Fredrika Bremer
Nina
Fredrika Bremer

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Hochzeit.

Seht wie stattlich dort die Braut,
Und der Bräut'gam wie so traut!
                        Hochzeitsgast.

Confekt, Lichter, eine Masse Leute, Trauung, Priester, Aufwärter die schwere Noth, Alles recht vornehm und recht steif, Gratulationen und Complimente, Bowlen und Gesundheiten bilden die Geschichte mancher Hochzeit und so auch dieser.

»Wie? Sollen wir wieder so kümmerlich mit Gewöhnlichem abgespeist werden?« höre ich von den Lippen meiner Leserinnen; »du schmeicheltest uns mit der Aussicht auf einen recht leckern Bissen, und jetzt wird es wieder ein Alltagsgericht.«

Allertheuerste! Ich habe gesündigt gegen den Präsidenten und gegen dich; aber – ich kann nun einmal nicht dafür – die Feste des Lebens: Krönungen, Hochzeiten u. s. w. haben keine recht lebendigen Farben in meiner Seele. Eine einsame Morgenstunde bei Sonnenaufgang, ein Seufzer aus gepreßter Brust, zweier Freunde Handschlag in der letzten Stunde des Lebens, – das gibt Gedanken ein, das macht das Herz schlagen und die Feder fliegen, aber . . .

»Aber eine Hochzeit? Ein Moment, wo zwei Herzen, zwei ewige Geister im Namen Gottes auf ewig vereinigt werden?!«

Amen! Das ist gewiß göttlich! Wenn sie nur nicht heute Ja zu einander sagen, um sodann das ganze Leben hindurch Nein zu sagen. Aber ich werde immer schlimmer, denn jetzt gilt es der guten Menschennatur selbst. Zur Ordnung, zur Hochzeit zurück, und was diese gewähren kann, sollst du, o Leserin, erhalten.

Bewundere die Braut! Mit ihren 45 Jahren (jetzt begehe ich Hochverrath gegen sie; Gott sei allen meinen 32 Sünden gnädig!) ist sie noch bewundernswürdig schön. Die Figur ist majestätisch und schlank, der Teint blendend weiß, durch einen leichten Auftrag von ächtem Carmin noch ein wenig hervorgehoben. (Ei, ei, heute bin ich auf gutem Wege!) Ihre Haltung ist edel, man sieht, daß sie geschaffen ist zu gefallen und Herzen zu gewinnen. Ihre Kleidung ist äußerst prachtvoll, Juwelen strahlen in den Haaren, Juwelen strahlen an den Armen und auf der Brust: welche Spitzen, welche – ich weiß selbst nicht mehr Alles, was! Mit welcher Anmuth sie bei der Trauung die Kniee beugt, mit welcher Majestät sie sich nachher wiederum erhebt! Eine stille Würde herrscht in Allem, was sie thut und läßt; gegen ihren neuvermählten Gatten zeigt sie eine milde Herablassung. Ihre Augen ruhen oft mit einem Ausdruck von Zärtlichkeit und Bewunderung auf Nina, die in weißen Flor gekleidet, das glänzende Haar wie von Feenhand geordnet, unmöglich einen andern Gedanken aufkommen läßt, als: »Du Engel du!« Die Braut will, daß Nina neben ihr sitze, und scheint sie jetzt als eine Art Eigenthum zu betrachten.

Der Präsident nimmt sich nicht übel aus. Er ist noch ein hübscher Mann, hat eine vortreffliche Haltung und das Etwas gerundete Bäuchlein stempelt ihn noch nicht zum Greise. Ueberdieß verbreitet das blaue Band eine Illusion darüber. Brillanten leuchten in seinem Ordensstern und die Liebe leuchtet in den Augen des glücklichen Bräutigams. Er hält sich unmittelbar neben seiner Gemahlin, er hält ihren Shawls, er hält sie sehr lieb, aber Alles mit Haltung, er gibt den Augenzähnen der Satyre nichts zu beißen. Nun, er ist auch nicht umsonst eine Excellenz, sie nicht umsonst so vornehm und so schön. Auch Edla ist festlich gekleidet, und zwar eben so geschmackvoll, als kostbar. Sie weiß, daß es ihrem Vater Freude macht. Sie ist ruhig und klar in ihrem Wesen gegen Alle und freundlich gegen ihre Stiefmutter, die ihr aufs einschmeichelndste entgegenkommt. 33 Edlas Augen ruhen zuweilen auf Nina. Sie sucht einen Anflug von Unruhe zu verscheuchen. Professor A. ist neben ihr und spricht lebhaft, weniger mit ihr, als damit sie es hören soll.

