Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel

»Also Kotillon?« Mit diesen Worten gab William, sich tief verneigend, Fräulein Blom die fächerförmige Ballkarte zurück. Als er den Kopf hob, sah sie ihn flüchtig wie verstohlen an, und wie wenn Erröten etwas Ansteckendes hätte, wurden sie auf einmal beide rot. Das war nun so geradezu zur Gewohnheit geworden, daß Margarete Blom und William Hög jedesmal, wenn sie einander ansahn, erröteten ...

Dann ging er. Es war schwer vorwärts zu kommen, sich durch die tanzenden Paare hindurchzuwinden; bald stieß er an einen Ellbogen, bald mußte er eine Seidenschleppe mit dem Fuße fortschieben ... Die Damen saßen oder standen unter dem Kronleuchter. Ihre Fächer bewegten sich auf und nieder und bedeckten oder entblößten die Weiße der Schultern und die Schönheit des Halses.

»Entschuldigen Sie!« – Ein leichter Schlag auf die Schulter machte William sich umwenden. »Waren Sie es nicht, der neulich über die ›Arbeit‹ im Studentenverein sprach?«

William sah einen sorgfältig gekleideten, dunkelhaarigen Menschen mit großen, schwarzen Augen vor sich stehn.

»Ja, ich ...« das Weitere glitt in einer Verbeugung unter.

»Verzeihen Sie meine Kühnheit ... mein Name ist Hoff.

William verneigte sich nochmals.

»Ich muß Ihnen sagen, die Naivität freute mich, mit welcher ...«

Ein Herr zupfte Hoff am Frack. »Ja, ja, ich komme schon,« sagte er und lachte, »na, wir wollen uns später darüber aussprechen.«

Darauf wandte er sich um und wurde einer großen, blonden Dame vorgestellt, die William nur vom Rücken sah.

Herr Hoff war der Held des Abends, und er hatte nicht Zeit, lange an einer Stelle zu verweilen. Man holte ihn jeden Augenblick und zog mit ihm ab, um ihn einer Dame vorzustellen oder ihn mit einem Herrn bekannt zu machen, um in einer Ecke amüsant und in der andern boshaft zu sein.

Hoff war ganz plötzlich mit einem Male aufgetaucht, und zu gleicher Zeit war man seinem Namen überall begegnet: auf Theaterplakaten, auf Büchertiteln, in den Zeitungen und in Revuen. Und auch im Leben traf man ihn überall, und er gehörte zu denen, die man schwerlich übersehen konnte. Allerorten: auf der Straße, auf der Promenade, in den Theatern sah man diese überschlanke Gestalt mit dem bleichen, fast grauen Gesicht. Am öftesten begegnete man ihm fahrend, in die Ecke einer Droschke hingegossen, ganz zusammengefallen und allein. Er sah wie der »Tod von Lübeck« aus, ganz körperlos, wie er so mit dem fahlen Antlitz in seinem schwarzen polnischen Pelze fast verschwand. Manchmal fuhr er auch mit einem Freunde, einem Menschen, der genügend moralischen Mut hatte, sich öffentlich mit ihm zu zeigen, denn er war privat und öffentlich einer der meist umsprochenen Menschen. Wenn er mit Leuten zusammenkam, war er nervös lebhaft und sehr gesprächig.

Sein Name wurde mit dem einer bekannten Schauspielerin in Verbindung genannt, aber er huldigte auch noch anderen Göttinnen und hatte stets die Taschen voller rosa Billetdoux.

William hatte er von Anfang an interessiert, wenn auch seine Art, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und für sich Reklame zu machen, ihn zuerst irritierte. Und dasselbe, was William an Hoffs persönlichem Auftreten störte, stieß ihn auch an dessen Werken ab; es war ein Feuerwerk von Geist, ein Blitzen und Prunken mit guten Einfällen, die er verschwenderisch ausstreute, aber es fehlte ihm die Gabe oder der Wille, in Ruhe etwas Ganzes, Einheitliches zu schaffen. Eines Tages hatte ihn William in einem Vergnügungslokal getroffen. Er saß im Parkett und sah, wie Hoff in eine Loge trat. Er lächelte den Kellnern zu, ließ sich von dem einen den Pelz ausziehen, vom andern den Hut halten. Dann konnte er nicht gleich das Trinkgeld finden und füllte gleichsam die ganze Loge mit seiner Persönlichkeit und seinem Getue. Hierauf trat er an die Brüstung, nahm das Opernglas zur Hand, lorgnettierte ein paar Damen, dann studierte er das Programm, worauf er sich das neuste Witzblatt kaufte und sich an dessen Lektüre machte.

Aber dann sah William, wie er nach und nach in sich zusammensank. Die Züge wurden schlaff, die Gesichtsfarbe aschgrau; der ganze Körper brach wie unter einer Last von Müdigkeit zusammen. Es lag etwas Erloschenes, Ausgestorbenes über der ganzen Erscheinung.

