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Der flache Turm

Auf dem obersten Flur des efeuüberwachsenen Ostturmes vom Diamantpalast drehte sich Tarzan um und sah hinter sich den Mann stehen. Mit flinken Fingern riß er sein Messer aus der Scheide. Aber fast im selben Augenblick ließ er die Hand sinken, und starrte ungläubig auf den anderen. Denn das war ein Weißer, kahlköpfig, alt und runzelig, mit langem, weißem Barte – ein Weißer, nackt bis auf einige barbarische Schmuckstücke aus Goldspangen und Diamanten.

Mein Gott! rief die eigenartige Erscheinung.

Tarzan sah den anderen verwundert an und kam beinahe aus der Fassung.

Was bist du, wer bist du? fragte der Alte diesmal in der Sprache der Riesenaffen.

Sie gebrauchten eben ein englisches Wort, sagte Tarzan auf englisch. Sprechen Sie diese Sprache?

Ach, guter Gott, rief der alte Mann, daß ich es doch erlebt habe, die Sprache noch einmal zu hören! Auch er sprach jetzt englisch, stockend, wie es einer spricht, der es lange nicht mehr gehört hat.

Wer sind Sie? fragte Tarzan, was tun Sie hier?

Die gleiche Frage wollte ich Ihnen stellen, antwortete der alte Mann. Haben Sie keine Scheu, mir Auskunft zu geben. Sie sind offenbar ein Engländer und haben als solcher nichts von mir zu fürchten.

Ich suche eine Frau, die die Bolgani gefangengenommen haben, entgegnete Tarzan.

Der andere nickte. Ja, sagte er, ich weiß; sie ist hier.

Befindet sie sich in Sicherheit? fragte Tarzan.

Man hat ihr nichts getan, sagte der alte Mann. Sie wird hier bis morgen oder übermorgen sicher sein. Aber wer sind Sie und wie fanden Sie Ihren Weg aus der Außenwelt hierher?

Ich bin Affentarzan, erwiderte der Affenmensch. Ich kam in dies Tal, als ich nach einem Wege aus dem Tale von Opar suchte, wo das Leben meiner Gefährtin bedroht war. Und Sie?

Ich bin ein alter Mann, entgegnete der andere, und schon seit meiner Jugend hier. Ich kam mit Stanley nach Afrika und zog mit ihm in das Innere. Eines Tages verirrte ich mich und fiel unfreundlichen Eingeborenen in die Hände, die mich zu ihrem Dorfe schleppten, aus dem ich schließlich entkam, aber ich war so gründlich verirrt, daß ich nicht einmal mehr die Richtung nach der Küste wußte. Monatelang wanderte ich herum, bis ich schließlich – verwünscht sei der Tag – den Eingang in dieses Tal fand. Die Burschen hier fanden heraus, daß sie meine Kenntnisse verwerten konnten, und seitdem helfe ich ihnen in ihren Steinbrüchen und Minen und beim Diamantenschneiden. Ich habe ihnen eiserne Bohrer mit gehärteten Spitzen und Kronenbohrer mit Diamanten gemacht und heute bin ich wie einer von ihnen, aber ich hoffte immer, ich könnte eines Tages aus dem Tale entkommen. Doch das ist aussichtslos.

Gibt es keinen Weg nach draußen? fragte Tarzan.

Ja, aber er ist stets bewacht.

Wo ist er? erkundigte sich Tarzan.

Er ist die Verlängerung von einem der Minenstollen, der bis zu dem Tale auf der anderen Seite durch das Gebirge durchgeht. Auf der Rückseite der goldhaltigen Quarzgesteine befindet sich ein Diamanten führendes Lager von zersetztem Olivinfels. Einer der Schächte ist durch einen Stollen mit der entgegengesetzten Seite des Berges verbunden. Dieser Tunnel und der Pfad nach Opar sind die einzigen Ausgänge. Der Tunnel ist bewacht, um das Entkommen von Sklaven zu verhüten. Den Pfad nach Opar bewachen sie nicht, weil sie die Oparier nicht länger fürchten und weil sie genau wissen, daß keiner ihrer Gomanganisklaven das Tal der Sonnenanbeter zu betreten wagt.

Wie ist der Tunnel bewacht? fragte Tarzan.

Zwei Bolgani und ein Dutzend oder mehr Gomanganikrieger sind stets dort auf Wache, erwiderte der alte Mann.

Würden die Gomangani gerne entkommen?

