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Zweites Kapitel

Ein Kind wars, das Gräfin Hatzfeldt zu ihrem Geliebten gemacht, und die Hilflosigkeit dieses Kindes hatte es in ihre Arme geführt.

Denn derselbe Jüngling, der in himmelstürmender Phantasie die Zukunft eines Geschlechts hatte wiederaufbauen wollen und nun entsetzt seiner Ohnmacht ins Angesicht starrte, war in der Schlaffheit der Reaktion zu einem hilflosen Kinde geworden.

Und so war er der Gräfin Hatzfeldt begegnet.

Niemand wußte, wie alt Gräfin Eva war, einige meinten fünfunddreißig, andere vierzig; ihre Bewunderer behaupteten, daß sie unmöglich älter als dreißig sein konnte, boshafte Konkurrentinnen dagegen, daß sie schon hoch über vierzig war.

Über die Zeit vor ihrer Ehe schwebte völliges Dunkel, denn daß sie ursprünglich Gouvernante gewesen und mit einer englischen Familie nach Paris gekommen sein sollte, wo sie sich den alten holsteinischen Aristokraten ergattert hatte, waren doch wohl bloß Gerüchte, die aus dunklen Reminiszenzen von »Mrs. Audleys Geheimnis« zu stammen schienen.

Sicher war nur, daß der Graf Hatzfeldt wirklich existiert hatte, und nun sein Bild in dem, mit dem Bande des Johanniterordens geschmückten, Frack auf einer prachtvollen Staffelei im Boudoir der schönen Witwe aufgestellt war.

Nach dem Tode des Gatten – sie waren nur dreiviertel Jahr verheiratet gewesen – hatte sich Frau Eva so etwa beinahe überall aufgehalten; eine Zeitlang in Petersburg, in Neapel und in Wien, besonders aber in Paris und Rom, nur London schien sie gemieden zu haben. Nun war die Gräfin wieder nach Dänemark gekommen, und die unverwüstlich schöne Frau, deren graue Augen gerade so glanzvoll wie je strahlten, und deren aschblonde Locken – trotz veränderter Mode – wie früher frei das Antlitz umspielten, hatte mit Leichtigkeit ihre alten Verbindungen in der Gesellschaft wieder angeknüpft.

Es ist wohl wahr, daß sie mehr von den Herren wie von den Damen geschätzt wurde, und daß man ein bißchen über ihre Manie für die Jugend spöttelte, über den Eifer, mit welchem sie beständig die Söhne und Töchter ihres Umgangskreises in Wohltätigkeitsbazaren, Dilettantenaufführungen und tausenderlei Arrangements bei Festlichkeiten beschäftigte; ja, man war so weit gegangen, ihre luxuriösen Salons »Hühnerhof« zu nennen. Aber, du lieber Gott! das waren ja so harmlose, unschuldige Sachen und zeigten nur, wie schief eine Frau beurteilt werden konnte, die, wenn auch selbst über die erste Jugend hinaus, noch jung genug geblieben war, um an den Vergnügungen der Jugend Gefallen finden zu können!

An dieses Weib klammerte sich William Hög und sie war ihm wie eine Mutter. Wie suchte sie nicht seinen Kummer zu verscheuchen, seine Klagen zu mildern! Wie glücklich und traulich waren die ersten Abende! Er erzählte ihr alles, sprach sich vor ihr mit einer hingebenden, kindlichen Vertraulichkeit, die nichts verbirgt, aus. Mit dem Kopf auf ihrem Schoß lag er auf dem Pantherfell zu ihren Füßen, während ihre weiche Hand über seine Wangen und Haare glitt, und wenn er sein Gesicht zu ihr aufhob, begegnete er ihrem milden, unbeschreiblich zärtlichen Blicke.

»Küsse mich,« sagte sie dann sanft, legte die Arme um seinen Hals und küßte seine Stirn. Er aber suchte ihren Mund, und obgleich sie zuvor widerstrebte und ihn ein Kind schalt, brannten ihre Lippen doch, wenn sie die seinigen berührten.