Bald darauf wurde er von ein paar Freunden geweckt, und um 12 Uhr sah William sie alle zusammen mit zwei Damen fortfahren.

Man trat zur Polonaise an.

William stürzte zu Nina hin, die er zum ersten Tanz engagiert hatte, aber diese schritt gerade mit einem andern Herrn an ihm vorbei, während sie neckend ihren schwarzen Fächer wie abwehrend gegen ihn ausstreckte. So blieb er ohne Dame. Er ließ sich bequem in einem Sessel nieder und verfiel bald in Nachdenken.

»Sie kennen mich also wirklich nicht wieder?« sagte eine Damenstimme dicht neben ihm.

»Ja ... doch, gewiß, Frau Gräfin,« sagte er, verwirrt aus seinen Gedanken auffahrend, und zerrte nervös an seiner Uhrkette.

»Na, wenn Sie es nicht getan hätten, würde ich mich auch darein ergeben haben ... denn wir haben uns ja im ganzen nur einmal gesehn!« Sie setzte sich auf ein danebenstehendes Sofa.

William wußte nicht, was er eigentlich antworten sollte.

»Ja, Frau Gräfin, einmal ...« stammelte er verlegen.

»Und dieses eine Mal waren Sie sehr böse auf mich ...«

»Ich war sehr unglücklich, Gräfin Hatzfeldt,« antwortete er und setzte sich, ohne sie anzusehen, wieder hin.

»Und ich bewunderte Sie,« sagte die Gräfin nach einer Pause, während der sie, mechanisch in den Perlmutterschaft ihres Fächers beißend, nachdenklich dagesessen hatte. »Ich habe oft gewünscht, Ihnen wieder zu begegnen, um Ihnen mein damaliges Benehmen zu erklären, ein Benehmen ... das Sie gewiß sehr streng beurteilt haben ...«

Sie hielt inne. Als William nicht antwortete, fuhr sie weiter fort:

»Sie wußten ja nicht, daß ich eigentlich acht Tage in Hamburg bleiben sollte.«

»Nein ...«

»Aber, was sollte ich denn tun ... Ihr Vater war sehr krank, und ich war sehr ängstlich ...«

»Da verstanden Sie aber meisterhaft, sich zu beherrschen, Gräfin ...«

In den grauen Augen der Gräfin flackerte es eigentümlich auf. Sie lehnte sich etwas zurück und strich sich mit der Hand leicht über das aschblonde Haar. »Sie erregten schon damals mein Interesse,« sagte sie mit weicher Stimme. – »Sie waren nicht wie andre ...«

»Ich habe ja überhaupt nicht gesprochen ...«

»So etwas merkt man trotzdem ...« fuhr die Gräfin fort, ihn voll ansehend, »später hat mir Fräulein Falk von Ihnen gesprochen ...« Sie hielt plötzlich inne. William machte sich mit einem Album zu schaffen, das vor ihm auf dem Tische lag, und beugte sich tief darüber.

»Sie hat Sie sehr gelobt.«

Der Tanz war zu Ende, und ein Paar nach dem andern kam wieder zurück. Die Gräfin erhob sich, um eine Dame zu begrüßen. William fiel es auf, wie sehr sie sich beim Gehen in den Hüften wiegte.

Nina stand in einer Ecke des Zimmers und plauderte mit Gerson.

»Ich möchte dir gern etwas sagen,« flüsterte ihr William zu.

»Aha, Geheimnisse?« sagte Gerson und trat zur Seite.

»Das nicht gerade ... aber, Nina, du sollst nicht mit Hoff tanzen, und ...« er zögerte ein wenig, »Margarete auch nicht. Die Leute sprechen darüber.«

Nina fing zu lachen an.

»Warum denn nicht?«

»Mit solchen Herren tanzt man nicht.«

Es war spät geworden. Im Ballsaal war die Luft jetzt unerträglich warm, die Herren brachten Eiswasser herangeschleppt, und man schlug sich um die Likörbatterien. Die Damen wählten die kühleren Ecken bei den Fenstern, wo sie hinter den Gardinen im Halbdunkel versteckt saßen und ihre Fächer in großen Bogen auf und nieder bewegten. Eine Weile später setzte die Musik wieder ein, und man tanzte eifriger denn je.

William verneigte sich vor Margarete; es war das erstemal, daß er sie zum Tanz aufforderte.

»Ich glaubte schon, Sie haben mich vergessen,« sagte sie, indem ihr die Röte in die Wangen schoß.

Sie legte sich wie hingebend in seinen Arm. Er drückte sie ein wenig an sich. So standen sie einen Augenblick. Dann tanzten sie los; es war ein langsamer Walzer.

Sie sprachen nicht miteinander; Margarete hielt den Kopf etwas geneigt, die Augen auf den Boden gerichtet. William wandte keinen Blick von ihr. Wenn sich während des Tanzes einmal ihre Augen begegneten, lächelten sie sich beide zu.

