Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Speertod

Kraski verbrachte eine schlaflose Nacht. Tarzan mußte früher oder später den Verlust seines Diamantensäckchens bemerken, dann würde er zurückkehren und von den vier Londonern Rechenschaft fordern. Als das erste Tageslicht am Osthimmel graute, kroch der Russe aus der Hütte, die er mit Bluber teilte, hinaus auf die Dorfstraße.

Bei Gott! murmelte er für sich. Die Wahrscheinlichkeit, die Küste allein zu erreichen, ist gering, aber das Päckchen hier ist jeder Anstrengung wert, selbst wenn es das Leben kostet – ein Vermögen für tausend Könige – lieber Gott, was kann ich nicht in London, in Paris, in New York damit anfangen!

Verstohlen schlich er sich aus dem Dorfe, und bald schloß sich das Grün der Dschungel hinter Carl Kraski, dem Russen, der so für immer aus dem Leben seiner Gefährten entschwand.

Bluber entdeckte zuerst Kraskis Abwesenheit.

Hast du Carl heute früh gesehen? fragte er Peebles, während die drei Männer um einen Topf mit dem übelschmeckenden Brei saßen, der ihnen als Frühstück gebracht worden war.

Nein, sagte Peebles, er muß noch schlafen.

Er ist nicht in der Hütte, entgegnete Bluber. Er war nicht da, als ich aufwachte.

Er kann auf sich selber aufpassen, brummte Throck und frühstückte weiter.

Als sie ihr Frühstück beendet hatten, suchten sie sich mit einem der Krieger zu verständigen, um zu erfahren, wann der Häuptling nach der Küste aufbrechen wollte. Aber Kraski erschien immer noch nicht. Bluber begann nunmehr Besorgnisse zu hegen, zwar nicht für Kraskis Sicherheit, wohl aber für seine eigene, denn wenn in diesem freundlich erscheinenden Dorfe Kraski während der stillen Nachtstunden etwas zugestoßen kein konnte, konnte ihn ein ähnliches Geschick treffen.

Mit Hilfe von Zeichen, Pidschen-Englisch und entstellten Eingeborenenworten, deren jeder der drei einige wußte, machten sie dem Häuptling schließlich verständlich, daß Kraski verschwunden sei und daß sie zu wissen wünschten, was aus ihm geworden sei.

Der Häuptling war nicht weniger bestürzt als sie und ließ sofort eine gründliche Durchsuchung des ganzen Dorfes vornehmen. Kraski fand sich nicht, aber bald danach fand man eine Fußspur, die vom Dorf in die Dschungel führte.

Gott der Gerechte! rief Bluber aus, er geht allein raus, mitten in der Nacht. Er muß verrückt geworden sein.

Vermißt ihr irgend etwas, he? fragte Peebles die zwei anderen. Vielleicht hat er was gestohlen.

Oh, oh, was kann er schon stehlen, rief Bluber. Unsere Gewehre, unsere Munition – da, hier sind se bei uns. Er hat sie nicht genommen. Und außerdem haben wir keine Wertsachen.

Er muß angefangen haben zu nachtwandeln, sagte Throck. Eine bessere Erklärung für Kraskis Verschwinden konnten die drei nicht finden. Eine Stunde später machten sie sich unter dem Schutze einer Schar von des Häuptlings Kriegern nach der Küste auf den Weg. Das Gewehr über die Schulter gehängt, eine schwere Selbstladepistole in der Hand, so bewegte sich Kraski ängstlich den Dschungelpfad entlang.

Allein in der geheimnisreichen Dschungel erlebte er einen Nachtmahr von Schrecknissen, und mit jeder Meile, die er vorwärts drang, schien ihm der Wert der Diamanten geringer angesichts der schrecklichen Prüfung, die er sich bis zur Küste unterziehen mußte.

Einmal versperrte ihm Histah, die Schlange, den Weg, und der Mensch wagte nicht, auf sie zu schießen, aus Angst er könnte Verfolger auf seine Spur bringen. Er mußte durch die dicht verwachsenen Massen des Unterholzes einen Umweg machen. Als er den Pfad wieder erreichte, war seine Kleidung ärger zerrissen und zerfetzt als vorher, sein Fleisch trug Kratzwunden und Schnitte und blutete von den zahllosen Dornen, durch die er sich seinen Weg hatte bahnen müssen. Er triefte von Schweiß und keuchte vor Erschöpfung, und seine Kleider wimmelten von Ameisen, deren bösartige Angriffe auf sein Fleisch ihn vor Schmerz halb wahnsinnig machten.

