Fredrika Bremer
Nina
Fredrika Bremer

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Trauung. Wiege. Grab.

»Weint nicht um mich, ob auch vor meinem Sommer,
Vor meinem Herbst ich starb.
                                                         Tegnér.

Wir kleiden uns in Blumen zu der ersten Feier, in tiefe Trauergewänder, wenn die letzte Wohnung sich einem der Unsern öffnet. Es könnte jedoch mit Recht das Gegentheil stattfinden. Aber es ist schön – eine junge Braut und ihr Anblick locken das Herz 513 unwillkürlich zur Freude. Die festliche Kleidung, der Myrtenkranz um die jungfräuliche Stirne, die liebevollen Blicke Aller, die sie zu schmücken und zu verschönen scheinen, die Ahnungen und die Zukunft, welche ihr lachend entgegentritt – Alles entzückt. Mit ihr, durch sie sieht man wieder ein Haus sich bilden auf der Erde, eine Arche Noä auf per wilden Fluth der Welt, wo die weiße Friedenstaube wohnen und bauen wird; und schöne Kinder werden dort sein, holde Liebkosungen, freudige Blicke, liebeswarme Herzen und Freude werden unter dem gastfreien Dache wohnen; manche Wirksamkeit, manche schöne Gabe wird ihren Mittelpunkt dort finden und Segen im Leben verbreiten. Da steht sie, die junge Braut, die Schöpferin von diesem Allem, Hoffnungen und Freude begleiten ihre Schritte. An Leiden denkt man an einem Hochzeittage nicht.

Und wenn die Augenlieder der Braut schwer erscheinen von zurückgehaltenen Thränen, wenn ihre Wange blaß ist, wenn ihr Wesen bei Annäherung des Bräutigams mehr Furcht als Schüchternheit verräth, so will man doch nicht an Unglück glauben. Tanten und Basen winken einander zu und flüstern: »Ich war auch so an meinem Hochzeittage; – das vergeht mit der Zeit!« Und wenn ein gefühlvolleres oder schwerer geprüftes Herz schweigend einen Seufzer für die Braut ausstößt, so tröstet es sich, um seine Hochzeitfreude nicht zu stören, mit der Betrachtung: »Es ist einmal der Gang der Welt so!«

So tröstete sich bei Ninas Hochzeit, ohne jedoch einigen Trost darin zu finden, die Baronin H. Sie wiederholte wohl hundertmal diese wohlweise Phrase für sich, aber so oft sie Nina ansah, mußte sie die Augen senken, um hervorquellende Thränen zu zerdrücken. Baron H. sah dieß. Er ging zu ihr und nahm ihre Hand. »Der Knabe schläft süß,« sagte er; »Klara sitzt bei der Wiege und will nicht weg davon.« Die Baronin drückte 514 ihrem Manne die Hand, »Nina kann Mutter werden,« dachte sie und ward ruhiger um sie.

An ihrer Brust, in ihren Armen lag Nina auch am Abend kalt und beinahe bewußtlos.

»Ich werde selbst für meine Tochter Sorge tragen,« sagte die Gräfin Natalie; »überlaß sie mir.«

»Ich lasse sie heute Abend nicht aus meinen Armen, mag kommen, wer da will,« sagte die Baronin H. mit fester Bestimmtheit und sah den hereintretenden Bräutigam herausfordernd an. Die Gräfin ging ihm schnell entgegen.


Etwa ein Jahr nach diesem Tage sah ich Nina wieder und nie vergesse ich ihren Anblick. Bleich von überstandenen Leiden lag sie in einem schneeweißen Bette. Eine weiße Binde schloß sich dicht an ihre Stirne und bedeckte ihr Haar. Die Spitzen der Tüllhaube fielen darüber und spielten um ihre zarte Wange. Alles, was sie umgab, war blendend weiß; sie selbst glich einem frischgefallenen Schnee, der von einigen Sonnenstrahlen, von einigen blassen Rosenblättern beglänzt wird. An ihrer Seite lag in ihrem ersten Morgenschlummer ihre kleine Tochter. Ich sah, daß Nina Mutterfreude fühlte. Es war schön, dieß herrliche Auge strahlen zu sehen, diese holdseligen Lippen sagen zu hören:

»O man weiß nicht, was es ist, bis man es selbst erfährt; – auf einmal von allen Schmerzen frei zu sein und das Kind geboren zu wissen; – seine Hand auszustrecken und es dann neben sich zu fühlen.«

Und ihre weiße matte Hand strich liebkosend die Kleine, die es vergnügt zu fühlen schien. »Sie soll Edla heißen,« fuhr Nina mit holder Innigkeit fort – »ich will ihr einen Schutzengel geben. Möge sie der himmlischen gleichen! . . .«

Ich verließ Nina mit dem zuversichtlichen 515 Glauben, daß ihr Leben nicht freudlos sein werde. Allein das Bild der bleichen, jungen Mutter stand betrübend vor meiner Seele. Ich hatte nie einen lebenden Menschen so bleich gesehen.

Einige Jahre später sah ich sie noch bleicher; aber das war natürlich. Sie lag in ihrem Sarge und war noch schön. Ihre kleine Tochter war vorausgegangen und sie folgte. Ich sah den harten Ludwig bei der Leiche. Er weinte über derselben wie ein Kind.

Als Nina die Annäherung ihres Todes fühlte, schrieb sie an Hervey folgende Worte:

»Ich habe gelebt – weil du es wolltest. Weil du mich segnetest, habe ich Kraft bekommen, fern von dir Menschen glücklich zu machen – und ich bin selbst nicht unglücklich gewesen. Ich habe Mutterfreude, aber auch Mutterschmerz empfunden. Ich sterbe, und ich danke Gott. Wenn ich in meinem Leben dich höher geliebt habe, als alles Andere, so wird der Allgütige mich nicht verdammen. Es war meine Kraft, es war meine Tugend. In diesem Augenblick, wo die Welt um mich her dunkel und mein Blick trübe ist, in diesem Augenblick ist mein Seele noch hell und fest und hoffnungsvoll durch dich. O wie ein klarer Lichtstrahl brachst du durch mein nebligtes Leben und gabst ihm Wärme und Farbe. Ach! – und ich verdunkelte das deinige; – aber es wird auch für mich die Stunde kommen, dich zu erfreuen. Höre mich! Mein Geist flieht . . . . Nimm seinen letzten Seufzer, seine letzte freudige Hoffnung – höre! In deiner Todesstunde werde ich dir erscheinen! Wenn es Abend für dich wird, wenn dein klarer Blick zu dämmern anfängt und die kühlen Nebel der Erde um dich aufsteigen – dann, dann wird es mir vergönnt sein, zu dir zu kommen und dich in jene lichtere Welt abzuholen, wohin Edla vorausgegangen, wo sie dich kennen und lieben lernen, wo wir ewig beisammen sein werden, du mein, ich dein. Ich klage nicht darüber, daß wir auf Erden getrennt wurden, ich war deiner nicht würdig. Gott 516 wollte mich prüfen und läutern, um mich dir näher zu führen. Edla! Ich komme! . . . . Wann war ich deinem Willen ungehorsam, Edla? Eduard! Geliebter! O Gott segne dich und sei mir um deinetwillen gnädig! Gott segne, Gott segne dich!

Nina

 


 


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