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1.

Das Gut und seine Bewohner.

Vermutlich war das Gut entstanden, wie die meisten großen Besitzungen in allen Ländern und zu allen Zeiten: durch das Recht des Stärkeren; vielleicht durch mehr oder minder erzwungene Heiraten oder durch ehrlichen Kauf; vielleicht aber auch durch Überlistungen, Betrügereien und andere Niederträchtigkeiten; wir wissen es nicht mehr.

Vor zweihundert Jahren war es ein sehr umfangreiches Besitztum. Der Haupthof lag damals, wie noch heutigen Tages, am waldbekleideten Bergeshang über der Stadt. Und die ganze Stadt kann man von dort überschauen, sowohl die Altstadt diesseit des Hafens wie die Neustadt drüben auf der Landzunge, die den Hafen gegen das Meer schützt. Doch liegt die Landzunge nicht offen vor dem Meere selbst: es befinden sich dort Inseln und Schären, und zwischen diesen Inseln und Schären haben sich zwei Einfahrtssunde gebildet. Dies alles und eine weite Meeresfläche überschaut man vom Gute aus. In noch weiterer Ferne gewahrt man rechts den Elv, der sich schäumend zwischen seinen Lehmufern in den Hafen stürzt. Einst gehörten der Elv und alle Anlagen an seiner Mündung zum Gute; ebenso der ganze Grund und Boden der Stadt, die Inseln und die Küstenstrecke. Dann weiter am Elv hinauf die untersten Gehöfte sowie die Waldungen. So war es vor zweihundert Jahren.

Das Hauptgebäude des Gutes ist ein großes massives Haus, über welches ein kurzer, plumper Turm emporragt. An der rechten Seite hat es einen langen Flügel; der linke fehlt merkwürdigerweise. Hinter dem Hause liegen eine Menge alter, massiver Gebäude, die als Stallungen und Wohnungen für das Gesinde dienen. Von der großen, halbrunden Haupttreppe des Hauses führt eine ehrwürdige Allee bis zum Marktplatz. An beiden Seiten der Allee ist eine hohe Steinmauer aufgeführt, und auch diese zieht sich fast bis zum Markte; denn so weit reicht der Garten, den die Allee durchschneidet. Zu beiden Seiten der Gärten sowie zwischen diesen und der Stadt befinden sich offene Felder. Oberhalb der Häuser ziehen sich den Berg hinauf Laubwälder, worin jedoch die Nadelhölzer wieder ihren stillen Krieg begonnen haben. In alten Zeiten nämlich herrschte hier unumschränkt die Nadelwaldung.

Wer hat diese großen Anlagen gemacht, diese ungeheuren Häuser gebaut? fragt jeder, der zum erstenmal die Häuser des Gutes und die Gärten erblickt.

Es war vor mehr als zweihundert Jahren, so um 1660, als ein deutscher Schiffer namens Kurt zum erstenmal mit einem Schiff im Hafen einlief, das er dort neu bemalen und betakeln ließ; vermutlich, um es unkenntlich zu machen. Jetzt wissen wir, daß er wegen einer Gewalttat längst aus seinem Vaterlande vertrieben war und aus einer großen deutschen Fürstenfamilie stammte, die noch jetzt einen berühmten Namen trägt. Es hat keinen Zweck, ihn hier mitzuteilen. Er nannte sich nur mit seinem Vornamen Kurt. Noch hatte er sich nicht lange dort aufgehalten, als er um die Tochter und Erbin des Gutes freite; wobei er sich, wie aus dem Nachstehenden zu ersehen, keinerlei Zwang antat.

Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts hat ein alter Küster und Kantor »bei Sankt Marien« eine Beschreibung der Stadt und des Gutes verfaßt; und dieser Chronist schildert uns die Brautwerbung und das fernere Schicksal des deutschen Flüchtlings folgendermaßen:

»Es war die wohlgeborene Jungfrau Ingeborg Klaustochter, um die er warb. Und sie versteckte sich auf dem Boden, im Keller und im Stall, auch lief sie wohl hinaus in Wald und Feld, so oft der riesenstarke ausländische Schiffer Kurt auf die Freierei kam; denn dann war er gewöhnlich betrunken. Der wohlgeborene Herr Klaus Matthiassohn mußte ihm Bier aus seinem Keller holen und ihm ferner vorsetzen, was jenem zu begehren beliebte, und hernach schlug Kurt ihn fast zuschanden, wenn Herr Klaus das Jungfräulein ihm nicht zur Zwiesprache herbeischaffen konnte, und jagte auf dem Hofe hinter allem her, was Leben hatte. Und er tat den Schwur, jedwedem den Hals umzudrehen, der sich erdreisten möchte, sie zu seinem Eheweib zu nehmen; desgleichen ihr selbst und ihrer Sippe, sofern sie einem andern, als ihm zu Willen sein sollte.

Und den Hans Fürst am Markt – gegenüber der Sankta-Mariakirche – dem die Leute nachsagten, auch er gehe auf Freiersfüßen, suchte Kurt am Karfreitagmorgen, da Hans noch in seinem Bette lag, auf und schlug ihn dermaßen mit einem gewaltigen Prügel, daß Hans lange Zeit bloß eine blutige Masse war. Hans Fürst getraute sich nicht in der Stadt zu bleiben, wenn der Schiffer Kurt mit seinen Fahrzeugen kam, was von nun an recht häufig geschah. Imgleichen der Bürgermeister Herr Bernhard von Klüwer, der ihn zur Rechenschaft ziehen wollte. Kurt verankerte seine Schiffe just bei denen des Bürgermeisters; denn da hatte er zwei, sowie Kanonen und eine Bemannung, Und der Bürgermeister wagte es nicht mehr allein auszugehen und seines Amtes zu walten, sondern verließ die Stadt. So geschah es, daß diese wohl ein Jahr lang ohne Oberhaupt war. Aber dann ward ein Deutscher, der Kurt in allen Dingen zu Willen war, zum Bürgermeister gewählt. Der frühere bekam anderswo ein Amt.

Es wurde allgemein von Kurt behauptet, daß er sein erstes Schiff durch Räuberei in der Nordsee bekommen. Später fuhr er mit zwei Schiffen, und die Leute hielten es für ausgemacht, daß er auch dieses sich einfach geraubt habe. Aber seine Schiffsleute ließen nichts darüber verlauten, und so ward er von niemand behelligt.

Und also ging es zu, daß er die Hand des Edelfräuleins erhielt. Es kam ein Schreiberbursch von seiner hohen Exzellenz dem Statthalter Ulrich Friedrich Güldenlöwe mit einer Verfügung von dem Allergnädigsten, nunmehr hochselig im Herrn ruhenden König Friedrich III. an den edelgeborenen Klaus Matthiassohn auf dem Gute, sowie an den Rat und die Bürger der Stadt, daß sie es für den Schiffer Kurt, der von einem hochadligen Geschlecht in Deutschland abstamme, so einrichten sollten, daß er die wohlachtbare Ingeborg Klaustochter zu seinem ehelichen Gemahl erhalte, allen denen seine königliche Huld und absonderliche Gewogenheit verheißend, so Herrn Kurt hierin ohne Verzug zu Diensten wären.