»Welch herrliche Melodie ...«

»Herrlich ...«

Er legte den Arm fester um ihren Leib. »Es ist, als ob sie uns trüge ...«

Und während sie einander in die Augen sahen, tanzten sie unermüdlich weiter, bis die Musik plötzlich aufhörte. Sie waren das einzige tanzende Paar geblieben.

Margarete fuhr zusammen und machte sich schnell von seinem Arme los; sie war ganz rot geworden.

Als sie an ihren Platz kam, drückte sie die Hand gegen die Brust, sie hatte Stiche bekommen.

»Fräulein Blom tanzt ausgezeichnet,« sagte Hoff, an William vorübergehend.

Es wurde an kleinen Tischen gespeist. Nina hatte einen Baron Petersdorf zum Tischherrn, Gerson führte Margarete, William eine andre von Sophies Freundinnen. Sie saßen zusammen.

William saß zwischen der »Freundin« und Margarete. Diese hatte sich ganz zurückgelehnt, den Kopf auf das Sofapolster gelehnt, während Gerson sie fächerte. William war ganz schweigsam.

Sie hatten alle viel Champagner getrunken, besonders aber Margarete, der die Augenlider davon ganz schwer geworden waren.

Ein Diener kam mit Eis vorbei. William rückte seinen Stuhl, um ihm Platz zu machen, und kam dabei ganz nahe an Margarete heran, deren Fuß er berührte. Er sah sie an. Wie süß sie aussah, wie sie so ganz zurückgelehnt dalag, die Augen fast geschlossen, die samtweichen Wangen gerötet, die kleinen Hände auf ihrem Schoße ruhend! »Ach, wie das kühlt,« sagte sie, ohne sich zu rühren, zu Gerson, der sie, sich über sie beugend, fächerte.

Der Baron las einen Vers laut vor, den er in einem Knallbonbon gefunden hatte.

»Die Liebe kommt und besiegt uns alle –
Die Tugendhaftesten selbst bringt sie zu Falle.«

William sah unausgesetzt Margarete an; sie lächelte.

Nun wurde Galopp getanzt. Die Paare flogen und jagten ganz wild durch den Saal. Die führenden Herren mit ganz rotem Kopf, das Oberhemde zerknittert, den weißen Schlips verschoben oder bei einigen gar aufgegangen. Die Damen hatten ihre Schleppen hoch hinaufgenommen und lagen schmachtend in die Arme ihrer Tänzer hingegossen.

So schnurrten sie alle im Kreise herum, bis sie zuletzt mit kurzem Atem, halb ohnmächtig auf ihre Sofaplätze niederfielen.

Die Fenster standen offen und ließen die kühlende Nachtluft hinein.

Nun war Damenwahl. Margarete schwenkte mit Gerson vorbei; Gräfin Hatzfeldt kam durch den Saal geschritten und verneigte sich vor William.

Sie tanzten. Die Gräfin war größer als er; ihr blondes Haupt hielt sie etwas geneigt. Sie atmete schnell und lag fest, sehr fest in seinen Armen, während William den Pudergeruch ihres Halses einatmete.

Die Locken gerieten in Unordnung ... »Ach, das Haar!« sagte sie.

Er ließ einen Augenblick ihre Hand los und schlug die widerspenstige Locke zurück, die nach vorn über ihren Hals gefallen war. »Danke, es irritierte mich ...«

Sie tanzten noch eine Weile weiter. Endlich sagte sie: »Man kommt ganz außer Atem,« und so hörten sie auf.

Nun kam der Kotillon. William und Margarete hatten während des Soupers kein Wort miteinander gewechselt, nur ihre Blicke hatten gesprochen. Nun sollten sie zusammen tanzen.

Als er in das Kabinett trat, um sie zu holen, saß sie ein wenig faul und bequem auf dem Sofa zurückgelehnt und streichelte Ninas Arm. Es fiel William auf, daß etwas Müdes auf der ganzen Erscheinung lag.

Als sie ihn auf sich zukommen sah, stand sie auf (es kam ihm vor, als hätte er sie nie mit so strahlenden Augen gesehen), nahm seinen Arm und blieb so eine Weile, auf ihn gestützt, stehen.

Sie sprach dabei weiter mit Nina und vermied es, William anzusehen. Darauf gingen sie in den Tanzsaal.

Beide waren sie eigentümlich verlegen, wie ängstlich, und sprachen schnell über ganz gleichgültige Dinge, um ihre Befangenheit zu verbergen. Endlich kam die Reihe zu tanzen an sie.

Er tanzte heftig drauf los und schwang sie rund in dem Saal herum.

»Sie tanzen so schnell,« sagte sie.

»Das ist die Musik,« erwiderte er lächelnd und sah sie an. Es war sehr warm im Saale, aber er spürte trotzdem die Wärme ihres Atems, dessen Hauch ihn streifte. Ein andres Paar kam dicht vorbei, er mußte sie fester fassen, um diesem geschickt auszuweichen. Ihre Augen ruhten ineinander ...

Die Musik erschien ihnen wie ein ferner Gesang; das Getümmel ringsherum betäubte sie. Sie bekam fast Tränen in die Augen und mußte sie schließen ...

