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– 1746. –
Nach der Schlacht von Culloden, die das Grab seiner Hoffnungen war, blieb dem Prinzen Karl Eduard kein anderes Mittel, um der Rache der Regierung Georgs II. zu entgehen, als die Flucht. Man hatte einen Preis auf seinen Kopf gesetzt, und eine Belohnung von dreißigtausend Pfund Sterling für die Entdeckung und Ergreifung dieses letzten Sprößlings eines königlichen Stammes ausgesetzt. Man bildete sich ein, schreibt Walter Scott, daß in einer so armen Gegend, wie das schottische Hochland, wo die Gesetze über Besitzstand fast unbekannt sind, und bei einem Volke, dessen räuberischer Sinn fast sprichwörtlich war, eine Belohnung, auch wenn sie viel geringer gewesen wäre, genügt haben würde, um die Geldgier eines Verräters zu erwecken und die Auslieferung des Prätendenten zu bewirken. Dem war aber nicht so, und die Entweichung des Prinzen, die durch die Verfolgungen der Agenten der Regierung so sehr aufgehalten, aber trotz den vielen Hindernissen ausgeführt wurde, muß zu Schottlands Ehre als ein glänzendes Beispiel der Treue angeführt werden.
Während der Schlacht von Culloden hatte Karl sich häufig in große Gefahr begeben; er wurde mehrfach von der durch die Kugeln aufgewühlten Erde bedeckt, er bemühte sich angelegentlich, die Truppen wieder zusammen zu bringen, und erfüllte, nach den meisten Augenzeugen, unerschrocken die Pflichten eines tapferen und geschickten Heerführers.
Als er das Schlachtfeld verließ, verabschiedete er unter verschiedenen Vorwänden die Mehrzahl der zahlreichen Kavaliere, die ihm folgten, da er vielleicht an ihrer Treue zweifelte, und behielt nur einige irländische Offiziere bei sich, auf die er glaubte sich verlassen zu können. Er richtete seine Flucht nach Gortuleg, wo, wie er wußte, Lovat wohnte. Vielleicht hoffte er, daß dieser wegen seiner Klugheit berühmte Mann ihm guten Rat geben könne, vielleicht hoffte er auch auf seine Hilfe, denn sein Sohn Master Lovat und sein Schwiegersohn Cluny Mac-Pherson hatten miteinander bedeutende Verstärkungen aufgebracht und waren unterwegs, um zu dem Heere des Prinzen zu stoßen, als die Schlacht von Culloden stattfand.
Karl und Lovat sahen sich zum ersten und gleichzeitig auch zum letzten Male. Beide standen unter dem Eindrucke des Schreckens und der Verwirrung in einer verzweifelten Lage. Karl sprach nur von dem Unglück, welches Schottland betroffen, Lovat beschäftigte sich mehr mit Karls persönlichen Gefahren. Nachdem dieser bald bemerkte, daß er von seinem Wirte weder Rat noch Hilfe zu erwarten habe, nahm der Prinz in Eile einige Erfrischungen und ritt weiter. Gortuleg war, da er in der Nähe des siegreichen Heeres war, ein gefährlicher Ort, und vielleicht schien auch Lovat's Gesinnung dem Prinzen nicht unverdächtig. Karl machte dann in Invergarry, einem dem Lorde von Glangarry gehörenden Schlosse Halt, wo zwei Lachse, die ein Fischer eben gefangen hatte, ihm als Mahlzeit dienten. Zur Strafe für diese kurze Gastfreundschaft raubten und plünderten die englischen Soldaten bald darauf das Schloß aus. Von Invergarry wandte sich der Prinz nach den Bergen des Westens und nahm Aufenthalt in einem Dorfe Glenbeislade, nahe bei dem Orte, wo er bei seiner Ankunft aus Frankreich gelandet war. Von hier ab verzichtete er gänzlich auf die Fortsetzung seines Unternehmens und sandte an die Anführer und Soldaten, die auf seinen Befehl sich in Ruthven versammelt hatten, eine Botschaft, um ihnen seine volle Dankbarkeit auszudrücken und sie zu ersuchen, nur noch an ihre Sicherheit zu denken, indem er ihnen seinen Entschluß mitteilte, sich nach Frankreich zurückzuziehen. Vergeblich bemühten sich seine Anhänger, ihn zu bestimmen, das Kriegsglück von neuem zu versuchen. Karl konnte sich über den Erfolg keiner Täuschung hingeben und wollte die ihm ergebenen Leute, die nur der Mut der Verzweiflung antrieb, nicht nutzlos opfern.