Da geschah des Königs Wille. Der Schreiberbursch aber war mit Sören Rasmussen seiner Jacht von Oslo (Christiania) gekommen und war ein Deutscher, der nur unvollkommen die dänische Sprache redete. Und dieser verlangte große Aufwartung, die ihm auch zuteil wurde, denn er ward auf dem Rathaus einquartiert und eingeladen, bis zur Hochzeit zu verbleiben und bis dahin bei unterschiedlichen Bürgern fürlieb zu nehmen. Die Hochzeit ward mit großem Pomp, aber unter vielen Tränen des Edelfräuleins Ingeborg, sowie ihres Vaters Klaus Matthiassohn gefeiert, denn dieser wußte, daß es nun mit seinen guten Tagen vorbei war. Aber am Hochzeitstage betrank sich Kurt, und da fiel er über den Schreiberbursch her, prügelte ihn und jagte ihn von der Tafel. Dieweil er nicht würdig sei, mit ehrenhaften Männern und deren Frauen zusammenzusitzen. Denn er war nicht Schreiber bei dem Statthalter, sondern ein vagabondierender Bader, der bei Kurts Schwager im Pommerschen Waldhüter gewesen.

Aber der Bader flüchtete nach der Landzunge und um dort auf den nördlichen Holm, von wo er einem vorübersegelnden Schiffe zurief und an Bord stieg. Hiermit wäre die Hochzeit zu Ende, aber darum kümmerte sich Kurt wenig, denn nun hatte er die Braut.

Und also ging es zu mit dem Betrug: Schiffer Kurt war in Oslo gewesen und hatte dort einen Holsteiner Georg von Bregentwedt, getroffen, der Rittmeister war und den Statthalter im Kriegshandwerk unterstützte. Und Georg von Bregentwedt und Kurt kannten einander von Deutschland her, und dieser Georg war ein großer Spitzbube mit vielen lustigen Einfällen, und so war er Kurt bei dem Schelmenstück mit dem Königsbrief behilflich. Der Bader aber mußte ihn anfertigen.

Der alte Klaus Matthiassohn reiste sofort hinunter nach Kopenhagen, um seine Sache dem König vorzutragen, bei welchem er auch dreimal Audienz hatte. Und der König geriet jedesmal in einen gewaltigen Zorn, muß aber die Klage über andern Staatssorgen wieder vergessen haben. Denn Kurt hatte Landsleute am Hofe. Inzwischen gingen die Gelder aus, mit denen Klaus Matthiassohn sich versehen, und Kurt hatte das Gut genommen und weigerte sich, ihm Geld zu schicken, wie er auch die bedrohte, so ihm helfen würden. Und da inzwischen Klaus von seiner Tochter einen heimlich mit einem Jachtschiffer geschickten Brief erhielt, daß sie nun bald Mutter würde, daß aber Kurt es mit anderen Weibern auf dem Gut und in der Stadt hielte, da achtete Klaus es seiner nicht mehr würdig, nach Hause zurückzukehren. Und niemand hat später wieder von ihm gehört. Klaus Matthiassohn war von dänischer Herkunft und ein braver Mann.

Aber das Gut war dazumal eine außerordentlich große Besitzung mit vielen Gerechtsamen und Pertinenzien, wie auch dem Eigentumsrecht am Elv mehrere Meilen aufwärts. Denn alle Waldungen und Gehöfte gehörten damals zum Gute. Und Kurt legte in der Nähe des Flusses eine große Ziegelei an und rief viele Holländer ins Land. Ebenso errichtete er eine Schiffsbauerei, welche der Stadt großen Nutzen und Gewinn gebracht hat. Auch erbaute er eine höchst kunstvolle Sägemühle, wesgleichen man zuvor niemals gesehen.

Und er reiste hinunter zum König, das war dazumal unser großmächtigster Erbfürst und Herr König Christian V., jetzt hochselig im Herrn ruhend, um mit Hilfe seiner mächtigen, fürnehmen Landsleute am Hofe in königliche Gunst und Gewogenheit zu kommen. Auch hatte er unterschiedliche Male Audienz und belustigte den König mit seiner großen Stärke wie auch mit seiner ganzen Person. In aller Untertänigkeit sagte er dem König, es sei ein altes Herkommen, daß der König, wenn er in die Gegend zu kommen geruhe, auf dem Gute einkehre. Zwei Könige hätten dort geschlafen, der hochselige König Christian IV. sogar zweimal. Und erwarte er in aller Untertänigkeit dieselbe Gnade. Und der König versagte sie nicht. Aber des Kurt Absicht dabei war, wieder in die adligen Rechte und Gerechtsame eingesetzt zu werden, die ihm in seinem Vaterlande aberkannt waren. Und er reiste wieder heim und beschloß in seinem Hochmut, das alte Haus auf dem Gute, wenn es schon in jeder Hinsicht ein ausgezeichnetes Haus war, groß und kostbar, niederzureißen und an dessen Stelle ein Schloß zu bauen, dem König zu Ehren, wenn er ins Land komme.