Er fühlte die neuerwachende Lebensfreude des Rekonvaleszenten bei dieser zärtlichen Pflege und fand fast einen eigenen süßen Reiz an seinem Schmerz und Kummer. Er kam ja damit zu ihr wie ein Kind zur Mutter und sie richtete ihn auf und nahm ihn in ihre Arme. Und wenn er weinte, tröstete sie ihn, und seufzte er, so erstickte sie seinen Seufzer mit dem Kuß einer Mutter.

Aber gar bald wurde die mütterliche Liebkosung zur glühenden Umarmung der Geliebten und diese – zu einem Kapua für die Legionen, die bei Cannä geschlagen worden waren.

Nun war ihm nur Gräfin Eva geblieben und er wurde zu Wachs in ihrer Hand.

Jetzt gab es neue Aufregungen, Gemütsbewegungen – neue Nervosität! Es kam eine Zeit, wo er über diese Liebe in Phantasien schwelgte. Seine große Enttäuschung, sein Kummer bildete den düstern Hintergrund seines Liebesgenusses ... Er legte den Weltschmerz eines Heine hinein und dachte an Alfred de Musset und George Sand. Würde er nicht auch sterben wie Musset, von diesem wilden Feuer verzehrt, das selbst seine Träume heißer machte, all seinen Willen verschlang, sein Denken aufsaugte? Ach, wenn er doch auch sterben könnte! Denn außerhalb lag nur das große Nichts – Verzweiflung – Elend. Nur in ihrer Liebe war Leben! – –

Dann konnte sie wieder momentelang nur Mutter sein, ihn ganz wie ein Kind behandeln! Sie küßte ihn sanft auf die Stirn, ihm dabei mit einem Blicke reinster Mutterliebe mild zulächelnd. Und plötzlich konnte ein wehmütiger Tau den Blick verschleiern, und sie seufzte schwer auf. So blieb sie den ganzen Abend: nur »Mutter«. Sie spielte ihm Schumanns Kinderszenen vor, oder sie plauderte mit ihm in einer weichen zärtlichen Weise, wie man Kindern Märchen erzählt. Wollte er dann etwa eines von Mussets Gedichten vorlesen, bat sie: »Nein, nicht das,« sondern wählte selbst Lamartines »Jocelyn«, oder Oktave Feuillets Idyllen. Aber selbst dabei konnte sie ihn plötzlich bitten, aufzuhören, wie von irgend etwas unangenehm berührt.

Zu anderen Zeiten wieder war sie ganz die »große Dame«, kalt, überlegen und ruhig. Sie empfing ihn nicht allein, sondern nur mit andern zusammen. Dann saß sie mitten in ihrem Kreise wie eine Herrscherin; sie sah ihn nicht, schenkte ihm keinen Blick. Aber auch die andern schien sie kaum zu sehen, Kälte, Vornehmheit in jeder Bewegung ...

Während er sie dann verstohlen betrachtete, sie unablässig unter hundert Vorwänden umkreiste, auf einen Blick von ihr lauerte, ein Lächeln hinter dem Fächer, ein einziges jener Zeichen, die die Boten der Liebenden sind – begegnete er beständig derselben hoheitsvollen Juno, die gleichmäßig ihr kaltes verbindliches Lächeln austeilte.

An anderen Tagen wieder war sie »schmachtend« und lag mit halb geschlossenen Augenlidern da, wie eine schlummernde Haremsdame, träge und müde ... Sie sprach gedämpft, wenn sie überhaupt sprach, als ob es ihr Mühe machte. Das Boudoir war ganz verdunkelt, und sie lag in lichten losen Gewändern auf der roten Chaiselongue, während die langen Locken auf das Kissen fielen.

Dazwischen konnte sie plötzlich einen zwingenden Drang fühlen, ihr Verhältnis zu William dadurch zu legitimieren, daß sie Nina und Sophie an sich knüpfte, wie wenn sie diese als keusche Schutzwehr zwischen ihn und sich aufstellen wollte ...

Man lobte die Gräfin Hatzfeldt sehr ob ihrer aufopfernden Fürsorge, die sie den verlassenen Kindern widmete, sie führte diese überall ein, protegierte sie, war ihnen eine Mutter ...