Die übrige Gesellschaft bildet verschiedene stille Gruppen. Wir wollen uns an eine minder schweigsame halten, die dem Leser schon aus früheren Zeiten bekannt ist.

Baron H. setzt sich so bequem als möglich in einen Lehnstuhl neben Fräulein Margarethe, die, obgleich Etwas älter und stärker, als damals, wo wir sie zum letztenmale sahen, immer noch eine sehr schöne und stattliche Dame ist, und sich unter den Widerwärtigkeiten der Welt, unangefochten von der Zeit, ihre schönen Zähne, ihre weißen Hände und ihren guten Humor erhalten hat.

Baron H. sucht immer noch eine Frau mit oder ohne Geld, sagt er; er ist indeß noch zärtlicher für seinen Körper besorgt, sein Blick für die Welt und ihre »Sorten« ist noch schärfer geworden und auch seine Herzensgüte und Munterkeit haben zugenommen. Es gibt solche Leute. Baron H. und Fräulein Margarethe sind außerordentlich erfreut, einander zu treffen.

»Nun, mein gnädigstes Fräulein,« beginnt der Baron, nachdem die ersten Begrüßungen vorüber sind – »wer von uns hätte wohl gedacht, als wir heute vor vierzehn Jahren bei der seligen Excellenz D. beisammen waren, daß wir uns an demselben Tage, in demselben Monat, nur vierzehn Jahre später, bei einem solchen Feste wieder treffen würden? Damals war Fräulein Adelaide – jetzt Gräfin Alarich W. – in ihrer höchsten Blüthe. Aber mein Gott . . . warum ist sie nicht hier? Wie befehlen Sie? »Verhindert!« Ja so! ha, ha! Ich verstehe! Nun, nun, das ist ganz in der Ordnung. Ich gratulire. Und die kleine, bescheidene Mamsell Rönnqvist, ein gar zu artiges Weibchen, die mir jetzt gerade in den Mund kommt – wo ist sie? Ist sie auch verhindert? Mein Gott . . . Wie befehlen Sie? Ja so, sie ist bei der Gräfin Alarich – sie pflegt sie und ihr 34 Kind; – brav so. Ich glaube, daß man Charakter hat, daß man consequent ist, und sie hatte schon vor vierzehn Jahren die Gräfin Adelaide so lieb, wie wenn sie ihr eigenes Kind gewesen wäre. Aber à propos, was sagen Sie zu ihrer Schwester, Fräulein Nina?

»Ich gestehe,« sagte Fräulein Margarethe, »daß ich sie für das Schönste halte, was Gott geschaffen hat – nur Etwas zu ätherisch – zu wenig Leib. Man meint ordentlich, sie könnte, eh' man sichs versieht, in einer Wolke verschwinden.«

»Ganz richtig, ganz richtig: ich liebe auch Etwas mehr Fleisch und Blut . . . Ich möchte auch keine Frau haben, von der ich fürchten müßte, sie könnte mir zerfließen, wenn ich sie nur anrühre. Gleichwohl bleibt wahr, daß Fräulein Nina etwas Bezauberndes in ihrem Wesen hat. Das Auge folgt ihr mit Bewunderung, und der Gedanke will sich nicht von ihr trennen. Es ist als läge ein Schleier von Wehmuth über sie ausgebreitet. Man möchte ihn lüften, und das liebenswürdige Geheimniß entdecken, denn ihre Traurigkeit hat etwas Liebliches, etwas Rührendes und ungemein Ansprechendes. Man sieht, daß es kein gegenwärtiger Schmerz ist, der sie verursacht. Sie gleicht der Erinnerung an Unglück, dessen Kelch schon längst geleert ist, oder einer dunkeln Ahnung an Leiden, die da kommen sollen; Gott beschütze sie! Der müßte ein wahrer Satan sein, der ihr Etwas zu Leid thun könnte. Schade, daß sie so blaß ist – sie ist wirklich marmorweiß – aber mitunter zieht es wie Wolken über sie. Sehen Sie, eben jetzt. Wolken, die von einer aufgehenden Sonne rosenroth gefärbt werden.«

