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Secundus Curion.

– Sechzehntes Jahrhundert. –

Cölius Secundus Curion, ein eifriger Lutheraner, hatte es gewagt, einen Dominikanermönch namens Casal, welcher von der Kanzel die gehässigsten Verleumdungen gegen das Haupt der Reformation geschleudert hatte, vor versammelter Kirchengemeinde der Lüge zu zeihen. Er wurde alsbald auf Befehl des Inquisitionsrichters in Turin verhaftet. Man schleppte ihn von einem Gefängnis ins andere, aber dennoch gelang es ihm, auf eine ziemlich schlaue Art zu entweichen, so daß seine Feinde ihn anklagten, sich der Zauberei dabei bedient zu haben. Um sich von einer zu jener Zeit so gefährlichen Beschuldigung zu reinigen, veröffentlichte er eine kleine » Probus« betitelte lateinische Schrift mit der Erzählung seiner Flucht, der wir Folgendes entnehmen:

»Ich war«, erzählt er, »seit 8 Tagen in meinem neuen Gefängnis eingesperrt, wo man mir große Holzblöcke an die Füße befestigt hatte, als mir der Himmel plötzlich einen guten Gedanken eingab. Sobald der junge Mann, den man zu meinem Hüter bestellt hatte, in die Zelle trat, bat ich ihn inständig, die Fessel an einem meiner Füße abzunehmen. Es müßte ihm doch genügen, daß ich mit einem Fuße an einem so großen Block befestigt sei ... Da er nicht argwöhnisch war, ließ er sich überreden und machte einen meiner Füße frei. So verging dieser Tag und der folgende, indeß ich mich an die Arbeit machte. Ich zog das Leinenhemd, welches ich trug, aus, wie den Strumpf am freien Bein, machte daraus ein Bündel, dem ich die Form eines Beines gab und steckte es in einen Schuh. Es fehlte nur noch etwas, um dem nachgemachten Beine Halt zu geben. Dies machte mir viel Sorge, und ich durchstöberte ängstlich alle Winkel. Da entdeckte ich unter einer alten Bank einen Rohrstock. Ich ergriff ihn eiligst und steckte ihn in das falsche Bein. Mein Bein verbarg ich unter dem Mantel und wartete den Erfolg meiner List ab ... Der gute Mann kam am zweitnächsten Tage um die zwanzigste Stunde (ungefähr zwei Uhr nachmittags) und fragte mich, wie es mir ginge. Es ginge etwas besser, versetzte ich, wenn Sie so gut sein wollten, meine Fesseln an das andere Bein zu legen, damit das jetzt gefesselte auch einmal etwas ausruhen kann. Der gutmütige Wärter tauschte ahnungslos den Block von meinem eigenen an das falsche Bein aus.«

Der Gefangene verhielt sich ruhig, bis er in der Nacht seine Wärter schnarchen hörte. Dann nahm er das falsche Bein ab, zog Hemd und Strumpf an und machte sich daran, geräuschlos die Thür seiner Zelle zu öffnen, die nur durch einen einfachen Riegel verschlossen war. Das war eine schwere Arbeit, aber sie gelang. Darauf kletterte er nicht ohne Anstrengung über die Mauern des Gefängnisses und brachte sich glücklich in Sicherheit.

(Lud. Lalaune, interessante Biographien.)

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