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2.

Was sich auf dem Gute weiter begab.

Kurts Söhne waren zu jener Zeit in Kopenhagen bei dem Magister Owe Gude. Mit diesem reisten sie auch später ins Ausland und hielten sich namentlich bei Kurts vornehmen Verwandten längere Zeit auf. Dann kam Adler nach Hause, um das Gut zu übernehmen. Aber Max blieb im Ausland und widmete sich, da er große Rednergaben besaß, der Gottesgelahrtheit.

Herrn Adler bekam man in der Stadt nur sehr selten zu sehen, und niemals ging er darin promenieren, sondern ließ sich in einer Portechaise tragen, begleitet von Dienern in großer Livree. Ebenso war's auf dem Schloß; da stand der eine Diener dem andern im Wege, und alle gingen stets gekleidet wie zu einem Fest bei einem großen Fürsten. Herr Adler lebte ganz für sich, er hatte keinen Umgang mit den achtbaren Bürgern der Stadt, die in seinen Augen nichts waren. Nach und nach wurde Herr Adler über die Maßen dick und schwer von Körper, und nahm allerlei wunderliche Gewohnheiten an. So redete er niemals mit den Leuten, sondern hörte nur zu.

Nachdem er einige Jahre hiergewesen und mit den vielen Geschäften, die von Thorbjörn Christoffersen tüchtig geleitet wurden, Glück gehabt, reiste Herr Adler nach Kopenhagen. Denn da weilte Christian V. hochseligen Angedenkens nicht mehr unter den Lebenden, sondern sein Sohn, unser allergnädigster König und Herr, Friedrich IV. (den Gott mit allen Tugenden zieren und schmücken möge!) war unser Landesvater geworden. Und vor diesem tat Herr Adler mit großer Mühe einen Kniefall und bat ihn, seines hochseligen Herrn Vaters allergnädigstes Versprechen gegen seinen Vater selig zu erfüllen, daß er nämlich geruhen möchte, in unsere Stadt zu kommen und unter seinem bescheidenen Dach zu schlafen, wenn er das erstemal Norwegen, wo alle seiner harrten, besuche. Und die heimliche Absicht dabei war, wie der König wohl merkte, daß Herrn Adler wieder der hohe Adelstitel verliehen werde, dessen sein Vater einst in seiner Jugend verlustig gegangen. Diese Bitte geruhte der König allergnädigst zu erhören.

Da reiste Herr Adler sofort nach Holland; denn nun war nichts gut genug von dem, was der Vater geschaffen. Und von dieser Reise kam er heim mit der großen Karosse, die man hier zum erstenmal zu sehen bekam. Und der Kriegskommissar, Herr von Synnestwedt, meinte, es komme Herrn Adler nicht zu, in einer Karosse zu fahren, denn er sei keine Standesperson. Und so ward Klage angestellt. Da wurde es von Kopenhagen her zum erstenmal bekannt, daß die Kurts von sehr hohem Adel waren. Seit der Zeit fuhr er nie ohne Vorreiter und Jäger samt zween Lakaien hintenauf. Weshalb er auch vier Pferde haben mußte, der steilen Anhöhen wegen. Aber die Stadt schätzte es sich zur Ehre, daß sie einen Mann mit solchen Rechten in ihrer Mitte hatte.

Aber Herr Adler hatte in Kopenhagen herausgefunden, daß in dem Schloß, das der König dort bewohnte, nicht seine Diener schliefen, sondern, wie recht und schicklich, nur er und seine hohe Familie. Wogegen die königliche Dienerschaft in einem Flügel wohnte. Darum geschah es, daß Herr Adler den großen rechten Flügel an das neue Haus fügen ließ. Dort sollte des Königs Aufwartung und Dienerschaft sich aufhalten, wie auch Herr Adler und seine Dienerschaft, wenn der König komme. Aber Thorbjörn Christoffersen, sein Vertrauter, weigerte sich entschieden, auch einen linken Flügel anzubauen und drohte ihn zu verlassen. Darum hat das Haus nur einen rechten Flügel. Auch den Turm zu vollenden, gelang Herrn Adler nicht. Denn um dieser großen Pracht willen waren viele Hypotheken auf das Gut genommen, und Thorbjörn Christoffersen konnte nicht die Zinsen zahlen, so daß einige der wertvollsten Grundstücke mit großem Verlust verkauft werden mußten. Ebenso wurden die Bauplätze in der Stadt an jeden, der zahlen konnte, verkauft. Damals war es, wo das Parzellieren des Gutes begann.