»Nein,« sagte Fräulein Margarethe lachend, »das ist gar zu bunt. Ich rathe Ihnen ernstlich, Baron, nicht so viel nach ihr zu sehen, Sie werden sonst ganz gewiß verzaubert. Sie sprechen bereits so poetisch, daß ich Sie kaum mehr kenne; betrachten Sie sich einmal Ihre Nachbarin.«

»Recht gern. Nun, meine Gnädigste, wer ist die 35 junge Dame, die so still und ruhig dort sitzt? – Ein gar zu angenehmes Wesen; . . . wirklich ein recht liebliches Mädchen.«

»Sie sind heute Abend ganz besonders gütig. Ich glaube fest, daß sie ein recht artiges Mädchen ist, nur kommt sie mir Etwas schwerfällig und langweilig vor. Ich verkehre mit ihr am Liebsten in der Ferne. Sie heißt Klara S. und ist eine Art Erbstück, das meine Cousine, die nunmehrige Präsidentin, von einem ihrer gelehrten Freunde, der vor ein paar Monaten gestorben ist, übernommen hat. Das Mädchen hat auf der Welt Nichts, deßwegen will die Gräfin jetzt eine gute Partie für sie suchen und ihr eine schöne Aussteuer geben.«

»Das ist gar nicht dumm. Eine recht gute Idee! Das Mädchen ist meiner Seel allerliebst. Sie könnte just eine Frau für mich abgeben – wenn sie nota bene so klug wäre, und mich haben wollte. Sie sieht mir aus, als ob sie eine recht gute, recht verständige Hausfrau werden könnte. Wenn man sie genau betrachtet, so hat sie etwas überaus Schönes an sich – Etwas, das man im Anfang übersieht! Etwas Heiliges . . .«

»Nein, nein Baron! So geht es nicht an! Sie verlieben sich in jedes Frauenzimmer, und machen aus den gewöhnlichsten Menschenkindern Engel und Heilige. Essen Sie ein Glas Eis und kommen Sie wieder zur Vernunft.«

»Ganz, wie Sie befehlen! Aber ich mußte doch die junge Dame und ihre unvergleichliche Ruhe bewundern. – Sie scheint in einem Zustand zu leben, den la Bruyère das goldene Zeitalter nennt: sie bekümmert sich um Niemand, und verlangt auch nicht, daß Jemand sich um sie bekümmern soll. Madame W. mit ihrem Paradiesvogel sieht nicht halb so unbekümmert aus. Dieß muß ein recht behaglicher, ein ganz eigenthümlicher Zustand sein.«

»Dieß mag für das goldene Zeitalter recht brav gewesen sein, wo man vermuthlich alle möglichen Annehmlichkeiten gehabt hat, von denen wir jetzt Nichts 36 wissen. Aber in unserer Zeit und in unseren Gesellschaften lobe ich mir denjenigen, welcher sich hütet, stumm und langweilig zu sein. Ich war mehreremal mit Klara in Gesellschaft, und habe nie ein anderes Wort von ihr gehört, als ja oder nein. Lächerlichkeiten und Narrheiten aller Art sind tausendmal liebenswürdiger, als diese tödtende Einförmigkeit.«

»Wie allerliebst und angenehm müssen Sie dann die Fräulein F. finden, denn diese sitzen keinen Augenblick stille und sprechen über Alles die Kreuz und die Quer.«

»Nein, sie gefallen mir nicht, sie sind unangenehm und eine wahre Plage; da ist Klara weit besser; – kennen Sie die F.?«

»Ein wenig. Ihr Vater gehört zu den weisen Vätern, welche glauben, die Töchter dürfen durchaus Nichts kosten und sich der Meinung hinzugeben scheinen, sie sollten wie die Lämmer ihre wollene Kleidung mit auf die Welt bringen; – diese Theorie aber führt ein gewisses Unbehagen mit sich, welches auf das Leben und Wesen der Mädchen ansteckend wirkt. Sie können nur selten in Gesellschaft sein, und wenn sie da sind, so machen sie Sprünge wie die lieben Schafe.«

»Ich beklage sie von ganzem Herzen, und wünsche nur, daß ihr Vater seine Theorie ändern, oder die Töchter lernen mögen, sich auch zu Hause wohl zu befinden.«

»Amen! Aber ich bitte Sie, sehen Sie jetzt die Generalin P., in dem blauen Atlaskleid dort, ein wenig an. Was sagen Sie von dieser Farbe, von diesem Aussehen bei vollen fünfzig Jahren? Und doch hat sie manche Sorgen, manchen Kummer im Leben gehabt. Wissen Sie wohl, wie sie bei dem Allem ihre Jugendfrische und gute Laune erhalten hat?«