Dann hatte sie zeitweise wieder schwermütige Anwandlungen, in denen sie ihn öfters lange mit wehmutsvoller Zärtlichkeit ansah. Fragte er sie nach dem Grunde ihrer Traurigkeit, – so wich sie ihm aus, versuchte matt zu lächeln und ihm ihre Schwermut zu verbergen. Wenn er weiter in sie drang und ihr das Geständnis der Ursache ihres Kummers durch Liebkosungen abzwingen wollte, konnte sie plötzlich in Tränen ausbrechen: sie sei alt, am Herbst des Lebens angelangt, und konnte ihm doch nichts mehr geben, der in des Frühlings Morgenfrische stand ... Und dann erfüllte diese Liebe sie auch mit Reue! ...

So wechselte ihr Wesen und blieb beständig neu; Williams Leidenschaft aber, die sein ganzes Leben geworden war, wuchs und wuchs und verschlang ihn völlig.

Da war nichts mehr von der Mutter zurückgeblieben, sie war nur seine Geliebte ganz und gar – er liebte sie ... liebte sie wie jene Menschen, die die Liebe verzehrt hatte. Denn auch ihn verzehrte diese Leidenschaft. Im Anfang hatte er sich wohl heraufgeschraubt, einen Teil dieses Feuers mit seiner Phantasie zur Glut geschürt, aber Gräfin Evas Raffinement warf immer frischen Brennstoff in die Flamme und fachte sie zum lichterlohen Brand, zu immer neuem Brand ...

William jagte und irrte in der versengenden Wüste einer sterilen Leidenschaft umher, wo die Sonne wie ein fahler Mond hinter den vom Sirokko aufgewirbelten Sandwolken stand ... Und wenn er zusammenzubrechen drohte, zeigte ihm die Gräfin der Fata Morgana Herrlichkeiten mit grünen Oasen und erquickenden Quellen ...

Aber die Quellen waren verpestet und unter den Palmen hausten Schlangen ...

Mitunter konnte William ganz müde zusammenfallen und wie verstört um sich herumstarren, als wollte er sich nach Hilfe, nach Rettung umschauen. Aber wohin er auch sah – fand er nur Hoffnungslosigkeit, die Wüste in großen Linien ...

Überall starrte ihm nur Leere entgegen, Leere und Verzweiflung.

Manchmal konnte er plötzlich in seinen Liebkosungen innehalten, und während er sie ansah, kam etwas stumpfes, ersterbendes in seinen Blick; er wurde so angstvoll, todeswund, wie der Blick eines Tieres, das in innerer Verblutung zusammenbricht ... Ganz plötzlich konnte das so über ihn kommen, während sie in zärtlicher Umarmung zusammen dasaßen; die Hände, die er um ihren Hals geschlungen hatte, fielen schlaff hernieder ... seine Lippen wurden kalt, die Flamme in seinen Augen erlosch: eine Schlappheit mit gesprungenen Federn. Er glaubte nicht an ihre Liebkosungen, war nicht überzeugt. – Sie konnte sich gar nicht erklären, was so auf einmal zwischen sie getreten war!

Er aber sah klar, daß er ein Sklave geworden war, von einem Kinde war er zum Knecht geworden. Er sah, daß er nie, nie ein Mann in dieser Liebe gewesen, daß er schwach und machtlos war. Er fühlte die Ketten, sie drückten ihn, – aber er blieb. – Sie hielt ihn gut fest. Wie man – eine Zitrone in ein Glas Zuckerwasser pressend – diese noch einige Augenblicke in der Hand behält, ehe man sie fortwirft, damit einem die letzten Tropfen nicht verloren gehn, so hielt Frau Eva William, während er unter den Fesseln zusammenschrumpfte.

Zu Haus war er reizbar und verstimmt. Nina und Sophie litten schwer darunter, ihn so sich aufreiben zu sehen.

Bald ging er überhaupt nicht mehr aus, er mied jedermann und auch die Gräfin konnte ihn nicht bewegen, sie in Gesellschaft zu begleiten.

