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V.
Sparen eine Pflicht

Pflichten reicher Leute.

Die Wichtigkeit dieses Themas ergibt sich aus der Tatsache, daß die Gewohnheit des Sparens einen der Hauptunterschiede zwischen wilden und zivilisierten Menschen ausmacht. Zu den Grundverschiedenheiten zwischen kultiviertem und unkultiviertem Leben gehört eben das Fehlen von Sparsamkeit in dem einen, und ihr Vorhandensein im anderen Falle. Wenn Millionen Menschen auch nur eine Kleinigkeit ihres täglichen Einkommens sparen, so machen diese winzigen Summen doch eine ungeheure Summe aus. Diese Summe nennt man das Kapital, über welches so viel geschrieben wird. Wenn jeder all das, was er täglich verdient, gerade wie die Wilden, verzehren oder vertun würde, dann gäbe es überhaupt kein Kapital, das heißt, keine Ersparnisse für zukünftigen Gebrauch.

Lassen Sie uns nun einmal sehen, wozu Kapital in der Welt nützlich ist. Wir wollen erwägen, was die Schiffbauer tun, wenn sie ein großes Schiff zu bauen haben. Die großen Gesellschaften erbieten sich zum Bau eines solchen Seeungeheuers – sagen wir einmal, zu einem Preise von 10 Millionen Mark; dieser Preis nun ist erst dann zu zahlen, wenn das Schiff nach erfolgreichen Versuchen abgeliefert wird. Wie und woher nehmen nun die Schiffbauer das Geld zur Zahlung ihrer Arbeitsleute, des Holzhändlers, des Stahlfabrikanten und all der anderen Leute, die das Material zum Bau des Schiffes liefern? Von nirgend anders als aus den Ersparnissen civilisierter Menschen. Es ist ein Teil des von Millionen fleißiger Menschen zu Kapitalsanlagen ersparten Geldes. Jeder einzelne spart ein bischen, tut das Ersparte in einen Beutel und leiht es den Schiffbauern, welche für Benutzung des Geldes Interessen zahlen. Ganz dasselbe ist es mit dem Bau von Fabriken, Eisenbahnen, Kanälen und allem anderen, das viel Geld kostet. Wir könnten heute nicht viel weiter fortgeschritten sein als die Wilden, hätten wir nicht über Erspartes zu verfügen.

Sparen ist deshalb die erste, vorzüglichste Pflicht. Sparsamkeit ist die unumgänglichste Voraussetzung jedes Fortschrittes. Ohne Ersparnisse keine Eisenbahnen, keine Kanäle, keine Schiffe, keine Telegraphen, keine Kirchen, keine Universitäten, keine Schulen, keine Zeitungen, kurz nichts, was immer groß und kostspielig ist. Der Mensch muß Sparsamkeit üben und Geld beiseite legen, ehe er etwas Substantielles von großem Werte hervorzubringen vermag. Nichts konnte gebaut und nichts gemacht werden, solange der Mensch als sparloser Wilder lebte. Des zivilisierten Menschen erste Pflicht erfordert es daher, schon von jungen Jahren an die Notwendigkeit im Auge zu behalten, für seine eigene Zukunft und die Zukunft derer, die von ihm abhängen, Vorsorge zu treffen. Wenige Regeln sind so wichtig und heilsam, wie das von den meisten weisen und guten Menschen befolgte Gesetz: daß die Ausgaben stets geringer sein müssen, als die Einnahmen. Mit anderen Worten: Man zeige sich als zivilisierter Mensch, indem man etwas beiseite legt und nicht als Wilder, der immer wieder das ganz verzehrt, was er einnimmt. Der große Dichter Burns sagt in seinem Rat an einen jungen Mann:

To catch Dame Fortune's golden smile,
Assiduous wait upon her:
And gather gear by every wile
That justified by honour.

Not for to hide it in a hedge,
Not for a train attendant;
But for the glorious privilege
Of being independent.

Fortuna's flüchtig goldne Gunst
Auf jede Art begehre,
Erhasche sie mit jeder Kunst,
Erlaubt bei deiner Ehre.

Nicht als der Göttin schnöder Knecht,
Nicht als ihr Schleppenhalter,
Nein für das stolze große Recht,
Selbst Herr zu sein und Walter.