»Ich bin neugierig.«

»Ja meine Gnädigste, wenn man bedenkt, was es eigentlich ist, wodurch sich manche Menschen durch die Welt helfen, so bekommt man wunderliche Gedanken.«

»Zur Sache, zur Sache zuerst, dann können wir 37 über diese Gedanken nachdenken. Ich möchte jetzt gar zu gern das Schönheitswasser der Generalin wissen.«

»Ich will Ihnen zuerst sagen, was es nicht ist, dann können Sie es errathen. Es ist nicht Religion, es ist nicht Philosophie, obgleich sie gewiß eine fromme und gescheidte Frau ist, es ist nicht das Leben in der Gesellschaft, es ist nicht häusliches Glück – ich habe hierüber ihr eigenes Bekenntniß – und nun sagen Sie mir, was es ist.«

»Wäre die Rede von einem Mann, so würde ich sagen: ein guter Magen; da es sich aber von einem Frauenzimmer und zwar von einer solchen Gesichtsfarbe handelt, so sage ich: ein guter Schlaf.«

»Ganz richtig, ganz richtig! Wie scharfsinnig Sie sind! Ja sie schläft gut, und so fest, daß sie sich am Morgen kaum erinnert, was sie am Abend vorher betrübt hat. Ein guter Schlaf, das ist ihre ganze Philosophie. Sie ist ein ganz anderes Wesen, als Fräulein Edla, die mit allem ihrem Bücherstaub kein Bißchen lebhafter oder schöner geworden ist . . . Ja, ihre unendliche Nase . . .«

»Edla,« sagte Fräulein Margarethe mit einem Ton, der alles Witzreißen über sie abschnitt –»Edla ist eine Person, von der ich die höchste Meinung habe, auch weiß ich, daß sie in kleineren Zirkeln recht angenehm sein kann.«

»Mein Gott! Ich hege die allergrößte Liebe . . . Verehr . . . Ja wahrhaftig, ich hege sowohl Verehrung, als Liebe für sie. Ich bin überzeugt, daß sie ein vortreffliches Frauenzimmer ist, und wollte bloß bemerken, daß die Sorten verschieden seien.«

»Und wissen Sie wohl, daß auch die schöne Nina eine ungewöhnliche Erziehung erhalten haben soll? Lauter Studien von ihrem neunten Jahre an, Mathematik sagt man und Staatswirthschaft und . . .«

»Gott bewahre uns! Dann wundere ich mich nicht mehr, daß die Knospe so zart geblieben ist. Wer kann 38 auch von der Staatswirthschaft fett werden! Ich bin überzeugt, daß Fräulein Klara keine Staatswirthschaft studirt hat, aber dafür eine um so bessere Hauswirthin geben wird. Ich wollte wetten, daß sie einmal mehr Freier bekommt, als die schöne Nina.«

»Ich gestehe, daß ich den Geschmack dieser Freier nicht theile. Ich halte es weit eher mit Graf Ludwig R. der sich majestätisch um Nina herumschwingt, wie der Habicht um die Taube.«

»Ganz richtig, wie der Habicht, das ist der wahre Ausdruck. Graf Ludwig ist ein verdammt tüchtiger und hübscher Kerl, allein er hat wirklich Etwas von einem Raubvogel an sich. Ich möchte bei all seinem Reichthum und seinem hohen Rang doch nicht seine Frau sein.«

»Was sagen Sie? Er gilt ja allgemein für einen ausgezeichneten Mann. Ich habe ihn als eines jener Muster von Vollkommenheit preisen hören, die, unter uns gesagt, meine Antipathie sind, theils, weil ich nicht an sie glaube, theils, weil ich sie immer höchst widerwärtig gefunden habe. Er gilt für einen Mann, von dem durchaus kein Fehler bekannt ist.«

»Ach, meine Gnädigste, vielleicht hat er allerdings keinen eigentlichen Fehler, aber dagegen so viele Mängel, daß sie eine ganze Ladung ausmachen. Unter uns gesagt, er ist ein Mann ohne Herz, seine Gerechtigkeit führt bloß das Schwert. Aber hören Sie einmal, welche lebhafte Unterhaltung! und wie die neugebackenen Eheleute bloß für einander Augen und Ohren haben! Man muß gestehen, es ist erbaulich. Die Ehe, mein gnädiges Fräulein, ist eine verehrungswürdige Einrichtung und ein großes Glück auf Erden. Eine gute Hausfrau ist, wie David sagt, köstlicher denn Gold und ächte Perlen.«

»Es ist möglich, daß David auch so sagt, aber daß Salomo so sagt, weiß ich gewiß,« versetzte Fräulein Margarethe, die in ihrer Bibel gut zu Hause war.