Und er legte sofort Hand an. Aber da sein Sinn sich auf das Haus des Hans Fürst, gegenüber Sankta Maria am Markt, richtete, nämlich zu seiner Wohnstatt, während das neue Schloß gebaut wurde, so vertrieb er besagten Hans daraus, bis das Schloß unter Dach und Fach gebracht war. Das ging also zu. Er verbot den Matrosen und Handwerkern und Fischern, bei Hans Fürst irgendwelche Gerätschaften zu kaufen. Denn Kurt hatte von Anbeginn den gemeinen Mann auf seiner Seite. Liederliches Seevolk und seine Freunde sind ja nicht wie Landleute, sie halten es mit dem, der Macht über sie hat. Sie und ihre Vorfahren haben sich zu Wasser und zu Lande von jeher niederträchtig behandeln lassen. Sie gedeihen nicht, wenn sie nicht kommandiert, beschimpft und geprügelt werden und bei des Schiffers Lotterleben assistieren können.

Aber zugleich übergab Kurt diesen Seeleuten und Handwerkern den Berg zur freien Bebauung, so viele dort nach allen Seiten Platz finden konnten. Des weitern billiges Bauholz, so daß es jetzt eine ganz weithin sichtbare Stadt ist. Und ganz oben auf der Spitze haben die Lotsen sich einen Auslug gebaut.

Es mag dreist behauptet werden, daß ohne diese Vergunst gegen den gemeinen Mann Kurt und sein Geschlecht niemals so hätten regieren und wirtschaften können, wie es bis auf diesen Tag geschehen. Je ärgere Gewalttaten sie begingen, um so mehr stiegen sie in den Augen des gemeinen Mannes. Denn also ist seine Art.

Und darum konnte es Kurt getrost unterlassen, wegen seiner Verbrechen Buße zu zahlen. Ja, er zahlte überhaupt niemals einem Menschen etwas bei seinen Lebzeiten! Noch gibt es in unserer Gegend ein Sprichwort, das die Leute gebrauchen, so jemand Buße verlangt: »Mit dem Tauende geb' ich dir Buße, du verdammter Bauer-Bonde!« Denn richtig hat er unsere Sprache nie gesprochen, und jeden Menschen, auf den er zornig wurde, nannte er einen Bauer-Bonde. In seinem Lande nämlich soll der Bauer in großer Verachtung stehen und kaum mehr als ein Tier gelten; er besitzt weder Haus noch Grund und Boden, sondern arbeitet nur für die Herrschaft, er und seine ganze Familie. Und davon kann er vor dem Tode nicht loskommen; ganz wie in Dänemark.

Aber anbelangend besagten Hans Fürst, so hatte er nichts anderes als seinen Handel und mußte darum auf die andere Seite des Marktes ziehen, in des Siegfried Brandenburg altes Haus; in das zur Linken; denn er hatte zwei. Und darin wohnte er, bis Kurt sein Schloß bezog.