Herrn Adlers jüngerer Bruder, der Geistliche Herr Max, war in allerlei Geschäften ein sehr erfahrener Mann, und so ging er Herrn Thorbjörn Christoffersen zur Hand. Und wenn ich mich jetzt anschicke, eine Schilderung des Herrn Max zu entwerfen, so bitte ich Gott, mich zu bewahren, daß ich mißgünstig urteile über den verstorbenen Mann, der mir in vielen Stücken Leids getan. Denn im selben Jahre war ich bei Sankt-Marien hier in der Stadt Küster und Kantor geworden; will aber nun hier nicht das kostbare Papier mit unserm Streite anfüllen, der den Becher, welcher nach Herrn Kurts Tode auf der Auktion gekauft war und durch Erbgang in meinen Besitz gekommen, betraf; oder mit dem Zank, der entstand, als ich an dem Tage infolge eines Trinkgelages unpäßlich war, die Predigt aus des Doktors Martinus Buch vorlesen wollte und Herr Max auf die Kanzel kam und mich niederschlug. Dies alles soll nunmehr, da er unter der Erde ruht, für mich vergessen sein. Also nicht darum geschieht es, daß ich die Wahrheit über ihn aufzeichne. Sondern auf daß die kommenden Geschlechter erfahren, wie wunderbar des Herrn Wege gewesen mit diesem Geschlecht. Auch daß es offenbar werde, wie diese Stadt vor allen anderen in Gottes Schutz stand, da er so sichtbarlich sie beschirmet, indem er ihre Quälgeister heimgesucht.

Von dem Tage an, da Herr Max hierher kam, dominierte und regierte er seinen Bruder und alle auf dem Gute, wie auch die Kirche und alles was dazu gehörte und die ganze Stadt. Er war schlimmer als sein Vater, Herr Kurt, maßen er gelehrt war und mit großer Klugheit und Geschicklichkeit Menschen und Dinge drehen und wenden konnte. Auch auf der Kanzel war er ein gar gewaltiger Mann. Als das schreckliche Unglück geschah, daß die Sankta Maria-Kirche niederbrannte, entzündet durch den Blitz des Himmels, uns allen zum ewigen Gedächtnis, wie anderweitig in diesem Manuskriptum berichtet, da predigte Herr Max den ganzen Sommer über auf dem Markt von einer Erhöhung herab. Und da hörten sie ihn an der einen Seite durch die ganze Stadt hin; da draußen im Hafen drängten sie sich auf den Fahrzeugen zusammen, und auch dort und in den Fenstern auf der Landzunge hörten ihn die Leute, doch konnten sie nicht die Worte unterscheiden. Ja, ein Schiff wurde hereinbugsiert, und der Schiffer hat es mir selbst berichtet, wie sie es alle draußen im nördlichen Sund vernahmen, und daß es ihnen von der Stadt her tönte, wie von einer Frau in Kindesnöten. Denn eine Mannesstimme tönt in großer Entfernung wie eine Weiberstimme. Darum muß zu des Herrn Max Lob und Ruhm gesagt werden, daß alle einen heiligen Schreck bekamen und zu seiner Zeit in die Kirche gingen.

Und er duldete es auch nicht, daß einer draußen blieb. Er forschte nach ihm auf der Kanzel oder suchte ihn im Hause auf. Vor allem die gemeinen Leute waren ihm zugetan wie vordem seinem Vater. Denn er ließ sich oft herab, ihren Hochzeiten und Begräbnissen beizuwohnen und ihr Bier zu kosten, wie auch ihnen nützlichen Rat in allen ihren Angelegenheiten zu erteilen; war er doch gar sehr verständig und kannte sie alle, Mann und Weib, bei Namen. Und er unterwarf sich nach und nach die ganze Stadt, so daß in jenen Tagen niemand etwas erwarb, ohne davon dem Geistlichen zu spenden. Auch durfte nicht geschlachtet oder gebraut werden, ohne daß ihm davon zugeteilt wurde. Und konnte ihm der Arme nichts anderes schenken, so gab er Fische. Auch durfte in jener Zeit niemand, ob hoch oder niedrig, seine Tochter verheiraten oder in anderer Weise seine Lage verändern, ohne erst Herrn Max um seinen Rat anzugehen.