Man hat mir erzählt, daß sie es früher oft genug versucht haben, sagte der Alte, obgleich es zu meiner Zeit, seit ich hier bin, nicht vorgekommen ist. Aber sie wurden stets wieder gefangen und gefoltert. Dazu wurde ihre ganze Rasse dafür bestraft und mußte um so härter fronen, weil einige wenige einen solchen Versuch unternommen hatten.

Sind sie zahlreich – die Gomangani?

Es sind ihrer wohl fünftausend im Tale, antwortete der alte Mann.

Und wieviele Bolgani? fragte der Affenmensch.

Etwa zehn bis elfhundert.

Fünf zu eins, murmelte Tarzan, und doch fürchten sie sich, einen Versuch zur Befreiung zu machen.

Sie müssen bedenken, sagte der Greis, daß die Bolgani die beherrschende und intelligente Rasse sind – die anderen stehen mit ihrem Intellekt nur wenig über den Tieren des Waldes.

Aber dennoch sind sie Menschen, beharrte Tarzan.

Nur der Gestalt nach, entgegnete der Alte. Sie können sich noch nicht einmal wie Menschen zusammengesellen. Das Zusammensein in Dörfern, ebenso wie die Waffen, haben ihnen erst die Bolgani beigebracht, damit sie nicht gänzlich von Löwen und Leoparden ausgerottet würden. Früher baute jeder Gomangani, abseits von den anderen, für sich allein eine Hütte und nahm sein Einsiedlerleben auf. Später lehrten die Bolgani sie, Dörfer und Palisaden zu bauen und zwangen Männer und Weiber, darin zu verbleiben und ihre Kinder zurückzuhalten. Nachher mußten die Kinder im Dorfe bleiben, so daß nunmehr einzelne Gemeinden etwa vierzig bis fünfzig Einwohner aufweisen. Aber die Mißhandlungen durch die Bolgani töten viele, und die Raubtiere holen gleichfalls manchen.

Fünf zu eins, und doch dulden sie die Sklaverei – was müssen das für Feiglinge sein, sagte der Affenmensch.

Im Gegenteil, sie sind keineswegs Feiglinge, widersprach der Alte. Einem Löwen werden sie mit der größten Tapferkeit entgegentreten. Aber sie sind seit so vielen Menschenaltern dem Willen der Bolgani untertan, daß ihnen die Unterwerfung zur Gewohnheit geworden ist wie uns die Gottesfurcht.

Das ist bemerkenswert, sagte Tarzan. Aber sagen Sie mir, wo ist die Frau, nach der ich suche.

Ist sie Ihre Gattin? fragte der Alte.

Nein, erwiderte Tarzan. Sie ist La, Königin von Opar, Hohepriesterin des Feuergottes.

Der alte Mann sah ihn ungläubig an. Unmöglich! rief er. Es kann nicht sein, daß die Königin von Opar zum Sitze ihrer Erbfeinde kam.

Sie mußte, erwiderte Tarzan. Ein Teil ihres Volkes bedrohte ihr Leben, weil sie mich nicht ihrem Gotte opfern wollte.

Wenn das die Bolgani wüßten, wie würden sie sich freuen, sagte der Greis.

Geben Sie mir an, wo sie sich befindet, forderte Tarzan. Sie beschützte mich vor ihrem Volke, und es ist meine Pflicht, ihr beizustehen.

Ich kann Ihnen wohl angeben, wo sie ist, sagte der Alte, aber Sie können sie nicht retten.

Ich kann es versuchen, erwiderte der Affenmensch.

Der alte Mann zuckte die Achseln. Sie kennen die Bolgani nicht, meinte er.

Sagen Sie mir, wo die Frau ist, drängte Tarzan.

Der Alte gab Tarzan einen Wink, ihm in sein Gemach zu folgen, und ging an ein nach Westen hinausgehendes Fenster. Dort deutete er nach einem merkwürdigen flachen Turm, der sich nahe dem Westende des Palastes über das Dach des Hauptgebäudes erhob. Wahrscheinlich befindet sie sich im Inneren dieses Turmes, sagte der Alte, aber Sie würden sie ebensogut am Nordpol suchen.

Tarzan nahm mit seinen scharfen Augen jeden wichtigen Punkt des vor ihm liegenden Bildes in sich auf. Er sah den merkwürdigen Turm mit dem flachen Dach, das ihm vom Hauptgebäude aus erreichbar schien, denn die Zweige der alten Bäume berührten es an einigen Stellen. Außer einem matten Licht in einigen Palastfenstern war kein Zeichen von Leben zu bemerken. Er drehte sich wieder kurz nach dem alten Manne um.