Williams Blick ruhte wie verzehrend auf ihrem Antlitz; er lauschte ihren stoßweisen Atemzügen. Sie hielt den Kopf etwas zurückgeneigt, das Kinn vorgestreckt. Und so lächelte sie zu ihm auf ...

Er fuhr fort, sich im Tanz zu drehen; er merkte es kaum selbst, aber er drehte sich immer rund, schneller und schneller.

Sie stöhnte fast und fiel an seine Brust. »Ich werde ohnmächtig, William ...« ihre Worte glitten in ein sanftes Lächeln über.

»Das ist die Musik,« wiederholte er.

Plötzlich blieb sie mit einem Ruck stehn. »Ich kann nicht mehr ... Wir wollen in den Korridor hinausgehen ... hier ist's zu warm.«

Sie gingen hinaus. Es war angenehm kühl im Gange draußen. »Ach, wie wohl das tut,« sagte sie, »drinnen war's so heiß.«

Nach einigen Schritten fragte er: »Wollen Sie sich nicht setzen?«

»Ja, ich bin müde geworden.« Sie ließ sich auf das rote Sofa fallen und drückte den kalten Stiel ihres Fächers gegen ihre Stirn.

Er setzte sich neben sie.

»Ach William, meine Schleppe! Geben Sie sie mir herauf,« sagte sie faul. Seine Hand streifte ihren Fuß, er nahm das Kleid vorsichtig auf und setzte sich wieder.

»Ich bin ganz wirr geworden,« sagte sie lächelnd, »das ist gewiß vom Champagner!«

»Ich trinke ihn so gern ... es geht mir nichts darüber ...«

»Ja, aber nachher ...« Sie sprach leise, wie müde, und lächelte zerstreut.

Man hörte die Tanzmusik von drinnen, die Schritte der Tanzenden, dazwischen ein undeutliches Summen. Ein Diener ging, ein Tablett tragend, eilig vorbei. Die Gläser darauf klirrten.

»Wie herrlich ist es, so still hier zu sitzen ...« sagte er, »so ganz still ...«

»Ja.«

Sie faltete die Hände über der Brust und wiegte den Kopf leise nach der Walzermusik, die gedämpft heraustönte. Einmal dazwischen öffnete sie die Augen und begegnete seinem Blick. Er saß ein wenig vorgebeugt und sah sie unverwandt an. Seine Augen glänzten fieberhaft. Die Musik hielt inne. Man hörte das Kommando des anführenden Tänzers: »Jede Dame wählt einen Herrn, jeder Herr eine Dame.« Dann setzte das Orchester wieder ein, und der Lärm begann von neuem.

»Ist das nicht der Amalienwalzer?«

William summte ein paar Takte mit. »Ja, ich glaube es ... Wollen Sie wieder tanzen?«

Sie hatte sich etwas aufgerichtet, und mit den roten Quasten des Sofas spielend, sagte sie plötzlich, ohne auf seine Frage zu antworten: »Kann man wirklich nicht mit Hoff tanzen?«

William wurde glühend rot und sagte verlegen: »Ich sehe es nicht gern, wenn Nina mit ihm tanzt.«

Margarete lachte. »Aber warum? Sie müssen doch einen Grund haben?«

»Weil« – er stotterte und suchte nach Worten – »das ist etwas ... etwas, was man so im Gefühl hat, Fräulein Blom.«

Margarete betrachtete die Spitze ihres weißen Atlasschuhs, den sie etwas vorgestreckt hatte: »Aber was er schreibt, ist doch wirklich schön!«

»Vielleicht ...«

»Blumentour – die Dame zwei Herren – die Dame zwei Herren!« schallte es hinaus.

Sie saßen eine Weile schweigend da. Seine Hand ruhte auf dem Sofabezug, neben ihrer Schleppe. Margarete legte sachte ihren Fächer darauf.

Er fuhr bei der Berührung des kalten Elfenbeins zusammen.

»Sind Sie böse?« fragte sie schmeichelnd.

»Warum sollte ich böse sein?«

Keiner von ihnen konnte sagen, wie es eigentlich zugegangen war, aber William hatte ihren Arm genommen und streichelte ihn.

Sie sprachen kein Wort mehr, sondern saßen dicht aneinandergeschmiegt, und er fuhr fort, ihren Arm leise zärtlich zu liebkosen.

Auf einmal erhob er sich halb und beugte sich über sie ...

»William!« – es klang wie ein Seufzer. Er suchte ihren Mund und küßte sie sanft.

»Margarete ...«

Eine Träne rollte über ihre Wange. Sie wischte sie nicht fort. »Gehen Sie, William,« sagte sie leise, »ich bitte Sie ... gehen Sie ...«

Er sah sie an und lächelte, den Kopf verneinend schüttelnd, dann beugte er sich wieder über sie und küßte schnell ihren Hals.

