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Balaam und Balak erhalten den erhofften Lohn.
Bis jetzt waren meine Beweise, ich muß es zugeben, noch sehr schattenhafter Natur. Dennoch schalt ich mich höchst schwerfällig, daß ich sie nicht früher erfaßt hatte. Waren sie auch dem Verstande noch ungenügend, so hatten sie das Herz dennoch unwiderstehlich überzeugt. Nicht den vierten Theil der jetzt in mir aufdämmernden Gedanken habe ich niedergeschrieben, und es wäre Zeitverschwendung gewesen, wo bald wirkliche Beweise bei der Hand waren. Auch ließ mir Isola wenig Ruhe zum klaren Denken, so bestürmte sie mich mit einer Fluth von Fragen.
»Weißt Du auch ganz gewiß, liebste Clara, daß ich einen gesetzlichen Vater habe, der sich meiner nicht schämt und sich ebensowenig meiner Mutter geschämt hat? Warum ist er nie zu mir gekommen? Glaubst Du, daß er mich lieb haben wird? Und ist der liebe Conny mein wirklicher Bruder? Ich habe noch nicht zur Hälfte verstanden, was Du mir erzählt hast.«
Endlich fiel ich auf die Kniee und dankte Gott (allerdings etwas spät am Tage) für seine wunderbare Fügung. Hierbei und während ich mich meiner Mutter wie stets beim Gebet, erinnerte, enthüllte sich mir plötzlich die Gerechtigkeit der göttlichen Vorsehung. So lange, wie ich im Finstern getappt hatte, und nur blutige Rache mein Leitstern gewesen, so lange kein Strahl der Liebe und Barmherzigkeit den abschüssigen Pfad der Fatalistin erhellt hatte, waren mir mehr Warnungen und Hindernisse, als Hülfe von Ihm zu Theil geworden. Durch den Verlust des Reichthums und der theuersten Angehörigen, durch Erblindung und Einsamkeit, durch den für den Stolz eines Mädchens vernichtendsten Schlag, wo die Liebe ihres Herzens ihr verschmäht vor die Füße geworfen wird, durch Alles dies, wie auch die traurigen unter Thränen am Krankenbett verlebten Stunden, die Erzählung der Leiden eines Anderen, die schlimmer als die meinen waren, und deren Urheber der Dulder dennoch verziehen, und vor Allem durch Erweiterung des Geistes und der Lebensanschauungen hatte meine einst so unbezähmbare Seele gelernt, sich vor ihrem Schöpfer zu beugen. So erkannte ich den Pfad, welchen ich mit dem in Hochmuth zurückgeworfenen Nacken nicht zu entdecken vermocht.
Nicht, wie es vor zwei Jahren gewesen wäre, als erster und einziger Gedanke, sondern im Verein mit sanfteren Gefühlen kam mir der feste Glaube, daß Gott mir jetzt offenbart hatte, wer meinen Vater erschlagen. Und wie gedemüthigt fühlte ich mich, nachdem ich mich stets so sehr meiner Bestimmung gerühmt. Ich hatte die Hand erfaßt, welche die That verübt, den Augen zugelächelt, deren stierer Blick sie begleitet, und beifällig über die Witze des Geistes gelacht, welcher sie ersonnen hatte. Doch genug, oder mein christliches Gefühl möchte auf eine zu harte Probe gestellt werden. Meine Hand ist geballt, meine Brust athmet schwer und meine Augen blitzen wie ehemals.
Noch war ich unentschlossen, was ich zunächst thun sollte, denn Isola ließ mich nicht zum Nachdenken gelangen, als eine neue Unterbrechung kam.