Ich kenne Sie zwar nicht, sagte er, aber ich glaube, daß ich Ihnen trauen kann. Sie könnten sich vielleicht durch den Verrat meiner Person Gunst erwerben, aber ich kann nicht glauben, daß Sie es tun werden.

Haben Sie keine Furcht, sagte der Alte; wenn ich helfen könnte, würde ich es tun, aber ich weiß ja, daß ihre Pläne hoffnungslos sind. Das Weib können Sie nicht retten und Sie werden auch nicht mehr aus dem Palaste herauskommen, wenn es nicht die Bolgani selbst wollen.

Der Affenmensch lachte nur. Wenn Sie zu entkommen wünschen, dann kommen Sie mit mir. Wir werden vielleicht keinen Erfolg haben, aber wenn Sie es mit mir zusammen versuchen, haben Sie immer noch bessere Aussicht, als wenn Sie hier im Turme bleiben.

Der alte Mann schüttelte den Kopf. Nein, sagte er, es ist hoffnungslos. Wenn ein Entkommen möglich wäre, dann wäre ich schon lange fort.

Nun, dann Gott befohlen, sagte Tarzan, schwang sich aus dem Fenster, und kletterte an den kräftigen Stämmen des alten Efeu auf das Dach hinab.

Der Alte beobachtete ihn eine Zeitlang, bis er ihn vorsichtig das Dach des Hauptgebäudes überqueren sah. Dann drehte er sich um und huschte eilig über den rohen, leiterartigen Sprossenständer hinab.

Tarzan nahm seinen Weg über das unregelmäßige Dach des Hauptgebäudes und kletterte die Seiten seiner höheren Zinnen hinauf, bis er die Strecke zwischen dem Ostturm und dem eigenartig gebauten, abgeflachten Gebäude übersehen konnte. Er kam nur langsam vorwärts, denn er bewegte sich mit der Vorsicht eines Raubtiers und hielt oft im dichten Schatten an, um zu lauschen.

Als er endlich den Turm erreicht hatte, fand er daran viele Öffnungen, die, wie in dem anderen Turm, nur mit Vorhängen aus dem schweren Gewebe geschlossen waren. Er zog einen davon zur Seite und fand einen weiten Raum ohne irgendwelche Einrichtung. In der Mitte war wie im Ostturm eine kreisrunde Öffnung, durch die ein Sprossenständer herausragte. Niemand war im Raume zu sehen, deshalb ging Tarzan sofort zu dem Treppenschacht hinüber. Tarzan sah vorsichtig durch die Öffnung hinunter und stellte fest, daß der Schacht tief hinabführte und an vielen Stockwerken vorbeiging. Er konnte nicht beurteilen, wie weit er reichte, aber er schien sich bis in unterirdische Räume zu erstrecken. Geräusch von Leben und Treiben drang durch den Schacht herauf und Gerüche machten sich bemerkbar, aber sie waren alle von dem schweren Weihrauchduft übertäubt und unkenntlich gemacht.

Gerade dieser Umstand aber hatte für den Affenmenschen Folgen, denn andernfalls hätte seine feinfühlige Nase die Witterung eines ganz in der Nähe befindlichen Gomangani entdeckt. Dieser Bursche lehnte hinter einem der Vorhänge an einer Maueröffnung und hatte Tarzan schon beim Betreten des Raumes gesehen. Wenn er Intelligenz genug besessen hätte, um abergläubisch sein zu können, würde er Tarzan für einen vom Himmel herabgestiegenen Gott gehalten haben. Da aber jede Art von Einbildungskraft für ihn zu hoch war, wußte er nur, daß er ein fremdartiges Wesen erblickt hatte, und fremdartig hieß nach seiner Überzeugung feindselig. Demnach war es seine Pflicht, seine Herren im Palaste von dieser Erscheinung zu benachrichtigen, aber er wagte nicht, sich zu rühren, ehe nicht die Erscheinung weit entfernt war; er legte keinen Wert darauf, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, denn er hatte herausgefunden, daß man um so weniger zu dulden hatte, je mehr man sich aus dem Gesichtskreis der Bolgani heraushielt. Der Fremde sah lange Zeit den Treppenschacht hinunter und eben so lange lag der Gomangani ruhig auf der Lauer. Als jener endlich die Sprossen hinabstieg und verschwand, eilte der Schwarze hurtig über das Dach des Palastes nach einem hohen Turm am Westende.