So wie dieses jetzt ist, hat Kurt nicht das Ganze gebaut. Er hat nicht den großen rechten Flügel erbaut und nicht die großen Wirtschaftsgebäude. Auch die große Gartenmauer zu beiden Seiten hat er nicht aufführen lassen; das hat sein Sohn getan. Aber das große Haus mit der prachtvollen Treppe und dem Turm hat er gebaut, ebenso die Allee angelegt zwischen den beiden Mauern; denn früher war dort nur ein Weg, und der war nicht der gerade, sondern führte rechts um den Garten herum, wie man noch jetzt sehen kann. Desgleichen sind die Bäume zu beiden Seiten dieser großen Allee samt und sonders von Kurt selbst gepflanzt; denn in diesen Dingen hatte er eine glückliche Hand, was er wohl wußte. Und auch der größte Teil des Gartens, den man jetzt zu beiden Seiten des Gutes erblickt, ist von ihm angelegt, und er ließ gar viele neue und kostbare Bäume setzen und Pflanzen und Blumen aus Holland kommen, an denen seine gemütskranke Ehefrau ihre Freude hatte, wenn sie frei umhergehen durfte; denn sie war eine große Blumenfreundin.

Auch das Innere des Schlosses rührt zumeist nicht von Kurt her; denn was er darin einrichtete, machte sein Sohn, Herr Adler, wieder anders; denn so nannte er ihn nach dem großen Seehelden Kurt Adler. (Es war eine Art Scherz von Kurt, daß er des Admirals Namen umkehrte und seinen Sohn Adler nannte.) Das königliche Bett aber und die übrigen Mobilien in der Königskammer, die noch jetzt gezeigt wird, die waren auch nicht von Kurt. Was dieser dazu angeschafft hatte, steht jetzt in dem zweiten Zimmer vom Eingang links; in dem Bett schlief Herr Adler selbst. Dort stehen auch die Mobilien. Aber für die Königskammer schaffte Herr Adler alles neu aus Holland an, indem er selbst mit seinen Schiffen von Kopenhagen dorthin reiste und es mitbrachte.

Das war dazumal, als er die Tapeten kaufte, welche jetzt in der Königskammer neben seinem Schlafgemach hängen, sowie auch die große Karosse, von welcher wir später handeln werden. Dagegen stammen sämtliche Schildereien in der güldnen Kammer aus Kurts Zeit. Die in dem Rittersaal sind kopieret nach denen Originalen in seiner Väter Schloß und stellen seine Ahnherren und Ahnfrauen vor.

Ich habe ganz vergessen zu erzählen von dem Turm, der nicht vollendet wurde, sowie auch, aus wes Ursache nicht. Derjenige, welcher von Anfang an dem Bau vorstand, war ein Meister aus Lübeck. Und er ward des Unternehmens überdrüssig, so oft er Geld verlangen mußte, und reiste heimlich fort. Herr Kurt setzte ihm nach auf einem schnellsegelnden Schiffe, das einem Dänen gehörte, der gerade im Hafen lag; aber er holte den Baumeister nicht ein. Der war aus Holstein oder da herum. Kurt hatte dazumal ein Frauenzimmer von großer Schönheit bei sich. Sie war eines vlamländischen Schiffers Weib, das Kurt zu sich gelockt hatte und das er nicht wieder auslieferte, so daß der Schiffer ohne sie weiterfahren mußte. Zu dieser faßte der Baumeister große Liebe und sie zu ihm. Da malträtierte Herr Kurt sie beide in schrecklicher Weise und ließ sie nackt hinunter auf den Markt jagen. Dann entflohen sie mit einem Boote. Der Baumeister war ganz zuschanden geschlagen. Ich weiß nicht, was ferner aus ihm und dem Schifferweib geworden.

Da ließ Kurt den Turm liegen, der sehr schwer zu bauen war. Und es ging die Rede, daß der König im Sommer kommen wolle, und so ließ er das breite Dach darüber bauen und mit Ziegelsteinen bedecken. So steht der Turm noch heutzutage, denn niemand hat seitdem wieder daran gerührt.