»Eins, Clara, mußt Du mir klar und deutlich beantworten. Bist Du ganz sicher überzeugt, daß Conny und ich nicht von – nicht –«
»Nicht von unehelicher Geburt seid,« sagte ich fest; (warum ein Fremdwort gebrauchen wo unsere Sprache ausreicht?) »nein, mein Herz, Ihr seid von so guter Geburt wie ich, Eure Cousine Clara. Wir Vaughan's sind ein leidenschaftliches Geschlecht, aber nie hat ein Vaughan eine Frau in's Verderben gestürzt und sich zum Schurken erniedrigt. Das überlassen wir den Corsen und solchen Leuten, die zum Lügen erzogen sind.«
Die höhnische Bemerkung war höchst ungerecht und furchtbar unfreundlich, mir trotzdem aber zu naheliegend, um sie bei der so lange in mir verschlossenen Bitterkeit zurückhalten zu können. Ich bemerkte, daß ich meinen Liebling gekränkt hatte; also bat ich sie um Verzeihung und schalt mich so lange bis Alles wieder gut war. Plötzlich sprang sie die Hand auf ihr klopfendes Herz pressend empor (jede Bewegung, jeder Blick mußten denen ihrer Mutter gleichen) und rief:
»Laß uns jetzt gehen, Clara. Woran denke ich nur? Ich muß sofort abreisen. Und, wie Du sagst, ist mein Vater sehr krank. Er stirbt vielleicht ohne mich zu sehen. Nimm schnell Deine Sachen während ich nach dem Droschkenstand laufe.«
Mit Heftigkeit riß sie an der Thürklinke ganz vergessend, daß ich zugeschlossen hatte. Ihre Wangen erglühten in herrlichem Roth, ihre Gesichtszüge wie ihre ganze Gestalt schienen gleich einer flackernden Flamme vor Erregung zu tanzen. Es war kein Wunder, daß ihre Mutter mit solcher Leidenschaft geliebt hatte und geliebt worden war.
»Isola, wenn Du nicht ruhiger wirst, werde ich Dich gar nicht reisen lassen. Ich glaube fast, wir müssen einige Beweise haben, ehe mein Onkel ein kleines von mir in London aufgefundenes Mädchen anerkennt. Er ist ein kluger, vorsichtiger Mann und wird überzeugendere Beweismittel erwarten, als Deine schönen Augen und Deinen lieblichen Athem. Glaubst Du ungestümer Spring-in's-Feld, daß er Dich instinktmäßig erkennen wird?«
Die arme Kleine, wie traurig ihr Gesicht wurde und die Rosen darauf verblaßten. Der Anblick ging mir zu Herzen, aber ich wußte, woran ihre Mutter gestorben war und fürchtete, daß ihr junges Ebenbild in derselben Weise zu Grunde gehen möge. Ich wiederholte also:
»Bildest Du Dir ein, mein Engel, daß Dein Vater Dich instinktmäßig erkennen würde?«
»Vielleicht that ich es, Clara; wenn ich überhaupt darüber nachdachte. Ich weiß gewiß, daß ich ihn so erkennen würde.«
In diesem Augenblick ertönten zwei Schläge; gegen die Hausthür. Ich wußte was sie bedeuteten; der eine kam von Balaam, der andere von Balak. Isola klammerte sich erbleichend an mich; sie glaubte, daß sie verfolgt würde. Ich theilte ihr in der Eile mit, wen ich erwarte und sandte sie in Mrs. Shelfers Zimmer. Mein Herz schlug heftig als das würdige Paar mit vielen Kratzfüßen schwerfällig in das Zimmer gewackelt kam.
Meine Begrüßung erwiderten sie mit keinem Wort, sondern Balaam stellte sich feierlich an dem kleinen Tische auf und winkte seinem Kameraden, die Thür zu verschließen. Nachdem dies mit einer Pantomime geschehen war, welche bedeuten sollte: »Mit Ihrer gütigen Erlaubniß, Miß,« standen beide Männer, die infolge ihrer eifrigen Bemühungen nicht magerer geworden, nebeneinander vor mir. Des Unsinns müde rief ich ungeduldig aus:
»Schnell, wenns beliebt; was haben Sie entdeckt?«
Balaam blickte Balak fragend an, und erhielt ein bedächtiges Nicken zur Antwort, über dessen Bedeutung er mit Muße nachzudenken begann.
»Haben Sie mich um nichts und wieder nichts nach London gerufen? Was soll diese Geheimnißkrämerei bedeuten? Ich werde sofort die Klingel ziehen und Ihnen Beiden die Thür weisen lassen.«
Balaam's Lippen zuckten, blieben aber fest geschlossen, und er versuchte geradeaus auf beide Fenster zu blicken – bis ich den Klingelzug in der Hand hatte.
»Balak, ich habs Dir gesagt. Nimm Du nur künftig meinen Rath an, das ist besser, als wenn ich Deinen befolge! Balak sagte nämlich unterwegs, Miß, die junge Dame würde schon wissen, was sich gehört und ein nobeles Angeld herausrücken, ehe sie Etwas frägt. Nein, sagte ich, das stimmt nicht mit meiner Erfahrung überein, was die Frauen immer zuerst wollen –«
»Schnell, schnell, wie viel wollen Sie haben, ehe Sie mir sagen, was Sie wissen?«
Jetzt erfolgte ein längerer Austausch von Zeichen, ja sogar ein Flüstern hinter vorgehaltenem Hute.