»Lassen Sie mich los,« sagte sie erschreckt und stieß ihn von sich. William kam zur Besinnung und sah sich um. Niemand war auf dem Gange. Sie blieben lange schweigend und glücklich so nebeneinander sitzen. Dazwischen ab und zu begegneten sich ihre Blicke und blieben ineinander ruhen. Auf einmal lachten sie auf, ganz kurz, ohne Grund, und Williams Hand suchte die ihrige und drückte sie warm.

Nach und nach fielen sie in Gedanken. William fuhr fast erschrocken auf, als sie plötzlich sagte: »Es ist nur so seltsam ...«

»Was denn?«

Sie zögerte erst mit der Antwort und spielte mit der Sofaquaste, dann sagte sie schnell, wie gefaßt: »Daß Sie Schauspieler werden wollen!«

William wurde bleich, griff sich mit der Hand an die Brust und sagte leise wie halb erstickt: »Warum finden Sie das so seltsam? ... Glauben Sie nicht an mein Talent?«

»Nein, es ist nicht das ...« sagte sie ausweichend. Er saß leichenblaß da und starrte sie mit einem so geistesabwesenden Ausdruck an, daß sie, von plötzlicher, unbestimmter Angst erfaßt, ihn am Arm faßte: »Tut Ihnen das so weh?«

William riß sich los. »Weh genug,« antwortete er.

Er hielt den Kopf gesenkt, ohne sie anzusehen. Diese wenigen Minuten, während er so schweigend, in sich versunken dasaß, erschienen ihr wie Ewigkeiten, und plötzlich durchfuhr sie ganz blitzartig der Gedanke, daß während dieser kurzen Spanne Zeit William Hög ihr langsam entglitt ... unwiderruflich ...

Und wie in Todesangst legte sie ihren Arm auf seine Schulter, wollte ihn wecken, ihn aus seinem Brüten reißen ...

»Wollen wir nicht tanzen?« fragte sie sanft, fast demütig.

»Ja, ja, tanzen wir ...« Er raffte sich auf, bot ihr den Arm und ging schnellen Schrittes aus die Saaltür zu.

Als Margarete nach Ende des Kotillons wieder auf ihren Platz gekommen war, wischte sie eine Träne mit dem Handschuh fort.

Gräfin Hatzfeldt saß vor einem der Pfeilerspiegel, als William vorbeiging.

»Scheiden wir als Freunde?« fragte sie und machte Miene, aufzustehn.

»Wir sind nie Feinde gewesen, soviel ich weiß, Frau Gräfin?«

»Ich glaube doch noch immer ... daß Sie mir etwas nachtragen ... Na – ich muß mich halt drein ergeben ... Wollen Sie mir Ihren Arm reichen, ich will auch aufbrechen ...«

Im selben Augenblick zeigte sich der Diener der Gräfin in der Tür.

»Ah, da ist ja Friedrich!«

Sie nahm ihre Schleppe auf, ließ sich von dem Bedienten ihren großen Pelzmantel umlegen und reichte darauf William, sich verabschiedend, die Hand.

»Glauben Sie mir – Sie haben eine Freundin an mir,« sagte sie mit warmem Blick. William wurde ganz eigentümlich verwirrt von diesem Händedruck und Blick. Er verneigte sich tief. »Und wenn Sie einen Freund brauchen sollten – denken Sie an mich!« Sie nickte ihm noch einmal zu und ging dann, vom Diener gefolgt, die Treppe hinunter.

Als William bald danach aus dem Hause kam, fand er Hoff vor der Tür stehend, der sich eine Zigarette drehte.

»Wohin sollen Sie?« fragte Hoff.

»Nach ›Kongens Nytorv‹ zu.«

»So ... da können wir ja zusammengehen.«

Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Hoff pfiff vor sich hin und stampfte energisch auf, um sich die Füße warm zu halten. Es war tüchtig kalt.

»Kennen Sie die Gräfin Hatzfeldt?« fragte er nach einer Weile, »die große, blonde?«

»Ich habe sie nur einmal früher gesehn ... in Hamburg auf einer Reise.«

»Soo« – Hoff pfiff ein paar Takte vor sich hin, »es sah so aus, als ob sie sich für Sie interessierte ... doch übrigens ... will das nicht viel sagen – – die Gräfin interessiert sich überhaupt ganz ungemein für junge Menschen!«

»Wo ist denn der Graf?«

»Der Graf? Liebster, der ist tot.«

»Tot? ... Da ist sie also Witwe ... So, das dachte ich nicht.«

»Das ist sie aber wirklich, bester Herr Hög. ... und noch dazu wohlverdient ... Sie hat Seine Exzellenz nach einer dreivierteljährigen Ehe glücklich unter die Erde gebracht. Es war schon ein älterer Mann, sehr verliebt ...«

»Kennen Sie die Gräfin näher?« unterbrach ihn William.

