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8.

Eine Entthronung.

Frau Thomasine Rendalen hob ihr Kind selbst aus der Taufe und gab ihm ihren eigenen Namen. Des kleinen Thomas Wiege stand an ihrem Bett, und ihr Schlafgemach ward ihr Lese- und Arbeitszimmer; die anderen standen wie Prunkgemächer leer.

Sie erhielt durch ihre Freundinnen in England, Frankreich und Deutschland Bücher über Erziehung in drei verschiedenen Sprachen. Aber sie legte sie bald wieder als gar zu unbestimmt oder willkürlich beiseite. Dann begann sie ihre sonstigen Kenntnisse zu erweitern. Sie allein wollte in allem seine Lehrerin sein.

Aber als er ein halbes Jahr alt war, erlitt das Erziehungswerk viele Unterbrechungen, denn er war ein unruhiges Kind. Der Arzt versicherte, soweit er es beurteilen könne, fehle dem Knaben nichts; er schreie nicht vor Schmerz. Aber wenn z. B. nicht in demselben Augenblick, wo der Knabe die Augen aufschlug, jemand zugegen war – nämlich diejenige, welche ihm Nahrung gab – dann schrie er nicht bloß, bis sie kam (das mochte man noch für recht und billig halten), nein, auch nachdem sie ihm zu trinken gegeben, schrie er immer noch, während die Milch ihm über das Kinn lief. Er tat einige Züge, hielt inne mit Trinken und kreischte wieder auf; er konnte die Vernachlässigung gar nicht verwinden.

Wenn ihm etwas im Wege war, das er nicht leiden mochte, schrie er sich ganz blau, streckte seinen kleinen Körper aus und machte sich steif. Es wollte Thomasine manchmal scheinen, als sei es nicht ein menschliches Wesen, was sie da auf dem Schoße hatte ...

Als er neun Monate zählte, mußte sie davon abstehen, ihm noch ferner die Brust zu geben; die Erregung und der Schreck, in welche er sie beständig versetzte, wirkten durch die Milch auf das Kind zurück.

Es war ein grausamer Kampf, den sie jetzt durchleben mußte; er währte im ganzen drei Tage und drei Nächte. Während dieser ganzen Zeit war er nicht dazu zu bringen, von der fremden Nahrung auch nur einen Tropfen zu sich zu nehmen, ohne daß besondere Mittel angewendet wurden. Und wenn Thomasine leise im Zimmer oder im Korridor hin- und herging, um diesem heiseren Schreien zu lauschen – denn seine Stimme hatte er nicht mehr – ohne daß sie sich zeigen oder ihm helfen durfte, dann erinnerte sie sich voll Scham mehr als einmal daran, was sie gedacht und bei sich beschlossen, ehe er zur Welt kam. Der Knabe weinte drinnen und die Mutter draußen.

Und dieser sein erster großer Krieg in der Welt, der Krieg um die mütterliche Nahrung, übte keinen glücklichen Einfluß. Denn von jetzt an schrie er noch ärger als zuvor. Thomasine war ein kräftiges Wesen mit viel Geduld; aber er brachte sie so weit, daß sie nicht bloß abmagerte, sondern auch nervös wurde. Sie meinte, wenn er älter würde, gehe es vorüber, und wartete, bis er ein ganzes Jahr alt geworden. Auch dann wartete sie noch; aber je mehr er zu Kräften kam, um so beharrlicher schrie er.

Nun galt es, eine bestimmte Verhaltungsmethode zu wählen. Die gelehrten Professorenbücher waren hier nicht anzuwenden, oder sie hatte sie nicht verstanden. Dann fragte sie erfahrene Leute und erhielt den Rat, ihn fortwährend zu zerstreuen. Das ging eine Weile an; er schwieg, wenn er etwas Neues erblickte, aber er wollte denselben Gegenstand nicht mehr als höchstens zweimal sehen. Vergaß sie sich in dieser Beziehung, ward er so wütend, daß selbst etwas ganz Neues ihn dann nicht wieder zur Ruhe bringen konnte. Da riet ihr jemand, den Jungen schreien zu lassen, soviel er wolle. Ihr ewigen Mächte, wie er da brüllte!