»Ja, Miß, ich sage Zehn, und finde es genug, bis Sie Zeit haben werden, selber zu urtheilen. Aber Balak sagt, wir könnten es nicht unter Zwanzig thun in Anbetracht des vielen Biers, noch dazu meistens Landbier –«
»Ihr Rath ist besser, als der Balak's. In dem Punkt stimme ich Ihnen bei, und ich gebe ihm den Vorzug. Hier sind zehn Pfund.«
Er sah etwas verblüfft aus, aber er mußte sich zufrieden geben. Balak sah ihn mit ingrimmigem Lächeln an.
»Sobald das, was Sie mir mittheilen, sich wirklich als werthvoll herausstellt, will ich Ihnen eine Anweisung für fernere neunzig Pfund sofort und den Rest später geben; keinen Heller jedoch wenn Sie mich noch länger warten lassen. Sehe ich etwa aus, als ob ich Leute Ihrer Klasse betrügen könne?«
»Nein, Miß, hoffentlich auch keine aus einer anderen Klasse. Aber die Welt ist so voller Spitzbuben –«
»Sie haben mein Geld genommen, also sprechen Sie.«
Was sie mir mit ermüdender Ausführlichkeit und begleitet von verwirrenden Abschweifungen und vielem Eigenlob erzählten, nimmt nur wenige Zeilen in Anspruch. Sie hatten die Jellycores, wie sie anstatt Della Croce sagten, von Somers Town nach Lisson Grove verfolgt, wo dieselben nur eine kurze Zeit geblieben waren. Lepardo Della Croce hatte unter einem erdichteten Namen an Schulen in Portland Town und in St. John's Wood französische, spanische und italienische Stunden gegeben. Es schien ihm aber nie Ernst mit seiner Arbeit zu sein, obgleich er eingegangene Verpflichtungen niemals versäumt. Er war stets in sich gekehrt und schweigsam gewesen und hatte nie Einladungen angenommen, seinen wirklichen Lebensunterhalt aber in Whistklubs und Billardsalons erworben, wo seine Geschicklichkeit von Niemand erreicht wurde. Seine einzigen Freunde waren italienische Flüchtlinge, seine einzige Zerstreuung bildete die Sektion lebender Thiere. Damals muß er den Zeitungsartikel gesehen und jenes Verbrechen begangen haben. Dann wechselte er abermals seinen Namen und wohnte eine Zeitlang in Kensington. Er war vor Jahren schon in London gewesen und schien dort gut Bescheid zu wissen. Hier nahm ein Edelmann, den er einen Kunstgriff im Billard gelehrt, sich seiner an, empfahl ihn in der höheren Gesellschaft als Lehrer und verschaffte ihm eine untergeordnete Stellung am Hofe. Darauf legte er sich selber die Doktorwürde bei und nannte sich Professor Roß. Trotzdem vermißte er noch immer die Aufregungen und Abwechslungen seines früheren Abenteurerlebens, und mitunter zerriß er die Fesseln der Häuslichkeit und blieb derselben wochen-, ja, monatelang fern. Die lieblichen Kinder, welche von allen Leuten bewundert wurden, mit denen aber Niemand sprechen durfte, waren inzwischen der Obhut einer finsteren Italienerin übergeben, die ihnen nicht von der Seite wich. Plötzlich zogen sie alle mit einander von Kensington fort und ließen sich am Balls Pond nieder. Dieser Umzug fand statt, weil des Professors katzenschinderische Neigungen an's Licht zu kommen drohten. Der Hang zur Vivisektion war bei ihm so zur Leidenschaft geworden, daß er ihn um jeden Preis zu befriedigen suchte. Für manche Naturen liegt ein starker Zauber in den entsetzlichen Grausamkeiten, welche im Namen der Wissenschaft verübt werden. Unter dem Einfluß derselben ließ sogar seine strenge Zurückhaltung etwas nach, und er schloß sich einem Herrn an, der in Verbindung mit dem College für Veterinär-Wissenschaft in Camden Town stand. Nach dieser Vorstadt zog er demnächst, weil er seine unmenschlichen Versuche nicht mehr mit Bequemlichkeit unter seinem eigenen Dache anstellen konnte. Hier erlangte er mit Hülfe seines neuen Verbündeten, der nicht umhin konnte, seine hervorragende Geschicklichkeit zu bewundern, feste Anstellungen an mehreren Schulen für junge Damen, wo wissenschaftliche Vorträge gehalten wurden. Jetzt ward er von Leuten, die ihn nicht kannten, hochgeschätzt und von jungen Damen vergöttert, die zu klug waren, um ihre Verehrung einem Lieblingspastor zu widmen. Natürlich wurde er eingebildet, denn seine Natur war eine oberflächliche, und seine Klugheit besaß, obgleich sie von verderblicher Schärfe war, keinen festen Halt. So stellte er sich mit theatralischen Geberden und höhnischen Grimassen vor ein unwissendes Publikum und machte sogar gelehrte Männer vor Erstaunen über seine kühne Behauptungen stottern und stammeln, während sie zu ehrlich und groß dachten, um dieselben sofort zu verdächtigen.