Und wenn gute Gaben und andere Arten von Vergünstigungen insgeheim bei der Hand waren, so konnte mancher durch Herrn Max erlangen, was auf anderem Wege nicht zu erreichen war. Das weiß ich; denn ich erzähle, was ich weiß und nicht, was ich nicht weiß. Wer aber wider seinen Willen handelte, den konnte er verfolgen und quälen bei Tag und bei Nacht: ihn und sein Haus und sein Geschlecht, sowohl durch die Obrigkeit, die weltliche und militärische, wie auch durch Freunde und Freundesfreunde, bis hinunter nach Kopenhagen. Wie der Karl Brandenburg am Markt erfahren mußte. Der hatte eine Tochter Christiane, die war stolzen Sinnes, aber schön. Da Herrn Maxens erstes Ehegespons gestorben, begehrte er sofort Christiane zur Gattin. Aber sie wollte nicht und der Vater fügte sich ihr in diesem Stück, wenn er schon große Furcht hegte. Da ward Karl Brandenburg angeklagt, mit ungesetzlichen Dingen zu handeln; dann wegen falschen Maßes und Gewichts; und endlich, daß er Gott gelästert. Von der letzten Anklage befreite ihn der Tod. Dann kam der Sohn heim aus Frankreich; der ward in den Kriegsdienst geschickt und kein Mensch hat später wieder von ihm vernommen. Als die Obrigkeit wider Karl Brandenburg vorging, war er der reichste Mann der Stadt. Aber als er starb, besaß die Tochter nur noch so viel, daß sie sich bei einem Bauern auf dem Lande verdingen konnte. Da lebt sie noch jetzt. Gar manche ähnliche Dinge geschahen, so daß niemand es wagte, sich wider Herrn Max aufzulehnen.

Aber mitunter kam dies auch der Stadt zugute, so daß niemand zu der Zeit einen Prozeß anhängig machte, sondern seine Sache Herrn Max vortragen mußte, der sie entschied. Ebenso als die neue Kirche an Sankta Mariä Stelle gebaut werden sollte, die, welche jetzt im Volksmunde Kreuzkirche heißt, da war er in allen Stücken dabei, so daß er der richtige Baumeister der Kirche ist, weshalb dieses Prachtwerk der Stadt zur Ehre und ihm zum ewigen Gedächtnis dasteht. Es war eine schreckliche Menge Geld, was sie kostete, und das floß alles in die Hände seines Bruders; denn das Gut schaffte Bausteine und Bäume, wie auch alles andere auf dem Handelswege herbei. Aber Herr Max sammelte das Geld und das machte er so, als ob die Stadt vom Feinde okkupieret sei und gebrandschatzt würde. Wenn ich berechne, was ich allein alles hingeben mußte, so verstehe ich nicht, wie ich mich herausfand. Aber er war ein schrecklicher Mann. Er paßte selbst auf jedes Schiff, indem sein erster Gang ihn jeden Morgen nach der Herberge führte, um nachzusehen, und so auch gar oft am Tage, und dann mußten die Leute zahlen. Alle Reisenden, ob Mann, ob Weib, denen er auf die Spur kam, mußten für die Kirche beisteuern.

In der Herberge der Sara Andersen, Witwe, welche ein Logierhaus für Seeleute hielt, kam er jedoch einmal sehr übel an. Denn sie verwarnte ihre Gäste, wenn sie ihn kommen sah, und so versteckten sie sich oft auf dem Boden oder im Keller. Denn seinen Überredungen und Drohungen widerstand niemand. So der reiche Heinrich Arendt aus Lübeck. Der war hier wegen des Schiffes, das ihm seeräuberisch weggenommen und hier verkauft worden. Er kannte Herrn Max von früher sehr wohl und kroch auf den Boden. Aber Herr Max war an solche Praktiken gewöhnt und kletterte ihm nach. Allein da er sehr schwer war, brachen die Treppenstufen unter ihm und er glitt in diese hinein und blieb darin stecken. Da aber kam ein großes Gericht über Sara Andersen, und sie mußte statt des reichen Heinrich Arendt eine gewaltige Summe hergeben. Heinrich Arendt aber wollte ihr diese nicht erstatten, sondern hielt sie mit Reden hin, so daß sie nichts zurückerhielt, wie sie mir oft unter vielen Tränen erzählt hat.