Wäre er gewissermaßen der Repräsentant all des Jammers gewesen, der in der Stadt herrschte, er hätte es nicht ärger machen können. Nein, dachte Thomasine, auf diese Weise peinigt der Knabe sich und mich zu Tode. Dann nahm sie die gerade entgegengesetzte Methode an; sie verlegte sich darauf, seine Gedanken zu erraten, lange bevor er sie hatte, und fügte sich ihm in allem.

Das half; aber riet sie fehl, so nutzte es ihr nicht einmal, daß sie später richtig riet. Die mütterliche Sklavin kam, wie vor ihr so viele andere, bald so weit in ihrer Not und Verzweiflung, daß sie den Entschluß faßte, sich zu empören. Der kleine Despot mußte vom Thron gestoßen werden.

Die Revolution brach damit aus, daß Seine Gnaden 6 – sechs – Klapse erhielten. Sofort zeigten sich alle Schrecken eines erbitterten Krieges, aber es folgten sechs, sieben, acht, ja sogar zwölf Hiebe. Die Macht schon vor dem Tode abzugeben, ist ein schweres Ding, selbst für einen noch nicht zweijährigen Tyrannen, so daß der Kampf mehrere Stunden dauerte, bevor er sich – ergab? Nein, das tat er nicht, sondern – bevor er in Schlaf sank.

So angegriffen war Thomasine von all der Monate währenden Unruhe, dem Schrecken und den Nachtwachen und dem Kampf, daß sie am ganzen Leibe bebte. Jetzt wachte sie über seinen Schlaf; sie empfand Mitleid mit der gefallenen Größe; sie hörte, wie er schluchzte in seiner Hilflosigkeit; sie sah, wie die letzten Tränen auf seinen Wangen trockneten; wie seine drallen Händchen zuckten, seine dünne Kopfhaut sich bewegte. Wer sollte ihm denn gut sein, wenn sie es nicht war? Wie sehnte sie sich danach, ihn erwachen zu sehen, um ihm ihr allersanftestes Gesicht zu zeigen und vor ihm niederzuknien und mit ihm all die kleinen Kunststückchen anzustellen, die jede Mutter entzücken. Namentlich aber sehnte sie sich danach, ihn das Mäulchen zu einem Kuß spitzen zu sehen. Wenn er das tat, war er unwiderstehlich.

Endlich begann er sich zu regen und an der Nase zu reiben. In ihrer Ungeduld schob sie die Hände unter ihn und legte ihr Gesicht an seinen Kopf, um den frischen Duft dieses jungen Wesens einzuatmen.

Da verzog er den Mund; in seinen Augen war helle Verzweiflung zu lesen, und dann kam ein Schrei – ein ganz furchtbarer Schrei, indem er mit den Händen, mit dem Kopf, mit dem ganzen Körper sich von ihr loswand! ... Sie mußte ihn eiligst loslassen und ihre Schwester rufen. Nach dieser streckte er sofort seine Ärmchen aus und an sie schmiegte er sich fest an, um vollkommen vor seiner Mutter sicher zu sein ...

Die verlassene Mutter stand da und sah dies alles an, und dabei dachte sie darüber nach, daß nun der Kompaß die Runde gemacht. Sie war jetzt, wo sie vor einigen Monaten begonnen hatte. Erst beschlich sie ein Gefühl jämmerlicher Ohnmacht; dann ein starkes Gefühl der Beschämung – und plötzlich entriß sie den Knaben der Schwester und kleidete ihn selbst an, mochte er sich noch so sehr dagegen sträuben. Er schrie die ganze Zeit über, und als er angekleidet war und keine Nahrung aus ihrer Hand annehmen wollte, da hagelte es Hiebe und Schelte, und sie ließ nicht eher ab, bis er sich unter Schluchzen und heftigem Stöhnen bemühte, still zu sein. Nach und nach war der Kampf zu einem gedämpften Schluchzen vor verschlossenen Türen herabgestimmt. Versuchten sie einmal den Kampf nach draußen zu verlegen – oh, dann wurden sie sofort ins Zimmer zurückgeschreckt!

