag es sich nun um kaltes oder warmes Eisen oder Stahl handeln;, ganz das Gleiche trifft auf andere Geschäfte zu.

Die hauptsächlichste Klage gegen unsere gegenwärtigen industriellen Verhältnisse besteht darin, daß sie große Reichtümer in die Hände weniger fließen lassen. Ja, in die Hände sehr weniger, das ist wahr. So verhielt es sich wie ich bereits auseinandergesetzt allerdings früher, unmittelbar nachdem die neuen Erfindungen die Weltverhältnisse umgestaltet hatten; doch heutzutage trifft, das nicht mehr zu. Reichtum verteilt sich jetzt immer mehr und mehr unter vielen. Der Teil des durch Arbeit und Kapital gemeinschaftlich erworbenen Nutzens, welcher jetzt der Arbeit zufällt, war niemals so groß, und der dem Kapital zufallende Gewinnanteil niemals so gering wie heutzutage. Während der Gewinn aus Kapitalvermögen um mehr als die Hälfte gefallen, ja teilweise ganz verschwunden ist, waren, wie die Statistik nachweist, die Arbeitslöhne niemals so hoch, wie sie bis zu der letzten Geschäftskrise waren; zu gleicher Zeit sind die Kosten für die notwendigen Lebensmittel fast um die Hälfte gefallen. Großbritannien hat dauernd eine Einkommensteuer, und unser Amerika ist zeitweise derselben Steuer unterworfen gewesen. Aus den Aufstellungen für diese Steuer ergibt sich, daß während der letzten elf Jahre – von 1876-1887 – die Zahl der Personen mit einem jährlichen Einkommen von 3150 bis 10 500 Mk. um mehr als 21 Prozent gestiegen, während die Zahl derjenigen, die 21 000 bis 105 000 Mk. Einkommen haben, tatsächlich um 2,1–2 Prozent gefallen ist.

Man darf dessen sicher sein: die Verteilung des Reichtums unter den gegenwärtigen Verhältnissen greift geradezu reißend um sich und geht ganz von selbst in wohltuender Richtung vor sich. Die wenigen Reichen werden täglich ärmer und die arbeitenden Klassen täglich reicher. Nichtsdestoweniger werden einzelne Leute noch immer große Reichtümer erwerben; doch nicht mehr so viel und so oft wie früher. Vielleicht ist das für die große Menge nicht gerade so vorteilhaft, wie viele glauben, da große Mittel in den Händen eines unternehmenden Mannes, der immer noch weiter fortarbeitet, manchesmal die produktivste Form alles Reichtums darstellen. Betrachten Sie den reichsten, den jemals die Welt gesehen, und der vor einigen Jahren in New-York starb; was stellte sich dabei heraus? Daß, von einer geringfügigen Summe für seine eigenen täglichen Bedürfnisse abgesehen, sein ganzes Vermögen und all sein Überfluß an Gewinn in Unternehmungen gesteckt war, welche das Eisenbahnsystem unseres Landes (Amerika) vervollkommneten, was unserem Volke die billigsten Verkehrsmittel in der ganzen Welt sicherte. Ob der Millionär will oder nicht, unter den nun einmal bestehenden Verhältnissen kann er das Gesetz nicht umgehen, das ihn zwingt, seine Millionen zum Besten der Gesamtheit zu verwenden. Alles, was er selbst von seinen Reichtümern hat, besteht darin, daß er während seiner kurzen Lebensspanne in einem feineren Hause leben und sich mit feinen Möbeln umgeben kann, denen er Werke der Kunst hinzugesellt; er könnte selbst eine größere Bibliothek und damit mehr des Göttlichen um sich haben; allein, soweit ich Millionäre kennen gelernt habe, ist eine Bibliothek das letzte, was sie in ihrem Hause für notwendig halten. Er kann besser essen und schwere Weine trinken; doch das würde ihm nur schaden. Tatsächlich lebt der moderne Millionär im allgemeinen sehr einfach; er ist oft sogar knauserig in seinen Gewohnheiten. Er gibt für sich selbst recht wenig aus und ist die Arbeitsbiene, die in dem Bienenkorb der Industrie ihren Honig aufsammelt, dessen alle Einwohner des Bienenkorbes – die ganze Allgemeinheit, sich zu erfreuen die Gewißheit haben. Herr Karper hat vor dem für den Streitfall über die Behringstraße zu Paris eingesetzten Gerichtshof in einer bemerkenswerten Rede den Millionär vollkommen richtig und zutreffend, wie folgt, beschrieben:

»Diejenigen, die in Erwerbung von Eigentum am erfolgreichsten sind und Reichtümer in ungeheuren Massen erwarben, verstehen Reichtum auch am besten zu kontrollieren und anzulegen. Sie handhaben das Geld in einer Weise, welche der Gesellschaft den meisten Nutzen bringt. Nur weil sie die hier aufgeführten Eigenschaften besitzen, sind sie fähig, Reichtümer in großen Massen zu erwerben. Tatsächlich besitzen sie doch eigentlich nur das, was sie selbst verbrauchen. Was darüber hinausgeht, wird von ihnen zum allgemeinen Besten verwendet. Sie sind nichts anderes als die Hüter ihrer Reichtümer. Sie legen diese Reichtümer an und sehen danach, daß das Geld auf verschiedenen Wegen nutzbringend wird. Allerlei Arbeitskräfte erhalten dabei Beschäftigung, und zwar Beschäftigung auf die beste Art; sie werden erst dadurch produktiv gemacht. Die Leute, welche hunderte von Millionen besitzen, stöhnen tatsächlich unter ihrer im Interesse der ganzen übrigen menschlichen Gesellschaft übernommenen Knechtschaft; denn nichts anderes als Knechtschaft ist es. Die Gesellschaft aber läßt sich das sehr wohl gefallen, weil es so, wie es ist, am besten für die Allgemeinheit ist.«

