August Bebel
Die Frau und der Sozialismus
August Bebel

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In den letzten Jahren waren die Pflanzenphysiologen und neben diesen auch praktische Agronomen auf das eifrigste bemüht, die Wirkungsweise der Elektrizität auf das Wachstum und Befruchten wichtiger Kulturpflanzen, insbesondere unserer Getreidearten zu studieren. Diese Aufgabe ist von dem im Jahre 1906 verstorbenen Professor K. S. Lemström gelöst. Er überspannte größere Flächen Kulturlandes mit einem Drahtnetz, dem er in den meisten Fällen mittels Influenzmaschinen eine positive Ladung gab, während der negative Pol an der Erde lag, und ließ eine dunkle Entladung während der ganzen Vegetationsperiode oder eines Teiles derselben auf ein solches Versuchsfeld einwirken, während ein gleich gelegenes Kontrollfeld unbeeinflußt blieb. Die Versuche wurden in den verschiedensten Breiten angestellt und ergaben bei richtiger Behandlung übereinstimmend einerseits eine Vermehrung des Ernteertrags, welche zwischen 30 und über 100 Prozent schwankte, zweitens eine Verkürzung der Dauer des Reifens und endlich eine wesentliche Verbesserung der Qualität. Bei dieser Methode machte sich aber noch eine Reihe praktischer Bedenken geltend, die Newman, ein englischer Landwirt, zu beseitigen verstand. Diesem gelang es, den berühmten englischen Physiker Oliver Lodge für die Lemströmsche Methode zu interessieren. Nach einem neueren Bericht von Lodge, der die bisher gebrauchte Influenzmaschine durch eigens gestaltete Quecksilbergleichrichter ersetzte, sind nun diese Versuche in den aufeinanderfolgenden Jahren 1906 bis 1908 auf eine beeinflußte Fläche von 10 Hektar ausgedehnt worden und dabei der wichtige Nachweis erbracht worden, daß das Drahtnetz eine Höhe von 5 Meter über dem Erdboden haben darf, ohne der günstigen Wirkung auf Ernteertrag Abbruch zu tun. Dies ist eine Höhe, welche es erlaubt, hochbeladene Erntewagen darunter bequem fahren zu lassen und überhaupt alle landwirtschaftlichen Arbeiten, wie Bearbeiten der Hackfrüchte, ohne Störung zu gestatten, während nach Lemström das Drahtnetz nicht weiter als 40 Zentimeter von den zu beeinflussenden Pflanzen entfernt sein sollte M. Breslauer, Beeinflussung des Pflanzenwachstums durch Elektrizität. Elektrotechnische Zeitschrift 1908, Heft 38, S. 1915. Eine kleine Demonstrationsanlage ist in der Nähe von Berlin unter Leitung von Breslauer im Bau begriffen. . Verschiedene Müller stellten vergleichende Backversuche an und fanden, daß der elektrisierte Weizen ein viel besseres Backmehl abgab als der nichtelektrisierte. Somit ist das neue Verfahren reif, um in die Praxis der Landwirtschaft und des Gartenbaues mit Erfolg überführt zu werden.

Der Fowlersche Dampfpflug mit zwei Compoundlokomotiven bedarf, um zweckmäßig ausgenutzt zu werden, eines Areals von 5.000 Hektar, das heißt mehr Fläche als die Ackerfläche der meisten Bauerngemeinden beträgt. Man berechnet, daß wenn zum Beispiel das im Jahre 1895 vorhandene Kulturland mit Anwendung der verschiedensten Maschinen und aller sonstigen Vorteile bewirtschaftet wurde, eine Ersparnis von 1.600 Millionen Mark erzielt worden wäre. Nach Ruhland Dr. G. Ruhland, Die Grundprinzipien aktueller Agrarpolitik. Tübingen 1893, Lauppsche Buchhandlung. würde eine erfolgreiche Bekämpfung der Getreidekrankheiten allein schon genügen, um die jetzige Getreideeinfuhr Deutschlands überflüssig zu machen. In der Broschüre »Unsere Wiesen- und Feldkräuter« von Dr. med. Sonnenberg in Worms wird mitgeteilt, daß nach einer amtlichen Enquete in Bayern die bayerische Landwirtschaft durch die Verunkrautung ihrer Felder einen Ernteverlust von 30 Prozent pro Jahr habe. Auf zwei Flächen von je vier Quadratmetern, von welchen die eine verunkrautet, die andere unkrautfrei war, fand Nowatzki folgende Resultate:

  Halme Körner Strohertrag
Auf der verunkrauteten Fläche 216 180 239 Gramm
Auf der unkrautfreien Fläche 423 528 1.077 Gramm

Dr. v. Rümker, Professor an dem landwirtschaftlichen Institut der Universität Breslau, erklärt, daß die Führung eines sorgfältigen Bodennährstoffhaushaltes auf Grundlage der Statistik des Landbaues so gut wie ganz in Deutschland fehle. Die Fruchtsaat sowie die Bodenbearbeitung finde oft rein schematisch, gedankenlos und mit so unvollkommenen und unpassenden Werkzeugen statt, daß der Ertrag der Mühe und Arbeit ein geringer bleiben muß. Nicht einmal die leichte Arbeit einer rationellen Saatgutsortierung werde von den deutschen Landwirten geübt. Professor v. Rümker zeigt an nachstehender Tabelle, in welcher Weise durch Sortierung des Samens der Ertrag pro Hektar gesteigert werden könnte:

Weizen lieferte Nicht sortiert
pro Hektar
in Kilogramm
Sortiert
pro Hektar
in Kilogramm
Mehrertrag des
sortierten Saatguts
in Kilogramm
Gesamternte 8.000 10.800 + 2.800   
Korn 1.668 2.885 + 1.217   
Stroh und Spreu 6.332 7.915 + 1.583   
Hektolitergewicht der Ernte 77,2 78,7 + 1,5

Der Mehrertrag durch die Sortierung beträgt also nach der Tabelle 1.200 Kilogramm Korn pro Hektar, der, mit 15 Mark pro Doppelzentner bewertet, einen Geldwert von 180 Mark repräsentiert. Wenn die Sortierungskosten pro Hektar mit höchstens 4,40 Mark berechnet werden, so bleibt noch eine bare Reineinnahme aus der Verwertung des Korns allein von 1 75,60 Mark pro Hektar übrig, ohne den Mehrertrag für Stroh und Spreu mit in Anschlag zu bringen. Aus einer Reihe von Anbauversuchsergebnissen ermittelte Rümker ferner, daß man durch Auswahl der für jede Örtlichkeit ertragreichsten Sorte durchschnittlich mehr ernten und die Roheinnahmen verbessern könnte bei:

  Kilogr. Korn oder um Mk. pro Hektar
Roggen 300 700   42 98
Weizen 300 800   45 120
Gerste 200 700   34 119
Hafer 200 1.200   26 156

Nehmen wir den Mehrertrag durch die Sortierung des Saatgutes und durch richtige Auswahl der Sorte für Weizen zusammen, so könnte allein bei der Weizenproduktion der Ertrag um 1.500 bis 2.000 Kilogramm Korn oder um 220 bis 295 Mark pro Hektar gesteigert werden.

In einer Schrift »Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft« Von Kommerzienrat Heinrich Albert-Bieberich unter Mitwirkung von Landwirtschaftslehrer Homuth. Friedenau-Berlin 1901. wird nachgewiesen, welche gewaltigen Mehrerträge für alle landwirtschaftlichen Produkte erzielt werden könnten, wenn durch reichliche und sachgemäße Düngung – Zuführung mineralischen Düngers: Superphosphat und Thomasmehldüngung, Kainit und Phosphorsäure – der Boden ertragreicher gemacht wird. Vom deutschen Weizenboden könne alsdann sehr wohl ein Durchschnittsertrag von 36 Doppelzentner, vom Roggenboden von 24 Doppelzentner pro Hektar gewonnen werden. Auch würde ein beträchtlicher Teil des jetzigen Roggenlandes durch bessere Düngung und Bearbeitung zur Weizenproduktion ausgenutzt werden können, so daß sich der Durchschnittsertrag vom Ackerland an Brotgetreide – zwei Fünftel Weizen, drei Fünftel Roggen – auf 28,8 Doppelzentner pro Hektar beziffern könnte. Nach Abzug für Saatgut und geringwertiges Getreide blieben für die Volksernährung 26 Doppelzentner übrig. Die 7,9 Millionen Hektar, die zurzeit mit Brotgetreide bestellt würden, könnten noch um 1,5 Millionen Hektar von Weideland, Brache und Ödland – Heide und Moore Von den vorhandenen 5 Millionen Hektar Ödland, Brache, Weide usw. sind 4½ Millionen Hektar verrechnet. Was davon mehr aufgeforstet wird, könnte andererseits durch die Umwandlung von Wald in Acker- beziehungsweise Wiesenbau gewonnen werden. – vermehrt werden, so daß bei einem Durchschnittsertrag von 26 Doppelzentner pro Hektar und bei einer Anbaufläche von 9,4 Millionen Hektar eine Produktion von 251,92 Millionen Doppelzentner Brotgetreide erzielt werden könnte. Bei einem Jahreskonsum von 175 Kilogramm pro Kopf würde dann für 144 Millionen Menschen Brotgetreide geliefert werden können. Bei der Volkszählung im Jahre 1900 hatte Deutschland rund 56.345.000 Einwohner, es könnte also schon bei dem damaligen Stande der Technik und Wissenschaft der deutsche Boden sogar die zweiundeinhalbfache Bevölkerungszahl mit Brotgetreide versehen. Bei der gegenwärtigen Wirtschaftsweise des zerstückelten Privatbesitzes ist Deutschland genötigt, durchschnittlich ein Neuntel seines Bedarfs an Brotgetreide vom Ausland einzuführen. Sollten unter der gegenwärtigen Wirtschaftsweise auch nur annähernd ähnliche Erträge erzeugt werden, so bedingte das so hohe Lebensmittelpreise, daß die Mehrzahl der Menschen sie nicht erschwingen könnte, womit der Zweck nicht erreicht würde. Nur bei kommunistischem Betrieb auf größter Stufenleiter lassen sich diese Resultate erzielen, woran die genannten Verfasser natürlich nicht denken. Nach einer von ihnen aufgestellten Berechnung würden bei Durchführung intensiver Kultur in der deutschen Landwirtschaft mehr erlangt werden können (in Millionen Doppelzentner):