Endlich versuchte er es in seiner Furcht noch einmal, den Mund zum Kuß zu spitzen, um ihr zu zeigen, daß es ganz und gar wider seinen Willen geschehe, wenn noch widerspenstige Töne hervorkämen. Es war ein komischrührender Versuch. Dann ward er zum Essen gezwungen; und hierauf wurde der Besiegte niedergelegt und schlief schluchzend ein ...

Sie machte einen Spaziergang, kam dann und setzte sich wie das letztemal zu ihm und erwartete bangend sein Erwachen. Und richtig: kaum schlug er die Augen auf und wurde ihrer ansichtig, als er wieder den Mund verzog, aber erschreckt ließ er seine Absicht wieder fallen, ja er streckte sogar seine Händchen aus und überließ sich derjenigen, die da über ihm lächelte.

Manche glücklichen Sieger hat es gegeben, bevor Frau Thomasine Rendalen ihren Sohn vom Throne stürzte und sich selbst darauf setzte. Auch wurde ihr Glück von dem Bewußtsein beeinträchtigt, daß sie das gleich im Anfang, jedenfalls früher hätte tun müssen. Allein trotzdem war sie so froh über ihren späten Sieg, wie mancher General über eine gewonnene Schlacht. Und als sie sich an diesem Abend zur Ruhe legte, fühlte sie sich so müde und zugleich so ruhig, wie jemand, der eine Stadt erobert hat.

Er zählte damals einunddreiviertel Jahr. Sie begriff sehr wohl, daß dies nicht der letzte Kampf war, aber sie begriff auch, daß er auf der unsteten Fahrt seiner Launen endlich seine Mutter entdeckt; von jetzt ab war sie gleichsam sein Festland.

Davon erhielt sie bald einen Beweis. Geschah es im Siegesrausch, daß sie eine Haube zu tragen begann, oder war es ein längst gehegter Plan, das Haar zu verbergen, über das sie sich solange geärgert – genug, gerade jetzt kam die Haube zum Vorschein. Diese wollte und mußte der Knabe sofort wieder beseitigen. Seinetwillen hatte sie vorläufig die Brille, der er ebenfalls Krieg geschworen, geopfert; die Haube jedoch wollte sie ihm nicht opfern.

Nun gibt es manchen, der sich wohl drein ergibt, die wirkliche Macht zu verlieren, es aber nicht verwinden kann, den Symbolen der Macht zu entsagen; und daß er über der Mutter Haar und Kopf frei verfügen konnte – das war das Zeichen einer stolzen Macht, auf das er nicht verzichten wollte. Und so kam es zu einer Schlacht.

Aber er ergab sich, bevor es noch zur Entscheidung kam. Seine beiden kleinen Hände wurden wieder und wieder zurückgeschlagen, und jedesmal kräftiger trotz seines Schreiens. Plötzlich warf er sich ihr an die Brust, und der kleine Krieg hatte einen günstigen Ausgang genommen.

Als sein zweijähriger Geburtstag bevorstand, konnte sie sich sagen, daß sie eine glückliche Mutter sei. Eine englische Freundin, mit der sie eifrig Briefe wechselte, seitdem sie mit den Damen der Stadt keinen Umgang mehr pflegte, hatte ihr zu diesem großen Tage Dickens' David Copperfield geschickt, der gerade damals ganz England in Entzücken setzte. Das Buch kam einen Tag zu früh. Sie las sich sofort eine weite Strecke hinein, und all die lebensvollen Bilder gruppierten sich gewissermaßen um den Kleinen zur Feier seines Geburtstagsfestes, bei welchem er in einem vollständig neuen Kostüm auftreten sollte. Sie träumte von Klein-Jip und Klein-Thomas.