Und hier eine andere Schätzung von einem nicht weniger bekannten Mann. Unser Freund, Herr Dana, sagte unlängst zu Cornell: »Die eine Klasse von Leuten, über die ich sprechen will, sind die Denker, die Männer der Wissenschaft, die Erfinder; die andere Klasse besteht aus denen, welche die Vorsehung mit dem Genie des Sparens, des Reichwerdens und des Geldansammelns und Schätzeanhäufens bedacht hat: Männer, gegen welche öffentlich aufzutreten, jetzt zur Mode geworden, und gegen welche sogar die Gesetzgebung zeitweise gerichtet ist. Und doch, gibt es wirklich einen Wohltäter der Menschheit, welcher in dem, was er vollbracht, und in dem Andenken und den Monumenten, die er hinterlassen, mehr zu beneiden wäre, als Ezra Cornell? Oder, um ein anderes Beispiel zu wählen, mehr als Henry W. Sage? Solche Männer verstanden es, reich zu werden, eben weil sie mit den dazu nötigen Gaben ausgerüstet waren und sie verstanden, sobald sie reich geworden, ihr Geld für große öffentliche Unternehmungen anzuwenden zu Zwecken, die unsterblich sind und deshalb dauern werden, solange Menschen auf Erden leben. Die Männer des Genies und die Männer des Reichtums – die einen durch Eröffnung neuer Lebensbahnen, die anderen durch Anhäufung und Ersparung großer Mittel für große Unternehmungen und große öffentliche Zwecke – sind jetzt, da sich das zwanzigste Jahrhundert uns öffnet, die eigentlichen und unschätzbaren Führer der Welt.« Die Bienen im Bienenkorbe töten nicht die honigmachenden Bienen, sondern nur die Drohnen. Eine Beseitigung der Millionäre wäre für die Allgemeinheit ein großes Unglück; denn die Millionäre sind die Bienen, welche den Honig produzieren und das meiste davon im Bienenkorbe aufspeichern, selbst wenn sie sich selbst dabei vollsaugen. Es ist gewiß eine bemerkenswerte Tatsache, daß die Volksmassen eines jeden Landes sich wohl und gedeihlich befinden im Verhältnis zu der Zahl der in dem betreffenden Lande lebenden Millionäre. Man nehme Rußland mit seiner fast im Zustand der Sklaverei lebenden Bevölkerung, halb hungernd, und dazu bei einer Kost, die niemand in ganz Amerika essen könnte oder essen würde! Kaum einen einzigen Millionär findet man in ganz Rußland – wenn man den Czar und eine Anzahl Adeliger ausnimmt, welche dank dem dort herrschenden politischen System den ganzen Grund und Boden besitzen. Diese Behauptung Carnegies trifft heute keineswegs mehr voll zu; es gibt neben den Großgrundbesitzern auch noch andere sehr reiche Leute in Rußland. In einem großen Maße ist dasselbe in Deutschland der Fall. So viel ich weiß, gibt es im ganzen deutschen Reiche nur zwei Millionäre. Auch das ist unrichtig; es gibt heute eine ganze Anzahl von Deutschen, welche, selbst nach Engl. Pf. Sterl. gerechnet, mehrfache Millionäre sind. Außerdem lebt der kleine Bürgerstand in keinem anderen Lande der Welt so billig und angenehm, wie in Deutschland. In Frankreich, wo das Volk in besseren Verhältnissen als in Deutschland lebt, zählt man kaum durch das ganze Land ein halbes Dutzend Millionäre. In der alten Heimat unserer Race, in Großbritannien, dem reichsten Lande Europas, ja dem reichsten Lande der ganzen Welt – wenn wir einmal von Amerika absehen – gibt es mehr Millionäre als in dem ganzen übrigen Europa zusammengenommen, und das Volk lebt dort besser, als in irgend einem anderen Lande. Auch das ist nicht ganz zutreffend. In keiner anderen Stadt Europas, ja vielleicht der Welt, gibt es ein solches Elend, wie in London! (Siehe Charles Booth: Life and Labors of the London People.) Blicken wir auf unser Amerika: wir haben mehr Millionäre als die ganze übrige Welt zusammengenommen, obgleich tatsächlich kaum einer unter zehn, die dafür gelten, wirklich ein Millionär ist. Ich habe eine Liste vermeintlicher Millionäre gesehen, die ein Jurist in Brooklyn aufgestellt hatte; sie machte mich selbst sowie viele andere geradezu lachen. Ich sah darin Leute als Millionäre aufgeführt, die nicht einmal imstande sind, ihre Schulden zu bezahlen. Bei vielen konnte man von ihrer Million ganz ruhig eine Null fortstreichen. Vor einiger Zeit saß ich bei einem Diner an der Seite eines Herrn, dessen Unterhaltung die Idee anregte, daß reiche Leute ihre Reichtümer während ihres Lebens zu öffentlichen Zwecken verteilen sollten. Ein anderer Herr hielt die Idee für durchaus gesund und gab dabei ganz selbstverständlich unter seinen Gründen dafür auch den an: Niemand könne bei seinem Tode seine Reichtümer mit sich nehmen.

»Ja,« sagte der erste Herr, ein bekannter Anwalt, »ich weiß nichts Näheres darüber. Aber meine Erfahrung als New-Yorker Rechtsanwalt spricht dafür, daß die Millionäre in der einen oder anderen Art zum mindesten volle vier Fünftel ihrer Reichtümer mit sich nehmen müssen.« Bei dem Tode der Betreffenden fand sich nämlich nichts von dem vielbesprochenen Reichtume vor. Was ideale Verhältnisse uns immer in Zukunft bringen mögen: für die bestehenden Lebensbedingungen behalten meiner Ansicht nach die Herren Carter und Dana Recht, denn wie die Dinge nun einmal liegen, ist der Millionär, welcher weiter fortarbeitet, der billigste Artikel, den die Allgemeinheit für den Preis, den sie dafür bezahlt – nämlich: Obdach, Kleidung und Nahrung – zu produzieren vermag.