Bemeldete Sara Andersen, Witwe, verstarb übrigens an demselben Tage, ja in derselben Stunde, als Herr Max mit Tode abging. Ich habe oft darüber spintisiert, um Gottes tiefe Absicht hier wie in vielen anderen Dingen zu ergründen. Aber es wäre nicht gut, wenn wir Menschenkinder alles begreifen könnten.

Und also ging es zu mit Herrn Maxens Tode. In der ersten Zeit, da er hierher kam, konnte er alles vertragen; aber nicht mehr gegen den Abend seines Lebens. Und hatte er zu viel getrunken, so war er den Frauen gefährlich, so daß sie sich vor ihm hüten mußten. Und so geschah es einmal auf dem Schloß, daß er seinen Bruder zwang, ein großes Gelage zu veranstalten. Aber bevor ich berichte, was dabei sich zutrug, muß ich erzählen, daß es auf dem Gute sehr finster ist in dem großen Gang, wenn die Doppeltüren geschlossen sind. Und damals waren sie geschlossen wegen eines gewaltigen Regensturmes, wie er oft an der Küste wütet. Und so verwechselte Herr Max Karen Monstochter, deren Vater Ratsherr, mit Anna Trulstochter, weil sie beide ein rotes Kattunkleid trugen. Es war im Zwielicht. Aber des Ratsherrn Töchterlein ließ nicht mit sich spaßen, ja sie erdreistete sich sogar, ein groß Geschrei zu machen, und da gab es viel Gelärm und Aufregung. Der Ratsherr ging zum Hausherrn und dieser kam und redete seinem Bruder zu und sagte, ihm gefalle all diese Wirtschaft auf dem Schlosse nicht, und Herr Max werde ihn und alle anderen noch zugrunde richten. Noch niemand hatte bisher so viele Worte von Herrn Adler auf einmal gehört, aber alle fanden sie wohlbedacht und passend. Herr Max jedoch ließ sich das nicht gefallen, denn er stand da im Priesterkleid. Und so stürzte er sich auf seinen Bruder, und da Herr Adler über die Maßen schwer war, hielt er nicht die Balance, sondern fiel erst gegen die Wand und dann zu Boden, indem er beide Male hart mit dem Kopfe aufschlug. Von nun an hatte Herr Adler nicht mehr seinen Verstand und nicht lange darauf starb er.

Da nahm Herr Max für sich und seine Erben von dem Gute Besitz. Aber von dem Augenblick an, da er im Schloß einzog, war er wie ein Rasender. Er glaubte sich von Geistern verfolgt. Er sagte, es wäre seines Bruders Geist, wie auch der seines Vaters und seiner Mutter, und unterschiedliche andere Geister, und ihrethalb konnt' er nicht schlafen und zog von Kammer zu Kammer im ganzen Hause und schrie und predigte wider die Geister mit großer Kraft. Auch duldete er nicht, daß die Fenster geschlossen wurden; denn zu diesen sollten die Geister hinaus. Aber es mußte eine Wache an den Fenstern stehen, auf daß er sich nicht selbst hinausstürzte. Und die Leute unten in der Stadt konnten das Predigen hören; das hörte sich an, als prügelte er sich mit jemand. Da ging die Rede, Herr Max kämpfe mit dem Teufel, und von ihm seien all die bösen Geister geschickt. Ja es wurde allgemein gesagt, Herr Max habe die ganze Zeit über bei allen seinen glücklichen Unternehmungen den Teufel zum Bundesgenossen gehabt. Und nun wolle dieser ihn haben; denn nun sei die Zeit gekommen; aber Herr Max wolle dem Teufel ein Schnippchen schlagen. So kämpften sie aus Leibeskräften bei Tag und bei Nacht; denn Herr Max mußte fortwährend auf der Hut sein, um nicht überlistet zu werden. Und die ganze Stadt ging auf den Markt und die Allee hinauf, um zuzuhören. Alle aber waren wie versteinert vor Schreck. Kein Priester aber war zu haben, wenn schon Tag für Tag nach allen Gegenden geschickt wurde. So gab es denn niemand, der Herrn Max wider den Teufel und seine Werke mit der Macht des göttlichen Wortes beistand.