Alle Thiere bis auf eines haßten ihn instinktmäßig; dies eine, welches nicht gescheidt genug war, ihn zu erkennen war sein Nebenmensch. Besonders die Frauen hielten ihn für einen stattlichen, lebhaften, angenehmen und glänzenden Mann. Und trotzdem erkläre ich bei meiner Ehre (mögen Diejenigen, welche Nichts von Ehre wissen es als eine nachträgliche Idee anzweifeln), daß mich im ersten Augenblick, als der graziöse, elegante Mann mein Zimmer betrat, ein Schauder durchrieselte, wie das Nahen des Herbstes die Blätter erzittern läßt, und mir das Rückenmark wie bei der epileptischen Aura fröstelte.
Der brave Guidice haßte ihn aus Leibeskräften und nicht allein durch den Instinkt sondern aus guten Gründen. Des Unmenschen intimster Freund war ein tapferer polnischer Patriot gewesen, der Alles für sein Vaterland geopfert hatte und hier in würdevoller Armuth lebte. Dieser Herr und seine Gattin konnten sich nur einen Luxus, und selbst diesen nur durch Aufopferung mancher Annehmlichkeit gestatten. Sie besaßen den schönsten Hund in London, der seines Herrn Leben vor den plattnasigen Söhnen des Czaren gerettet hatte. Dieser herrliche Bursche maltesischer Race war der Vater meines Guidice, den der polnische Verbannte als ganz jungen Hund an Conrad und Isola schenkte. Der jetzt schon greise Hund Slowski hatte eine Balggeschwulst hinter der Schulter, welche wuchs und wuchs, bis der Professor kaum die Finger davon lassen konnte. Er wußte aber, daß eine so ernste Operation bei einem Hunde dieses Alters höchst wahrscheinlich den Tod herbeiführen würde. Auch der Herr des Hundes wußte dies und wollte nicht daran rühren lassen. Lepardo Della Croce schwur endlich, keinen Bissen mehr genießen zu wollen ehe er die Wurzeln dieser Balggeschwulst untersucht habe. Guidice, zu jener Zeit noch ein munteres Hündchen, sprang in das Zimmer und erblickte seinen armen Papa – doch ich will das nicht schildern, woran zu denken einem Hunde unerträglich ist. Der arme Slowski starb noch in derselben Nacht, und der Pole schlug den Unmenschen zu Boden, dessen Pistole ihn am nächsten Tage auf der Hampstead-Haide verwundete. Der Herr genas allmählich, aber während seiner Krankheit überschritt seine von Schmerz fast zur Raserei getriebene Gattin die Grenzen der Ehre – nach ihren Begriffen. In Lepardo's Abwesenheit entlockte sie Cora, den Aberglauben des armen Weibes benutzend, einige seiner früheren Verbrechen. Dann erfuhr sie durch die Firma Green, Vowler und Green, daß mein Onkel noch lebte, entdeckte die Geschichte der grauenhaften That und schrieb den Brief, welcher mich nach London geführt hatte. Bald nachher, als ihr Gatte wieder hergestellt war, bereute sie, was sie gethan und sprach kein Wort mehr über den Gegenstand, wenigstens nicht in diesem Lande, welches sie bald verließ, um nach Amerika zu gehen.
In diesem kurzen Auszug habe ich, um Mühe zu ersparen, viel mehr berichtet, als ich zu der Zeit erfuhr, ja, viel mehr, als Balaam und Balak in einem Jahre herausbekommen hätten. Es macht aber keinen Unterschied, denn meine Schlüsse und Handlungen waren ganz dieselben, als hätte ich alles oben Erwähnte gewußt.