Hoff lachte. »Nein, nein ich wurde ihr ja erst heut abend vorgestellt.«

Und nach einer Weile fügte er nachdenklich hinzu: »Aber ich habe viel von ihr gehört – – von einem Freunde.«

William war der Kopf ganz schwer von all den Eindrücken des Abends, es strengte ihn geradezu an, zu sprechen. Er bemerkte es kaum, daß Hoff an der Ecke bei einer Gaslaterne stehenblieb.

»Hier wohne ich,« sagte Hoff.

William fuhr aus seinem Brüten auf. »Schon,« sagte er, und zumeist aus dem Gefühl heraus, doch etwas sagen zu müssen, um nicht unhöflich zu sein, fragte er: »Warum war es so naiv von mir, jene Rede zu halten?«

»Du lieber Gott ... es war im Grunde nur liebenswürdig von Ihnen, aber Sie hätten ebensogut chinesisch reden können!«

»Das versteh' ich nicht.«

»Das tut nicht viel ... im übrigen ist es auch nicht so einfach zu verstehn ... mein Gott, um arbeiten zu können, muß man doch erst den Glauben haben, auch wirklich etwas auszurichten, ich meine ... um ernstlich zu arbeiten, sich einer Sache zu widmen, vor allen Dingen zu beginnen ... und diese Generation ... ach, du lieber Himmel! ...«

Sie waren in eine Seitenstraße eingebogen, William ging mit, ohne es selbst zu wissen.

»Aber haben sie denn nicht angefangen ...«

Hoff unterbrach ihn. »Ja, zu reden. Aber mit Redensarten kommt man nicht weit. Das heißt, den Praktikern unter ihnen tue ich unrecht. Die haben ja etwas, wofür sie leben, die greifen fest zu und verfolgen ihren Plan. Meine Schulkameraden z. B. Neulich fragte ich einen, ob er ›Nils Lyhne‹ gelesen hätte. Nein, er las solche Bücher nicht, bis er sein Examen gemacht hatte ...«

William lachte.

»Nein, lachen Sie nicht. Der Mann hat ja recht. Das ist eben dieser Typus, den ich ›Praktiker‹ nenne. Während ihrer Universitätzeit studieren sie sechs Stunden täglich und versäumen nie ein Kolleg. Natürlich, Gott bewahre, besuchen sie nie ein anderes wie eins ihres Fachs. Und wenn sie ihr Examen gemacht haben, suchen sie sich eine einträgliche Klientel zu gründen und unterhalten einen vernünftigen gesellschaftlichen Verkehr ... teils zu diesem Zwecke, teils um die passende Frau zu fischen ...«

»Sie übertreiben ...«

»Aber keineswegs. Diese Leute haben meine volle Bewunderung. Sie wollen es eben zu etwas bringen – das ist doch immerhin was!«

»Und gibt es für diese Leute etwas, an das sie glauben, wofür sie leben?«

»Bester Herr Hög, was sind Sie für ein Idealist! Diese Leute ... glauben, daß das Leben etwas Angenehmes ist ... und ich könnte darauf schwören, daß die meisten von ihnen das Jammertal hienieden mit dieser Überzeugung verlassen – –«

Sie waren vor der niedrigen Tür eines alten, grauen Hauses stehengeblieben. »Hören Sie, wollen Sie nicht noch ein bißchen zu mir heraufkommen? Ich habe Feuer in meinem großen Kachelofen, und ich glaube ... noch eine Flasche Champagner im Büfett – –«

William hatte die Empfindung, daß dies eigentlich zuviel war. Trotzdem nahm er das Anerbieten an; er fühlte das Bedürfnis, mit jemandem zusammen zu sein, vor dem Alleinsein graute ihm.

Hoff zündete ein Streichholz an. »Fallen Sie um Gottes willen nicht; die Treppe ist schrecklich!«

William stolperte über ein paar äußerst unregelmäßige Stufen; endlich waren sie glücklich oben. »Ich mache gleich Licht, nur einen Augenblick Geduld ... bitte!«

Beim Öffnen der Tür schlug William eine warme, stark parfümierte Luft entgegen. Hoff machte sich mit der Hängelampe zu schaffen.

»Sehen Sie,« sagte er, während er diese anzündete, plötzlich wieder den Faden ihrer vorherigen Unterhaltung aufnehmend, »ihr Glück ist, daß sie keine Leidenschaften haben. Der Himmel mag wissen, wie das möglich ist, aber sie haben faktisch keine; deshalb können sie eben die Regulierung ihres Lebens ihrem Hausarzt überlassen. Aber« – er setzte die Kuppel auf die Lampe – »um etwas Neues zu schaffen ... dazu gehören andre Kerls wie solche Fischmenschen.«

Er half William den Überzieher ausziehen. »So, jetzt setzen Sie sich gemütlich nieder, ich komme gleich mit dem Wein.«

William fand, daß er kaum atmen konnte, so stark war das Zimmer parfümiert. Er ging vor den Schreibtisch und sah sich die Photographien an, die fast das ganze Möbelstück bedeckten. Während er sich über das eine der Bilder beugte, um es besser zu betrachten, kam Hoff mit der Champagnerflasche und zwei Gläsern in den Händen herein.