Das ist ein gesunder Rat, welchen, wie ich hoffe, der Leser sich zu Herzen nehmen und auch befolgen wird. Kein stolzer, sich selbst achtender Mann kann jemals glücklich oder auch nur zufrieden sein, wenn er für seine notdürftigen Bedürfnisse von anderen abhängt. Derjenige, der abhängig ist, hat nicht die volle Höhe der Männlichkeit erreicht und kann kaum unter die würdigen Staatsbürger gezählt werden. Sicherheit und Fortschritt eines Landes hängt weder von den Hochgebildeten, noch von den Millionären, noch von der größeren Zahl der Armen ab, sondern von der Zahl der nüchternen, intelligenten, fleißigen und sparsamen Arbeiter, die weder sehr arm, noch sehr reich sind.

Die Pflicht des Sparens hat aber auch ihre Grenzen.

Gewöhnlich ist der sparsame Mann auch ein guter Gatte, ein trefflicher Vater und ein friedlicher, den Gesetzen gehorsamer Bürger. Die Ersparnisse brauchen auch nicht gerade groß zu sein. Es ist überraschend, mit wie wenig Geld man die nötigen Lebensbedürfnisse zu bestreiten vermag. Eine kleine schuldenlose Häuslichkeit und wenige hundert Pfund, ganz wenige – das ist alles, was dazu nötig ist. Beides ist von sparsamen Leuten schneller erworben, als man denkt. Großer Reichtum ist etwas ganz anderes und viel weniger wünschenswert. Weder der Zweck des Sparens, noch die Pflicht des Menschen besteht darin, Millionen zu erwerben. Es ist ganz und gar keine Tugend, dergleichen als Endzweck aufzustellen, vielmehr endet die Pflicht des Sparens, sobald wir die, welche von uns abhängen, anständig versorgt haben. Millionen zusammenscharren, ist nicht Sparsamkeit, sondern Geiz. Allerdings bleibt es unter den bestehenden industriellen Verhältnissen unvermeidlich, daß wenige, sehr wenige weit über ihre Verhältnisse hinaus Geld machen. Die Anhäufung von Millionen ist gewöhnlich das Ergebnis von Unternehmungsgeist, richtigem Urteil und außerordentlicher Organisationsfähigkeit. Es ist kein Ergebnis gewöhnlichen Sparens. Leute, welche im Alter nur darauf ausgehen, ihr schon großes Vermögen noch zu vermehren, sind gewöhnlich Sklaven ihres schon in jungen Jahren hervortretenden Geizes. Zu allererst sind sie die Herren des Geldes, welches sie erworben und erspart haben, später wird das Geld ihr Herr; sie können nicht mehr anders; so übermächtig ist die Macht der Gewohnheit, im Guten wie im Bösen. Mißbrauch, nicht rechter Gebrauch des Spartriebes, bringt diese Klasse von Leuten hervor.

Nie wird jemand solchem Sparmißbrauch zum Opfer fallen, der es sich immer gegenwärtig hält, daß Reichtum etwas heilig Anvertrautes ist, welches er zum Wohle seiner Mitmenschen zu gebrauchen, verpflichtet ist. Ein rechter Mann muß stets sich selbst zu meistern wissen. Er soll Geld wie einen nützlichen Diener benutzen. Geld darf niemals sein Herr, und er selbst niemals zum Geizhals werden.

Dem Manne erwächst wohl die erste Pflicht, sich ein ausreichendes Vermögen zu erwerben und sich selbständig zu machen. Allein damit endet seine Pflicht keineswegs. Es ist seine weitere Pflicht, etwas für seine bedürftigen Nachbarn zu tun, die vom Glücke weniger begünstigt sind als er selbst; seine Schuldigkeit, zum allgemeinen Besten der Gemeinschaft beizutragen, in welcher er lebt. Genießt er doch den Schutz ihrer Gesetze; dieser Schutz setzt ihn erst instand, durch seine Unternehmungen für sich selbst und seine Familie ausreichend zu sorgen.

Alles, was er mehr erwirbt, gehört nach Recht und Gerechtigkeit der schützenden Macht, die ihn gepflegt und in stand gesetzt hat, finanziellen Erfolg zu erringen. Der Versuch, die Welt besser zu machen, als man sie vorgefunden, heißt einen edlen Lebenszweck verfolgen. Dein Überfluß soll zur Verbesserung Deines eigenen Wesens beitragen und Dich unter diejenigen einreihen, welche Edelleute sind auf Grund ihres Charakters. Es ist Pflicht für Dich, zu verstehen, daß es Pflicht ist, sich die Gewohnheit des Sparens anzueignen. Beginne Deine Ersparnisse mit Deinem ersten Verdienst; zeige Dich dadurch als zivilisierter Mensch und gib nicht alles aus wie ein armer Wilder.


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