Er riß die Kleidung ab und machte rasende Versuche, sich von der qualvollen Pest zu befreien. Aber die Ameisen wimmelten derartig auf seiner Kleidung, daß er sie nicht wieder aufzunehmen wagte. Nur das Säckchen Diamanten, seine Munition und seine Waffen riß er aus dem gefräßigen Haufen heraus, dessen Zahl sich nach Millionen zu vermehren schien, während die Tiere ihn wieder zu erreichen suchten, um ihn zu verzehren.

Kraski schüttelte den Ameisenhaufen von den wiedergewonnenen Gegenständen und hetzte sinnlos den Pfad entlang, bis er nach einer halben Stunde taumelnd, endlich fallend, keuchend auf den feuchten Dschungelboden sank. Da erst begriff er die Aussichtslosigkeit seines Vorhabens, denn nichts lähmt das Selbstvertrauen und den Mut eines zivilisierten Menschen mehr als der Verlust seiner Kleidung.

So kümmerlichen Schutz ihm seine zerissenen und zerlumpten Kleidungsstücke auch gewährt hatten, er hätte sich bei Verlust von Waffen und Munition nicht elender gefühlt, so ausgesprochenes Gewohnheitstier ist der Mensch. Der schreckerfüllte Kraski, der ängstlich den Dschungelpfad weiterschlich, war bereits dem Untergang geweiht.

Während dieser Nacht schlief er in Hunger und Kälte oben in der Gabel eines großen Baumes und unten brüllten die großen Raubtiere, husteten und knurrten in der Finsternis der Dschungel. Vor Kälte zitternd fuhr er wieder auf, und wenn er aus der Erschöpfung endlich einschlief, fand er selbst im Schlafe keine Ruhe, sondern er träumte von Schrecknissen, in deren Wirklichkeit ihn bald wieder ein plötzliches Brüllen zurückrief. Die langen Stunden dieser fürchterlichen Nacht schlichen so träge dahin, daß es ihm schien, als ob der Tag nie mehr kommen wolle. Aber endlich erschien die Dämmerung und taumelnd nahm er seinen Weg nach Westen wieder auf.

Von Furcht, Ermüdung und Schmerz war er in einen Zustand halber Bewußtlosigkeit versetzt und tappte weiter, während er von Stunde zu Stunde schwächer wurde, denn er hatte seit dem Verlassen seiner Gefährten vor dreißig Stunden weder Nahrung noch Wasser gehabt. Um Mittag kam Kraski kaum noch weiter, als seine bereits stumpf werdenden Sinne die Nähe von Menschen merkten. Er riß sich zusammen und sammelte seine schwindenden Kräfte.

Er hörte in nächster Nähe Stimmen, und sie klangen nicht wie die Töne von Eingeborenen, sondern eher wie die von Europäern. Trotzdem kroch er vorsichtig vorwärts, bis er vor sich hinter einer Krümmung des Pfades eine mit einzelnen Bäumen bestandene Lichtung sah, an deren Rand ein schlammiger Fluß vorbeilief. Am Ufer stand eine kleine, mit Gras gedeckte Hütte, mit einer rohen Palisade umgeben.

Aus dieser Hütte kamen die Stimmen, er unterschied die laute zornige Stimme eines Weibes und die tiefe Stimme eines Mannes.

Langsam weiteten sich vor Ungläubigkeit Carl Kraskis Augen, denn die Stimmen klangen wie die des toten Esteban Miranda und der vermißten Flora Hawkes.

Er vergaß fast seinen Haß gegen Esteban und seine Eifersucht über die Erleichterung, die er in dem Gefühle empfand, wieder die Gesellschaft von Wesen seiner Gattung zu genießen, als ihn die Stimme der Frau an seine Nacktheit erinnerte. Er machte rasch aus einem Haufen langer, breitblätteriger Dschungelgräser einen rohen Schurz, den er sich mit einem aus gleichem Material zusammengedrehten Strick um die Hüften band. Mit erneuter Zuversicht ging er dann auf die Hütte zu. Da Kraski fürchtete, sie möchten ihn nicht gleich erkennen und angreifen, rief er Esteban beim Namen.

Der Spanier kam sofort aus der Hütte und das Mädchen folgte ihm.

Einen Augenblick starrten die beiden auf die merkwürdige Erscheinung vor ihnen.

Kennt ihr mich nicht? fragte Kraski. Ich bin es, Carl – Carl Kraski.