Die Erfindungen der Gegenwart haben eine Konzentration aller industriellen und geschäftlichen Unternehmungen in ungeheure Betriebe zur Folge. Man kann beispielsweise das Verfahren Bessemers nicht erfolgreich anwenden, ohne tausende von Menschen an einem Punkte zu beschäftigen. Es wäre unmöglich, die Armierung für Schiffe auszuführen, ohne vorher, wie die Bethlehem-Gesellschaft, sieben Millionen Dollars auszugeben. Niemand vermöchte auch nur ein einziges Meter Baumwolle angesichts der großen Weltkonkurrenz zu fabrizieren, ohne eine ungeheure Fabrik und ohne tausende von Arbeitern und Arbeiterinnen. Die große elektrische Anlage hier in dieser Stadt Stadt Chenectady im Staate New-York, wo der Verfasser diese Vorlesung zuerst hielt (1895). konnte nur erfolgreich sein, weil Millionen hineingesteckt wurden, um die elektrischen Werke in großem Stile zu betreiben. Unter solchen Bedingungen muß das Geld notwendigerweise bei guten Zeiten in die Hände weniger fließen, weit über deren persönliche Bedürfnisse hinaus. Dennoch fand sich unter fünfzig Leuten, die ein großes Vermögen erworben, nur ein einziger, der durch Fabrikation reich geworden war. Große Vermögen werden durch Besitz von Grund und Boden allein mehr gewonnen, denn durch alle andern Geschäftszweige zusammengenommen. Unmittelbar nach dem Grundbesitz kommt in dieser Beziehung das Verkehrs- und Bankwesen. Die ganze Fabrikwelt hatte nur einen einzigen Millionär aufzuweisen.

Doch angenommen, aller übergroßer Reichtum flösse in die Hände weniger zusammen, was würde die Pflicht dieser wenigen sein? Wie kann der Kampf um den Dollar aus der schmutzigen Atmosphäre, die jedes Geschäft umgibt, zu einer reineren Sphäre erhoben werden?

Reichtum wurde bisher auf drei verschiedene Arten verteilt: die erste und hauptsächlichste ist seine Hinterlassenschaft an die eigene Familie im Todesfalle. Ist nun die Vererbung von mehr als einer Rente, die unsern Angehörigen ein bescheidenes und unabhängiges Dasein gewährleistet, weise oder auch nur recht zu nennen? Ich bitte Sie, überdenken Sie die gewöhnliche Folge davon, wenn jemand jungen Männern und Frauen, Söhnen und Töchtern Millionen hinterläßt. Im allgemeinen bringt dergleichen den Millionärstöchtern kein Glück, wie am besten aus dem Charakter der Männer erhellt, die sie heiraten. Was die Millionärssöhne anbetrifft – nun der von mir vorher mitgeteilte Artikel aus der ›Sun‹ schildert durchaus wahrheitsgetreu die Folgen. Nichts ist so wahr, als daß der »allmächtige Dollar«, in Millionen an Töchter und Söhne vererbt, zum allmächtigen Fluche wird. Der Millionär, der seinen Kindern ungeheure Vermögen vermacht, hat nicht das Beste seines Kindes, sondern nur seine eigne Eitelkeit im Auge. Nicht Liebe zu seinem Kinde, sondern seine Selbstglorifizierung liegt einer so verderblichen Verteilung des Reichtums zu Grunde. Nur das eine läßt sich zu Gunsten solchen Verhaltens sagen: es bildet eines der bisher bekannten wirksamsten Mittel für eine überschnelle Wiederzerstreuung des Reichtums.