»Immerhin. Vater und Sohn sagen dasselbe, was für die Weisheit beider zeugt. Ich versichere Sie, mein 39 gnädiges Fräulein, daß meine künftige Frau den Tag nicht bereuen soll, an dem ich ihr Mann wurde; Niemand wird sie inniger verehren, Niemand artiger gegen sie sein, als ich.«

»Das glaube ich, aber mein bester Baron, warum beweisen Sie Ihre Lehre nicht mit Ihrem Leben?«

»Mein gnädiges Fräulein, warum haben Sie mir vor zehn Jahren, als ich ihren Rath befolgen wollte, einen Korb gegeben?«

Fräulein Margarethe war Etwas verlegen, faßte sich aber bald wieder und sagte unbekümmert:

»Ich wäre doch neugierig, wie Sie als Ehemann Ihren Tag zuzubringen gedächten.«

»Sie sind allzugütig, allein ich gestehe aufrichtig, daß ich mit mir selbst noch nicht darüber einig bin. Ich will hierüber den guten Rath meiner Frau abwarten. Soviel ist mir indeß klar, daß wir jeden Tag mit Aufstehen beginnen und mit Insbettgehen schließen werden.«

»Nun,« sagte Fräulein Margarethe, »das klingt doch wenigstens neu und nicht im Mindesten trivial. Ich wünsche Ihnen Glück zu dieser herrlichen, außerordentlichen Idee. Ich zweifle nicht daran, daß Ihre Ehe ungemein glücklich sein wird, zumal –« hier stockte Fräulein Margarethe.

»Was zumal?« fragte Baron H. neugierig.

»Zumal für Ihre Frau, da das Haus bereits zum Voraus mit einem Filius gesegnet ist,« ergänzte Fräulein Margarethe mit sarkastischem Ton und Blick.

Diese Worte hatten die seltsame Wirkung, den Baron H. ein wenig zu verwirren. Er antwortete hastig: »Ganz richtig, ganz richtig,« fügte aber bald mit der größten Ruhe hinzu: »Wenn sie damit nicht zufrieden ist, so bin ich mit ihr auch nicht zufrieden.«

Fräulein Margarethe sah Etwas beleidigt aus. Der Baron stand auf und schloß sich einer gähnenden Gruppe an.

Mein geliebter Leser, ich fürchte, auch du hast dich ein wenig gelangweilt, allein dieß ist einmal in diesem 40 alltäglichen Leben ganz unvermeidlich. Inzwischen kann man hie und da zu außerordentlichen Mitteln greifen, um sich davon zu befreien, und – um deinetwillen, mein Leser – denn es ist mein sehnlichster Wunsch, dich bei guter Laune zu erhalten – will ich jetzt eine meiner Zauberkünste zeigen.

Ich löse die Gesellschaft auf, lösche alle Lichter, mache der Hochzeit ein Ende und lege Jedermann ins Bett.

Und jetzt ist es Nacht, und mit seinen freundlichen Schwingen berührt der Schlaf die Augenlieder der Menschen, und die Seelen weilen im nebelumhüllten Lande der Träume. Der Jurist vergißt seine Prozesse, der Arbeiter seinen mühevollen Tag, der Weltmensch die lange Weile, die er ausgestanden, der Unglückliche die Ursache seiner Thränen – holder, gesegneter Schlaf, Alles durch dich! Aber findest du Augen, welche du nicht schließen kannst, welche Sorgen oder Schmerzen offen und starr erhalten, bis auch das Gehirn erstarrt und das Herz verblutet – dann gehe, milder Schlaf, und bitte deinen bleicheren Bruder zu kommen; dann ist er der rechte Arzt.

Vielleicht, mein Leser, schließest du aus dieser Ausflucht, die so weit von meinem Ziele abliegt, daß ich selbst ebenfalls ins Schlafen gerathen sei. Zum Beweis, daß dem nicht so ist, will ich dir erzählen von


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