Carl, rief das Mädchen und wollte auf ihn zuspringen, aber Esteban packte sie am Handgelenk und riß sie zurück.

Was hast du hier zu suchen, Kraski? fragte der Spanier mürrisch.

Ich versuche, meinen Weg nach der Küste zu finden, erwiderte der Russe. Ich bin halb tot vor Hunger und Elend.

Der Weg nach der Küste führt dorthin, sagte der Spanier, die Fährte entlang nach Westen deutend. Halte dich nicht auf, Kraski, die Luft ist hier ungesund für dich.

Du willst mich doch nicht ohne Nahrung und Wasser fortjagen? bat der Russe.

Dort ist Wasser, sagte Esteban, auf den Fluß deutend, und die Dschungel bietet Nahrung.

Du kannst ihn doch nicht so fortschicken, schrie das Mädchen. Carl, schrie sie dann, geh nicht fort. Rette mich vor dieser Bestie!

Tritt zur Seite! rief Kraski, und als das Mädchen sich dem Griff Mirandas entwand, hob der Russe seine Selbstladepistole und feuerte auf den Spanier. Der Schuß ging vorbei und die abgeschossene Hülse klemmte sich im Schlitten fest. Kraski bekam das Schloß nicht mehr zurück und schleuderte die Waffe mit einem Fluche von sich. Während er noch sein Gewehr schußbereit zu machen suchte, stieß ihm Esteban den kurzen, wuchtigen Speer, den er mittlerweile so gut zu gebrauchen gelernt hatte, durch Brust und Herz. Ohne einen Laut von sich zu geben, fiel Carl Kraski tot zu Füßen seines Feindes und Nebenbuhlers nieder, während das Weib, das sie beide, selbstsüchtig der eine, brutal der andere, geliebt hatten, schluchzend zu Boden sank.

Esteban trat vorwärts, zog seinen Speer aus der Leiche und beraubte den toten Feind der Waffen und der Munition. Dabei fielen seine Augen auf das Fellsäckchen, das sich Kraski mit dem Grasseil auf den Leib gebunden hatte.

Der Spanier befühlte das Säckchen, das Munition zu enthalten schien, aber er untersuchte es nicht weiter, ehe er die Waffen des toten Mannes in seine Hütte gebracht hatte, in die er auch das Mädchen geschleppt hatte, die schluchzend in der Ecke saß.

Armer Carl! Armer Carl! stöhnte sie, und als ihr der Mann ins Gesicht sah, schrie sie: Du Bestie!

Jawohl, rief er lachend, ich bin eine Bestie! Ich bin Affentarzan, und dieser schmutzige Russe wagte es, mich Esteban zu nennen. Ich bin Tarzan! wiederholte er laut kreischend. Wer mich anders nennt, stirbt. Ich werde es ihnen zeigen. Ich werde es ihnen zeigen.

Das Mädchen blickte schaudernd in seine aufgerissenen, funkelnden Augen.

Wahnsinnig, flüsterte sie. Wahnsinnig! Mein Gott – allein in der Dschungel mit einem Irrsinnigen! In der Tat, in einer Beziehung war Esteban Miranda wahnsinnig – wahnsinnig im Wahne des Schauspielers, der die Rolle, die er zu spielen hat, wirklich lebt. Esteban Miranda hatte seine Rolle so lange gespielt, daß er sich selbst für Tarzan hielt, und in der äußeren Erscheinung Tarzans besten Freund hätte täuschen können.

Er wollte Tarzans Weib stehlen, murmelte Esteban. Tarzan, Herr der Dschungel! Siehst du, wie ich ihn tötete, nur mit meinem Speer?

Ich verabscheue dich, sagte das Mädchen. Du bist eine Bestie. Du bist noch niedriger als ein Tier.

Aber du bist mein, sagte der Spanier, und du sollst nie einem anderen gehören – lieber töte ich dich vorher – aber laß uns einmal sehen, was der Russe in seinem Fellsäckchen hat. Er löste die Schlinge, die die Öffnung des Säckchens zusammenhielt und ließ einen Teil des Inhalts auf den Boden der Hütte rollen.

Heilige Maria, rief der Spanier, das sind Diamanten.

Hunderte sind es, murmelte das Mädchen. Wo kann er sie herbekommen haben?

Ich weiß es nicht und es kümmert mich auch nicht, sagte Esteban. Jetzt gehören sie mir. Sie sind alle mein – reich bin ich, Flora. Ich bin reich, und wenn du ein gutes Mädchen bist, sollst du meinen Reichtum mit mir teilen.