Kurt hatte sich in außerordentliche Kosten gestürzt wegen der großen Ehre, den König unter seinem Dach zu sehen. Damals war noch das ganze Gut beisammen. Zu jener Zeit waren die Anhöhen zu beiden Seiten des Elv und der Talgrund, soweit das Auge reichte, mit Nadelwaldung bedeckt. Desgleichen die Inseln. Das ward später anders, als die Kaufleute die Waldungen als Faustpfand nahmen. Aber diese Verpfändung begann schon zu Kurts Lebzeiten.

Nunmehr ist noch von Kurts übrigem Leben zu berichten. Zunächst, daß seine Frau von früh auf gemütskrank war. Sie war ein außerordentlich feines Geschöpf und mochte ihn, wie er war, nicht leiden. Da ward sie eingesperrt. Noch jetzt kann man in der Kammer zur Linken Spuren und Zeichen vor der Tür von ihr sehen, da wo sie hinaus wollte und nicht konnte. Ebenso kann man noch Merkmale an den Eisenstangen vor dem Fenster sehen, welche Kurt einsetzen ließ, als sie einmal hinunter in den Garten gesprungen war und großen Schaden genommen hatte. Als das Schloß nach Kurts Tode allen offen stand und seine Söhne im Auslande waren, da konnten wir sehen, was sie ringsherum an die Wände geschrieben. Denn Kurt achtete dessen nicht und auch diejenigen nicht, so das Gut während der Minderjährigkeit und Abwesenheit der Knaben verwalteten. Aber die Söhne ließen die Wände abwaschen. Auch ich sah die Inschriften, da ich als Studiosus hierher in die Stadt kam. Es waren zumeist Gesangbuchverse; aber auch Klagen und artige Einfälle, die mich wegen ihrer Treuherzigkeit rührten. So ein Spruch auf eine Himbeere, welche erfroren. Das ist der lieblichste Anblick der Natur, schrieb sie, und dessen habe ich später oft gedenken müssen.

Aber eine Historie muß ich berichten, welche sich zutrug, als sie gesund war und mit Meneer van Geelmuyden, Herrn Kurts besonderem Freunde, einem gespaßigen Mann, zu Tische saß. Plötzlich überkam sie wieder die Tollheit und sie warf ihr Messer nach Kurt und sagte, heut habe ihr jemand gesagt, Kurt habe hundert Kinder in der Stadt herumlaufen. Da äußerte Meneer van Geelmuyden launig:

»Hochverehrte Frau Ingeborg, von dem, was böse Menschen sagen, darf man nie mehr als die Hälfte glauben.«

Da lachten Kurt und alle seine Gäste über alle Maßen, und wegen dieses Wortes beschenkte Herr Kurt Meneer van Geelmuyden, auf den er auch sonst großes Fidutz setzte, mit dem Hause am Bommen, das mit dem fast zwei Ellen weit überbauten zweiten Stock neben dem Hause des Bürgermeisters liegt. Zum Gedächtnis an jenen pikanten Ausspruch ward das Haus bon mot genannt, woraus das gemeine Volk Bommen gemacht hat, und so heißt jetzt die ganze Straße.

Wohl niemals leerten sie auf dem Gute die Gruben, ohne daß Kinderleichen darin gefunden wurden. Denn er lebte ein Lotterleben mit seinen Dienstmädchen und den Weibern, die er in sein Haus lockte. Als der nunmehr selig im Herrn entschlafene Bischof von Christiansand, der hochehrwürdige Magister Jersin, auf seiner Visitatsreise kurz vor dem Tode des Kurt die Stadt besuchen wollte, und Kurt das zu Ohren kam, erbat er sich vom Bischof die Gnade, ihn während seines hiesigen Aufenthalts zu beherbergen und zu bewirten, was der Bischof auch nicht abschlug. Da fuhr ihm Kurt mit einem seiner Schiffe entgegen und nahm den Stadtpfarrer und den Rat und des Königs treue Diener und viele Bürger mit sich und veranstaltete dem Bischof zu Ehren an Bord eine große Gasterei. Und alle kamen sie in einem solchen Zustande an Land, daß es ein großes Spektakulum war. Kurt führte den Bischof, und als sie an die Prachttreppe am Schloß gekommen waren und hinaufgehen wollten, da wendete der Bischof sich um und sagte so laut, daß alle es hörten, das sei die größte Treppe, die er hierzulande gesehen. Darauf antwortete Kurt: »Diese Treppe, bischöfliche Gnaden, hat noch eine andere Eigenschaft; es sind nämlich mehr Jungfrauen hinauf- als hinabgestiegen,« Ich habe dies von einem, der damals noch jung war, aber mit dem Willkommsbier auf der Treppe stand, um es Herrn Kurt zu geben, der dem Bischof zutrank und ihm dann den Krug überreichte. Aber der auf der Treppe stand, war der spätere Ratsherr Niels Ingebrechtsohn, der dazumal bei Kurt Schreiber war; dieser erzählte es.