Da strahlten eines Abends alle Fenster da oben wie auch das ganze Haus in einem Glanze, als stände es in Flammen. Aber Anders aus dem Rathaus, auch Anders Rotnase genannt, kam von der Stadt durch die Allee gegangen. Und er hörte den armen Mann mit heiserer Stimme rufen und sah über dem ganzen Hause eine mächtige Lohe und mitten darin den Bösen quer über dem Haus sitzen, gerade über Herrn Maxens Fenster, und hörte ihn sagen: »Nun mußt du mit, Max.«

Anders ging nicht weiter, sondern kehrte nach der Stadt um. Und als er rufend und schreiend unten auf dem Markt angelangt war, erzählte er, was er gesehen und gehört. Und er ward gerade so rasend wie Herr Max, und auch er mußte eingesperrt und festgehalten werden.

Und nun war es den Leuten klar, wer zum Schluß gewonnen. Und alle warteten auf den Ausgang. Ganz richtig endete am folgenden Tage Herr Max sein Leben; aber still und bei vollem Verstande, was gar manche verwunderte. Ja er gab durch Zeichen kund, daß er in seiner Mutter Zimmer sterben wollte, und erst als er dort hineingetragen war, kam unerwartet der Priester Thomasius, und der betete für Herrn Max und spendete ihm die heiligen Sakramente. Und auch Herr Max konnte jetzt beten, doch nur mit schwacher Stimme. Darauf verstarb er in demselben Bett, in welchem ehemals seine selige Mutter ihr Leben beschloß. Diejenigen, welche dabei waren, bemerkten, daß in demselben Augenblick auch die Glocken der Kirche, die er gebaut, zu läuten anfingen. So daß es zweifelhaft sein darf, wer schließlich gewonnen, er oder der Teufel.

Ich möchte wünschen, ich besäße eine große Skribentengabe und könnte diesen Mann in allen Stücken schildern, so wie er war. Denn so wie er zu seinen Lebzeiten war, also kann niemand ihn sich vorstellen, der nicht um ihn gelebt, so wie ich gar manches Jahr. Noch jetzt kann ich des Nachts davon träumen. Und dann erwacht mein Eheweib über meine große Angst und weckt mich, mir versichernd, daß er nunmehr tot sei. Aber dann bin ich zumeist ganz in Schweiß gebadet.

Er war dreimal beweibt, und als er starb, wollte er sich gerade zum viertenmal eine Frau nehmen. Ich habe mit allen drei Frauen gesprochen, denn von Amts wegen hatte ich ja oft im Hause zu tun. Da klagten sie mir ihre Not, eine nach der andern. Und am meisten mußte ich immer die Klagen anhören von Aadel Knutstochter, die sein zweites Ehegespons war. Sie verstarb um Lichtmeß.

Aber kurz vor ihrem Hinscheiden saß sie in dem großen Stuhl in dem grünen Zimmer und rief mich herein; denn sie hörte mich in der Küche. Sie war schon sehr schwach und ihre Hand zitterte. Ich fragte sie, was ihr fehlte. Das fehlte ihr, sagte sie, daß er, so mein Eheherr, mich Zeit meines Lebens gequält und geplagt, so daß es nun mit mir aus ist. Gott weiß, wer seine nächste Frau wird. Aber vielleicht weiß er es auch. Das sagte sie. Und kurz darauf verstarb sie.

Aber die nächste Gattin war Brigitta, des Apotheker Mons Tochter. Und es waren drei Monate, seitdem die selige Aadel unter der Erde ruhte, daß die Hochzeit stattfand. Wenn die Brigitta gleich ein großes, kräftiges Frauenzimmer war, ward ihr doch so angst, als sie hörte, sie sollte sein Ehegemahl werden, daß sie seitdem starke Getränke zu sich nahm, wenn sie von denen bekommen konnte, mit welchen ihr Vater, der Apotheker, handelte. Sie selbst hat es mir erzählt, weshalb sie sich aufs Trinken legte, und dies war wohl der Grund. Aber sie schlug sich mit ihm, wenn sie getrunken, und endete damit, daß sie sich mit Gift das Leben nahm.

Das hat mir Doktor Mogens Mauritius später erzählt. Sie starb nicht am Trunk, wie damals gesagt wurde. Sie war drei Jahre verheiratet und hatte zwei Söhne mit ihm. Im ganzen hatte er dreizehn Kinder, obschon er bei seinem Tode noch kein bejahrter Mann war. Den ältesten, Adler, schlug er auf beiden Ohren taub, so daß er wie im Traum umhergeht.