An diesem Geburtstag erwachte sie etwas später als er; aber er lag ganz still. Während der Nacht hatte er sie nicht ein einziges Mal beunruhigt; überhaupt hatte er sich während der beiden letzten Monate fast ganz friedfertig benommen. Glücklich und stolz begrüßte sie ihn.

Die ersten Stunden vergingen in eitel Lust und Freude. Gegen neun Uhr saß er bereits in seinen neuen Kleidern am Boden, umgeben von all den Spielsachen, die sie und ihre Verwandten ihm geschenkt; sie selbst saß in vollem Putz am Fenster und las im Copperfield. Sie hatte versucht, frische Luft hereinzulassen, allein der Frühling war noch etwas kühl.

Da wurde sie hinaus in die Küche gerufen. Es war ihm nie recht, wenn sie ihn allein ließ; aber jetzt war er ja so sehr mit seinen Geschenken beschäftigt, daß sie es vielleicht wagen konnte; doch gebrauchte sie die Vorsicht, den Weg zur Küche durch das Schlafzimmer und von dort über den Korridor zu nehmen. Sie ließ die Küchentür offen, für den Fall, daß sie ihm zu lange bleiben und er nach ihr rufen sollte. Aber er ließ nichts von sich hören, und so blieb sie, bis sie fertig war.

Es war ganz still im Zimmer; verdächtig still. Er hatte sich nämlich das Buch gemerkt, in dem sie las; denn nach englischer Weise hatte es einen bunten Einband mit einem Bilde auf der Decke. Er hatte gesehen, daß sie es auf den Tisch gelegt. Auch ihn hatte die Lust angewandelt, ein wenig darin zu lesen, wenn es ohne sonderliche Schwierigkeiten geschehen konnte.

Sobald er sich allein befand, ließ er all seine Spielsachen liegen, stand auf, stolperte durchs Zimmer, schob einen kleinen Schemel an den Tisch, als er das Buch nicht sofort bequem fassen konnte, riß es herab auf den Boden und nahm wieder Platz. Es währte eine Weile, bis er die Erfahrung machte, die er schon früher mit Büchern gemacht, aber immer wieder vergessen hatte, daß nämlich viele Blätter sich nicht gut auf einmal lesen ließen; aber eines oder zwei auf einmal – das ging. Da riß er sie denn aus dem Buch heraus; auf diese Weise lasen sie sich leichter. Und als er sich erst einige genommen, mußten noch andere heraus, im ganzen zwanzig – da kam die Mutter wieder herein.

Wegen dieser Lesemethode verfeindeten sie sich sofort wieder. Sie vergaß sich, entriß ihm heftig das Buch und bedeutete ihm barsch, er wisse ja, daß er keine Bücher nehmen dürfe.

Zunächst geriet er in Schrecken; aber dann streckte er beide Hände nach ihr aus und sagte:

»Thomas Buch, Mama!«

Natürlich achtete sie gar nicht auf ihn, weshalb er zu ihr trat und ungemein einschmeichelnd wiederholte:

»Thomas Buch, Mama!«

»Nein!« antwortete sie scharf; denn leider war das Buch gerade an der Stelle, wo sie jetzt lesen wollte, schändlich zerrissen.

Er wartete ein wenig; und dann bat er nochmals:

»Thomas Buch, Mama!«

Sie erinnerte sich, daß sein Geburtstag war, und antwortete diesmal sanfter, wobei sie ihm zugleich zeigte, welches Unheil er angerichtet.