Und nun von dem Tode des Kurt. Damit ging es also: Es war ein Bauer in die Stadt gekommen mit Weib und Tochter, und wenngleich eine große Menge Bauern zu der Zeit in der Stadt war, so hatte doch noch niemand so schöne Leute gesehen, und davon wurde bei einem Gelage auf dem Gute erzählt. Absonderlich die Tochter ward sehr gepriesen. Da geschah es, daß am folgenden Tage der Bauer samt Weib und Tochter sich auf dem Schlosse einfanden, als Kurts geladene Gäste. Und dort wurden sie wie seine Leute traktieret und in allen Räumlichkeiten umhergeführt. Aber das Ende davon war, daß unterschiedliche von Kurts Leuten dazukamen und die Tochter vom Vater getrennt und vergewaltigt wurde.

Sie war über alle Maßen erbittert und bat den Vater eine große Buße zu verlangen. Und das tat der Vater; aber Kurt kehrte sich an nichts. Da führte der Bauer Klage bei des Königs Vogt, der ihm den Rat gab, sich das gefallen zu lassen; sintemalen noch kein Mensch Buße von Kurt erlangt, weil er die ganze höhere Obrigkeit auf seiner Seite habe, die geistliche, militärische und weltliche, sowie auch viele Patrone an des Königs Hof. Und dazu könne Kurt ganz sicher auf den gemeinen Mann hier in der Stadt bauen.

Aber der Bauer ging allein hinauf zu Kurt, und er traf ihn auf dem Hofe hinter dem Stall, und dort verlangte er wieder Buße. »Ich gebe dir Buße mit dem Tauende, du. verdammter Bauer-Bonde,« antwortete Kurt; das war seine gewöhnliche Rede. Da packte der Bauer Herrn Kurt und hob ihn wie ein Kind von der Erde und nahm sich seine Buße mit seinem Messer. Und es war niemand auf dem Hof als ein paar Frauenzimmer samt einem alten Stallknecht. Die standen da und sahen zu. Dann warf der Bauer Kurt auf den Düngerhaufen. Dort endete er sein Leben.

Die Leute wollten es nicht sogleich glauben und kamen hinauf aufs Gut. Noch niemals zuvor hatte Kurt gegen irgend jemand verloren, und nun war er wie ein kleines hilfloses Kind gepackt worden. Und dann ging die Rede, der Gottseibeiuns selbst sei in der Stadt gewesen und habe das Strafgericht vollzogen. Und das wurde erhärtet dadurch, daß der Bauer später nicht zu finden war und auch niemand seinen Namen angeben konnte, weil niemand von den Bauern, die damals in der Stadt waren, ihn kannte. Aber die Bauern können schweigen, so daß dieses nicht feststeht.

Wer es nun auch gewesen, so hatte Gott, der Allmächtige, sich offenbaret. Denn ohne seinen Willen fällt kein Sperling vom Dach. Er hat sich seine Wege zum voraus gezeichnet, und darum sollte der große Sünder dort auf dem Düngerhaufen sein Leben enden. Gottes Name sei hochgelobt in Ewigkeit, Amen!


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