Eines Tages hatte sie ihm ein Rendezvous im Park von Frederiksborg gegeben. Sie sollten von da in ihrem Wagen nach Valby fahren.

William wartete eine halbe Stunde über die verabredete Zeit hinaus, als sie auch dann nicht kam, ging er. Er nahm es ziemlich ruhig auf, da er an die Launen der Gräfin gewöhnt war und es längst aufgegeben hatte, ihr etwas übel zu nehmen.

Als er ein paar Schritte gegangen war, sah er Hoff die Allee hinuntergefahren kommen. Er saß wie gewöhnlich ganz zusammengekauert in der Wagenecke und sah bleich und eingefallen aus. Trotz des milden Wetters hatte er den Pelzkragen hoch bis über die Ohren aufgeschlagen. William machte Miene, an ihm vorbeizugehn – es war lange her, seit sie sich zuletzt gesehen, eigentlich nicht seit der Probe – Er wollte am liebsten vermeiden, mit ihm in ein Gespräch zu kommen ...

Aber Hoff hatte sofort, als er ihn erblickte, den Wagen halten lassen.

Nun ging es nicht anders, er mußte stehen bleiben.

»Wollen Sie nicht einsteigen und ein bißchen mit mir kommen?«

»Nein, danke ... ich muß nach der Stadt ...«

»So ... na, übrigens ist es auch viel gescheiter, bei diesem Wetter zu gehn ... Kutscher, fahren Sie mit meinem Pelz nach Hause ... ich gehe lieber ...«

Damit entledigte er sich des Pelzes, zog einen Überzieher an, den er bei sich im Wagen gehabt hatte, und war bald darauf an Williams Seite.

»Nein, wie lange ist es doch her, daß ich Sie nicht gesehen habe ... Adieu Kutscher! ...«

»Müssen Sie nicht erst bezahlen?«

»Ach nein, ich habe ihn auf Rechnung.« Die Droschke rollte von dannen; die beiden gingen die Allee entlang.

»Aber, meiner Seele, wir haben uns wirklich lange nicht gesehn ...« wiederholte Hoff.

William sagte, ohne darauf zu antworten: »Sie sehen angegriffen aus.«

»Ach ja ... daran ist mein Roman schuld ... der zehrt an meinen Kräften.«

»Arbeiten Sie an einem neuen Roman?«

»Ja ... und bin damit ziemlich im Rückstände geblieben ... eigentlich hätte er schon längst herauskommen sollen.«

»Und, wovon handelt er?« fragte William eifrig, er war froh, einen Gesprächsstoff gefunden zu haben und nicht von sich sprechen zu müssen.

»Oh ...« Hoff bohrte die Hände tiefer in die Paletottaschen, »wovon Romane gewöhnlich zu handeln pflegen ... von der Schlechtigkeit der Welt.«

Es entstand eine Pause. William sah zur Erde nieder: »Ach ja, das ist ein reiches Thema,« sagte er nach einer Weile.

»So ziemlich.« Darauf herrschte wieder Stille, bis Hoff endlich sagte:

»Aber Sie sehen zum Teufel auch nicht etwa besonders gut aus!«

»Mein Gott ... wie gewöhnlich ...«

»Sie schreiben am Ende gar auch einen Roman?«

William lachte. »Nein ... bis jetzt noch nicht ... aber man kann ja nie wissen ...«

»Ich bin ein paarmal bei Ihnen gewesen,« sagte Hoff nach einer kleinen Pause, »aber man trifft Sie ja nie! Ich wollte mit Ihnen etwas über unsre Zeitung besprechen ...«

»Ihre Zeitung?«

»Ja ... es soll ein junger Dramaturg von der neuen Schule angestellt werden ... und so dachte ich ... Sie würden gut dafür passen!« Hoff sah nicht auf; trotzdem hatte William es im Gefühl, daß er ihn beobachtete.

»Ich schreibe nicht,« sagte er, ein wenig errötend.

»So – na ... aber Sie müssen doch etwas tun ... irgendeinen Beruf ergreifen ...«

»Ich bereite mich zum Examen vor.«

»So ... und wann wollen Sie denn dieses Examen machen?