»Sie trinken doch wohl Champagner? – Ich für mein Teil trinke im Winter überhaupt nichts anderes.« Er kam auf William zu. »Aha, Sie machen mit meinem Umgangskreise Bekanntschaft, sehe ich,« sagte er, auf die Bilder zeigend, »eine schöne Sammlung!«

»Ich kenne die meisten vom Sehen ... von der Straße her.« »Ja, das ist begreiflich. Aber wir wollen uns lieber setzen, ich stehe so ungern.«

Er schob einen Schaukelstuhl zum Ofen und bot ihn William an; er selbst ließ sich in einen Lehnstuhl nieder, wo er sich zwischen einige Kissen hineinwühlte und die Füße gegen die Ofenkacheln stemmte.

»Wie herrlich ist's doch, so gut und gemütlich bei sich zu Haus zu sitzen!

Eine Weile schwiegen sie beide, jeder in seine Gedanken versunken. Dann stand Hoff auf einmal auf, nahm ein Fläschchen zur Hand, dessen Inhalt er sich über den Rücken goß.

»Wir haben schwache Rückgrate in der Hoffschen Familie,« sagte er, »die muß man von Zeit zu Zeit ein bißchen stärken.«

William hörte es nicht, er war ganz von seinem eigenen Gedankengange eingenommen. Hoff ging im Zimmer auf und nieder. Plötzlich fragte er: »Und Sie? Welche Absichten haben Sie sonst noch, die abgerechnet, um Fräulein Blom zu freien?«

»Die alle haben – etwas zu werden!«

»Hm – na, sagen wir, etwas mehr als die andern zu werden! Sonst stellt man sich nicht hin, um eine Lanze für die Arbeit zu brechen ...«

William wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Hoff fuhr fort: »Ich will mich Ihnen nicht aufdrängen, lieber Hög, aber ich dachte nur, daß es gut für Sie wäre, sich mit jemandem über Ihren Lebensplan auszusprechen ...«

Es war etwas Mildes in Hoffs Ton, was sonst nicht in seiner Redeweise zu liegen pflegte; William wurde davon ganz gerührt. »Keiner glaubt an mich,« entrang es sich ihm leise, »niemand, niemand!«

»Ach darum sollten Sie sich doch nicht scheren – dazu ist die liebe Welt nie sehr geneigt. Aber Sie selbst – glauben Sie an Ihr Talent?«

William antwortete erst nicht. Er biß sich in die Lippen, um seiner Bewegung Herr zu werden. Aber plötzlich riß er sich von Hoff los, der seinen Arm gefaßt hatte, und rannte durchs Zimmer.

»Das ist ja eben das einzige, woran ich glaube,« rief er aus, schwieg dann und warf sich auf das Ecksofa. »Das Ganze beruht ja darauf – ich könnte nicht so leben wie die andern – nein, ich könnte es nicht. Ich muß etwas haben, woran ich mich halten kann, sonst ist alles so leer, so leer, und ich hätte nicht die Kraft, mich zu irgend etwas aufzuraffen. Aber so ist es eben, daß die andern nicht daran glauben wollen, gar keiner, und wenn sie recht haben, und es geht schief ... so ist alles vorbei – –.« Er nahm den Kopf in beide Hände.

»Das ... woran ich glaube, hat mich nun bald fünf Jahr aufrechterhalten ... Ich habe dafür gelebt, nur dafür gelebt. Sehn Sie, ich bin kein gesunder Mensch – des Nachts hab' ich Halluzinationen, und ich huste und dergleichen angenehme Dinge mehr. Aber ich habe dagegen angekämpft und gearbeitet ... mit äußerster Kraft, weil ich glaubte – aber, wenn ich mich nun geirrt habe – so – – so – ja, so ist's vorbei mit mir ... Es ist wahr, ich bin in Margarete Blom verliebt gewesen schon seit lange ... wie schön ist sie auch ... so frisch und lieb ... Wir haben einander jeden Tag gesehn – – –. Wissen Sie, manchmal – in diesen Jahren, wo ich gegen meine Schwächlichkeit ... wie gegen wilde Tiere gekämpft habe – wo ich so viel gelitten und meist schlaflos war, hab' ich mich des Nachts auf die Knie geworfen und nach jemandem geschrien, der an mich glaubte – bloß einen, der glauben wollte ... Ich hab' geradezu einen brennenden Durst danach empfunden ... ein so schneidendes Einsamkeitsgefühl ... und da kommt sie heut ... nein, nicht einmal sie – nein – nein – nein ...«

Er hielt inne, riß das Taschentuch aus der Tasche und schluchzte laut. Hoff stand neben William, legte seine Hand sanft auf dessen Haar und streichelte es. William entzog ihm den Kopf, als ob die Hand ihn drückte.

»In Teufels Namen, Mensch, so zwingen Sie doch die Leute, an Sie zu glauben, leisten Sie etwas ...«

Hoff kämpfte mit seiner Rührung und wandte sich nach dem Zimmer zu, um sie zu verbergen. Er öffnete den Flügel und schlug ein paar Akkorde an.