Flora Hawkes schloß halb die Augen. Ihre Habsucht war neu erwacht, aber nicht minder mächtig erfüllte sie ein überwältigender Haß gegen den Spanier, den sie im Schlafe zu töten beschloß. Bisher hatte sie sich gefürchtet, allein in der Dschungel zurückgelassen zu werden, aber der Wunsch, diesen ungeheuren Schatz zu erlangen, besiegte sogar ihre Furcht.

Tarzan nahm auf seiner Dschungelstreife die Spur von verschiedenen Banden der Westküstenschwarzen und flüchtigen Sklaven auf. Auf der Suche nach Luvini verfolgte er sie einzeln und holte durch Einschüchterung aus den Schwarzen die Wahrheit heraus, worauf er sie dann in schreckensbangem Zustand zurückließ. Alle erzählten die gleiche Geschichte. Keiner von ihnen hatte Luvini seit dem Brande des Lagers wieder gesehen, jeder nahm an, daß er mit einer anderen Schar entkommen sein mußte.

Tarzan war während der letzten Tage von seiner Trauer und der Nachforschung so erfüllt, daß er andere Angelegenheiten ganz vergaß und den Verlust des Säckchens mit den Diamanten gar nicht bemerkte. Durch Zufall kam er auf ihr Fehlen.

Diese schurkischen Europäer müssen sie mir gestohlen haben, murmelte er zu Dschadbalja. Die Narbe auf seiner Stirn flammte plötzlich scharlachrot auf, als gerechter Ärger über die Hinterlist und Undankbarkeit dieser Menschen in ihm emporwallte. Komm, sagte er zu Dschadbalja, auf der Suche nach Luvini können wir auch nach diesen anderen suchen.

Peebles, Throck und Bluber waren erst eine kurze Strecke in Richtung der Küste marschiert, als sie während einer Mittagspause zu ihrer Überraschung den Affenmenschen mit dem großen schwarzmähnigen Löwen an der Seite majestätisch auf sich zukommen sahen.

Tarzan schenkte ihren überschwenglichen Grüßen keinerlei Beachtung, sondern kam schweigend heran und blieb mit verschränkten Armen vor ihnen stehen. Auf seinem Gesicht stand eine so wilde Anklage geschrieben, daß ein Angstschauer über Blubers feiges Herz zog, und selbst die Gesichter der zwei dickfelligen englischen Boxer erbleichten.

Was ist denn? riefen sie im Chor. Ist etwas nicht in Ordnung? Was ist denn vorgefallen?

Ich komme wegen des Sacks mit Steinen, den ihr mir weggenommen habt, sagte Tarzan nur.

Jeder der drei besah sich argwöhnisch seine Gefährten. Ich kann den Sinn Ihrer Worte nicht verstehen, Mister Tarzan, schnurrte Bluber, während er sich die Hände rieb. Ich bin sicher, hier besteht e Mißverständnis, falls nicht – dabei warf er verstohlen einen argwöhnischen Blick auf Peebles und Throck.

Ich weiß zwar nichts von einem Sack mit Steinen, meinte Peebles, aber soviel sage ich Ihnen, dem Bluber da kann man alles zutrauen.

Ich traue keinem von euch, sagte Tarzan. Ich lasse euch fünf Sekunden Zeit, das Päckchen Steine herauszugeben, habt ihr es bis dahin nicht übergeben, dann lasse ich euch durchsuchen.

Sicher, schrie Bluber eifrig, durchsuchen se mich, durchsuchen se mich. Nein, Mister Tarzan, ich will nix haben von Ihnen für umsonst.

Hier stimmt was nicht, brummte Throck. Ich habe nichts von Ihnen, und ich glaube bestimmt, die zwei anderen haben auch nichts.

Wo ist der Letzte? fragte Tarzan.

Oh, Kraski? Der verschwand in der gleichen Nacht, in der Sie uns zu dem Dorfe brachten. Wir haben nichts wieder von ihm gesehen.

Der ist es gewesen! schrie Bluber plötzlich.

Natürlich! rief Peebles.

Das hätten wir uns gleich denken können, bekräftigte Bluber.

Es mag sein, sagte Tarzan, aber deswegen lasse ich euch doch durchsuchen. Im Nu waren die drei Weißen ausgezogen und durchsucht, aber kein Säckchen mit Steinen fand sich.