Er hörte sich das gleichmütig an und antwortete:

»Thomas Buch, Mama!«

Sie hatte Zuckergebäck auf dem Tische stehen. Sie gab ihm etwas davon. Er verspeiste es denn auch, während er sagte:

»Thomas Buch, Mama!«

Da legte sie das Buch fort, ergriff ihn bei den Ärmchen, tanzte mit ihm durch das Zimmer und setzte ihn dann mitten unter sein Spielzeug. Sie selbst kehrte an den Tisch zurück, um die zerrissenen Blätter zu ordnen. Bald stand er wieder neben ihr und streckte die eine Hand auf den Tisch, während er sich mit der andern festhielt, und sagte:

»Thomas Buch, Mama!«

Noch einmal legte sie das Buch fort und nahm seine Überkleider, um mit ihm auszugehen. Das wollte er sich durchaus nicht gefallen lassen; er machte sich so steif wie ein Stock, aber sie bestand auf dem Ausgehen. Sie hielten sich eine Stunde im Garten auf, und er amüsierte sich köstlich. Als sie wieder im Zimmer angelangt waren und sie ihm das Überkleid abzog, streckte er das freie Händchen nach dem Tische aus und begann wieder:

»Thomas Buch, Mama!« – und zwar mit der einschmeichelndsten Stimme und Miene, über die er verfügte.

Sie meinte, es sei das beste, sich taub zu stellen und fing an, Papierstreifen zu schneiden, die sie mit Gummi bestrich und auf die zerrissenen Blätter klebte. Die Arbeit ging langsam vonstatten. Inzwischen stand er da und flehte und bettelte und stampfte mit den Füßchen und wiederholte in einem fort:

»Thomas Buch, Mama!«

Endlich einmal muß er doch aufhören, dachte sie.

Aber sie wurde mit ihrer Arbeit fertig, und noch immer bettelte er.

Sie sehnte sich aus seiner Gesellschaft heraus und zurück in die des Buches: die war ja doch unbedingt amüsanter. Aber böse wollte sie nicht werden – und so begann sie Flöte zu spielen, d. h. sie bewegte die Finger wie auf einer Pikkoloflöte und pfiff dazu; eine Beschäftigung, in der sie eine besondere Übung hatte.

Er zerrte an ihrem Kleide, – sie antwortete auf der Flöte. Dabei ward sie ganz fröhlich; und ihre Fröhlichkeit stieg noch, als er böse wurde über das Flötenspiel, »nein, nein!« rief und weinte und nach ihr schlug. Sie spielte immer eifriger auf ihrer Flöte. Aber er hörte ebensowenig auf wie sie; die Geister der Kurts spukten in allen Ecken und Ritzen.

Da warf er sich rücklings auf den Boden, trommelte mit den Absätzen und schrie. Sie blies noch immer die Flöte, aber schon etwas matter, denn sie fühlte, daß er doch eigentlich gewonnen hatte. Sie setzte sich jetzt und neckte ihn. Sie hätte ebensogut sofort den alten Kampf wieder aufnehmen können. Das Flötenspiel verwandelte sich mit einemmal in Weinen. Der Knabe, der sie während seines Wütens aufmerksam im Auge behalten, geriet in solche Verwunderung, daß er zu schreien vergaß. Sie ward von ihrem alten Schrecken ergriffen und hörte und sah nichts, bis sie etwas Warmes an der einen Hand fühlte; diese hing schlaff herab, da sie sich in ihrer Verzweiflung im Stuhl zurückgeworfen und mit der andern Hand das Gesicht bedeckt hatte.

Jetzt sah sie auf und blickte in ein verwundertes Gesichtchen, in das von Tränen überströmte Gesichtchen ihres lieben roten Buben. Sobald er bemerkte, daß sie ihn ansah, versuchte sein Mund sich zum Kuß zu spitzen; nun streckte er auch die Hände aus. Und dann ward das kleine, flache Näschen zu der großen Nase emporgehoben, und ihr Mund murmelte und flüsterte tausend liebliche Kosenamen, und sie tätschelte und küßte ihm das ganze Gesichtchen und Köpfchen. Seine Arme waren um ihren Nacken geschlungen.

Sie nahm das Buch nicht wieder auf; aber sie behielt ihren Sohn. Und er blickte nicht einmal nach dem Tische hin, auf dem das Buch lag.

Das war ihr letzter großer Kampf. Natürlich gab es noch tausend kleine Gefechte; aber keines währte länger als ein paar Minuten.


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