Während Tarzan die Leiter hinabstieg, wurde der Weihrauch immer lästiger. Ohne diesen Umstand hätte er in kürzester Zeit nach dem Geruch seine Untersuchung anstellen können; nun mußte er auf jeden Laut hören und in vielen Fällen sogar die einzelnen Räume vom Mittelflur aus öffnen und betreten. Wo die Türen verschlossen waren, legte er sich flach hin und lauschte nahe dem Schlitz am Boden. Bei verschiedenen Gelegenheiten wagte er sogar, La beim Namen zu rufen, aber in keinem Falle erhielt er eine Antwort.

Er hatte schon vier Stockwerke untersucht und stieg zum fünften hinab, als er in einer der Türen dieses Stockes einen sehr erregten und verängstigten Schwarzen stehen sah. Der Bursche war von riesiger Gestalt, aber völlig unbewaffnet. Er sah den Affenmenschen mit großen Augen an, als dieser ihm gegenüberstand.

Was suchst du? stammelte der Schwarze endlich. Suchst du nach dem Weib, nach deiner Gefährtin, die die Bolgani gefangen nahmen?

Ja, erwiderte Tarzan. Was weißt du von ihr?

Ich weiß, wo sie verborgen ist, entgegnete der Schwarze, und wenn du mir folgen willst, werde ich dich zu ihr führen.

Wie kommst du dazu, mir dies Anerbieten zu machen? fragte Tarzan, dessen Mißtrauen sofort erregt war. Warum gehst du nicht zu deinen Herren und meldest, daß ich hier sei, damit sie Männer senden, um mich zu fangen?

Die Bolgani sendeten mich, erklärte der Schwarze. Ich hatte nicht den Wunsch, zu kommen, weil ich Angst hatte.

Wohin sollst du mich dann führen? fragte Tarzan.

Ich soll dich in eine Kammer führen, deren Tor alsbald hinter uns geschlossen wird. Dann bist du ein Gefangener.

Und du? forschte Tarzan.

Ich muß mit dir zusammen bleiben. Die Bolgani kümmern sich nicht um das, was aus mir wird.

Wenn du mich in eine Falle führst, werde ich dich töten, erwiderte Tarzan. Wenn du mich aber zu dem Weibe führst, können wir vielleicht alle entkommen. Würdest du gerne entkommen, oder nicht?

Ich würde gerne entkommen, aber ich kann nicht.

Hast du es je versucht?

Nein. Wozu sollte ich etwas Unmögliches versuchen?

Wenn du mich in einen Hinterhalt führst, dann werde ich dich ganz sicher töten, wenn du mich aber zu dem Weibe führst, hast du wenigstens ebensoviel Aussicht am Leben zu bleiben wie ich. Was wirst du tun?

Der Schwarze begann langsam zu begreifen.

Du bist sehr weise, sagte er. Ich werde dich zu dem Weibe führen.

Gehe voran, sagte Tarzan. Ich werde dir folgen.

Der Schwarze stieg zum nächsten Stockwerk hinunter, öffnete ein Tor und betrat einen langen Gang. Der Affenmensch überlegte, durch welche Mittel die Bolgani wohl von seiner Anwesenheit im Turme Kenntnis erlangt haben konnte. Der alte Mann mußte ihn verraten haben, denn er allein wußte von seiner Anwesenheit. Der Schwarze führte ihn jetzt einen sehr dunklen Gang entlang und hielt vor einer geschlossenen Tür an.

Das Weib ist hier drin, sagte er auf die Tür deutend.

Ist sie allein? fragte Tarzan.

Nein, antwortete der Schwarze. Schau! Er Öffnete die Tür, und zog einen schweren Vorhang leise soweit auseinander, daß Tarzan das Innere des Raumes dahinter sehen konnte.

Tarzan packte den Schwarzen am Handgelenk, damit er ihm nicht entkommen könne, und legte sein Auge an den Schlitz. Vor ihm lag ein breiter Raum, an dessen einem Ende sich ein erhöhter reichgeschnitzter Antritt befand. Die Hauptfigur auf diesem Podium bildete der ungeheure, schwarzmähnige Löwe, den Tarzan durch die Palastgärten hatte führen sehen. Seine goldenen Ketten waren jetzt an Ringen auf dem Boden befestigt, während die vier Schwarzen starr wie Bildsäulen, zwei rechts, zwei links von ihm, standen. Auf goldenen Thronen saßen hinter dem Löwen drei prächtig geschmückte Bolgani. Am Fuße der zum Antritt hinaufführenden Stufen stand La zwischen zwei Gomangani. Auf beiden Seiten eines durch die Mitte führenden Ganges standen dem Antritt gegenüber geschnitzte Bänke, auf denen einige fünfzig Bolgani saßen, unter welchen Tarzan den alten Mann erblickte, den er im Turme getroffen hatte. Bei dessen Anblick war Tarzan sofort von seinem Verrat überzeugt.