»Sie sehen also, Miß,« lautete der Schluß von Balaam's Rede, »daß wir es mit einem schlauen Fuchs zu thun hatten, trotz all seines wüthenden Temperaments. Bei Gott, ich glaube, kein Polizist hätte den herausgefunden. Aber wir, die wir Teppiche und Sophas visitiren und in den Schenken herumhorchen, na, ich sage, Leute von unserer Stellung haben Mittel und Wege, von denen sich kein Geheimpolizist Etwas träumen läßt. Und jetzt, Miß, das Tintenfaß steht auf dem Tisch, und wir gratuliren Ihnen Beide. Nicht wahr, Sie sehen jetzt, daß wir die Anweisung auf die neunzig Pfund verdient haben, und das Uebrige, wenn der Gentleman den Henker kennen lernt.«
»Sie sollen das Geld bald haben, wenn auch nicht sofort; denn ich glaube, Sie haben es verdient. Doch erst muß ich Sie bitten, in kurzen Worten niederzuschreiben, was Sie mir berichtet haben und es mit Ihrem vollen Namen zu unterzeichnen. Es ist nicht für mich nothwendig – ich habe mir jedes Wort eingeprägt – sondern für einen Herrn, der nicht mit Ihnen sprechen kann.«
Balaam und Balak sahen sehr verblüfft aus und erklärten, eine Woche zu gebrauchen, um die Hälfte von Allem niederzuschreiben, was sie mir mitgetheilt hatten. Diesen Einwand beseitigte ich schnell, indem ich mich erbot, aus dem Gedächtniß einen kurzen Auszug zu machen, den sie durchlesen und unterschreiben sollten. Um diese Zeit litten Beide an so heftigem Durst, daß ich sie fortschickte, um denselben zu löschen, während ich ihre Aussagen zu Papier brachte. Vorher jedoch rief ich meine geliebte Isola und theilte ihr mit, daß ich jetzt Beweise hätte, die selbst einen ungläubigen Vater zufriedenstellen würden.
»Du selbst, mein Liebling, hast gewiß auch irgend ein Andenken oder Erkennungszeichen.«
»Nein, Cousine Clara, ich kann mich auf Nichts besinnen, als auf dieses kleine Berloque, welches ich jahrelang am Halse trug und das ich Dir schon früher gezeigt habe. Ich befürchte aber, daß es nichts Ungewöhnliches ist. Er hat es mir einmal fortgenommen, indessen gelang es mir, es mir heimlich wieder anzueignen.«
Es war ein Stück Chalcedon Eine mikro- bis kryptokristalline Gefügevarietät des Minerals Quarz., welches irgend Etwas darstellte, das ich nicht erkennen konnte, und sehr glänzend polirt war. Sie sagte, es habe ihrem Bruder Conrad gehört, der es ihr geschenkt. Als ich dies hörte, betrachtete ich es nicht weiter.
Jetzt kehrten die Exekutoren in vortrefflicher Stimmung zurück und bereit, Alles zu unterschreiben, was ich wollte. Ich gab ihnen aber zu verstehen, daß ich, wie sehr sie sich auch angestrengt haben mochten, die Entdeckung schon vor ihnen gemacht hatte, was sie für ziemlich bedeutungslos und nebensächlich erklärten. Nachdem alles Geschäftliche geordnet war, konnte ich einige Minuten erübrigen, um zu überlegen, was zunächst geschehen solle.
Jetzt, wo meine Geschichte dem Endziel entgegeneilt, ist es zu spät, die Reise durch das schwere Gepäck von Motiven und Betrachtungen zu verzögern. Genug, daß ich mich entschloß, sofort mit der kleinen Isola nach Vaughan St. Mary zu reisen, und sie ihrem sehnsüchtigen Vater in die Arme zu führen, damit derselbe sie noch vor seinem Tode sehe. Ich hoffte, daß er noch jahrelang leben möge und befürchtete, daß er morgen schon sterben würde. So sehr gleicht jener verhängnißvolle dritte Schlaganfall dem Schwerte des Damokles. Auch Isola's Liebkosungen und Bitten trugen viel zu meinem Entschlusse bei. Konnte ihr schon Niemand widerstehen, als sie glücklich war, wer hätte es jetzt können? Ich trug Balaam und Balak auf, die Wohnung jenes Dämons auf das Strengste zu bewachen und ihn, falls er versuchen würde, sich zu entfernen, festnehmen zu lassen. Um mich ihrer Wachsamkeit zu vergewissern, zog ich die Anweisung auf die neunzig Pfund zurück und gab ihnen eine andere, die erst drei Tage später zahlbar war. Sie ließen es sich nur mit Murren gefallen; aber eine große Lehre hatte ich meinen rauhen Lebenserfahrungen zu danken: Traue keinem Manne über die Länge eines Korkes hinaus, der Sklave der Flasche ist.