Nach der Trennung von seinen getreuen Anhängern und Dienern begab er sich nach Long-Island, einer Insel der Hebriden, wo er ein französisches Fahrzeug zu finden hoffte. Ungünstige Winde, Stürme, Enttäuschungen aller Art, verbunden mit Entbehrungen, an die er nicht gewöhnt war, jagten ihn von Ort zu Ort, von Insel zu Insel. Endlich kam er nach South Uist, derjenigen der Hebriden, auf der er bei Beginn seiner Expedition gelandet war. Er wurde da von Clanranald, der sich zuerst für den unglücklichen Prinzen erklärt hatte, und der ihm in seinem Unglücke treu blieb, aufgenommen. Karl wurde zu seiner persönlichen Sicherheit in einer der elendesten Hütten untergebracht, die einem Holzhauer namens Corradale gehörte, und die in dem wilden Gebirge gleichen Namens gelegen ist.
Man durchsuchte währenddem mit der größten Sorgfalt alle Orte, die eine Zuflucht bieten konnten, und man stellte die genauesten Nachforschungen auf den Inseln, wo man vermutete, daß der Prinz eine Unterkunft gesucht habe, an. Der General Campbell ging bis zur Insel Saint Kilda, die man als das Ende der bewohnten Welt ansehen konnte; von da kam er nach der Insel South-Uist, um seine Nachforschungen vom Süden bis zum Norden der Hebriden fortzusetzen. Er fand da die Kapitäne Skie und Mac-Leod, die wie er den flüchtigen Prinzen verfolgten. Zweitausend Mann stellten die sorgfältigsten Nachforschungen auf der Insel an, während die Küsten von kleinen Kriegsfahrzeugen, Kuttern und bewaffneten Booten bewacht wurden. Es schien fast unmöglich, daß der Prinz solchen Nachforschungen entging, aber der Mut einer Frau rettete ihn.
Diese Frau war Flora Mac-Donald, deren Name in Schottland berühmt geblieben ist. Sie war eine Verwandte von Clanranald und befand sich zum Besuche bei diesem Stammesoberhaupte in South-Uist. Ihr Stiefvater vom Clan (Stamm) des Sir Alexander Mac-Donald war folglich ein Feind des Prätendenten, und er befehligte damals die Milizen, welche South-Uist durchforschten.
Flora entwarf eilig einen Plan, um den Prinzen zu retten und der Verfolgung ihres Stiefvaters zu entziehen. Sie ließ sich von ihm einen Passierschein geben für sie, einen Diener und eine Magd, die sie Betty Bürke nannte. Die Rolle der Betty sollte der Prinz, als Frau verkleidet, spielen. Unter dieser Verkleidung, und nachdem er mehrmals in Gefahr gewesen war, gefangen genommen zu werden, kam Karl schließlich nach Kibride auf der Insel Skye. Er war aber noch in dem Bereiche des Sir Alexander Mac-Donald, und dieser war der Regierung ergeben. Der Prinz war da ebenso in Gefahr wie vorher. Hier entfaltete sich der Mut und die Geistesgegenwart von Flora aufs neue für den Mann, der auf so sonderbare Weise unter den Schutz eines jungen Mädchens gestellt war. Sie beschloß, ihr Geheimnis Lady Margarethe Mac-Donald, der Gemahlin von Sir Alexander, anzuvertrauen und sich auf das allen Frauen angeborene Mitgefühl, wie auf die geheime, allen schottischen Hochländern eigene Sympathie für die Jacobiten zu verlassen.