Und selbst, wenn ich mit meinen geringen Gaben schildern könnte, wie er gegen seine Frauen und Dienstboten und Kinder und sonst war, wenn er in Zorn geriet, so würde ich es doch unterlassen. Denn wir sahen es bei seinem Hinscheiden, daß Gott in seiner unergründlichen Gnade (ja wahrlich sie ist groß!) ihm vergeben hat. Warum sollten wir Menschen, gegen die er weit weniger gesündigt, nicht dasselbige tun? Wie auch der Bischof in seiner herrlichen Gedächtnisrede sagte. Denn seine Beerdigung wurde mit großer Pracht und Herrlichkeit gefeiert, desgleichen ich nimmer gesehen. Viele Seiten könnte ich füllen, wollte ich all die Standespersonen aufzählen, die dabei waren, und angeben, was hier während der drei Tage geredet, gegessen und getrunken wurde. War er ja mächtiger bei seinen Lebzeiten als irgend ein anderer Mann hier in dieser Stadt. Niemand als der König selbst hatte etwas zu sagen, solange er noch bei Verstand und bei Kräften war. In der Weise nämlich, daß er den Leuten bei ihren schwierigsten Unternehmungen half, insonderheit bei ihren Berechnungen über Bauten. Von der Kirche habe ich schon berichtet; aber ich habe zu erzählen vergessen, daß er auch ein großer Schiffsbaumeister war. Das verstand er, weil er schon als kleiner Knabe auf der Werft und später in Kopenhagen auf dem Holm hantierte, wie er auch im Ausland in diesem Gewerbe auf alles achtete. Das habe ich von ihm selbst gehört. Die Schiffe, die hier auf seines Bruders Werft gebaut wurden, waren alle von ihm, und viele davon wurden im Ausland mit großem Ruhm und Gewinn verkauft. Aber nun muß es genug sein von Herrn Max.

In dieser Historie haben wir klar und deutlich Gottes Wege erkannt, nämlich weil Vater Kurt seine Frau und sich selbst, und Herr Max sowohl seinen Bruder wie auch sich selbst und zum Teil auch seinen ältesten Sohn zugrunde richtete. Es gereichte ihnen wenig zum Segen, was sie dem Klaus Matthiassohn und sonst vielen anderen geraubt. Ebenso war ihre Körperstärke ihnen nur zum Verderben. Demnächst müssen wir uns erinnern, daß des Königs hoher und geheiligter Name betrügerischerweise gebraucht wurde, um das Gut zu erlangen, daß es aber zur Strafe in demselben geweihten Namen wieder zerfiel.

Viele andere als ich unwürdiger Küster und Kantor haben das beobachtet. Denn als der vorhin benannte Ratsherr Niels Ingebrechtsohn in Kopenhagen war, sagte er es des Königs Beichtvater, den er kannte. Und als Niels bei dem König Audienz nachsuchte, da folgte ihm der königliche Beichtvater und forderte ihn auf, vor dem König freimütig zu erzählen, was er ihm berichtet. Und da nun der König ganz richtig vernahm, wie es sich begeben, daß das Gut in Kurts Hände kam, und was den Untergang herbeigeführt, daß nämlich des Königs geheiligter Name unwissentlich Gevatter gestanden, da geruhte der König in Gnaden nachdenklich zu äußern: »Der liebe Gott ist listiger als alle Schelme zusammen.«

Und dieses Königswort mache ich in aller Untertänigkeit zu dem meinen, indem ich hier die Geschichte des Kurt beschließe und mich auf andere Territorien begebe.«

Um das Jahr 1830 bestand das Gut noch aus dem »Berg« mit der Laubwaldung, worin die Nadelhölzer sich wieder geltend machten; den großen verfallenen Gebäuden, den ungeheueren ummauerten Gärten, sowie einigen Strecken Ackerland zwischen den Gärten und der Stadt. Außerdem gehörten zum Gut irgendwo noch einige ausgeschlagene Waldflächen.

Der damalige Besitzer, ein großer, schwarzer Mann mit langer, grüner Schürze, betrieb eine Gärtnerei auf seinem Grundstück. Und diese sowie einige Kühe waren das einzige, wovon er lebte.

Auch war er der einzige Stammhalter des ganzen Geschlechts hier im Lande, und er war unverheiratet.


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