William schien die Frage zu überhören und sagte etwas zögernd:

»Ich treibe politische Studien ..«

»So ... das hab ich auch seinerzeit ... ein herrliches Studium ... und so einträglich ... Und wann geht's denn zum Examen, wohl Weihnachten über's Jahr?«

»Ich habe noch nicht daran gedacht ... wann ...«

Hoff zog Zigaretten hervor und bot William welche an. Dann blieb er stehen und zündete die seine unter dem Schutz seines Hutes an. Dabei sagte er:

»Neulich sprach ich Gerson ... Er beklagte sich auch sehr darüber, daß er Sie niemals sieht ... außer auf der Treppe. Er tat ein paar Züge und setzte seinen Hut wieder auf. »Das ist ja dasselbe Haus, wo die Gräfin Hatzfeldt wohnt ... Nicht?«

»Ja ... die Gräfin wohnt parterre.«

William sah nach der anderen Seite. Hoff kaute an seiner Zigarette, die lose zwischen den Lippen im Mundwinkel hing, so daß alles, was er sagte, so eine eigene nonchalante Betonung bekam.

»Sie kommen wohl ... öfter dahin? ...«

»Die Gräfin hat uns sehr viel Freundlichkeit erwiesen.« Der Ton war kurz und das Wort uns leicht unterstrichen.

»Soo ... auch Ihre Schwestern verkehren da?« Hoff hielt einen Augenblick inne, und sagte dann sehr ernst: »Ob das auch recht ist? ...«

»Was?«

»Daß Sie Ihre Schwestern bei der Gräfin Hatzfeldt verkehren lassen!«

William wurde erst bleich, dann rot.

»Ja, verstehn Sie mich wohl, bester Hög ... daß Sie – – ja, aber Ihre Schwestern?«

»Die Gräfin ist eine alte Freundin unsrer Familie ...« sagte William beherzt.

»Soo – ja, das mußte ich nicht ...«

»Und Sie, der Sie die Dame überhaupt nur einmal gesehn haben ...«

»Haben wohl kaum ein Recht usw. ...« unterbrach ihn Hoff, »nein, ganz gewiß nicht. Aber ... ich habe sie auch vorher gekannt ... früher ...«

William lächelte: »Wenn ich mich recht erinnere, sind Sie ja der Gräfin erst auf dem Ball bei Staatsrats vorgestellt worden!«

»Ja ... es war etwas lange her, seit ich Frau Hatzfeldt ... damals zum letztenmal gesehn hatte: Doch lassen wir das. Um aber auf das Vorhingesagte zurückzukommen ... es ist doch nicht richtig, daß Sie Ihre Schwestern mit der Gräfin verkehren lassen.«

William wurde erregt. »Man spricht nicht so von einer Dame ... außer daß man ...«

» Man nicht, aber ich, und ich will Ihnen sagen, warum ich es tue – weil ich ihr Geliebter gewesen bin ...«

» Sie!« Es gab einen Ruck in William, er wurde purpurrot, während er Hoff starr ansah. Dieser gab den Blick zurück. Darauf schlug William die Augen nieder, sein Gesicht wurde fahl und grau; ein Zucken ging über seine Züge. Er wußte nichts zu antworten; er fühlte, daß jener die Wahrheit gesagt hatte.

Hoff wollte die Hand auf seine Schulter legen, aber William zuckte zurück. Schweigend mit gesenktem Kopf ging er neben ihm her.

»Ich war damals erst sechzehn Jahr,« ergriff Hoff wieder das Wort. Er sagte es ganz ruhig, fast trocken, wie man ein einfaches Faktum konstatiert. Und der Ton blieb der gleiche, als er hinzufügte: »Die Gräfin liebt eben junge Menschen.«

Schweigend gingen sie weiter. Hoff holte sich wieder eine Zigarette heraus, zündete sie an; William wartete. Als sie an die Gernerstraße kamen, drehte eine Equipage scharf um die Ecke vom Tolbodsweg her.

Hoff grüßte ehrerbietig.