Diese Mitteilung des Geheimnisses an Lady Margarethe war um so gewagter, als man ihrem Manne nachsagte, er habe anfangs sich mit seinem Clane dem Prinzen anschließen wollen und erst später sich entschlossen, seine Vasallen die Waffen für die Regierung ergreifen zu lassen, die jetzt einen Teil der Truppen bildeten, denen Karl eben mit so großer Gefahr entgangen war. Lady Margarethe war erst über diese ihr gemachte Entdeckung entsetzt. Ihr Gatte war abwesend und das Haus von Offizieren der Milizen angefüllt. Sie fand kein besseres Mittel, den Prinzen in Sicherheit zu bringen, als ihn der Obhut von Mac-Donald von Kingsbourg, einem sehr mutigen und klugen Manne, anzuvertrauen, der bei Sir Alexander das Amt eines Bevollmächtigten oder Intendanten ausübte. Flora übernahm es wieder, Karl zu Mac-Donald von Kingsbourg zu geleiten, und der Prinz war so glücklich, unterwegs nicht erkannt zu werden, wenn auch das linkische Benehmen eines Mannes, der Frauenkleidung trägt, mehr als einmal ihn als verdächtig hatte erscheinen lassen.
Von Kingsbourg zog er sich nach Rasa zurück, wo er sich bald in größter Not befand. Diese Stadt war geplündert worden, weil der Laird an dem Aufstande teilgenommen hatte; während dieser Periode seiner Flucht galt Karl als Diener seines Führers. Darauf wurde das Land des Laird von Mac-Kinnon seine vorübergehende Zufluchtsstätte, aber trotz aller Bemühungen dieses Edelmannes konnte er auf diesem Teile der Insel Skye weder Ruhe noch Sicherheit finden und war genötigt, sich noch einmal nach Schottland zu begeben, wo man ihn auf seine Bitte an den Ufern des See Nevis landete. Er befand sich da noch größeren Gefahren ausgesetzt, und wenig hätte gefehlt, daß man ihn gefangen genommen hätte. Eine große Anzahl Soldaten durchstreiften diese Gegend, die eine Wiege des Aufstandes, die Heimat von Lochiel, von Keppoch, von Glengarry und anderen jacobitischen Anführern war. Der Prinz und sein Führer befanden sich bald in einen Kreis von Militärposten eingeschlossen, die sich in ihrem Postenlauf kreuzend, den Flüchtlingen die Möglichkeit benahmen, in das Innere des Landes zu dringen. Nachdem man zwei Tage von Feinden umringt verbracht hatte, ohne Feuer anzumachen und Speisen zu kochen wagen zu können, umgingen sie endlich die drohende Gefahr, indem sie eine enge, dunkle Schlucht, der zwei Wachtposten trennte, durchkletterten.
So in einem Leben von Unruhe und Entbehrungen mit zerfetzten Kleidern, oft ohne Nahrung, Feuer und Schutz wurde der unglückliche Prinz nur durch die Hoffnung auf ein französisches Schiff aufrecht erhalten. Endlich kam er mit Glenaladale, der damals sein alleiniger Gefährte war, in die Berge von Strath-Glass, wo er genötigt war, Unterkunft in einer Höhle zu suchen, die sieben Banditen als Zuflucht diente. Unter diesem Namen darf man nicht gewöhnliche Diebe verstehen, – es waren dies Flüchtlinge, die sich wie Karl verbergen mußten, weil sie an dem Aufstande teilgenommen hatten, und die von dem Vieh lebten, dessen sie sich in der Umgegend bemächtigen konnten. Sie gewährten dem Flüchtlinge gern einen Zufluchtsort, und da sie in ihm bald den Prinzen erkannten, für den sie mehrmals ihr Leben eingesetzt, so schwuren sie ihm unverbrüchliche Treue. Unter den ergebensten und anhänglichsten seiner Unterthanen fand Karl Eduard nicht mehr Treue, Eifer und wirkliche Hilfe, als seitens dieser Männer, die Feinde der Welt und ihrer Gesetze geworden waren. Um ihm allen nur möglichen Beistand zu leisten, unternahmen es diese kühnen Freibeuter, ihm Kleider, Wäsche, Lebensmittel und Nachrichten zu verschaffen. Sie verfuhren dabei auf eine eigene Art, einer Mischung von Einfalt und Grausamkeit, die damals den Grundzug im Charakter der Hochländer ausmachte. Zwei von ihnen lauerten einem Offiziersburschen auf, der mit dem Gepäck seines Herrn nach Fort Augustin ritt und töteten ihn. Der Mantelsack, den er trug, lieferte ihnen die Kleider für den Prinzen. Dann wagte es einer von ihnen, gut verkleidet, sich in das Lager von Fort Augustin zu schleichen und erlangte dort wertvolle Nachrichten über die Bewegungen der Truppen. Da er seine vorgenommene Aufgabe, dem Prinzen zu dienen, in seiner ganzen Ausdehnung erfüllen wollte, so glaubte er – wie Walter Scott erzählt – in der Einfalt seines Herzens ihm nichts Besseres als Geschenk mitbringen zu können als ein Stück Pfefferkuchen.