Ein anderer, weiterer Gebrauch des Reichtums, weniger allgemein, als der soeben erwähnte, schädigt die Allgemeinheit nicht in so hohem Maße, macht aber doch dem Erblasser wenig Ehre. Viele Millionäre vermachen ihr Geld öffentlichen Anstalten, und das auch erst dann, wenn sie von ihren Reichtümern lassen müssen. Darin liegt weder Edelmut noch Segen: etwas fortzugeben, was man selber nicht länger zu behalten vermag! Die schlechte Verwaltung solcher Vermächtnisse, die damit gewöhnlich verbundenen Beschränkungen und die Art und Weise, in der sie zerstückelt werden, alles das scheint dafür zu sprechen, daß die Schicksalsgöttinnen sie nicht mit besonders günstigen Augen ansehen. Immer und immer finden wir Beweise für die Lehre: der einzige Weg für den Millionär, durch große Schenkungen dauernd Gutes zu stiften, ist der, schon während seines Lebens die Verteilung seiner Reichtümer mit derselben Sorgfalt zu behandeln, die er bei ihrem Erwerbe zeigte. Eben jetzt haben wir dafür ein geradezu klassisches Beispiel: ein großer Jurist hat fünf oder sechs Millionen Dollars einer öffentlichen Bücherei in New-York hinterlassen – einer Einrichtung, die so außerordentlich notwendig ist, daß die Nichtrealisierung dieser Stiftung direkt als ein Unglück erscheint. Er ist nun seit Jahren tot; das Testament aber wurde infolge eines Formfehlers für ungiltig erklärt, obgleich an den Absichten des Erblassers nicht der geringste Zweifel sein kann. Das Ganze ist eine traurige Travestie auf die Torheit derjenigen, die Millionen besitzen, welche ihnen selbst von keinerlei Nutzen und von denen sie sich doch nicht bis zu ihrem Ende zu trennen vermögen. Peter Cooper, Pratt aus Baltimore und Pratt aus Brooklyn, sowie andere zeigen die rechte Art von Männern, welche man sich zum Beispiel nehmen sollte: sie verteilten ihren Überfluß schon während ihres Lebens.

Die dritte und einzig edle Art für den Gebrauch von Reichtum ist die folgende: Man sehe Reichtum als ein geheiligt anvertrautes Pfand an, das von demjenigen, in dessen Hände es floß, für die höchsten Güter des Volkes zu verwenden ist. Der Mensch lebt nicht von Brot allein, und fünf oder zehn Prozent mehr Einkommen, über tausende zersplittert, würde wenig oder gar nichts Gutes zur Folge haben. Zu einem großen Fond gehäuft und dann ähnlich verwendet, wie Cooper sein Geld für das Cooper-Institut verwendete, begründet es etwas, das ganze Geschlechte überdauert. Es dient zur Erziehung des Geistes, zur höheren Bildung der Menschen. Es versieht den Armen, sobald er es nur wünscht, mit einer Leiter, vermittelst der er emporzuklimmen vermag; dagegen ist es unnütz, Leuten helfen zu wollen, die sich selbst nicht helfen wollen oder können. Man kann niemanden eine Leiter hinaufstoßen; es sei denn, daß er den Willen besitzt, auch aus eignen Kräften ein wenig zu klettern. Sonst fällt er, wenn man ihn losläßt, wieder herunter und nur zu seinem eigenen Schaden. Deshalb wiederhole ich hier, was ich schon öfter gesagt: der Tag ist nahe – ja wir erkennen bereits seinen Anbruch – an welchem der Besitzer von Millionen brach liegenden, ihm frei zur Verfügung stehenden Reichtums, in Unehren sterben wird. Selbstverständlich spreche ich nicht von dem Geschäftsmanne, der sein Kapital nicht aus seinem Geschäft nehmen darf; denn dieses Kapital ist sein Werkzeug, mit dem er Wunder wirkt und noch weiteren Reichtum erzeugt. Ich spreche von denjenigen, die Millionen in zinstragenden sichern Anlagen besitzen und bei sich halten, nur, um noch weiter elende Dollars hinzuzufügen. Dadurch erst, daß man seinen überflüssigen Reichtum schon während seines Lebens richtig anwendet, wird großer Reichtum für die Allgemeinheit zum Segen; auch wird auf diese Weise der Geschäftsmann, welcher Reichtum aufhäuft, so hoch erhoben, wie die Vertreter der allervornehmsten Berufe. Er mag alsdann seinen Stand selbst neben dem des Arztes, einem der vornehmsten aller Berufe einnehmen, denn auch er wird dabei eine Art Arzt, welcher, wenn auch menschliche Übel nicht zu heilen, so doch sehr wohl ihnen vorzubeugen vermag. Denen, die eine geschäftliche Laufbahn einzuschlagen und Reichtümer anzuhäufen willens sind, empfehle ich diese Anschauung. Die Grabschrift, welche jeder reiche Mann für sich selbst wünschen sollte, prangt auf dem Denkmal Pitts: »Er lebte ohne jede Schaustellung seiner selbst und starb arm.« So sollte der Mann beschaffen sein, welchen zukünftige Zeiten ehren werden; dagegen wird der, welcher, nachdem er sich vom Geschäft zurückgezogen, im Besitze von Millionen ungenutzten Reichtums stirbt, unbeweint, ungeehrt und unbesungen sterben.