William sah nicht auf. Halb gedankenlos fragte er: »Wer war das?«

»Die Gräfin mit dem jungen Jansen.«

Mit einem jähen Ruck wandte sich William um. Er sah noch den grauen Hut der Gräfin; neben ihr im Fond saß der junge Maler.

»O,« sagte Hoff, »Jansen hat ein ziemliches Talent und ist – ein schöner Mensch!«

Die Augen beider trafen sich, in William zuckte eine Flamme auf. Dann erlosch diese und er machte Miene zu gehn. »Adieu, Hoff,« sagte er, ohne diesem die Hand zu reichen.

Hoff tat, als merkte er es nicht. »Und wie ist's mit der Zeitung?«

»Vielen Dank ... aber es ist eine wunderliche Idee von Ihnen, daß ich schreiben können sollte! ...«

»Vielleicht doch ... ich habe nun einmal diesen Glauben ...«

»Übrigens nochmals Dank ... aber zu schreiben ... wie ich es fähig bin ... wäre gewiß nicht der Mühe wert!«

»Nun, nun ... ich will Sie nicht weiter plagen. Adieu, Hög ...«

Damit trennten sie sich.

Ein paar Tage später fuhr die Gräfin mit William aus. Nina hatte mitkommen sollen, war aber ausgeblieben.

Die erste Zeit fuhren sie schweigend die »Lange Linie« entlang zum Strandwege hinab. Jeder saß in seiner Ecke, auf das Polster zurückgelehnt, in dem geschlossenen Wagen. »Warum konnte Nina denn nicht mitkommen?« unterbrach die Gräfin das Schweigen.

»Weil ich es nicht haben wollte,« antwortete William kurz.

»Warum?«

»Erlasse mir, dir das zu sagen.«

»O ... ha ... ha ...« Die Gräfin zerrte nervös lachend an ihrem Batisttaschentuch, und hielt es dann halb vor den Mund: »Du meinst vielleicht, daß ich keine passende Gesellschaft für Fräulein Hög bin?«

»Eben das.«

Die Gräfin wurde bleich und griff nach der Wagentür. »Diese Ansicht ist dir etwas spät gekommen.«

»Zu spät.«

Es entstand eine Pause, die Blicke der Gräfin schweiften nachdenklich über den Sund.

»Herr Hoff hat sich wohl in Fräulein Hög verliebt?« fragte sie, sich plötzlich zu William umwendend.

»Nicht, das ich wüßte.«

»Und deine Bedenklichkeiten stammen nicht von ihm?«

William schüttelte verneinend den Kopf, als ob es ihm nicht erst der Mühe verlohnte, darauf zu antworten.

»Denn du sprachst ja neulich mit dem Herrn ...«

»Ja – wie du sahst.«

»Ein schöner Umgang!«

William wurde rot, biß sich in die Lippen, und sagte vor Erregung bebend: »Ja, dein alter Liebhaber!«

Es klang hart, wie ein Steinwurf.

Die Gräfin wurde leichenblaß, doch faßte sie sich gleich, und während sie nachlässig mit der Hand ein paar widerstrebende Haare aus der Stirn strich, sagte sie ruhig:

»Wer hat dir das gesagt?«

»Er selbst.«

»Ah!« Sie holte tief Atem, dann hob sie den Blick und ihm starr in die Augen sehend, sagte sie mit einem unbeschreiblichen Lächeln: »Und wenn dem so wäre ...?«

Eine Sekunde lang war William unter dem Hohn dieser Antwort wie erstarrt. Dann ballte er die Hand zur Faust und stieß halb tonlos die Worte hervor: »Ich schlage dich!«

»Das wirst du nicht – wagen

»Glaubst du?« Und bleich vor Zorn schlug er ihr mit der geballten Hand in's Gesicht.

Sie schrie auf. Er aber, bald stehend, bald in die Knie stürzend, fuhr fort sie mit beiden Fäusten in verzweifelter Raserei zu schlagen. Dazu rief er wie von Sinnen: »Dirne«, »Dirne« und schlug und schlug ...

Dann riß er die Wagentür auf und sprang auf den Weg hinab.


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