William lag mit dem Kopf gegen das Polster des Sofas gedrückt und schluchzte herzbrechend.

Hoff fing an zu spielen. Dazwischen lauschte er zu William hinüber und merkte, daß nach und nach das Weinen ruhiger, schwächer wurde.

Er fuhr fort, zu spielen. Es war eine wehmütige, klagende Melodie, wo die Töne unter Hoffs weichem Anschlag gleichsam leise aufseufzten. Zuletzt erstarken sie in einem wie hingehauchten Akkorde.

»Was war das?« fragte William.

»Eine Elegie von Rubinstein.«

»Wie schön ... es tat mir so wohl ...«

»Ach ja, ein Flügel ist doch eine angenehme Sache ...«

Eine Zeitlang sprach keiner von ihnen. Endlich sagte William, wie um sich loszureißen: »Das ist doch eine merkwürdige Zusammenstellung ... diese drei Büsten da ...«

»Ja, ich weiß, das finden die meisten,« antwortete Hoff und sah sich um, »ich finde nun gerade im Gegenteil, daß die drei da zusammengehören ... Der Meister, dessen Hirn sich diese Dame ausgedacht hat,« er zeigte auf die Venus, »ist wirklich ein Genie gewesen. Er machte die Liebesgöttin zu einer Schicksalsgöttin. Du guter Gott, und die Leute halten diese Statue für eine heitere Figur ... na, jeder hat seine Ansichten ...«

Er goß sich Champagner ein und ergriff das Glas.

»Nein, diese ist wahrlich kein Weib, der man Blumen opfert; die verlangt Menschenleben. Das ist's, was der Künstler uns sagen wollte. Moloch oder Venus victrix – ich möchte wissen, wem von den beiden die meisten Leben geopfert werden? Ja, dieses Weib will Menschenopfer ... Wieviel Blut und Tränen sind für die schon geflossen! Ich wüßte keine Statue, die besser zum Pendant für Niobe, die Göttin des Schmerzes, paßt ...«

»Und Antinous?«

»Der ist für mich eine der rührendsten sympathischsten Gestalten. Ich scher mich den Teufel um die Sage – das ist sicher nur dummes Gewäsch ... Nein, ich glaube, daß dies Bildwerk einen armen, unglücklichen Jungen darstellt, dem man mehr zu tragen gegeben haben muß, als er aushalten konnte, ein frühes Leid, zu frühreife Erfahrung, ein großes Geheimnis, dessen Last ihm die jungen Schultern wund drückte, oder was weiß ich ... So viel ist sicher, daß die Bürde zu schwer für ihn war, und so preßte er den Mund fest zusammen, um seine Schmerzensschreie zu ersticken, und legte des Nils und Acherons Wasser zwischen die Welt und sich – – Sie sehen, wie die Büsten auf diese Weise gut zusammenpassen ... Ihr Gemeinsames ist das »Leid.« ...«

William stand auf und holte sich seinen Überzieher. »Wollen Sie gehen?« fragte Hoff.

»Es ist ja halb sechs!«

»Wirklich ... ja, die Zeit vergeht.« Er half William beim Anziehen des Paletots, blieb einen Augenblick nachdenklich stehen und sagte dann: »Und was soll morgen werden?«

William holte tief Atem. »Morgen fange ich an ... ich habe nun den festen Entschluß gefaßt ... Ich will Schauspieler werden.«

»Ich dachte mir's.«

William stand noch ein paar Augenblicke wie zögernd da. Dann reichte er Hoff die Hand. »Gut' Nacht,« sagte er warm, »und Dank für diesen Abend.«

»Gut' Nacht, Hög – kommen Sie bald wieder.«

William schloß die Tür, und Hoff trat in das Zimmer zurück. Er machte ein paar Briefe auf, die auf dem Schreibtisch lagen, ergriff dann ein Paket Korrekturbogen und machte sich daran, sie durchzugehen. Aber er kam nicht vorwärts; die Gedanken schweiften ab. Zuletzt warf er die Arbeit zusammen. Lange blieb er, mit dem Kopf auf die Hände gestützt, in Gedanken verloren, sitzen und starrte in die Lampe. Endlich stand er auf und ging heftig im Zimmer auf und nieder – auf und nieder.

Dann blieb er wieder vor dem Schreibtisch stehn, schloß eine kleine Schublade auf und nahm ein Bild heraus. Er hielt es unter die Lampe und betrachtete es lange.

Als am nächsten Morgen Hoffs Wirtin hereintrat, saß er noch immer bei der brennenden Lampe und schrieb.

»Aber Gott im Himmel, Herr Hoff, Sie sind ja heut nacht gar nicht zu Bett gewesen ...« sagte sie vorwurfsvoll besorgt.

»Ach, es wurde so spät, Frau Lund ... und dann hatte ich auch grade so gräßlich viel zu tun ...«


 << zurück weiter >>