Ohne ein weiteres Wort wandte sich Tarzan der Dschungel zu und verschwand mit dem goldenen Löwen im grünen Laubmeer.

Gott sei Kraski gnädig! rief Peebles.

Was er nur mit dem Sack Steine will? meinte Throck. Er scheint mir gehirnkrank geworden zu sein.

Krank im Hirn? rief Bluber. Es gibt nur eine Sorte Steine in Afrika, die Kraski stiehlt – Diamanten.

Dieser verdammte Russe! rief Peebles. Da hat er uns auch noch hintergangen.

Wahrscheinlich hat er uns das Leben gerettet, sagte Throck. Wenn der Affenkerl Kraski mit den Diamanten bei uns gefunden hätte, hätten wir alle mitleiden müssen.

Ich hoffe nur, er faßt den Schuft! rieb Peebles innig.

Tarzan nahm den Weg nach dem Dorfe, aus dem Kraski allein entwichen war. Er eilte rasch vorwärts und überließ es Dschadbalja, nachzukommen, wobei er die Strecke bis zum Dorfe in verhältnismäßig kurzer Zeit zurücklegte, da er sich fast genau in der Luftlinie durch die Bäume schwang, wo kein dichtverwachsener Untergrund sein Vorwärtskommen aufhielt.

Außen vor dem Dorftor nahm er Kraskis nunmehr fast verlöschte Spur auf, die trotzdem für ihn noch deutlich lesbar war. Die Verfolgung erwies sich als wenig zeitraubend, da sich Kraski krampfhaft auf dem offenen, im allgemeinen nach Westen verlaufenden Pfad gehalten hatte.

Als die Sonne in den Baumwipfeln im Westen unterging, gelangte Tarzan zu einer Lichtung am Ufer eines träge fließenden Flusses, an dessen Ufer eine kleine Hütte stand.

Der Affenmensch hielt an und lauschte, sog die Luft ein und überschritt geräuschlos die Lichtung bis zur Hütte. Im Grase lag die Leiche eines Weißen und ein einziger Blick belehrte den Affenmenschen, daß es der gesuchte Flüchtling war. Im Nu erkannte er die Nutzlosigkeit einer Durchsuchung der Leiche nach dem Diamantensäckchen, das sich nunmehr im Besitz desjenigen befand, der den Russen getötet hatte. Eine aus Vorsicht doch vorgenommene Untersuchung bekundete die Richtigkeit seiner Annahme.

Aber im Innern der Hütte fanden sich Anzeichen dafür, daß erst kürzlich ein Mann und ein Weib hier gewesen waren. Die Spur des einen stimmte mit jenem Geschöpf überein, das Gobu, den Riesenaffen, getötet und Bara, den Hirsch, auf Tarzans Gebiet gejagt hatte. Aber das Weib – wer konnte sie sein? Ganz offenbar hatte sie wundgelaufene, müde Füße und ging statt in Schuhen mit Tuchstreifen, die sie um die Füße gewickelt hatte.

Tarzan folgte der Spur der beiden, die von der Hütte in die Dschungel führte. Bei weiterer Verfolgung merkte er, daß das Weib zurückgeblieben war und anscheinend immer schlimmer hinkte. Ihr Weiterziehen ging recht langsam; der Mann hatte nicht warten wollen und sich an einzelnen Stellen eine beträchtliche Strecke vorausbegeben.

In der Tat war Esteban weit vor Flora Hawkes voraus, die auf ihren zerschundenen, blutenden Füßen kaum noch weiter konnte.

Warte doch auf mich, Esteban, hatte sie gefleht. Verlasse mich nicht hier. Laß mich nicht in der schrecklichen Dschungel allein.

Dann halte mit mir Schritt, brummte der Spanier. Denkst du etwa, ich will mit diesem Vermögen solange in der Dschungel warten, bis es mir einer abnimmt? Wenn du mitkommen kannst, schön und gut. Andernfalls sieh zu, wo du bleibst.

Aber du kannst mich doch nicht verlassen. Selbst du, Esteban, kannst doch nicht eine solche Bestie sein, nach allem, was du mich gezwungen hast, für dich zu tun.

Der Spanier lachte nur höhnisch.

Esteban, Esteban, rief sie. Ich kann nicht mehr. Verlaß mich nicht.

Aber er lachte ihr nur noch einmal zu und verschwand hinter einer Biegung des Pfades. Da sank sie hilflos und erschöpft zu Boden.


 << zurück weiter >>