Der Raum war von Dreifüßen erhellt, in denen eine Masse brannte, die gleichzeitig Licht gab und den schweren Weihrauch erzeugte, der schon dauernd Tarzans Geruchsorgane beleidigt hatte. Die hohen, offenen Fenster auf einer Seite des Saales ließen die laue Luft der Dschungelsommernacht ein. Tarzan stellte fest, daß sich der Saal mit der Palastterrasse auf einer Höhe befand. Jenseits der Fenster führte ein offener Weg zur Dschungel und zur Freiheit, aber zwischen ihm und den Fenstern saßen fünfzig bewaffnete Gorillamenschen. Vielleicht war Strategie eine bessere Waffe als der Versuch, sich durch rohe Gewalt mit La einen Weg zur Freiheit zu bahnen. Gleichwohl hatte er das Gefühl, daß er sich zum Schlusse doch durch Gewalt durchhelfen müsse. Er wandte sich zu dem Schwarzen an seiner Seite.

Würden die Gomangani, die den Löwen bewachen, gerne den Bolgani entkommen? fragte er.

Alle Gomangani würden fliehen, wenn sie könnten, erwiderte der Schwarze.

Falls es für mich nötig wird, den Saal zu betreten, sagte Tarzan zu dem Schwarzen, wirst du mich dann begleiten und den übrigen Gomangani sagen, daß ich sie aus dem Tale herausführen will, wenn sie für mich fechten?

Ich werde es ihnen sagen, aber sie werden es nicht glauben, erwiderte der Schwarze.

Dann sage ihnen, daß sie sterben, wenn sie mir nicht helfen, erklärte Tarzan.

Ich werde es ihnen sagen.

Als Tarzan darauf wieder dem Saale seine Aufmerksamkeit zuwandte, hörte er, wie der Bolgani auf dem Mittelthron sprach.

Edle des Numas, des Königs der Tiere, des Beherrschers aller erschaffenen Dinge, sagte er in tiefen, rollenden Tönen, Numa hat die Worte dieses Weibes gehört und will, daß sie sterben soll. Der große Herrscher ist hungrig. Er selbst will sie hier in Gegenwart seiner Edlen und des kaiserlichen Rates der Drei verzehren. Es ist Numas Wille.

Ein Beifallsgeknurr erscholl aus der tierähnlichen Zuhörerschaft, während der große Löwe seine häßlichen Zähne bleckte und brüllte. Seine bösen, gelbgrünen Augen hingen mit schrecklichem Ausdruck an dem Weibe.

Übermorgen, fuhr der Sprecher fort, wird der Gatte dieses Geschöpfes, der mittlerweile im Turm des Herrschers in sicherem Gewahrsam ist, zum Gericht vor Numa gebracht werden. Sklaven! rief er, schleppt das Weib vor euren Herrscher.

Im Nu begann der Löwe zu rasen, peitschte mit dem Schweif und zerrte brüllend und knurrend an seinen starken Ketten, während er sich auf der Hinterhand erhob und auf La zu springen suchte, die nun gewaltsam zu der Empore geführt wurde, auf der sie das juwelengeschmückte menschenfressende Raubtier so ungeduldig erwartete.

Sie ließ keinen Schrei hören, obgleich sie sich erfolglos den Händen der kräftigen Gomangani zu entwinden suchte.

Schon wollten diese La in den Bereich der Löwenpranken stoßen, als ein lauter Schrei von einer Seite des Saales sie einhalten ließ. Die versammelten Bolgani sprangen vor Staunen und Empörung auf, denn das Bild, das sich nun ihren Augen bot, war wohl geeignet, sie zu erregen. Mit hocherhobenem Speer stürzte sich ein fast unbekleideter weißer Mann, von dem sie wohl gehört hatten, den aber noch keiner von ihnen bisher gesehen hatte, in den Saal. So flink war er, daß er seinen Speer entsandt hatte, noch ehe sie sich auf die Füße erheben konnten.


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