Ich möchte alle jungen Leute in vier Klassen teilen: Zunächst diejenigen, welche für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen und deshalb den Vorsatz haben, eine bescheidene Rente zu erwerben – selbstverständlich mit einem bescheidenen und malerisch gelegenen Landhäuschen, sich zur Seite eine Gefährtin, die Sonne bringt in dunklen Platz und der gute Engel seines Lebens ist. Das Motto dieser ersten Klasse dürfte sein: »Gib mir weder Armut noch Reichtum. Halte fern von uns, o Herr, die Ängste der Armut und die Verantwortlichkeiten des Reichtums.«

Zweite Klasse: Diejenigen, die alles daran setzen, reich zu werden, um später zu der viel besprochenen und ungeheuerlich geschmähten Klasse der Millionäre zu gehören; also solche, welche darauf ausgehen, das höchste Gute in höchster Nummer zu erreichen; diese größte Nummer ist zugleich Nummer eins und das Motto dieser Klasse ist kurz und klar: »Tue Geld in Deinen Beutel.«

Endlich kommen wir zur dritten Klasse. Die Gottheit, welche sie anbeten, ist weder Reichtum, noch Glück. Sie sind entflammt von »edlem Ehrgeiz«. Sucht nach Ruhm beherrscht ihr ganzes Dasein. Vor dem Schreine des Ruhmes knieen gar viele Anbeter. Eitelkeit macht sich am deutlichsten erkennbar unter denen, die vor die Öffentlichkeit treten. Es ist allbekannt, daß beispielsweise Musiker, Schauspieler und selbst Maler – also alle Künstler, von einer außergewöhnlichen, persönlichen Eitelkeit besessen sind. Vielen erscheint das wunderbar; die Ursache dafür liegt vielleicht darin, daß Musiker, wie Schauspieler und sogar Maler in ihrer Art Vorzügliches leisten können, ohne eine höhere Bildung und ohne einen umfassenden Geist. Besonderheiten seines Wesens, gewisse Eigenheiten seines Charakters mögen ihm hervorragende Bedeutung oder auch Ruhm sichern, sodaß seine Liebe zur Kunst oder ihre Betätigung durch die Kunst vollkommen durch eine beschränkte oder selbstische persönliche Eitelkeit erstickt wird. Ja, wir finden diese Schwäche mehr oder weniger bei allen öffentlichen Berufen: beim Politiker, beim Juristen und sogar oft, mit aller Ehrfurcht sei es ausgesprochen, auch beim Geistlichen; weniger, wie ich glaube, bei Ärzten, weil der Zwang ihres Berufes sie den traurigen Wirklichkeiten des Lebens unmittelbar gegenüberstellt. Dem Arzte vor allen anderen kommt die Eitelkeit aller Eitelkeiten zum Bewußtsein. Eine treffliche Beschreibung dieser Klasse findet sich in Hotspur's Worten:

By heavens, methinks it were an easy leap,
To bluck bright honour from the pale-faced moon;
Or dive into the bottom of the deep,
Where fathom – line could never touch the ground,
An pluck up drowned honour by the locks;
So he, that doth redeem her thence might wear
Without corrival all her dignities. (Henr IVth L. A. I. Sc. 3.)

Merken Sie wohl darauf, meine jungen Freunde, er schert sich nicht um Nutzen; nicht um den Staat; er hat nur sich selbst im Auge, er schreitet über die Bühne wie ein aufgeblasener Pfau.

Alles in allem genommen, möchte ich beinahe behaupten, daß die Liebe zum Reichtum nicht so viele gefangen hält, wie die Liebe zum Ruhm, etwas, wofür wir uns beglückwünschen können, denn es beweist, daß unter den unwiderstehlichen Gesetzen der Entwickelung die menschliche Race sich langsam, dafür aber dauernd in aufsteigender Linie entwickelt. Nehmen Sie die ganze Welt der Künstler, welche dem Leben Süßigkeit und Licht verleihen und unser Dasein verfeinern und schmuckem ganz sicher, der große Tonsetzer, Maler, Pianist, Jurist, Richter und Staatsmann, mit einem Worte alle die, welche im öffentlichen Leben stehen, machen sich weniger aus millionenhaftem Reichtum, als aus dem Rufe, den sie auf ihren besonderen Arbeitsgebieten genießen. Was machten sich Washington, Franklin, Lincoln oder Grant und Sherman aus Reichtümern? Was die Richter unseres obersten Gerichtshofes und selbst die großen Advokaten, die vor ihnen plädieren, daraus? Die großen Prediger, Ärzte und Lehrer sehen nicht nach Erwerbung von Reichtum. Der Schatz, nach welchen sie streben, besteht in dem Rufe, den sie sich durch die Dienste im Interesse ihrer Mitmenschen erwerben; darin liegt zweifellos ein Schritt aufwärts über den Millionär hinaus, der bis ins hohe Alter hinein kämpft, seine alten Tage hindurch, selbst bis zum Rande des Grabes, augenscheinlich von keinem anderen Ehrgeiz beseelt, als zu seiner Masse elender Dollars noch andere hinzuzufügen.

Doch es gibt noch eine vierte Klasse; sie steht höher als alle vorher genannten; sie gehört weder zu den Anbetern des Reichtums noch des Ruhmes; dafür knieet sie vor dem Schreine des Öffentlichen Dienstes – des Dienstes für die menschliche Race. Selbstlosigkeit ist ihre Parole. Die Mitglieder dieses engen und höheren Kreises erstreben nicht Beifall; sie dürsten nicht nach Popularität, sondern einzig und allein danach, Recht zu tun. Sie sagen wie Confucius: Ich frage nichts nach hohen Ämtern, aber ich sorge dafür, mich jedes hohen Amtes wert zu machen.« Diese Klasse wird weder von Armut bedrückt, noch über die Maßen von Reichtum erhoben. Derjenige, welcher ihr angehört, strebt einfach nach Erfüllung seiner täglichen Pflicht in einer Art und Weise, die ihm selbst zur Ehre gereicht; nichts fürchtet er so sehr, wie seine Selbstvorwürfe. Ich habe Männer und Frauen gekannt, von denen die Welt nie etwas erfahren, denn diese Klasse von Leuten erstrebt keine besondere Bedeutung, und doch hatten sie durch ihr Leben diesen idealen Zustand erreicht. Auf diese Klasse finden die Worte eines leider allzu jung verstorbenen schottischen Dichters Anwendung:

»I will go forth' mong men, not mailed in scorn,
But in the armour of a pure intent.
Great duties are before me, and great songs;
And whether crowned or crownless, when I fall,
It matters not, so as God's work is done.
I've learned to prize the quiet lightning deed,
Not the applauding thunder at its heels –
Which men call fame.«

»Ich schreit' zum Volk hinaus, nicht mit Verachtung
Gepanzert, nein; im Kleide edlen Wollens!
Sind hehr doch meine Pflichten, meine Lieder;
Und fall ich dann – mit oder ohne Lorbeer –
Mir gilt es gleich, tat ich nur Gottes Werk!
Ich preis' die lautlos hellen Geistesblitze,
Die nicht gefolgt von jenem Beifallsdonner,
Den Ruhm die Menschen nennen.«)

Sie haben hier, meine jungen Freunde, die Sie noch im Anfang Ihrer Lebenslaufbahn stehen, die drei verschiedenen Arten von Menschen vergegenwärtigt: die guten, die besseren und die allerbesten – die drei Stadien menschlicher Entwickelung! Die natürliche, die mehr geistige und endlich die himmlische Entwickelung, wie man sie wohl nennen könnte. Die eine strebt nach Erfolg in materiellen Dingen – nicht ohne wohltätige Folgen für die menschliche Race als Ganzes, da es den einzelnen aus dem Tierischen erhebt, und die Ausübung mannigfacher wertvoller Eigenschaften voraussetzt: Nüchternheit, Fleiß und Selbstdisziplin. Die zweite Klasse erhebt sich noch höher: sie sucht ihren Lohn in mehr geistigen Dingen – diese Belohnung ist nicht massig und materiell, sondern mehr unsichtbar; sie ist nicht fleischlich, sondern geistig, sie bringt unzählige Tugenden zu Tage, welche gute und nützliche Menschen machen.

Die dritte oder himmlische Klasse steht von den zwei anderen ganz abgetrennt da; in ihr sind alle selbstischen Rücksichten der auserwählten Brüderschaft der Besten untergeordnet, und ihre ersten Gedanken gelten stets dem Dienste anderer. Sie denken nicht an eine Belohnung durch Reichtum oder Ruhm, denn sie haben gelernt und wissen vollauf, daß die Tugend ihre beste und sicherste Belohnung in sich selbst trägt, und daß für den, der sich dieses Lohnes erfreut, kein anderer Lohn mehr erstrebenswert erscheint. So finden sich sogar Reichtum und Ruhm entthront; an ihrer Statt herrscht das Höchste von allem – Zufriedenheit mit Dir selbst, entspringend aus treuer Erfüllung der Pflicht, wie Du sie erkannt, ohne Furcht für die Folgen, unbekümmert um Belohnung.

Ganz gleich, welchem Zweige menschlicher Tätigkeit Geschmack und Urteil sich zuwendet: die Hauptsache bleibt, sich überhaupt einem Berufe zuzuwenden. Erfüllen Sie dann darin Ihre Schuldigkeit und – was besonders wichtig ist – noch ein bischen mehr. Wir haben das Zeugnis eines großen Dichters dafür, daß der Mann, welcher das in seinen Kräften stehende Beste tut, zeitweise auch noch mehr zu leisten vermag. Vor allem erhalten Sie sich Ihre Selbstachtung; sie ist das kostbarste Juwel und der einzig wahre Weg, die Achtung anderer zu erwerben; und erinnern Sie sich dabei der für immer wahren Worte Emersons: »Kein junger Mann kann um eine ehrenhafte Laufbahn im Leben betrogen werden, der sich nicht selbst darum betrügt.«


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