Karl Eduard verbrachte in ihrer Höhle über drei Wochen, und nur höchst ungern fügten sie sich darein, ihn fortzulassen. »Bleiben Sie bei uns«, sagten die Leute, »die Goldhaufen, welche die Regierung für Ihren Kopf versprochen hat, veranlassen vielleicht irgend einen Edelmann, Sie zu verraten, denn ihm wäre es ein Leichtes, dann in ein fernes Land zu ziehen und den Preis seiner Schurkerei zu verzehren; wir anderen sind vor einer solchen Versuchung geschützt. Wir verstehen nur unsere Sprache, wir können nur in unserem Lande leben, und wenn wir Ihnen nur ein Haar krümmten, würden unsere Berge zur Strafe auf uns herabstürzen.«
Ein seltenes Beispiel der Ergebenheit und Begeisterung erleichterte um diese Zeit (2. August 1746) die Flucht des Prinzen. Der Sohn eines Edinburger Goldschmiedes Roderich Mac-Kensie, der Offizier im jacobitischen Heere gewesen war, hatte sich in der Haide von Glenmoriston versteckt. Er war ungefähr von gleicher Größe wie Karl, und auch im Gesicht und Auftreten ihm sehr ähnlich. Eine Abteilung Soldaten entdeckte ihn und suchte ihn zu überwältigen. Der junge Mann verteidigte sich tapfer, – mit einem letzten Aufflackern von Heldenmut wollte er seinen Tod für die Sache, der er gedient hatte, nützlich machen und rief im Sterben: »O, Ihr Elenden, Ihr habt Euren Prinzen gemordet!« Sein edelmütiger Plan gelang. Man hielt ihn in der That für Karl Eduard und schickte seinen Kopf nach London. Es verging einige Zeit, bevor der Irrtum erkannt wurde, und währenddem, da man den Prinzen für tot hielt, ließ man selbstverständlich mit den Nachforschungen nach. Diese Frist wollte Karl Eduard benutzen, um Lochiel, Mac-Pherson und einige andere seiner getreuen Anhänger aufzusuchen, die, wie man ihm sagte, in dem benachbarten Bezirke sich versteckt hielten. Er verabschiedete sich von seinen getreuen Banditen, von denen er noch zwei, als Führer und Beschützer zu dienen, mit sich nahm. Nach vielen Schwierigkeiten und mancherlei Gefahren gelang es ihm, Lochiel und Mac-Pherson zu erreichen. Sie schlugen eine Zeit lang ihr Quartier in einer Hütte auf, die man den Vogelkäfig nannte. Diese lag mitten in einem dichten Wald, am Abhange eines Berges. Sie lebten da ziemlich sicher und hatten Vorräte von allen zum Leben nötigen Dingen, so gut und reichlich, wie es der Prinz, seitdem er flüchtig war, nicht kannte. – Gegen Mitte September erfuhr Karl Eduard, daß zwei französische Fregatten in Lochlannagh angekommen seien, um ihn nach Frankreich zu bringen. Er schiffte sich am 20. mit etwa hundert seiner Anhänger ein und landete am 29. an der Küste der Bretagne, nahe bei Morlaix. Seit fünf Monaten irrte er unstätt und flüchtig unter Anstrengungen und Gefahren umher, die alles übertrafen, was man in der Geschichte lesen kann. Während dieser Zeit wurde sein Geheimnis Hunderten von Personen jeden Alters und Geschlechts, jeder Lebensstellung, anvertraut, ohne daß nur eine, selbst nicht unter den Banditen, die sich ihre Nahrung mit Gefahr ihres Lebens verschafften, einen Augenblick gedacht hätte, sich durch den Verrat des unglücklichen Flüchtlings zum reichen Manne zu machen.
(Walter Scott, Geschichte von Schottland.)
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