An Brotgetreide 145,1
An Kartoffeln 444,0
An Hafer, Gerste, Erbsen und Bohnen 78,7
An Wiesenheu 146,2
An Heu- und Futterfelder 110,0
An Futterrüben 226,0

Ziehen wir aber in Betracht, daß nach den weiter oben ausgeführten Vorschlägen von Mack durch Einführung des elektrischen Betriebs eine sehr große Zahl von Arbeitstieren erspart würden, so könnte die Schlachtviehzucht sehr erheblich gesteigert oder das dafür nötige Land anderweit mit Nahrungsmitteln für Menschen angebaut werden.

Ein anderes Gebiet landwirtschaftlicher Tätigkeit, das in ganz anderem Maße ausgebeutet werden kann, ist die Zucht von Federvieh und die Eiergewinnung. Der Wert der jährlich in Deutschland eingeführten Eier beläuft sich auf 149,7 Millionen Mark (1907) und an lebendem Federvieh auf über 40 Millionen Mark. Auf diesen verschiedenen Gebieten befinden sich Zucht- und Kultureinrichtungen noch sehr im Rückstand. Im weiteren wird die mit dem konzentrierten Großbetrieb verbundene Konzentration der Stallungen, der Vorratshäuser aller Art, der Kellereien, der Futter- und Fütterungseinrichtungen, der Düngerstätten nicht nur abermals eine große Zeit-, Kraft- und Materialersparnis bedeuten, sie werden auch in bezug auf rationelle Ausnützung Vorteile gewähren, die der Klein- und Mittelbetrieb gar nicht, der Großbetrieb nur selten genießt. Wie dürftig sind zum Beispiel die hygienischen Einrichtungen in der großen Mehrzahl der Stallungen, wie mangelhaft die Futtereinrichtungen und die Behandlung des Vieh- und Geflügelstapels. Daß Reinlichkeit, Licht und Luft den Tieren ebenso nötig sind wie den Menschen und auf ihr Befinden günstig einwirken, ist eine dem Bauer des zwanzigsten Jahrhunderts noch wenig bekannte Tatsache. Daß damit die Gewinnung und Erzeugung von Milch, Butter, Käse, Eiern, Honig, Fleisch unter viel rationelleren, gesünderen und vorteilhafteren Verhältnissen vor sich gehen wird, ist selbstverständlich.

Mit der geschickten Verbindung und Ausnutzung der vorhandenen Menschen- und maschinellen Kräfte wird aber außer der Bestellung auch die Aberntung der Felder in bisher nicht geahntem Maße betrieben werden können. Die Anlegung großer Schutzhallen, Trockenhäuser usw. wird die Ernte bei jeder Witterung ermöglichen, und die rasche Einbringung derselben wird die enormen Verluste vermeiden lassen, die jetzt so häufig vorkommen. So gehen nach v. d. Goltz in einer einzigen ungünstigen Erntezeit in Mecklenburg für 8 bis 9 Millionen Mark, im Regierungsbezirk Königsberg für 12 bis 15 Millionen Mark Ernteerträge zugrunde.


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